[Vor der Regia] Flavia & Tiberius

  • Die Sitzung des Collegiums war gerade beendet, als Lepidus noch ein paar Nachbesprechungen mit seinen Kollegen führt. Als dann der Zeitpunkt gekommen war, begab er sich hinaus aus der Regia zum vereinbarten Treffpunkt. Mit der Flavia würde er heute das erste Mal aufeinandertreffen, seit ihre Verbindung (natürlich ohne sie) beschlossen wurde. Er konnte wohl vor allem gespannt sein, wie sich diese Entscheidung in ihrer Stimmung niederschlagen würde. Es sollte ja tatsächlich Frauen geben, die sich gegen die Entscheidungen auflehnten, die ihnen gegenüber getroffen wurden, doch der Tiberier zweifelte nicht an der Vernunft der Flavia. Zumindest hatte diese bisher nicht unbedingt den exzentrischsten Eindruck auf ihn gemacht.

  • Mit gemischten Gefühlen hatte Domitilla die Sänfte bestiegen, die sie zur Regia bringen sollte, um dort mit Tiberius Lepidus zusammenzutreffen. Ursprünglich hatte diese Zusammenkunft einen ganz pragmatischen Anlass. Ein bevorstehendes Opfer sollte mit dem durchführenden Priester besprochen werden. Nicht mehr und nicht weniger. Allerdings hatte dieser Termin, sozusagen über Nacht, ein eine weitaus gewichtigere Bedeutung erhalten.
    Während sich nun die flavische Sänfte, samt dem begleitendem Gefolge, welches aus Leibwächtern, einigen nahestehenden Sklavinnen und Domitillas Leibsklavin selbst bestand, auf den Weg machte, kreiste über allem ein einziger Gedanke im Innersten der Flavia. Wie sollte sie dem Tiberius, ihrem zukünftigen Ehemann, entgegentreten? Schließlich hatte man über sie hinweg bestimmt, ohne auch nur einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, wie sie zu dieser Verbindung stand. Diese Ignoranz hatte sie sehr gekränkt und sie würde sich wohl sehr viel Mühe geben müssen, diese Kränkung hinreichend vor dem Tiberius zu verbergen. Doch je länger sie darüber grübelte, kam sie immer zu dem einen Schluss: Entweder sich fügen... oder der eigenen Familie den Rücken zu kehren. Da das letzte nicht in Frage kam, blieb ihr also nur eine Option. Wohl oder übel würde sie ihren Part in diesem Stück spielen müssen.


    Schließlich kamen die Sänftenträger zum Stehen. Vorsichtig schon die Flavia den schützenden Stoff ihrer Sänfte beiseite und sich einen kleinen Überblick zu verschaffen. Das Erste, was sich ihrem Blick eröffnete, war das Antlitz des Tiberius, der bereits auf sie wartete. Wenigstens sieht er gut aus, war wohl ihr erster Gedanke. Einen Moment noch verharrte sie in ihrer Sänfte, die im Augenblick noch als ihre letzte Zuflucht fungierte. Doch die Zeit in Sicherheit war limitiert.
    Einige ihrer Sklavinnen kamen ihr zu Hilfe als sie endlich, augenscheinlich etwas unsicher, der Sänfte entstieg. Während Candace noch die Tunika und die Palla ihrer Herrin richtete, fiel ihr Blick auf ihn. Ein Zucken ihrer Mundwinkel, der Versuch eines Lächelns. Die Selbstsicherheit, die sie bei ihrem letzten Zusammentreffen noch innehatte, schien ganz plötzlich auf unerklärliche Weise verlustig gegangen zu sein. Nachdem die Sklavin ihr Werk vollendet hatte, trat Domitilla schließlich auf ihn zu.
    „Salve Tiberius! Ich danke dir, dass du heute Zeit gefunden hast… für dieses Treffen.“ Ihre Stimme klang ruhig und nüchtern. Sie hatte für sich beschlossen, zunächst Zurückhaltung zu üben, gespannt darauf, wie sich der Tiberius geben würde.

