[Märkte] Eins, zwei oder drei

  • Es war ein lauer Tag, ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, als Wulfgar sein Klapptischchen auf dem Markt aufstellte. Vielen gefiel das, manch einer mochte sich darüber beschweren, vor allem die Bauern, die wussten, was zu warmes Wetter in dieser Jahreszeit später noch anrichten konnte. Aber für seine Zwecke war es perfekt. Die Leute waren unterwegs, bummelten durch die Straßen, genossen die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen. So musste das sein... ein leises Lied kam summend über seine Lippen, während er weiter aufbaute, eine Decke über das Tischchen ausbreitete, drei Holzbecher drauf stellte und eine Holzkugel davor legte. Dann breitete er die Arme aus. „Wer will heute abräumen? Hört her, Leute, bleibt stehen, seht es euch ein, eine echte Chance für jeden von euch – wie es mit dir, werter Herr, Lust auf einen raschen Gewinn?“ sprach er die Leute an, und es dauerte nicht lang, bis die Menschen stehen blieben. Natürlich waren da einige dabei, die zu ihm gehörten, die halfen, allein durch ihre Anwesenheit und dadurch, dass sie zuerst stehen blieben, dass andere es ihnen nachtaten. Aber er hatte auch Talent für so was, deswegen war er damit betraut – er war nicht nur flink mit den Fingern, sondern hatte ein sympathisch-naives Gesicht, eingerahmt von blonden Locken darum und mit einem fröhlichen Lächeln. Die Leute sahen ihn an, und sie mochten ihn auf Anhieb. In seinem Gewerbe war das von Vorteil.


    Wulfgar redete weiter auf die Leute ein, schnackte hier mit einem Bekannten und flirtete da mit einer schönen Frau, und forderte immer wieder mal Passanten auf, auch stehen zu bleiben, und spielte derweil mit den Hütchen – bis jemand herantrat und tatsächlich spielen wollte. Naja, was hieß tatsächlich: es war Gerolf, und es war abgemacht, dass er sich meldete, so bald genug Zuschauer da waren. „Aaah, wunderbar, sehr schön, sehr schön. Der Einsatz?“ Gerolf zog ein paar Münzen hervor und legte sie auf den Tisch, und schon begann Wulfgar das Spiel, legte die Kugel gut sichtbar für alle unter das mittlere Hütchen und fing dann an, die Becher miteinander zu vertauschen, erst langsam, dann immer schneller. Die Kugel blieb unter dem Becher, unter dem sie von Anfang an war, noch trickste er nicht – war auch nicht nötig. Als die Hütchen zum Stillstand gekommen waren, tat Gerolf als überlege er kurz, dann tippte er auf eines davon. Wulfgar hob es mit Schwung an, und darunter war – nichts. Gerolf zog – gekonnt geschauspielert – ein langes Gesicht. „Ah, nicht so enttäuscht dreinschauen, mein Freund, das kann passieren, den Besten von uns. Da wär's gewesen.“ Er hob ein anderes Hütchen an und verkniff sich wohlweislich das Grinsen, als das ein oder andere Raunen von den Zuschauern zeigte, dass sie imstande gewesen waren der Kugel zu folgen – scheinbar im Gegensatz zu Gerolf. Der ein oder andere machte sogar laut genug einen entsprechenden Kommentar, dass die Umstehenden es hören konnten, auch wenn die Sprecher Wulfgar ebenfalls bekannt waren. All das sollte die Unwissenden dazu ermuntern, selbst nach vorne zu treten und mitzumachen. Ihr Geld zu verlieren. „Hör zu, weil du der erste warst: ich mach dir ein Angebot. Lass deinen Einsatz liegen, ich verdoppel meinen, wir spielen noch mal. Einverstanden?“ Gerolf stimmte zu, und das Spiel begann von Neuem: die Kugel verschwand unter einem der Becher, die Becher wurden verschoben, immer schneller, bis sie über den Tisch regelrecht flitzten, von flinken Fingern hin und her geschoben, und irgendwann ruckartig zur Ruhe kamen. Diesmal brauchte Gerolf länger mit dem Überlegen, zögerte etwas, tippte dann auf den rechten Becher – unter dem diesmal tatsächlich die Kugel war. Wie vorher abgesprochen. Diesmal hatte Wulfgar mit flinken Fingern dafür gesorgt, dass die Kugel von einem Becher zum nächsten wanderte, so rasant im Wechselspiel, dass es selbst für geübte Augen fast nicht zu sehen war – geschweige denn für Passanten wie hier. Wäre zwar nicht nötig gewesen, er hätte den passenden Becher auch einfach bewusst so zum Stehen kommen lassen können, aber es war ein Test, wie jedes Mal – war jemand stehen geblieben, der mit Adleraugen hinsah? Aber keiner sagte etwas. Von den Zuschauern kamen stattdessen Zurufe, ermunternd und bewundernd, zum Großteil Stimmungmache derer, die Wulfgar unterstützten, die die richtige Atmosphäre schufen, damit die Leute sich auf das Spiel einließen. „Na herzlichen Glückwunsch! Siehst du, so schnell kann's gehen. Na, noch eine Runde?“ Gerolf lehnte ab, vorerst jedenfalls, wie er sagte, Münzen wechselten die Hand, und Gerolf zog sich zurück. Wulfgar hingegen sah mit einem fröhlichen Lächeln in die mittlerweile beachtlich angewachsene Menge. „Wer ist der Nächste? Wer will noch mal, wer hat noch nicht?“ Ein weiterer Mann trat an das Tischchen heran, und dieses Mal war es einer, den er nicht kannte. Wulfgar grinste. Jetzt konnte das Spiel wirklich beginnen.

