Quartier des Nauarchus

  • Ein Atrium-Haus, nicht pompös aber zweckmäßig. Bequem und weitläufig genug um den Winter hier zu überstehen.
    Das Gepäck wurde abgeladen. Nautae beeilten sich alles ins Haus zu bringen. Ich inspizierte die Räumlichkeiten. Während des Aufenthaltes in Alexandria ließ es sich hier leben. Wobei ich für meine Verhältnisse mit weniger Platz zufrieden gewesen wäre. Der Hortus war in einem gepflegten Zustand. Das Lararium befand sich in der culina. Eine bemalte Nische in der Wand mehr gab es nicht. Mein erster Akt in diesem Haus war ein Opfer an die Laren und da die Parentalia in unsere Ankunft fielen, opferte ich auch den Geistern meiner Ahnen.
    Das vordere cubiculum wurde auf meine Anweisungen als kleines Officium eingerichtet. Das hintere mein Schlafzimmer. Gegenüber die zwei Räume blieben Gästen vorbehalten. Falls es jemals welche gab. Mit der vollständigen Einrichtung des restlichen Hauses waren meine calo die kommenden Tage beschäftigt. Verschiedene Dinge mussten erst beschafft werden um es wohnlicher zu gestalten. Für mich gab es hier nichts weiter zu tun. Meine dienstlichen Pflichten rückten wieder in den Mittelpunkt.

  • Zwei Milites vor der Tür suggerierten ungestörten Aufenthalt in meinem Quartier. Wie angenehm, keine Störungen, außer Krieg oder Aufstand meldeten sich. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss. Mit ein bisschen Vorfreude durchschritt ich das Atrium, warf dem herbei eilenden Onasses den Umhang über die Schulter und drückte ihm Stab und Gladius in die Hände. „ Ich will vor dem Essen in die Therme. Du kommst mit.“ „ Ja, Dominus.“ Eilig brachte er die Sachen weg und erschien einen Augenblick später wieder im Atrium. „ Hast du meine Utensilien?“ Onasses nickte bestätigend und zeigte mir den Beutel. Er sollte, während ich mich in der Therme erholte, auf meine Sachen aufpassen.

  • Wieder brütende Hitze da draußen. Viel besser war es hier im Officium nicht, man bildete es sich eben ein, es sei kühler. Der Kopf tat sich schwer einen richtigen Gedanken zu fassen, die Hand führte schwerfällig und lustlos den Stylus über das Wachs auf der Tabula, ritzte die Wörter hinein, setzte sie zu Sätzen zusammen und gab dem ganzen Buchstabengewirr einen Sinn. Casca wartete sicherlich auf ein Lebenszeichen und Geld von mir. Ich hatte ihm finanzielle Hilfe versprochen. Faustus war der zweite Kandidat. Weltbewegendes hatte sich hier nicht getan. Die üblichen Streitereien, die in einzelne Schlägereien ausarteten. Alles war wie immer.


    Ich legte mich ins Zeug. Schrieb, löschte, änderte ab. Es brauchte Zeit um einen halbwegs vernüftigen Text in die Tabula zu ritzen. Fertig, fix und fertig war ich. Besonders waren die Briefe nicht geworden. Sie wurden von mir ins Regal gelegt und warteten auf die große Reise, die sie vor sich hatten.

