Res Gestae des Consuls Marcus Decimus Livianus

  • Livianus dachte gar nicht daran, trotz der allgemein positiven Reaktion des Senats auf die neu formulierten Berichtspflichten der Magistrate, es sich nehmen zu lassen, sein Res Gestae nach alter Tradition vor dem Volk, statt im Senat abzuhalten. Also fand er sich kurz nach dem Ende seiner Amtszeit auf dem Forum Romanum ein, um vor jedem, den es interessierte, Zeugnis abzulegen. Sichtlich gut gelaunt trat er auf die Rostra und erhob lachend seine Stimme.


    "Volk von Rom, hört mich an!

    ich trete heute wohl als letzter Consular vor euch, um Rechenschaft über mein Amtsjahr abzulegen. Die zukünftigen Magistrate werden dies wohl schon in der Curia Iulia anstatt davor machen. Zu meinem Verdruss muss ich euch jedoch gestehen, dass ich euch nichts berichten kann…….. das ihr nicht bereits aus der Acta kennt. Die emsigen Redakteure haben es geschafft, euch noch vor meinem persönlichen Res Gestae eine ausführliche Zusammenfassung meines Amtsjahres zu liefern. Es hatte den Vorteil, dass ich mir selbst nicht lange Gedanken beim Verfassen dieser Rede machen musste. So bleibt mir heute also nur, euch wiederum eine Zusammenfassung dieser Zusammenfassung vorzutragen.

    Meine Erwartungen, nach meiner gewonnen Kandidatur waren wirklich sehr hoch, doch ich hatte den eisigen Gegenwind weit unterschätzt, der mir im Laufe meines Amtsjahres unaufhörlich entgegenwehte. Wahr ist, dass ich mir vieles vorgenommen hatte. Wahr ist aber auch, dass ich nur das Wenigste davon zu einem gebührlichen und befriedigenden Abschluss bringen konnte. Doch lassen wir mein umfangreiches aber auch selbstgewähltes Programm noch einmal in aller Kürze Revue passieren.

    Die von mir erhoffte und sogar mit dem Palast abgestimmte Aufarbeitung der Bürgerkriegsjahre und der damit verbundenen Regierungszeit des Usurpators fand wenig Zustimmung und Interesse im Senat. Ob dies nun tatsächlich an meiner Person lag oder an dem Thema an sich…. der Grund für diese dogmatische Verweigerung ist mir bis heute nicht wirklich klar geworden. Ich verbreite bestimmt keine Unwahrheiten wenn ich euch berichte, dass auch von Seiten des Palasts, wo mir der Imperator persönlich bei meinem Amtsantritt sein Interesse an einer solchen Aufarbeitung versichert hat, ebenso im Laufe des vergangenen Jahres nichts zu hören war und vermutlich auch genau so wenig passiert ist. Es dürfte also wohl im gemeinsamen Interesse vieler liegen, dass dieses Thema weiter unbehandelt und wenn möglich unausgesprochen bleibt, und ich gehe davon aus, dass sich dies auch in den kommenden Jahren nicht wirklich ändern wird. Die schnell erklärte Unterstellung der Acta, das Scheitern dieses Vorhabens hätte mit der nicht mit meinen Verbündeten abgesprochenen Vorgehensweise zu tun, kann ich so nicht bekräftigen, haben sich meine „Verbündeten“ schließlich nur selten bis gar nicht während meiner Amtszeit im Senat blicken lassen.

    Überhaupt blieben die Reihen des Senats im Großen und Ganzen recht leer im letzten Jahr oder zumindest waren immer die gleichen Gesichter zu sehen, die sich dann auch hier und da zu Wort meldeten. Dass dabei ausgerechnet jene engagierten Senatoren nicht gerade zu meinen Befürwortern und Unterstützern zählten, ist denke ich allgemein bekannt. Was uns auch gleich zum nächsten gescheiterten Punkt meines Programms bringt. Die Überarbeitung der internen Senatsrichtlinien. Dass niemand wirklich verstanden hat, oder auch bis heute versteht, was ich damit bezwecken wollte, kann ich mir im Nachhinein betrachtet sogar recht gut vorstellen. Auch die sonst so gut informierten Redakteure der Acta scheinen da keine Ausnahme zu bilden. Dass man sich jedoch so rechthaberisch geweigert hat ein paar einfache Richtlinien und Normen für den täglichen Senatsalltag und einen redlichen Umgang miteinander festzulegen, hat mich dann doch sehr verwundert, da wir sogar für die schlichte Einsetzung einer Inquisitio Senatus ein mehrseitiges Dokument mit elf Paragraphen und einigen Unterpunkten unser eigenen nennen dürfen. Dass ich damit natürlich indirekt auch an den Umgangsformen feilen wollte und nebenbei auch hoffte, damit würde einem amtierenden Consul wieder ein Mindestmaß an Respekt gegenübergebracht, möchte ich gar nicht abstreiten. Die vielen Liktoren eines Consuls sind wohl ebenso zur einfachen Zierde verkommen, wie das traditionelle Verhalten gegenüber höherrangigen Senatoren und deren Stellung in der Gesellschaft oder auch römischen Tugenden wie Auctoritas, Dignitas, Humanitas oder Pietas. Das alles scheint in den einst heiligen Hallen heute keine große Rolle mehr einzunehmen. Doch kommen wir zurück zu meinem Consulat.