  • http://imageshack.us/a/img651/9167/homer2k.jpg Homer ...
    hatte einen Brief aufgegeben und ging über das Forum zurück zur Casa Domitia. Das heißt, er wollte eigentlich zurück zur Casa Domitia. Wenn ihm da nicht ein Knubbel von Leuten aufgefallen wäre, die die Köpfe zusammensteckten und ab und an ein Raunen von sich gaben. Er ging näher heran, um sich das Gebrumm genauer anzuhören. Nicht lange, denn bald beschloss er, der Quelle dieses Raunens auf den Grund zu gehen.


    Er wrengelte sich durch den Knubbel, schließlich war er ja nur ein dünnes Hemd das sich überall durchquetschen konnte und kam vor einem Tisch zum Stehen, hinter dem ein ungewaschener Schrat mit drei Holzbechern und einem Kügelchen hantierte. Der Schrat zelebrierte ein Versteckspielchen mit dem Kügelchen und ließ die Leute dann raten, unter welchem Becher das Kügelchen wohl hockte. Homer kniff die Augen zusammen und ging in die Knie, um das Hin- und Hergeschiebe der Becher genauer zu beäugen.


    Dann trat er an den Tisch und schaute den Schrat herausfordernd an. "Salve, mein Sohn! Dann zeig mal, was du kannst!"

  • Audaod streunte an diesem milden Tag zusammen mit seinem Freunden Gilbert und Wigbald über das Forum und schaute sich einerseits nach Waren für seine Betriebe, andererseits nach hübschen Mädchen um. Ein paar geeignete Stände mit Leder für seinen Schuster und Gerste für seine Brauerei hatte er bald schon ausgemacht. Ebenso war ihm die ein oder andere Schönheit unter den Marktbesucherinnen aufgefallen.


    "He, schaut mal da vorn", machte Gilbert sie schließlich auf eine Menschenansammlung aufmerksam. Audaod reckte den Hals. Das versprach Unterhaltung, egal welcher Art. "Na dann lasst uns doch mal sehen, was da los ist", schlug er vor und sie schlurften dort hinüber, wo sie sich in die vorderen Reihen durchkämpften.
    "Ein Hütchenspieler!", rief Wigbald erfreut aus. Er hatte schon immer ein Faible für Glücksspiel gehabt und betrachtete nun gespannt, wie sich der Schmalhans anstellte, der nun sein Glück versuchen wollte. "Na, jetzt bin ich aber gespannt", grinste Audaod.

