Officium Der neue Herr

  • Die ganzen Räume hier können einen schon verwirren, dachte Apolonia, während sie gebannt auf die Türe zum Officium starrte. Wer mochte sich dahinter wohl verbergen?
    Ihre Aufregung spürte sie nun doch, vor allem, an ihrem schneller werdenden Herzschlag. So ein Besitzerwechsel konnte einen schon ganz schön aus der Bahn werfen.
    Schnell noch einmal überall herum zupfen und über die Haare streichen, ging schon fast automatisch bei Apolonia.

  • Wäre Apolonia nicht zufällig ein Geschenk für ihn gewesen, hätte sich der alte Claudier nicht damit aufgehalten, die Ankunft einer neuen Sklavin persönlich zu erleben. Nun trieb ihn aber der Respekt vor der ungewöhnlichen Geste seines Geschäftspartners ebenso wie ein Quäntchen Neugier dazu, sich aus dem Arbeitsstuhl zu erheben, um das Geschenk aus der Nähe begutachten zu können. Sein Augenlicht erwies sich zwar noch als gut, aber Abstriche musste selbst er im Verlauf seines Lebens machen.
    Mit einem Wink wies er den Sklaven, der ihm die Meldung überbrachte, an, die Tür zu öffnen und Apolonia hereinzuschicken. Menecrates blieb in der Mitte des Raumes stehen und wartete gespannt.

  • Die Türe öffnete sich, der Sklave machte ein Zeichen und Apolonia trat ein.
    Mit einem unzählige male geprobten Lächeln, schaute sie auf, wie sie annahm, ihrem zukünftigen Herren.
    Es hätte schlimmer kommen dachte sie nach ihrer ersten flüchtigen Begutachtung. Für sein Alter scheint er noch sehr rüstig zu sein aber eher der Typ Asket.
    „Dominus, mein Herr schickte mich zur Villa Claudia, nur mit dem Hinweis, dass ich ein Geschenk für den den Pater Familias, Claudius Menecrates wäre. Ich nehme an ich stehe jetzt vor ihm.“ Mit einem kecken Lächeln, strich sie eine angeblich in die Stirn gerutschte Haarsträhne zurück.
    Sie hoffte er erwartete jetzt kein unterwürfiges Kopf senken, damit hätte sie dann schon den ersten Fehler begannen. Es war aber auch zu ärgerlich, dass alles so schnell gehen musste. So hatte sie keine Zeit mehr, sich vorher genauer über die Claudier zu informieren. Bestimmt wäre ihr Auftritt dann besser gewesen.

  • Für den Augenblick widmete Menecrates seine Aufmerksamkeit ganz der Situation, obwohl er zuvor noch gut vernehmlich über den Verlust eines seiner wichtigsten Hilfsmittel zur Bearbeiutng von Bauplänen geschimpft hatte. Der Ständer, auf dem er die Papyrusrollen verwahrte und an dem er zeichnete, wieder durchstrich und erneut berechnete, war von einem Moment auf den anderen zusammengeklappt und hatte die aktuelle Papyrusrolle mit sich gerissen und begraben. Mit diesem Knitterwerk konnte man nichts mehr anfangen. Über solch ungebetene Hindernisse konnte sich der Claudier selbst noch im hohen Alter erheblich aufregen. Sie kosteten ihn Zeit, verursachten Aufwand für die Neubeschaffung und vor allem trieben sie den Blutdruck nach oben. In unbeobachteten Situationen gab sich Menecrates durchaus einmal solchen Emotionsausbrüchen hin, als Ausgleich für die sonstige Wahrung der Haltung tagein und tagaus.
    Gerade eben musste er wieder von Aufruhr zu Gelassenheit umschalten, was ihm gelang.