  • Während die Sänfte langsam einbog und schließlich zum Stehen kam, hätte der Tiberier eigentlich noch darüber nachdenken können, wie er diese ganze Sache wohl anging, aber eine besondere Vorgehensweise schien im Grunde gar nicht notwendig. Es wird sich bekanntlich schon alles so fügen, wie es soll. Abwartend beobachtete er, wie die Flavia aus ihrer Sänfte geholfen wurde und sie sich dann auf ihn zuschritt, wobei es sich Lepidus natürlich nicht nehmen ließ, selbst ein oder zwei Schritte auf sie zuzugehen. "Salve Flavia, an Zeit soll es uns nicht mangeln", sprach er etwas unaufrichtig. "Wie ist es dir ergangen, seit wir uns das letzte Mal sahen?" Der Tiberier blickte an der Regia vorbei und schlug gleich anschließend vor: "Wollen wir nicht ein paar kleine Schritte gehen, während wir uns unterhalten?" Ein kleiner Spaziergang schadete sicher. Nicht, dass dem Tiberier in irgendeiner Weise aufgefallen wäre, dass sich die Flavia etwas unsicherer bewegte, aber wenn er eine solche Auffassungsgabe gehabt hätte, wäre wohl ein Spaziergang genau das richtige, um die Anspannung ein wenig zu lösen. In diesem Fall hätte das blinde Huhn Lepidus wohl tatsächlich ein Korn gefunden.

  • Domitillas Lächeln wirkte etwas gezwungen. Ihr ganzes Auftreten war meilenweit von ihrer sonst so leichten Selbstsicherheit entfernt. Doch welche Wahl hatte sie? Ihr war bewusst, was man von ihr verlangte. Doch sich dem zu fügen, dazu war sie noch nicht wirklich bereit. Die ganze Situation, in die man sie hineinmanövriert hatte, war noch zu ungewohnt und überforderte sie regelrecht.

    Der Tiberier trat ihr ein paar Schritte entgegen und versuchte auf seine Weise freundlich zu sein. Wohl ein Versuch, die neuen Gegebenheiten auszuloten. Liebend gerne hätte Domitilla ihm die Wahrheit über ihr Befinden mitgeteilt. Aber natürlich verbot ihr dies ihre gute Erziehung. Sie war eine Flavia und nicht irgendein Waschweib aus der Gosse. Schlimm genug, dass sie sich vor einigen Tagen gegenüber ihrem Neffen so hatte gehen lassen.
    „Danke, ich kann nicht klagen“, entgegnete sie mit ebensolcher Unaufrichtigkeit und versuchte ihre wahren Gedanken, die auf eine schnelle Rückkehr hofften, nur noch mehr vor ihm zu verbergen. Dass sich nun der Tiberius tatsächlich so viel Zeit nehmen wollte, um mit ihr ein Paar Schritte zu gehen, überraschte sie. Dennoch erschien ihr diese Option als die angenehmste. Der Gedanke daran, mit ihm in einem Raum in der Regia „eingesperrt“ zu sein, hätte sie nur noch mehr eingeschüchtert.
    „Das ist eine gute Idee! Sehr gerne.“, befand sie daher. Vielleicht konnte man ihr bereits anmerken, wie ein wenig die Anspannung in ihr nachließ. Ihre Skepsis jedoch blieb. Sie fragte sich, ob er ihr Treffen zum Anlass nehmen würde, um über das Bündis zu sprechen, welches man im Begriff war,zwischen ihren beiden Familien zu schmieden. Allein der Gedanke , dass dieser Mann in einigen Monaten, oder besser gesagt in einigen Wochen schon „ihr“ Mann sein würde, war einfach noch zu surreal.