  • Das Spiel war inzwischen in vollem Gang, und es lief ziemlich gut. Die meisten wurden abgezockt, zwischendrin durfte mal der ein oder andere gewinnen, damit kein Verdacht aufkam – in der Regel allerdings dann einer von ihnen, damit der Gewinn trotzdem in ihrer Tasche blieb. Das ging mal mehr, mal weniger lange gut... an guten Tagen hatten sie einen ordentlichen Lauf und konnten einige Zeit rumbringen, was entsprechend Gewinn hieß. An schlechten war relativ schnell jemand dabei, Schiebung zu rufen, und sie mussten ihr Zeug greifen und die Beine in die Hand nehmen. Heute ließ es sich bisher ganz gut an, eigentlich.


    „Gerne, gerne“, erwiderte Wulfgar, als der nächste Kerl vor ihm stand und spielen wollte. „Welcher Einsatz?“ fragte er beiläufig, während er die Kugel einmal vorzeigte, dem Mann vor ihm und in die Runde, die weiter angewachsen war. „Erzähl mir ein bisschen von dir, mein Freund, was treibt dich an diesem Tag über das Forum? Das schöne Wetter?“ Wulfgar grinste freundlich und ließ die Kugel jetzt mit einer eleganten Handbewegung unter einem der Hütchen verschwinden, stellte dann die anderen rechts und links davon auf und hob sie alle der Reihe nach noch einmal an, um noch mal zu zeigen was darunter war. Dann begann er sie zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller, mal fließend, mal ruckartig, so dass es noch schwerer wurde den Bewegungen zu folgen – und kaum zu erkennen war, wie die Kugel ihren Platz wechselte. Währenddessen plauderte er munter weiter, um die Aufmerksamkeit des Spielers und der Umstehenden abzulenken. „Ich find's ja herrlich, dass der Frühling jetzt schon in der Luft liegt. Der Winter letztes Jahr war auch wirklich hart... da haben wir's doch verdient dieses Jahr ein bisschen früher Wärme abzukriegen. Und die Mädchen sind auch viel aufgeschlossener“, zwinkerte er in die Runde, speziell zu ein paar jungen Burschen, die mit zusahen. Die Becher kamen wieder jetzt wieder zur Ruhe, und Wulfgar schaute den Mann ihm gegenüber fröhlich an. „Na, welcher darf's sein?“

  • http://imageshack.us/a/img651/9167/homer2k.jpg Homer ...


    hob seinen Blick in den makellos blauen Himmel und lächelte freundlich. "In der Tat, du hast recht, milde Lüftchen umwehen uns und lassen in uns eine Vorahnung des Sommers aufkommen. Und an solch einem fabelhaften Tag mache ich keinen Einsatz, mon vieux. Ich mach dir aber einen Gegenvorschlag, einen echten Schönwetter- Gegenvorschlag für richtige Kenner. Gib mir die Becher und die Kugel und dann machst du einen Einsatz. Ich bin nämlich ein Sklave und hab deshalb kein Geld. Und wenn ich deinen Einsatz gewonnen habe, dann können wir ja weiterspielen. Pas mal, non?"

