Der Flavier verließ verängstigt das Zimmer, welches bis eben noch unser Gefängnis gewesen war und machte sich, einem Nager gleich, der ins Visier der Katze geraten war, aus dem Staub. Von ihm war also keine Hilfe zu erwarten. Natürlich nicht! Wieso hatte ich eigentlich nur eine Sekunde darauf hoffen können? Einen Moment lang fragte ich mich, ob es überhaupt klug gewesen war, ihn allein gehen zu lassen. Mit der ganzen Situation war er sowieso völlig überfordert gewesen.
Ich war also auf mich allein gestellt! Das bedeutete: Ich gegen drei bewaffnete Männer, die nichts Gutes im Schilde führten und unberechenbar waren. Außerdem hatten sie noch meine Frau in ihrer Gewalt.
Während ich mich ganz still verhielt und versuchte, an der anderen Tür zu horchen, hinter der sich die anderen drei Männer und meine Frau befanden, musste ich mir auf die Schnelle eine Strategie überleben, wie ich nun am besten vorgehen sollte, damit Aislin und ich hier lebend herauskamen. Aber ganz egal, was ich mir überlegte, kam ich jedes Mal zu dem Ergebnis, dass meine Chancen verdammt schlecht standen und mein Vorhaben geradezu selbstmörderisch war. Immer noch ratlos darüber, wie ich wenigstens einen der Kerle aus dem Zimmer locken konnte, erstarrte ich plötzlich, als ich das Schreien meiner Frau hörte. Das konnte nur Aislin sein! Ich muss sofort zu ihr! Das war mein erster Gedanke gewesen. Doch im gleichen Moment riss ich mich selbst am Riemen. Wenn ich jetzt kopflos in dieses Zimmer stürzte, dann waren wir beide tot, sie und ich.
Aislins Schreien ebbte langsam zu einem flehenden wimmern ab. Außerdem drangen Männerstimmen an mein Ohr und so etwas, wie ein heimtückisches dreckiges Lachen. So eine dämliche fiese Lache hatte nur einer: Maddox! Meine Fantasie wollte in diesem Augenblick mit mir durchgehen. Ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus, was sie da drinnen mit ihr anstellten. Für mich war es das Unerträglichste, dies tatenlos mit anhören zu müssen. Dann plötzlich hörte ich Cedrecs Stimme, der einem seiner Männer eine Anweisung gab. „Geh rüber und hol unsere beiden Gäste. Aber rühre diesen parfümierten Schwachkopf nicht an! Unser guter Angus soll doch auch noch seinen Spaß haben, bevor er ins Gras beißt.“ Kurz darauf hörte ich eine brummige Stimme, die seinen Befehl widerwillig bejahte. Dann näherten sich Schritte.
Das war meine Chance! Schnell stellte mich hinter der Tür auf, so dass derjenige, der gleich aus dem Zimmer hinaus schreiten würde, mich nicht sofort sehen konnte. Mein Messer, an dem noch Noalans Blut klebte, hielt ich fest in meiner Hand, bereit dazu zuzuschlagen. Mein Herz schlug wie verrückt. Wenn ich das jetzt verbockte, dann war ich sofort geliefert. Der Angstschweiß stand mir auf der Stirn. Ich musste einfach nur die Nerven behalten. Aber das war leichter gesagt, als getan.
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Krächzend öffnete sich schließlich die Tür. Es war ausgerechnet Donall, dieser riesige Bursche, der locker einen Kopf größer war, als ich. Aber der Vorteil der Überraschung war auf meiner Seite. Und diesen Vorteil wollte ich auch unbedingt ausnutzen. Also machte ich mich von hinten an ihn heran. Mit der einen Hand versuchte ich, ihm den Mund zuzuhalten, die andere Hand, die den Knauf des Messers umschloss, führte dessen Klinge zu seiner Kehle. Noch ehe er wusste, was mit ihm geschah, klaffte eine lange waagerechte Schnittwunde an seiner Kehle, aus der das warme Blut durch die allerletzten Herzschläge heraus pulsierten. Donall starb, ohne noch einen Mucks von sich gegeben zu haben.
Nun sah das Kräfteverhältnis schon ein wenig besser aus: Zwei gegen zwei! Doch ich wollte mir nicht ausmalen, was sie bisher schon alles mit meiner Frau angestellt hatten.
***
Währenddessen im Zimmer
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Das Innere des zweiten Zimmers, in dem sich Cedrec, seine beiden noch lebenden Männer und ihre Gefangene aufhielten, war wie die übrige Wohnung recht dürftig eingerichtet und wirkte genauso heruntergekommen. In einer Ecke lagen ein paar löchrige Decken die zu einem provisorischen Lager umfunktioniert worden waren. Neben drei Stühlen, von dem aber einer kaputt war, gab es nur einen Tisch auf dessen Tischplatte nun die junge Frau lag. Einer der Männer hielt ihre Arme fest, da sie sich sonst erbittert gewehrt hätte, während der Andere sich über sie beugte. Sie konnte seinen faulen Atem riechen und wehrte sich dagegen, als er ihr seine Zunge in ihren Mund stecken wollte. Doch dann hielt er ihr drohend sein Messer vors Gesicht, so dass sie von ihrer Gegenwehr abließ.