  • So schritten sie dann auch bereits ein wenig die Regia entlang. Lepidus gab ein sehr langsames Tempo vor. Man hatte ja im Grunde keine Eile. "Schön, dass du dich wohlfühlst. Du siehst heute auch wieder ausgesprochen gut aus." Kompliment plaziert - auch wenn er von etwas romantischen Bezeichnungen, wie 'bezaubernd' oder 'wunderschön' abstand nahm. 'Ausgesprochen gut' war für den Tiberier schon ziemlich hart an der Grenze. Trotz der geringen Eile konnte er natürlich auch das Thema, welches doch so greifbar in der Luft lag, nicht allzu lange aufschieben. "Ich denke, wir werden einiges zu besprechen haben. So hoffe ich doch sehr, dass dich dein Neffe nicht ebenso aus heiterem Himmel mit seinen Plänen an dich wandte, wie er es mir gegenüber tat?" Lepidus lächelte ein bisschen gezwungen. "Ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe, aber ich sehe die positiven Folgen dieser möglichen Verbindung durchaus ein. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob jene Vorteile für dich ebenso offensichtlich sind, wie für mich und lass dir gesagt sein: Ich lege selbstverständlich Wert auf ein ehrliches Urteil und achte deinen Willen." Man konnte nicht so recht wissen, ob Lepidus dies tatsächlich ernst meinte oder ob dahinter nur eine perfide Strategie steckte, welche beim Gegenüber lediglich den Eindruck erwecken wollte, dass es sich hierbei um eine völlig freie und zwangslose Entscheidung handeln würde, die auch noch von allen beteiligen akzeptiert werden würde. Wie dem auch sei. Zumindest eine verbale Stützung des Vorhabens seitens der Flavia war sicherlich notwendig.

  • Auch wenn sich Domitilla wohl nicht ganz bewusst war, so gab sich doch Lepidus scheinbar die größte Mühe ihr zu gefallen. Dennoch wirkte er alles andere als ungezwungen und authentisch. Ihm fehlte schlichtweg die Leichtigkeit eines Claudius Centho, in dessen Worten stets die Leidenschaft mitgeschwungen hatte und in die sich die junge Flavia sofort verliebt hatte. Doch spätestens nach dem Gespräch mit ihrem Neffen hatte sie erkennen müssen, dass es ihr nichts nützen würde, dem Claudier nachzutrauern. Insgeheim hatte sie sogar kurzzeitig darüber nachgedacht, mit Centho durchzubrennen: Rom wieder den Rücken zu kehren, um mit dem Mann, den sie wirklich liebte, ins unwirtliche Britannien zu folgen. Da sich der Claudier aber auf all ihre Nachrichten und Briefe nicht gemeldet hatte, ereilte sie der schmerzliche Gedanke, er könne sie vielleicht vergessen haben…


    Wie auch immer, sie war nun hier und in der Gegenwart des Tiberius wollte sie ihm keinesfalls auch nur eine Sekunde Einblick in ihr wahres Denken gewähren. So dankte sie ihm für sein Kompliment und gab sie sich weiterhin freundlich, auch wenn es lediglich eine oberflächliche Freundlichkeit war, die sie für ihn übrig hatte, ganz ähnlich wie die des Tiberius´.


    Wie es schien, gehörte der Tiberier zu der Sorte Männer, die nicht lange um den heißen Brei herumredeten. Bereits mit seiner nächsten Bemerkung kam er auf das Thema zu sprechen, welches das Gemüt der Flavia so sehr erregt hatte, obgleich der Grund für ihr Treffen ja ursprünglich ein Anderer gewesen war. Domitilla schluckte all ihren Kummer hinunter und erstrahlte in einem anscheinend freudigen Lächeln, welches dennoch nicht zu übermütig erschien.
    „Ja, dem wird wohl so sein,“ pflichtete sie ihm bei, ehe die Reminiszenz an eben jenen Abend, an dem Scato ihr seine Pläne, die er mit ihr hatte, mitgeteilt hatte, wiederkehrte. „Nun ja, mein werter Neffe steckt voller Überraschungen. Dabei gilt sein ganzes Denken und Handeln nur dem Wohl der Familie. Aber ganz im Vertrauen, nach meiner Rückkehr nach Rom war es mein sehnlichster Wunsch, einen geeigneten Heiratskandidaten zu finden. Und wie man sieht, hat mein Neffe mich dabei exzellent unterstützt. Selbstredend liegen die Vorteile bei einer Verbindung unserer beiden Familien ganz klar auf der Hand.“
    Es kostete sie einiges an Überwindung, bei ihrer Lobeshymne auf Scato die Contenance zu wahren. Natürlich sprach sie sich nicht gegen die Pläne ihres Neffen aus, selbst dann nicht, als der Tiberier sie dazu ermunterte, doch offen zu sprechen und ihm ihren eigenen Willen mitzuteilen. Besonders eben dieser letzte Satz, der doch recht positiv anmutete, versetzte Domitilla in ein großes Misstrauen. In ihren Kreisen war dies doch lediglich nur eine unbedeutende Floskel, deren Wahrheitsgehalt man nicht näher ergründete. Wie viel Freiheiten der Tiberier der Flavia in ihrer bevorstehenden Ehe tatsächlich zu gewähren bereit war, musste sich erst noch zeigen. Bis dahin wollte sich Domitilla zurückhalten.