    Die aparte Schönheit, die alsbald den Raum betrat, half ihm unbeabsichtigt dabei.
    "Er hat sich nicht lumpen lassen", entfuhr es Menecrates und es schien, als hätte er die Worte der Erklärung nicht gehört. "Zwar muss ich noch etwas an Auftritt und Form feilen, aber…" Der Anblick versetzte Menecrates in eine um Längen bessere Stimmung als kurz zuvor. Dies mochte auch der Grund sein, weswegen er die neue Sklavin nun direkt ansprach.
    "Hat sich dein Herr dazu geäußert, warum er ausgerechnet dich zum Geschenk ausgesucht hat?" Er setzte sich in Bewegung und umrundete Apolonia. Bevor es an die Feinheiten ging, wollte er zunächst erkunden, ob an der Sklavin nicht nur was dran, sondern auch was drin war. Vielleicht neigte sie zu Ungeschicklichkeit, war unverträglich mit anderen oder vergesslich. Möglicherweise blieb es aber auch bei positiven Überraschungen.
    "Wo würdest du einschätzen, liegen deine Stärken?"

  • Gute Frage, dachte Apolonia. Warum habe ich mir die Frage nicht gestellt? Wen hätte er aber auch sonst schicken sollen? Die Krummbeinige Köchin oder das schwarzhaarige Luder mit dem langen Zinken im Gesicht. Doch wenn ich es mir richtig überlegen sollte man sein bestes Stück eigentlich behalten. Merkwürdig ist es schon, dass ich geschickt wurde.
    „Dominus dazu hat sich mein Herr nicht geäußert. Ich kann die aber versichern, du wirst nicht enttäuscht sein. Bisher war noch jeder sehr zufrieden mit mir.“
    Apolonia genoss sichtlich die Umrundung und Betrachtung ihres neuen Herren und brachte sich so richtig in Positur. Lächelnd versuchte sie den Ausdruck in seinem Gesicht zu deuten während sie selbstgefällig dachte, ja mein Lieber, da hast du dir ein Goldstück eingehandelt, macht alte Claudier wieder munter.
    Die Frage die ihr gerade gestellt wurde hatte sie fast befürchtet.
    Wie sollte sie ihm auf die Schnelle ihre Stärken beschreiben? Zeigen wäre westlich einfacher. „Meine größte Fähigkeit liegt in dem persönlichen Umsorgen meines Herren“.
    Zu allen Tageszeiten, wäre ihr fast noch über die Lippen gekommen. Rechtzeitig hielt sie inne und leckte sich kurz über ihre Lippen. Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, das meine Massagen immer sehr beliebt sind, überlegte sie kurz, verwarf aber den Gedanken schnell wieder. Sie wollte den alten Herren noch nicht überstrapazieren.
    Dann fiel ihr dann aber doch noch etwas ein. „In der Kleiderfrage war meine Meinung auch immer sehr gefragt.“ Ob das jetztwirklich von Belang war bezweifelte sie dann doch und schloss die Beantwortung, mit ihrem bewährten honigsüßem Lächeln und Augenklimpern ab.

  • Zu Menecrates‘ Stärken gehörte es noch nie, das Wesen von Frauen zu enträtseln. Römische Frauen erschienen ihm schwierig. Bei den Sklavinnen, die er trotz ihrer im Allgemeinen üblichen Zuordnung zu den Waren durchaus in männliche und weibliche unterschied, konnte er sich wenigstens hinter dieser „Waren“-Kategorie verstecken. Sicherlich gehörte die vor ihm stehende Sklavin nicht zu der einfach durchschaubaren Sorte. Sie zeigte schon jetzt weibliche Attribute und ein Verhalten, dass er bei Römern als Selbstbewusstsein bezeichnen würde. Die Zukunft würde also entweder spannend oder anstrengend werden.


    "Hmmm", entgegnete Menecrates auf die Aussage zum persönlichen Umsorgen. In der Äußerung klang Skepsis mit. Zum Ein-und Auskleiden besaß er männliche Sklaven. Er rieb sich das Kinn, musste dann aber schmunzeln, als er den Hinweis auf die Kleiderfrage hörte.
    "Sehe ich aus, als wäre ich über die Maßen modebewusst?" Irgendwie belustigte ihn die Vorstellung, er würde morgens eine Entscheidungshilfe bei der Farbwahl benötigen. Dann fiel ihm aber etwas ein.
    "Bist du geübt im Legen von Stofffalten? Und kennst du dich mit der Pflege von Schmuckstücken aus? Es gibt Metalle, die zuweilen verblassen und eine Politur benötigen.
    Tja, und ansonsten… Welcher Gestalt waren denn deine vorherigen Herren?"
    Weil ihm jedoch sofort nach dem Beenden des Satzes die Befürchtung kam, er könne missverstanden werden, fügte er an: "Also in welchem Alter, welcher Position, auch Herrinnen oder nur Herren?"