    Außerhalb des Senats durfte ich euch endlich mit der Fertigstellung des Ulpianums erfreuen. Auch wenn diese mir angeblich in den Schoß gefallen ist, ein wenig Arbeit hatte ich dann doch noch damit. Und natürlich möchte ich entgegen der Acta nicht den Festtag der Concordia und das dazugehörige Opfer, sowie das davor organisierte augurium salutis unter den Tisch fallen lassen. Auch hier floss nicht unerheblicher Zeit- und Energieaufwand hinein.

    Summasummarum kann ich der Acta also in ihrer Zusammenfassung meiner Amtszeit zustimmen. Tatsächlich ist mir der politische Wiedereinstieg nach meiner Rückkehr schwerer gefallen als erwartet, da ich aus einer Zeit stamme, wie es die Acta auszudrücken beliebt, wo die Diskussionen zwar nicht weniger intensiv und oft auch hitzig geführt wurden, jedoch der allgemeine Umgangston unter Senatoren nicht wie heute dem Jargon der Subura glich und letzten Endes das gemeinsam erarbeitete Ergebnis zählte und nicht die Profilierung einzelner.


    Ob diese zweifellos stattgefundenen Veränderungen in der politischen Landschaft Roms und auch in der Art der Zusammenarbeit zwischen den Senatoren, die sich lieber persönlichen Grabenkämpfen hingeben als dem Allgemeinwohl dienen, positiv oder negativ zu betrachten sind, könnt letzten Endes nur ihr, das Volk beurteilen, da ihr es auch seid, die in erster Linie mit den Konsequenzen daraus zu leben haben.


    Ich danke jedenfalls allen die mich in dieser Zeit unterstützt haben und wünsche all jenen, die das zukünftige Heil des Reiches in der neuen Generation von Senatoren sehen, dass ihre Hoffnungen tatsächlich eines Tages in Erfüllung gehen werden.


    Vielen Dank!"

  • Während eine Rede im Senat im allgemeinen das Volk ausschloss, schloss eine Rede vor dem Volk keineswegs den Senat aus, und so hatte sich Macer ebenfalls auf dem Forum eingefunden als zu hören gewesen war, dass dort Berichte der ausscheidenden Magistrate vorgetragen werden sollten. Kurioserweise erinnerte er sich, dass er Decimus Livianus vor seiner Wahl zufällig hier getroffen hatte und dieser ihn nach seinen Chancen befragt hatte - nun stand er selber nicht ganz so zufälig hier um zuzuhören, wie der Consul seine Chancen genutzt hatte.


    Den Artikel der Acta Diurna, auf den er dabei anspielte, hatte Macer zum Glück schon gelesen, so dass er den nötigen Kontext hatte. Zu seiner Freude fiel die Rede des Decimers weit weniger theatralisch aus. Dabei sparte er auch nicht mit Kritik, von der sich auch Macer nicht ausnehmen konnte. Bei der Aufarbeitung der Vergangenheit hatte sich der Senat tatsächlich nicht mit Ruhm bekleckert und auch Macer hatte sich in den Sitzungen dazu sehr zurückgehalten.


    Nachdenklich verfolgte er den weiteren Fortgang der Rede, die ganz staatsmännisch mit milden und mit mahnenden Worten und einem positiven Blick in die Zukunft endete. Unwillkürlich schaute sich Macer um, ob unter den Zuhörern auch wieder Rhetorik-Lehrer mit ihren Schülern waren, die man in letzter Zeit etwas häufiger in Rom bemerkte. Das eine oder andere würden sie sich von dieser Rede sicher abschneiden können. Macer war jedoch nicht hier, um Rhetorik zu studieren und deshalb applaudierte er am Ende auch nicht wegen des formalen Aufbaus der Rede, der sprachlichen Figuren oder der Wortwahl, sondern wegen des Themas und der vergangenen Amtszeit.

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