  • Lepidus lächelte. Vielleicht hätte man denken können, dass es aufgrund der zustimmenden Worte der Flavia war, die ihre Heirat besiegelte. Doch es war nicht jenes Lächeln, welche so etwas wie eine glückliche Ehe vorauskommen sah, sondern es waren die entspannten Gesichtszüge eines Mannes, der im Bewusstsein war, dass ein Plan aufging. "Es freut mich sehr zu hören, dass du von den Vorteilen ebenso überzeugt bist, wie ich. Dann sei es wohl hiermit offiziell. Ich denke, wir werden ein hervorragendes Paar abgeben." Ein Satz, wie er zu einer bestimmten Zweckgemeinschaft einer Ehe wohl nicht besser passen konnte. "Ich denke, von nun an gilt es dann wohl zu planen, sowohl die Feierlichkeiten an sich, als auch die Feststellung eines Termins. Ich muss zugeben, dass sich solche Sachen neben meiner politischen Beschäftigung durchaus mühselig bewerkstelligen lassen, weshalb ich gern dir die Hauptverantwortung in derlei Dingen überlassen würde." Da kam natürlich gleich ganz der Pragmatiker aus ihm heraus. Aber Frauen hatten im Weltbild des Tiberiers ohnehin nie irgendwas wichtiges zu tun, von daher sollte die Flavia sicher alle Zeit der Welt haben.

  • Gerade eben hatte sie sich aus freien Stücken, einem Lamm gleich der Schlachtbank ausgeliefert. Die Flavia wollte sich zum Wohl ihrer Familie opfern. Sie konnte sich dem nicht noch einmal entziehen. Doch musste es ausgerechnet ein so leidenschaftsloser Mann wie der Tiberier sein?
    Ein Zucken huschte über ihre Mundwinkel. Der Handel war besiegelt. Wie hoch der Preis dafür war, musste sich noch erweisen. Lepidus prophezeite, sie würden ein hervorragendes Paar abgeben. Dem hatte sie außer einem zustimmenden Nicken nichts mehr hinzuzufügen. Während der Tiberius weiter an seiner Karriere spann, würde sie stets im Hintergrund stehen und von dort aus die Fäden ziehen. Das würde sie sich nicht nehmen lassen. Auch wenn die Konsequenz die komplette Selbstaufgabe sein sollte. Doch wenn es nach der Flavia ging, musste es soweit erst gar nicht kommen.
    Bereits bei den bevorstehenden Festlichkeiten vertrauter er ganz und gar der Flavia und ihrem „Händchen“ für gelungene Festivitäten. Bereits bei der Wahlsiegesfeier ihres Neffen hatte sie bewiesen, dass sie dafür Talent besaß.
    „Ich danke dir für dein Vertrauen. Natürlich werde ich den Löwenanteil der Planung übernehmen, wenn dies dein Wunsch ist. Doch käme es mir sehr zupass, wenn du den Termin bestimmst. Schließlich sollen uns die Götter gewogen sein.“
    ..und genau deswegen, war sie ja auch ursprünglich hier erschienen.