  • Schmuckstücke, bei diesem Wort trat ein funkeln in Apolonias Augen. Sie vergaß glatt die Stofffalten, die nun wirklich eine Kleinigkeit für sie waren. Viel wichtiger waren die Schmuckstücke. War sie doch kurz mit einem a statuis befreundet gewesen. Unauffällig glitt ihre Hand über ihren Bauchnabel mit der winzig kleinen Wölbung.
    Reiß dich zusammen und bleib aufmerksam, schalt Apolonia mit sich selber.
    „Ich verstehe mich auf den Umgang mit leichten Laugen, Asche und Pinsel, je nach Art des Schmuckstücks Dominus“, antwortete sie beflissen.
    Ein kurzes verborgenes, leicht ironisches Lächeln huschte über Apolonias Gesicht, als die Sprache auf die vorherigen Herrschaften kam. Diese Frage war ja unvermeintlich welch ein Glück das ihr letzter Herr ein Patrizier gewesen war. „Ich wuchs in der Familie eines reichen Brauereibesitzer auf. Beide Geschlechter waren dort, vom Jugend - bis Greisenalter, vertreten. Für kurze Zeit war ich dann die persönliche Sklavin der Gattin eines Gewürzhändlers, bis diese mich an meinen letzten Herren verkaufte, den du ja selber kennst, Dominus.“
    Apolonia bemühte sich nun um einen möglichst unauffälligen Ausdruck, mit der Hoffnung, dass die Befragung nun endlich vorbei sei.

  • Die Antwort ließ tatsächlich Kenntnisse über Putzmittel erkennen, was Menecrates freute. Sein Siegelring benötigte am dringendsten eine Auffrischung, so oft wie er ihn in den letzten Tagen und Wochen benutzt hatte, aber um ihn aus der Hand zu geben, gehört eine große Portion Vertrauen dazu. Das wiederum musste sich Apolonia erst verdienen.
    Ein Test würde zeigen, inwiefern sie über Orientierung und Verlässlichkeit verfügte.


    "Folgendes: Du suchst am besten Morrigan. Sie ist diejenige, die mich am längsten kennt und weiß, worauf ich Wert lege. Sie soll dich, deiner neuen Position entsprechend, mit passender Kleidung ausstatten. Ich möchte, dass du stets gut gepflegt und adrett hergerichtet bist, vor allem, wenn du die Villa verlässt.
    Dein erster Auftrag ist das Überbringen einer Nachricht. Ich schreibe sie, während du dich herrichten lässt. Bist du fertig, dann klopfst du. Ich erwarte, dass du erst dann eintrittst und auch erst dann redest, wenn du dazu die Aufforderung bekommst."


    Menecrates blickte intensiv, aber die etwas angehobenen Brauen nahmen die Strenge aus dem Antlitz. Er fragte sich, ob die neue Sklavin wohl lernfähig und folgsam sein würde.


    "Hast du alles verstanden?"

  • Ach herrje, hatte Apolonia es doch geahnt, der alte Knabe war ein Übergenauer Hundertprozentiger. Sicher, sie hatte das verstanden, sie war ja nicht von gestern. Nun kam der Bewährungstest. Was sie allerdings dann doch verwunderte, dass sie schon die Villa verlassen durfte. Ob ihr dann jemand hinterher schickte? Natürlich würde sie den Auftrag perfekt ausführen und keinen digitus von den Anweisungen abweichen.
    Also Morrigan ist hier der Hausdrache, den man im Auge halten muss und natürlich den Burschen der die Eingangstüre öffnete.
    Apolonia fand, das sie jetzt schon wichtige Informationen über den Haushalt ihres neuen Herren erhalten hatte.
    Nun noch ein diensteifriges Gesicht aufsetzen mit einem winzigen beflissentlichem Lächeln und leicht unterwürfig antworten und alles würde gut werden. “Ja Dominus”
    Antwortete sie und wartete auf ein Zeichen oder eine Anweisung, dass sie das Officium verlassen dürfte.

