SO NICHT!!! NICHT IN MEINEM HAUS!!!
hallte die Stimme von Lucius Helvetius Curvus am Abend durch das Landhaus der Familie westlich von Noviomagus. Die Sklaven kannten das schon. Denn es es ging wohl mal wieder um den jüngeren Sohn Curio, der sich strikt den Anweisungen eines Mannes verwehrte, der es gewohnt gewesen war, Befehle zu geben, die umzusetzen dann postwendend umgesetzt wurden.
Aber Lucius...
antwortete seine Frau, Decria Timarcha, versuchend ihren Mann zu beruhigen. Normalerweise wirkte das, doch dieses Mal schien das nicht der Fall zu sein. Curio war mal wieder gegen die klare Anweisung seines Vaters zum Saturnusschrein in der Nähe von Noviomagus gegangen, um dort bei einem Opfer zu assistieren. Wohlgemerkt: Gegen die klare Anweisung, man konnte aber auch mit Recht sagen, gegen den klaren Befehl seines Vaters.
Nein, Timarcha, nichts "Aber Lucius." Das Maß ist voll. Wenn du, Iullus, glaubst, du könntest mir auf der Nase rumtanzen... Da hatte ich schon mit ganz anderen Männern zu tun, die das glaubten! Alle sind hinterher vor mir in den Staub gefallen und haben gebettelt, dass ich sie zurück in Quartie ließe. Aber DU!!!
Die rechte Hand des Helvetiers hatte sich drohend gegen seinen Sohn erhoben, der nur dastand, den Blick zum Boden gerichtet, die Fäuste geballt, doch mit dem Wissen darum, dass jedes falsche Wort zu viel sein könnte und ein offenes Aufbegehren nur dazu führen würde, dass der Vater in vollem Ausmaße von seiner patria potestas Gebrauch machen würde. So schwieg Curio nur, den Wutanfall seines Vaters über sich ergehen lassend und immer wieder leicht zu seiner Mutter schielend, die es bislang immer geschafft hatte, die Wogen zu glätten.
Er ist doch noch ein Kind, Lucius...
setzte Timarcha erneut an wurde aber ohne großen Federlesens wieder von ihrem Mann unterbrochen.
EIN KIND?! Dass ich nicht lache. In seinem Alter war ich schon fast bei den Adlern. Und jetzt will der feine Herr auch noch in den Tempel... Was kommt als nächstes? Nein, Timarcha, das Maß ist voll. ENT-GÜL-TIG! Morgen bist du aus dem Haus verschwunden, Iullus, in Richtung Mogontiacum. Und zwar allein! Dann wirst du sehen, wie es ist, ohne die Familie auszukommen! Ich verspreche dir: Nach nicht mal einem Tag bist du wieder hier.
Bei den letzten Sätzen hatte sich sein Vater umgedreht und fing an, auf einer Tabula rumzukritzeln. Nach wenigen Sekunden nahm er die Tabula auf, las sie sich erneut durch, siegelte sie dann und überreichte sie dann seinem Sohn.
Solltest du aber tatsächlich in Mogontiacum ankommen, gib das deinem Bruder. Mit diesem Schreiben entlasse ich dich in seine Obhut. Allerdings würde mich alles andere als deine Rückkehr hierher überraschen. Noch vor Sonnenaufgang bist du weg. Noch Fragen? Nein? Gut.
Von Satz zu Satz wurde die Stimme seines Vaters militärischer bis zu seinen letzten Worten, die schließlich klar machten, dass das Gespräch mit seinem zu Ende war. Selbst seine Mutter hatte hier nichts mehr ausrichten können. Schnellen Schrittes verließ Curvus nun das Tablinum Richtung Hortus und ließ seine Frau und seinen Sohn zurück. Timarcha blickte zu ihrem Sohn, seufzte einmal tief und ging dann auf ihn zu.
Dann werden wir wohl mal deine Abreise vorbereiten.
sagte sie und legte Curio die Hand auf die Schulter.
Aber, Mutter, ich will hier nicht weg.
sprach Curio nun die ersten Worte seit dem Wutanfall seines Vaters.
Jetzt seien wir mal ehrlich, Iullus. Wie lang willst du das eigentlich noch machen? Glaubst du denn, dein Vater wird das noch mitmachen. Vielleicht tut dir ja auch etwas Abstand von zu Hause gut.
machte sie ihm Mut, wobei man ihr anmerkte, dass sie ihn nur ungern gehen lassen wollte. Allerdings wusste sie, dass es das Beste für Curio war, wenn er seinen Vater fürs Erste nicht mehr sehen würde. Allerdings war ihr auch bewusst, dass der Weg nach Mogontiacum durchaus gefährlich war, besonders außerhalb der Städte. Sie kannte ihren Mann aber wiederum gut genug, als dass er seinen Befehl nicht zurücknehmen würde.
Aber...
versuchte es Curio erneut, doch fehlten ihm einfach die Worte. Der lange Weg nach Mogontiacum. Alleine? Ohne Pferd, ohne Sklaven? Bis Noviomagus würde es wohl noch gehen. Aber danach? Wenn er erstmal auf der langen Straße nach Mogontiacum war, gab es genug freies Land. Und Wegelagerer gab es genug. Was, wenn er wirklich sofort wieder kehrt machen müsste? Hier konnte er ja auch nicht bleiben...
Die Gedanken überschlugen sich fast in seinem Kopf und merkte erst einige Momente später, dass seine Mutter ihn bereits in sein Cubiculum geführt und einige Sachen in seine tragbare Reisetasche gepackt hatte. Um seine Schatzkiste kümmerte er sich dann noch selber, bevor er sich - vorerst zum letzten Mal in sein Bett legte.
Das wird schon, Iullus. Du schaffst das schon.
versuchte Timarcha ihren Sohn zu beruhigen, bevor dieser letztlich einschlief. Trotzdem die Nacht noch unruhig werden sollte.