  • "Den Kalender gehe ich gern einmal durch, um uns den besten Tag unter den besten Vorzeigen zu sichern. Vielleicht sollten wir sogar einen Besuch bei den Auguren in Betracht ziehen. Auf diese Weise würden wir deine direkte göttliche Zustimmung bei der Wahl des Termins erhalten", bemerkte der Tiberier erst einmal so nebenbei. "Aber am Termin soll es gewiss nicht scheitern. Und die Planungen für die Hochzeit sehe ich in deinen Händen erfolgsversprechend aufgehoben" Ja, in der Tat erinnerte sich Lepidus noch an die gelungenen Feierlichkeiten zu Ehren des Wahlsieges von Scato. Eine Hochzeit mag zwar eine ungleich größere Herausforderung sein, aber für jemanden aus gutem Hause sicher ein zu vernachlässigendes Problem. Noch so ein Vorteil, wenn man verstand, standesgemäß zu heiraten.


    Der Tiberier war nun irgendwie etwas unsicher, was nun folgen sollte. Ein kurzes Schweigen setzte ein. War er jetzt eigentlich zu irgendwelchen 'Zärtlichkeiten' verpflichtet? Hoffentlich hatte das noch Zeit, denn allzu lange wollte er sich von seiner Arbeit eigentlich nicht abhalten lassen. Da fiel aber zum Glück wenigstens ein, womit er das Schweigen brechen konnte, denn ursprünglich suchte ja die Flavia seinen religiösen Rat, nur dass sie sich auf dem Weg dorthin erst einmal noch verlobt hatten. "Sag, wie steht es um das Opfer, welches du vorbereiten wolltest. Anlässlich deiner Rettung durch den göttlichen Schutz deines Lebens, wenn ich mich Recht erinnere?" Welch Vorteil für die Flavia, dass sie es in Zukunft nicht weit haben würde, um ihn um Rat zu fragen. Was für ein Glück sie doch hatte. So war der Tiberier restlos überzeugt: Andere Frauen mussten sie wahrlich beneiden.

  • Hoffentlich kam dieser Termin nicht allzu bald. Alleine schon bei dem Gedanken, in wenigen Wochen schon verheiratet zu sein, verursachte der Flavia regelrechte Bauchkrämpfe. Sie schwor sich, die letzten Tage der Freiheit ausgiebig zu nutzen. Womit, wusste sie zwar selbst noch nicht so genau, aber das war ja auch in gewisser Weise nebensächlich.
    So nickte Domitilla zustimmend bei dem Vorschlag, die Auguren zu befragen und lächelte, um ihre Bedenken zu verschleiern. „So soll es geschehen!“ Wenn diese Vereinigung von den Göttern abgesegnet war, dann bestand vielleicht doch noch die Möglichkeit, dass sie einigermaßen annehmbar wurde. Hätte ihr doch nur jemand zur Seite gestanden! Eine Matrone vielleicht, die wusste, worauf sie sich einließ, sobald sie den Bund fürs Leben eingegangen war. Vielleicht sollte sie ihrer Mutter schreiben und sie bitten, nach Rom zu kommen. Allerdings hatte sich Horatia Lepida , ihre Mutter, vor Jahren schon geschworen, freiwillig keinen Fuß mehr über eine flavische Schwelle zu setzen. Es würde also schwierig werden, Domitillas Mutter als Ratgeberin zu gewinnen.
    Wäre doch nur noch die gute Almathea am Leben! Die Flavia hatte schon lange nicht mehr an ihre alte Kinderfrau gedacht, die bei dem entsetzlichen Unfall in den Bergen den Tod gefunden hatte. Und natürlich stand es außer Frage, dass sie sich einer gewöhnlichen Sklavin offenbarte.


    Offenbar hatte sich die Flavia so sehr in ihre eigenen Gedankengänge verheddert, so dass ihr gar nicht sofort dieses abrupte Schweigen auffiel, welches sich zwischen ihnen eingeschlichen hatte. Womöglich plagten den Tiberius ähnliche fundamentale Fragen, denn auch für ihn war es ja das erste Mal, verheiratet zu werden. Auch wenn er dergleichen wohl niemals aussprechen würde. Außerdem stand ihm im Gegensatz zu ihr die Möglichkeit eines Besuches in einem Lupanar offen.