  • Da stand Apolonia wieder vor der Türe zum Officium von Menecrates und klopfte an, wie von ihm verlangt und erwartet und wartete bis von drinnen die Aufforderung zum Eintritt kommen würde.
    Morrigan hatte sie, trotz all der Vorkommnisse, wenn auch sehr unwirsch eingekleidet. Mit der Qualität der Kleidung war Apolonia mehr als zufrieden. So gut gekleidet war sie als Sklavin noch nie herum gelaufen. Einzig in den anderen Rollen welche sie von Zeit zu Zeit einnahm.
    Immer wieder hatte Morrigan etwas an Apolonias Haaren auszusetzen, doch dabei blieb diese stur. Sie war nicht bereit ihre Haarpracht besonders zu bändigen, denn sie fand, diese würde so besser zu ihr passen.
    Nun galt es sich erneut zu repräsentieren und gut dar zu stellen.

  • Es gab mehrere Wege, auf denen sich die neue Sklavin bewähren konnte. Menecrates entschied sich als erstes für den Auftrag mit Termindruck.


    "Ja, herein", rief er, während er weiter am zweiten Brief schrieb. Erst als Apolonia im Raum stand, blickte er auf, legte die feder zur Seite und zog den bereits versiegelten Brief zu sich.
    Zunächst musterte er die veränderte Erscheinung von oben bis unten und prüfte, ob sie so das Anwesen verlassen konnte. Die Qualität der Kleidung entsprach seinen Vorstellungen, nicht aber die Gesamterscheinung.


    "Wir haben jetzt keine Zeit für eine zweite Toilette, deswegen wirst du zunächst den Auftrag erfüllen und anschließend noch deine Frisur einer Fachfrau anvertrauen. Ich wünsche, dass an der aufwendigen Machart der Haushalt erkennbar ist , aus dem du stammst."
    Er nickte zur Bekräftigung.


    "Hier wäre erst einmal der Brief, den du zur Basilica Ulpia bringst. Weißt du, wo das ist?"



    Er reichte das zusammengerollte Dokument Apolonia entgegen.



    Ad
    Decemvir
    Marcus Iulius Dives
    Basilica Ulpia, Roma





    Auch im Fall meines verstorbenen Enkels Tiberius Claudius Romanus nehme ich die Erbschaft an.
    Für die Beileidsbekundung bedanke ich mich.




    [Blockierte Grafik: http://img259.imageshack.us/img259/4645/siegel.gif]

    gez. H. Claudius Menecrates




    ANTE DIEM V ID FEB DCCCLXIV A.U.C. (9.2.2014/111 n.Chr.)



    Sim-Off:

    Ich engagiere mich gerade im Tierschutz (Die Jagdsaison in Spanien ist zu Ende und unzählige Windhunde werden in die Tötungsstationen gebracht.) Im Zuge dessen verliert das IR an Bedeutung für mich.

  • Leise, fast lautlos betrat Apolonia das Officium, um die Begutachtung über sich ergehen zu lassen.
    Mit dem dann folgenden Einwand, hatte sie jedoch nicht gerechnet. Unwillkürlich fuhren ihre Hände hoch und strichen über ihre Haarpracht, auf die sie so stolz war.
    Unverständnis kam in ihr hoch. Was hatte der alte Knabe denn an ihren Haaren auszusetzen? Verärgert dachte sie, Fachfrau für eine Frisur, wenn ich so etwas schon höre, dann hätte ja auch Morrigan daran rum machen können.
    Damit keine Spur ihrer Gedanken zu erkennen war, hielt sie ihren Blick gesenkt, was für meisten auch ein Zeichen der Unterwürfigkeit, Demut oder was wusste sie gehalten wurde.


    Zaghaft ergriff sie den Brief und hauchte ein fast unhörbares, “ Ja Dominus, ich weiß wo die Basilica Ulpia ist”
    Schon jubilierte es in ihr, sehr schön, also nach draußen darf ich. Es ist zwar noch früh am Tag, doch man kann ja nicht wissen.
    Mit gesenkten Blick, rückwärts zur Türe, diese leise öffnend und wieder hinter sich schließend, war eine Übung, die sie seit frühester Kindheit beherrschte.
    Draußen vor der Türe atmete sie laut hörbar aus und machte sich auf den Weg zum Seiteneingang

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