Ein Spaziergang mit dem zukünftigen Tiro

  • Von der Casa Decima weg marschierten Livianus und der junge Aelier, der im kommenden Jahr sein Tirocinium bei ihm beginnen wollte, in Richtung Standzentrum. Ein konkretes Ziel hatte der Decimer dabei nicht. Er wollte sich lediglich die Beine etwas vertreten und den Spaziergang an diesem, für diese Jahreszeit ungewöhnlich milden Herbsttag genießen. Und natürlich wollte er die Gelegenheit nutzen den Sohn seines Patrons etwas besser kennenzulernen.


    "Also Paetus. Bis dein Tirocinium beginnt ist natürlich noch etwas Zeit. Ich dachte mir wir machen das Zeitgleich mit meiner Ernennung zum Consul. Jedoch wollte ich Gelegenheit nutzen, um dich schon davor ein wenig kennenzulernen und dich vorab ein wenig in die Vorbereitungen für mein Consulat einzubinden. Was kannst du mir also über dich erzählen? Du hast die meiste Zeit deiner Kindheit nicht in Rom verbracht. Ich nehme an du warst bei deiner Mutter auf einen eurer Landsitze? Wie geht es ihr eigentlich?"

  • “Ja, dass stimmt, Senator. Bis vor rund zwei Jahren habe ich auf dem Landgut meiner Familie bei Misenum gelebt. Die längste Zeit meiner Jugend war ich dort, zusammen mit meiner Mutter. Als ich sie zuletzt sah, da ging es ihr sehr gut. Aber sie meidet Rom und zieht inzwischen das beschauliche Landleben vor. Natürlich kenne ich die Stadt Misenum selbst und wir waren auch manchmal in Cumae oder Neapolis, ein paarmal auch in Capua und sicher vier- oder fünfmal in Beneventum. Aber Rom ist natürlich viel größer, dass Zentrum der Welt und unvergleichlich. Ich hatte gute Lehrer, mein Vater war darauf bedacht, mir eine umfassende Bildung zuteil werden zu lassen und hat mich auch selbst viel gelehrt, seit ich bei ihm bin. Dennoch muss ich gestehen, dass es für mich noch viel zu erfahren gibt und manches neu ist. Darum bin ich sehr froh darüber, bei dir ein Tirocinium absolvieren zu dürfen.“

  • "Das ist doch selbstverständlich. Du scheinst ein kluger junger Mann zu sein und bist immerhin der Sohn meines Patrons. Ich verdanke deinem Vater und seiner Familie einiges und bin daher auch froh über die Möglichkeit, es in irgendeiner Art und Weise zurück zu geben."


    Livianus klopfte dem jungen Aelier auf die Schulter, während die beiden Männer gemächlich einen Schritt vor den anderen setzten und sich immer weiter in Richtung Stadtzentrum bewegten. Angespornt von den Erzählungen Paetus begann auch er ein wenig in alten Erinnerungen zu schwelgen.


    "Auch ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich zum ersten Mal Rom besucht habe. Ich war damals ein junger Probatus der Legio IX und durfte meinen Vetter, den Triumphator Decimus Meridius als dessen Leibwache zur Hochzeit von Vinicius Hungaricus und seiner damaligen Verlobten Corn……"


    Livianus stockte plötzlich in seinem Redefluss. Nach einer kurzen Schrecksekunde realisierte er, das es in seiner Erzählung um Paetus Mutter ging. Vermutlich wusste der junge Mann, dass Adria vor der Heirat mit seinem Vater eine Verbindung mit Hungaricus hatte. Aber vielleicht auch nicht.


    "….einer Cornelia nach Rom begleiten."


    Den Rest der Geschichte ließ er sicherheitshalber weg und kam stattdessen zum eigentlichen Punkt seiner Erzählung.