  • Die Zeit verging wie im Fluge. Sonderliche Eile hatte keiner an den Tag gelegt, die Zeit war einfach weg, die Tage dahin. „ Onasses!“ hallte mein Ruf am Morgen durch das Atrium. Gähnend machte ich kehrt und ging zurück in mein cubiculum. Mein nächtlicher Gast hatte sich bereits angekleidet, wenn man die drei durchsichtigen Tücher Bekleidung nennen konnte und war im Begriff zu gehen. Im Regal stand eine kleine Schatulle. Irgendwann hatte ich sie auf dem Markt an einem der Stände gekauft. Genau das Richtige für die Unterbringung einer kleinen Barschaft. 5 Sesterzen klimperten in meine Hand. „ Hier die vereinbarte Summe. Onasses wird dich bis zum Tor begleiten.“ Ein leises Hüsteln im Hintergrund kündete von seiner Anwesenheit. Das Geld wechselte seinen Besitzer, alles war geregelt. „ Bring sie hinaus.“ Onasses verließ mit ihr die casa und ich sah mich lustlos um. Vielleicht sollte ich als erstes was anziehen. Ich suchte im Bett, unterm Bett, in der Truhe, auf dem Regal, unterm Tisch. „ Onasses.“ Grollte ich vor mich hin. Er hatte es wieder getan. Die Tür ging. „ Onasses! Sag nicht, du hast es wieder getan!“ Unbeeindruckt stand er im Türrahmen zu meinem cubiculum. „ Ich habe es getan Dominus.“ Ich sah ihn entgeistert an. Er hatte es getan! Obwohl ich es mit ihm schon gefühlte hundert Mal durchgekaut hatte. War das zu fassen? „ Hast du es wirklich getan?“ fragte ich sicherheitshalber nach. „ Ja, Dominus.“ „ Und fühlst du dich jetzt gut?“ Grinsend antwortete Onasses „ Ja Dominus.“ Total frustriert, am Boden zerstört, setze ich mich auf mein Bett. Wie konnte er meine Lieblingstunika zum Waschen geben. Zugegeben, sie hatte den gestrigen Abend und heute Nacht sehr gelitten. Aber ich zog sie so gern an und die paar Flecken…. „ Dominus, ich habe…“ Er hielt mir eine neue Tunika unter die Nase. Eine ganz neue vom Markt. Sie war nicht aus unseren Beständen, stellte ich mit einem Blick fest. Der schmale purpurne Streifen über dem Saum leuchtete richtig kräftig. „ Es ist ganz feines Leinen. Dominus.“ Ich kniff die Augen zusammen, taxierte sie abschätzig an und nahm sie ihm aus der Hand. Scheiß auf das feine…Oh die fühlte sich gut an. Besser als … „ Naja, nicht so gut wie meine.“ Schränkte ich ein. Erst mal sehen wie sie sich angezogen… He, das Ding fühlte sich angenehm auf der Haut an. „ Man kann sie tragen.“ Onasses nickte und dachte sich seinen Teil. Bei Gelegenheit würde er die zerschlissene alte Tunika als Putzlappen verwenden.
    „ Jetzt aber zu den wichtigen Dingen.“ Ich strich die Tunika nochmal glatt. Mmhhhh, ja, kann man sich dran gewöhnen. „ Die Kiste hier ausräumen, allen Schnickschnack raus. Tunika, Subligaculum, Bracae rein. Das kleine Päckchen aus der Kiste da und die kleine Schatulle aus dem Regal müssen mit. Dazu das übliche halt, Decke…, Umhang…, cassis und die lorica hamata. Eben alles, was mir hilft heil wieder nach Hause zu kommen.“ Während Onasses die Kiste kurzerhand umstülpte, legte ich mein cingulum an. „ Hast du meine Verpflegung für die zwölf Tage zusammen?“ Onasses wühlte sich durch den ausgeschütteten Haufen Wäsche und Krimskrams. „ Nein, Dominus. Der gedörrte Fisch kommt heute Nachmittag und die Datteln morgen.“ Das reichte von der Zeit. Ein Stein kullerte über den Mosaikfußboden. Beide sahen wir ihm verdutzt nach. „ Gut, ich bin in meinem Officium und später am Hafen.“ Mein Beneficarius war garantiert schon da und trat ungeduldig auf der Stelle. „ Ähm besorg noch so eine Tunika. Für alle Fälle.“ Ließ ich beim Gehen ganz nebenbei verlauten. Onasses lächelte vor sich hin. Die zweite war längst gekauft.

  • Die Tür fiel hinter mir zu. Gladius, Stab, Mantel, cingulum, alles was im Haus entbehrlich war ließ ich auf der Truhe im Atrium zurück. Ein Stuhl, daneben bot mir die Gelegenheit mich meiner calcei zu entledigen. „ Ahhh, tut das gut.“ Ich streckte die Beine aus, machte kreisende Bewegungen mit den Füßen, wackelte mit den Zehen. Was für eine Wohltat. Wasser und Sandalen standen bereit. Gesäubert und erfrischt, hineingeschlüpft in das leichte Schuhwerk, betrat ich mein kleines heimisches Officium. Auf dem Schreitisch stapelte sich private Korrespondenz, Listen, Kritzeleien. Ein wisch mit dem Arm schaffte Platz für ein leeres Stück Papyrus. Ein angespitztes Stück Rohr, vorsichtig in Tinte getaucht, begann auf dem leeren Blatt kratzend Buchstabenkolonnen zu hinterlassen.
    Es dauerte einen Moment bis das geschriebene getrocknet war. Ich überflog das kurze Schreiben noch einmal. Es war gut so. Zusammengerollt und versiegelt bekam es Onasses von mir in die Hand gedrückt. „ Zur Poststelle des Praefectus Aegytii.“ Ich nahm mir einige Schreiben vom Tisch und machte es mir auf der Kline bequem. 14 Tage und dann sollte alles anders sein? Viel zu erwarten hatte ich nicht. Das hatte man mir beim Antritt meines Dienstes als Nauarchus damals schon offenbart. Trotzdem hatte ich den Dienst hier, dem civis vorgezogen. Zumindest auf das bisher angesparte konnte ich bauen, auf mein Schiff und das Stück Land was ich besaß. Weg mit den Gedanken, jetzt gab es wichtigere Dinge.

  • Die anstehenden Dienstpflichten waren erledigt. Mich beschlich wieder dieses ungute Gefühl vor dem Unbekannten. Ablenkung half um davon los zu kommen. Mein Schreibtisch sah heute sehr aufgeräumt aus. Die Post ein übersichtlicher kleiner Stapel. Ganz obenauf ein Schreiben, dass sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Die Antwort des Agoranomos. Ich bekam die Töpferei und die Konzession sie zu betreiben. Der erste Schritt war getan. Ich stand nicht ganz ohne da. Natürlich musste sie laufen und Geld einbringen. Ein Freund hatte Hilfe angeboten. Die schlug ich nicht aus, das wäre töricht. Mein bisheriges Handwerk hatte nichts mit Töpferei zu tun, Hilfe war da sehr willkommen. Ein bis zwei Stunden veranschlagte ich für die erste Besichtigung. Er sagte ich solle vorbei kommen und dann sehen wir weiter. Arbeitskräfte wären auf alle Fälle von Nöten. Daran sollte es nicht scheitern.
    Ich war für den heutigen Tag zufrieden. " Onasses mach das Essen fertig." Die Karaffe mit verdünntem Wein stand griffbereit. Ich genehmigte mir einen Becher, lehnte mich in meine Klappsessel zurück. Der Tag war einer von den Guten.

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