Schließlich begann er mit seinem Messer den Stoff ihrer Tunika von oben nach unten aufzuschlitzen, bis sie schließlich mit halbnacktem Oberkörper vor ihm lag. Stöhnend fuhren seine Hände gierig über ihre zarte Haut. Jede seiner Berührungen ließ sie zusammenzucken. „Verdammt, wo bleibt denn nur Donall!“, schnaufte Cedrec ungeduldig, der die Sache nicht noch weiter hinauszögern wollte und seinem Intimfeind Angus auch noch die allerletzte Schmach zuzufügen wollte, bevor er erst den Römer und dann ihn tötete. Die Frau unter ihm wimmerte leise und hoffte darauf, ihr Martyrium mochte bald ein Ende haben.
„Ich könnte nachsehen, Chef“, säuselte Maddox in seiner übertrieben schmeichlerischen Art. „Du müsstest dann nur die Kleine alleine in Schach halten.“ Natürlich hätte Maddox mehr Spaß daran gehabt, wenn Cedrec ihn mit der Frau allein gelassen hätte. Andererseits hatte er ihm auch versprochen, Angus töten zu dürfen, wenn die Zeit dafür reif war. Also war ihm viel daran gelegen, dass der Sklave zwischenzeitlich nicht schon das Weite gesucht hatte.
Cedrecs Hände ließen von Aislin ab. Ihm war schon klar, dass er sich wohl besser selbst um diese Sache kümmern musste. Er kannte schließlich Maddox und wusste, wie schnell er durchdrehen konnte. „Hier, pass auf sie auf, damit unser kleines Vögelchen nicht davonfliegt!“ Damit entfernte er sich von dem Tisch und ging zur Tür. Maddox nahm sofort Cedrecs Platz ein und schüchterte Aislin grinsend mit seinem Messer ein.
***
Die Tür öffnete sich wieder. Ich hatte bereits Donalls Leiche zur Seite geschleift, damit nicht sofort Verdacht geschöpft wurde, wenn die Tür sich öffnete. Nun stand ich wieder bereit, mir den nächsten dieser Dreckskerle zu schnappen. Wenn das so weiterging, dann hatte ich leichtes Spiel, dachte ich mir. Diesmal war ich meiner Sache wesentlich sicherer. Zu meiner Freude, stellte ich fest, dass es Cedrec selbst war, der aus dem Zimmer kam. Das bedeutete, Maddox musste bei meiner Frau sein. Kein angenehmer Gedanke! Wieder stürzte ich mich von hinten auf mein Opfer. Doch diesmal schnitt ich ihm nicht gleich die Kehle durch.
„Mach keinen Blödsinn und lass dein Messer fallen!“, raunte ich ihm ins Ohr, während ich meine Klinge ganz dicht an seine Kehle hielt, so dass die Haut leicht davon eingeritzt wurde. Cedrec, dieses Großmaul, wusste wenigstens, wann das Spiel zu Ende war. Er ließ sein Messer fallen und war zahm, wie ein Hündchen.
Ich schob ihn wieder zur Tür hinund befahl ihm, sie zu öffnen, was er dann auch tat. Als ich endlich einen Blick in das Zimmer werfen konnte und sah, was die beiden meiner Frau angetan hatten, hätte ich dieses Schwein am liebsten gleich abgestochen. Aber Maddox, dieser Irre stand zu dicht bei Aislin. Er hätte sie sofort getötet, wenn meine Klinge Cedrecs Hals durchtrennt hätte.
„Lass sofort meine Frau gehen, oder ich mache ihn hier kalt!“, rief ich dem Irren zu, der allerdings keinerlei Anstalten machte, sein Messer einzupacken und von Aislin abzulassen. „Tu was er sagt, du Idiot!“, krächzte Cedrec, weil ihm sein dreckiges Leben lieb war. Was ich allerdings in diesem Moment nicht mitbekam, war Cedrecs Blinzeln, mit dem er dem anderen wohl zu signalisieren versuchte, dass doch noch nicht alles verloren war.
Endlich lenkte Maddox ein. Er trat einige Schritte zurück und ließ sein Messer vor seine Füße fallen. Als sie sich in Sicherheit wähnte, setzte sich Aislin auf und verbarg notdürftig ihren Körper unter den Fetzen, die zuvor ihre Tunika gewesen war. Trotz ihrer verheulten Augen sah ich, wie froh sie war, mich wieder zu sehen. Ihr jämmerlicher Anblick schürte meine Wut weiter an. Mit einer Hand wischte sie sich ihre Tränen fort. Dann wollte sie nach dem Messer auf dem Boden greifen.