    "In der Zwischenzeit bin ich jedenfalls weit herumgekommen und habe viel gesehen. Sogar Alexandria habe ich für wenige Tage kennengelernt, was einem Senator eigentlich verboten ist, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls ist wahrlich nichts zu vergleichen mit Rom. Doch ich kann dir versichern es wird auch Zeiten geben, an denen du froh sein wirst der ewigen Stadt den Rücken kehren zu können oder es dir zumindest wünschen wirst."

  • “Oh, ja, dass nichts Rom gleichkäme, das sagt mein Vater auch immer. Er findet, es sei der einzige Ort, an dem es sich für einen Römer wirklich zu leben lohnt.“


    Es ging leichten Schrittes weiter, denn ihr Weg führte sie hügelabwärts in Richtung des Forum Romanum.


    “Außerdem möchte ich eines Tages den Cursus Honorum beschreiten. Es ist wichtig für mich, die Stadt gut kennen zu lernen.“, sagte er etwas geistesabwesend.
    Denn seine Gedanken galten seiner Mutter, die Livianus eben erwähnt hatte. Als Sohn wollte man sich die eigene Mutter für gewöhnlich wohl nicht anders vorstellen. Treusorgende Ehefrau und Mutter, ja, dieses Bild war einem Sohn am gefälligsten. Doch natürlich wusste Paetus, dass sie seinen Vater in zweiter Ehe geheiratet hatte und auch wenn sie selbst niemals mit ihm darüber gesprochen hatte, so hatte er doch andeutungsweise davon gehört, dass der besagte Vetter Meridius, der Triumphator, den man den 'Stier von Tarraco' nannte, dass dieser Decimus Meridius ebenfalls zu den Verehrern seiner Mutter gehört hatte. Aber, nun ja, vielleicht war es auch nur ein haltloses Gerücht.

  • "Ich kann dir bereits jetzt versichern, dass du die besten Voraussetzungen für den Cursus Honorum mitbringst und deinen Vater bestimmt stolz machen wirst. Ich hoffe, dass auch ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dich darauf vorzubereiten."


    Einen dreifachen Consular als Vater, einen dahingeschiedenen Kaiser zum Onkel und nicht zuletzt als Angehöriger der Nobilitas waren es mehr als gute Voraussetzungen selbst eine große Karriere vor sich zu haben. Livianus war sich schon jetzt sicher, dass dieser junge Aelier noch eine große Zukunft vor sich hatte. Er war daher alles andere als unglücklich darüber, Paetus bereits jetzt auf diesem Weg unterstützen zu können. Vielleicht würde sich der junge Mann irgendwann am Höhepunkt seiner Karriere angelangt positiv daran zurückerinnern.


    "Ich möchte mit dir heute gerne einige Punkte vorab besprechen, bei denen du mir nach meiner Ernennung zum Consul sehr behilflich sein kannst. Ich denke, dass es für dich sehr lehrreich sein wird und du davon für deine eigene politische Zukunft sehr profitieren kannst. Wie ich bereits bei unserem gemeinsamen Essen mit deinem Vater kurz erläutert habe, möchte ich mich der Fertigstellung des Ulpianums annehmen. Da dein Vater sehr in die bisherige Arbeit involviert war, wäre es mir eine große Hilfe, wenn du dir sein Wissen aneignen und mich diesbezüglich unterstützen könntest. Es gibt bestimmt auch noch alte Unterlagen oder Protokolle, die dein Vater archiviert hat. Vielleicht könntest du ihn bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen.


    Die nächsten Tage verlangen von mir leider sehr viel Zeit für die Vorbereitung der Amtseinsetzung. Auspizien gehören beauftragt, eine Salutatio und der Processus Consularis mit der anschließenden traditionellen Opferung gehören geplant. Ich würde daher Vorschlagen, dass wir danach gemeinsam die Baustelle des Ulpianums besichtigen und mit dem verantwortlichen Bauleiter sprechen. Vielleicht findest du bis dahin die nötige Zeit dich mit deinem Vater zu unterhalten."