  • Wulfgar hielt ein wenig perplex inne, als sein Gegenüber keinen Einsatz nennen wollte. Da war er dann wohl etwas zu schnell gewesen... aber: der Kerl hatte doch eindeutig gesagt, er wollte spielen. Warum...?
    Die Erklärung folgte sofort, und nur seiner jahrelangen Erfahrung im Umgang mit Menschen, insbesondere bei Aktionen wie diesen, verdankte Wulfgar es, dass er die Augen nicht verdrehte, sondern seine freundliche und offene Miene tadellos beibehielt. Ein Sklave. So einer hatte ihm gerade noch gefehlt. Von Sklaven war nichts zu gewinnen, die waren völlig uninteressant. Jetzt aber abzulehnen... Wulfgar fing aus dem Augenwinkel einen Blick von einem seiner Kollegen auf, der ihm bedeutete genau das zu tun. Abzulehnen. Allerdings: die Stimmung war gerade so gut. Wenn er den Kerl jetzt verscheuchte, wer wusste schon ob die anderen Leute dann nicht auch verschwanden? Oder gar misstrauisch wurden? Wulfgar hatte wenig Lust, sich jetzt schon vom Acker zu machen – obwohl es gut gelaufen war bisher, hatten sie ihr Tagesziel, das eher ehrgeizig zu nennen war, noch nicht erreicht, und wenn sie jetzt abbrechen mussten, würde es deutlich schwieriger werden das noch zu schaffen. Es war eigentlich nur zu schaffen, wenn man einen guten Lauf hatte... genau das war es ja, was die Bosse bezweckten. Ja nicht zu einfach machen für die Lakaien, selbst dann, wenn die Spaß bei der Arbeit hatten.
    Den Kerl wegzuschicken, war also keine gute Idee, fand Wulfgar. Aber einfach so gegen ihn spielen wollte er dann doch nicht... er verschwendete Zeit, und im schlimmsten Fall verlor er Geld, das er nicht wieder gewann. Aber er konnte einen Mittelweg gehen, jedenfalls erst mal, und dann schauen was passierte. „Das nenn ich mal ein Angebot“, lachte er also freundlich zurück. „Ich bin aber eigentlich nicht hier, um auf der anderen Seite zu stehen... das seid doch ihr“, er machte eine Handbewegung, die in die Runde wies, und sah die anderen an, die um sie herum standen. „Ich hab aber noch einen anderen Vorschlag für dich – wie wär's, wenn du gegen einen hier spielst, der sowieso auch an den Tisch wollte? Falls sich keiner findet es mit dir aufzunehmen... dann werd ich das tun.“ Er zwinkerte dem Sklaven zu und wandte sich dann wieder an die Menge. „Also was ist, liebe Leute? Wer von euch möchte gegen diesen Mann hier antreten? Ihr da drüben“, sprach er die Gruppe junger Burschen an, die ihm vorher schon aufgefallen waren, „was ist mit euch? Lust auf ein Spielchen, nicht gegen mich, sondern ihn?“

  • Homer ... hüpfte freudig auf und ab, zeigte mit dem Finger auf den ungewaschenen Schrat und rief: "Voilà, hab ich dich erwischt, du Schlumpfohr! Du hast Angst um deine paar Kröten und deshalb willst du einen anderen vorschicken."


    Er wandte sich an die Umstehenden und hob die Hände. "Dieser Schrat hat keinen Mumm und will stattdessen euch ins Feuer schicken. Euch, die ehrlichen Mogontiner!"

  • Pacatus schlenderte mal wieder über das Forum und ließ seine Äuglein umgehen. Da war einer, der hatte so wenig Platz zum Nachbarstand gelassen, dass bloß noch ein Halbverhungerter durchgepasst hätte. Er ging zu dem Stand, schaute den Händler scharf an und deutete auf den schmalen Durchgang: "Rück deinen Stand mal ein bißchen zur Seite, wenn da mal ein gut genährter Kunde durch will, dann quietscht es". Der Händler antwortete mit einer weitschweifigen Erklärung darüber, weshalb das so und nicht anders sein können müsste, aber Pacatus meinte nur: "Los, fang an mit dem Wegrücken!"


    Er ging weiter und sah einen Stand, der mit einer dichten Menschenmenge umlagert war und von dem ab und zu Gelächter und lautes Gerede herüberkam. Er stellte sich dazu und reckte sich auf seine Zehenspitzen. Aha, ein Hütchenspieler. Pacatus wusste, dass man die meisten Leute hier leicht betuppen konnte, aber wenn sie es dann merkten, gerne die Fäuste sprechen ließen. Es war so klar wie Erbsensuppe, dass, wenn mal einer seine Fäuste fliegen ließ, die anderen dann sogleich mitmischen wollten. Und blitzartig ratzfatz hatte man eine hübsche Klopperei auf dem Forum von Mogontiacum.


    Er drängelte sich etwas nach vorne, verschränkte seine Hände auf dem Rücken und schaute sich die Szene erst mal an.

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