Offenbar war genau das der Moment, auf den die beiden gewartet hatten. Blitzschnell versuchte Maddox das Messer selbst zu erwischen. Doch meine Aislin war schneller und sie zögerte keine Sekunde! Sie hatte allen Grund ihm das Messer so tief wie möglich in seine stinkenden Eingeweide zu rammen, so dass er wehklagend zusammenbrach.
Zur gleichen Zeit aber griff Cedrec nach einem zweiten Messer, das er die ganze Zeit über in seiner Hose verborgen gehalten hatte. Urplötzlich rammte er mir seinen Ellenbogen in die Seite, so dass mir mein Messer aus der Hand fiel. Wie ein rasender Eber wandte er sich zu mir um und versuchte mich mit seinem Messer zu treffen. Wenigsten konnte ich verhindern, dass der Stich, der mich traf, nicht tödlich war. Er hatte mich etwas oberhalb meiner Hüfte getroffen. Für einen kleinen Moment nur war ich außer Gefecht gesetzt. Doch genau diesen Moment nutzte er dazu, um sich von mir zu entfernen und hinüber zu Aislin zu springen. Irgendwie hatte sie ihn wohl zu spät bemerkt oder gar nicht damit gerechnet, dass von ihm noch eine Gefahr ausgehen könnte. Schließlich gelang es Cedrec, sie an den Haaren zu packen. Sie wehrte sich noch, doch er ließ ihr keine Chance und tötete sie vor meinen Augen. Noch einmal musste ich mit ansehen, wie das Leben aus ihr entwich. Doch ich schwor mir, dass Cedrec, dieser miese Verräter, nicht noch einmal davonkommen würde! Deshalb suchte ich mein Messer, griff nach ihm und stürzte mich, trotz meiner Verletzung auf ihn... Ich weiß nicht, wie oft ich zugestochen habe.
***
Dies war also der Tag, an dem ich meine Rache bekam. Doch der Preis dafür war zu hoch gewesen! Fühlte ich mich nun besser? War ich befreiter, weil eine schwere Last von mir abgefallen war, die ich seit der Zerstörung meines Dorfes mit mir getragen hatte? Nein, es herrschte eine Totenstille um mich herum. Meine Rache hatte ein tiefes Loch in meiner Brust hinterlassen. Was war nun? War ich jetzt frei? Konnte ich gehen, wohin ich wollte? Nein, für mich gab es nichts mehr, wofür es sich lohnte, auch nur einen Tag frei zu sein. Genauso wenig wie es keinen Ort mehr gab, an den ich zurückkehren konnte. Das einzige, was mir vielleicht noch geblieben war, war die Ehre. Die Ehre eines Sklaven, was an sich schon paradox genug war.
Meine Wunde hatte ich notdürftig versorgt und mit einem Stück Stoff verbunden. Dann nahm ich den leblosen Körper meiner Frau und vergrub mein Gesicht an ihrer Brust. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Immer wieder sah ich zu ihr auf, in der Hoffnung, sie könne auch diesmal aus dem Todesreich zurückgekehrt sein. Doch Aislin war tot.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen hatte. Zwischendurch waren mir die Augen zugefallen. Ein verstörender Traum riss mich allerding wieder aus dem Schlaf. Eine schöne dunkle Frau, die sich im nächsten Moment in einen Raben verwandelte. Die Morrigan – warum hatte sie mich verschont und nahm nun meine Frau mit sich mit?
Draußen wurde es bereits schon dunkel. Ich konnte und wollte nicht hier unter den Toten bleiben. Aber auch Aislin konnte ich nicht hier zurücklassen! Schon bald würde ihr Leichnam von Ratten oder herumstreunenden Hunden angefressen werden. Das hatte sie nicht verdient! Ich hob sie auf und trug sie hinaus auf die Gasse. Zu allem übel hatte es auch noch zu regnen begonnen. Die Götter weinten um sie und ich am liebsten mit ihnen.
„Morrigan! Komm und hol mich!“, schrie ich vor Gram in die Dunkelheit hinaus. In der Ferne begann ein Hund zu bellen. Doch das hielt mich nicht davon ab, wieder und wider in die Dunkelheit hinauszuschreien. Die Regentropfen prasselten unerbittlich auf mich herunter. Aber das machte mir nichts aus.
„Halts Maul da unten, sonst komm ich dich holen, du Idiot!“, brüllte ein Mann aus dem Fenster.
Ich trug Aislin den ganzen Weg bis hinauf zum Quirinal. Meine Wunde musste wieder zu bluten begonnen haben. Der Regen hatte längst meine Kleidung aufgeweicht und vermischte sich nun mit dem Blut, das daran haftete. Ich spürte, wie mich langsam meine Kräfte verließen und mir kalt wurde. Nur noch ein paar Schritte waren es, doch es waren die schwersten an diesem verfluchten Tag gewesen.