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  • “Ja, Senator, gerne. Wir haben damals fast alle Schriftstücke meines Vaters mit nach Mantua genommen. Das Meiste liegt jetzt in Kisten verstaut im Haus der Germanii. Die Suche wird etwas mühselig, aber wenn es noch Unterlagen gibt, und ich bin mir fast sicher, dass es so ist, dann werde ich sie finden.“

  • "Das klingt sehr vielversprechend. Ich danke dir dafür." nickte der Decimer zufrieden.


    Da der junge Aelier Mantua gerade angesprochen hatte, bot sich für Livianus die Gelegenheit, nach einem Kapitel in seinem jungen Leben zu fragen, das er bisher auch gegenüber seinem Patron noch nicht erwähnt hatte. Dennoch interessierte es Livianus sehr, wie die Aelier den Bürgerkrieg versteckt vom Rest der Welt und doch so Nahe an Rom unbeschadet überstanden hatten.


    "Ich habe bereits gehört, dass ihr euch den Bürgerkrieg über in Mantua aufgehalten habt. Warum eigentlich ausgerechnet Mantua? Warum wollte dein Vater nicht weiter in den Norden? In Italia, so nahe im Einflussbereich des Vesculariers. Das war doch viel zu gefährlich."





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  • “Eine weitere Reise hätte meinen Vater sehr angestrengt, noch mehr, als es für ihn sowieso schon war.“


    Am schlimmsten war es für den alten und standesbewussten Mann jedoch gewesen, dass er sich als Sklave hatte verkleiden müssen. Das hatte er wirklich sehr ungern getan und erst nach langem Drängen. Kurz überlegte Paetus, ob er das Livianus gegenüber erwähnen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Dieser Umstand war seinem Vater sehr unangenehm, weil es ihn beschähmt hatte.


    “Außerdem hatten wir sehr viel Gepäck dabei, gleich drei Wagenladungen voll. Es gab zwar die Idee, stattdessen nach Aegyptus zu gehen. Aber wir wussten nicht, ob der Usurpator bereits die Häfen überwachen ließ. Wir wären sehr aufgefallen. Darum schied der Seeweg aus. Mantua aber vor allem aber deshalb, weil dort die I. Legion stationiert ist. Der damalige Legatus Legionis, Titus Aurelius Ursus, ist ein Freund meines Vaters. Wir hofften darauf, dass er uns mit seiner Legion Schutz gewähren würde. Und, nun, letztlich war es auch so, obwohl die Erste dann nicht dort, in Mantua geblieben ist, sondern in den Krieg zog. Die längste Zeit haben wir im Haus einer alten Witwe gewohnt. Wir sind nicht viel raus gegangen. Wir wollten nicht auffallen. Ich danke den Göttern, dass sie uns gewogen waren. Am Ende ist uns nichts geschehen.“

  • Die Erklärungen seines zukünftigen Tiros klangen sehr einleuchtend und Livianus nickte daher zwischendurch verständnisvoll. Das mit dem Gepäck konnte er sich bildhaft vorstellen. Wie Paetus zuvor bereits bestätigt hatte, war sein Vater nicht gerade jemand, der sich gern von seinen Dingen trennte. Waren es nun Schriftstücke, Bücher oder die beim Essen erwähnten Oleanderbüschen, die er vermutlich auch auf die Karren gepackt hätte, wenn es möglich gewesen wäre.


    "Wir danken alle den Göttern, dass ihr diese Tortur unbeschadet überstanden habt. Was ist eigentlich aus Aurelius Ursus geworden? Ich habe gehört er wurde bei der Schlacht um Vicetia schwer verletzt. Da mein Verhältnis zu den Aureliern aber im Moment nicht gerade das Beste ist, konnte ich nicht näher nachfragen. Habt ihr etwas von ihm gehört?"











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