    Doch schließlich gelang es dem Tiberius doch noch den Faden wieder zu finden und er sprach das bevorstehende Opfer an, welches ja der ursprüngliche Grund ihrer Zusammenkunft gewesen war.
    „Ach ja, das Opfer! Nun, erwähnte ich bereits, dass es ganz in der Nähe des Dorfes meiner Retter ein kleines Heiligtum gab? Es war der Fortuna gewidmet. Die Leute des Apennin sind einfache Menschen. Es sind Bauern, die Fortuna regelmäßig um eine gute Ernte oder sie um die glückliche Niederkunft ihres Viehs bitten. Als ich mich damals wieder von den Verletzungen erholt hatte aber noch unter Gedächtnisverlust litt, erachtete ich es als sinnvoll, ebenfalls Fortuna für meine Rettung zu danken. Am Tag, bevor ich das Dorf verließ, schwor ich der Göttin ihr am Jahrestag meiner Rettung ein großes Opfer darzubringen, sofern sie mich sicher nach Rom bringt. Wie man sieht, bin ich zu meiner Familie zurückgekehrt. Nun liegt es bei mir, den Schwur einzuhalten.“

  • Gut, dass er das Gespräch noch so gut gerettet hatte, denn die Flavia schien durch ihren breiten Wortschwall dieses Anliegen wahrlich noch nicht vergessen zu haben und womöglich konnte der Tiberier hier wieder einmal seine enorme Aufmerksamkeit demonstrieren, die er doch im zwischenmenschlichen Bereich so gern demonstrierte. Oder zumindest war er froh, den Eindruck zu erwecken. "Nach wie vor eine sehr bewegende Geschichte", gab der Tiberier zum besten. "Ich denke, eine großes Opfer in einem römischen Tempel der Fortuna wird deinen Schwur angemesse einlösen. Auch wenn es einige Tempel der Fortuna in Rom gibt, so kann ich dir jenen auf dem Forum Holitorium nur wärmsten nahelegen." Dabei kam dem Tiberier auch sogleich eine sehr passende Idee. "Wie wäre es, wenn ich dir eine Art Verlobungsgeschenk bereite, indem ich vollständig für das bevorstehende Opfer aufkommen werde? Da es dir sehr viel bedeutet, wäre mir dies natürlich eine Ehre und soll gleichsam als Zeichen dafür dienen, dass es dir auch in unserer Ehe nie an etwas mangeln wird. Was hältst du davon? Und wann genau jährt sich denn der Tag deiner Rettung?"

  • Wesentlich wohler fühlte sich die Flavia in ihrer Haut, als das Gespräch nun auf den eigentlichen Anlass ihres Zusammentreffens hinsteuerte. Die bevorstehende Hochzeit und alles was damit im weitesten Sinne in Verbindung stand würde wohl noch früh genug viele Stunden ihrer Aufmerksamkeit kosten. So war es doch weitaus sinnvoller, sich erst einmal auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und dass ihr das Opfer für Fortuna sehr am Herzen lag, hatte sie ja schon mehrmals zum Ausdruck gebracht. Dass sie in dem Tiberius den rechten Mann für ihr Vorhaben gewonnen hatte, war ihr schon sehr schnell klar geworden und dies gab ihr auch wieder ein wenig Sicherheit zurück. Fachmännisch beriet er sie, welcher Tempel in Rom denn der Geeignetste war. Dabei verließ sie sich voll und ganz auf die Meinung ihres Verlobten und nickte zustimmend. „Der Tempel auf dem Forum Holitorium also… nun, wenn du es sagst, Tiberius Lepidus, dann schließe ich mich gerne deinem Erachten an.“


    Schließlich wartete der Tiberier doch noch mit einer Überraschung auf. Dabei machte er keinen Hehl daraus, dass er durchaus ein Pragmatiker war, der zu wissen schien, welche nützlichen Bande man miteinander verknüpfen musste. Domitilla schien sehr überrascht darüber zu sein. Natürlich gebot es den Umständen, auf das Angebot des Tiberius einzugehen. Alles andere hätte ihn wohl nur gekränkt.
    „Das würdest du wirklich für mich tun wollen?“ Diesmal mal ihr Lächeln nicht gespielt. Ihr fehlten schier die Worte. Der Tiberius hatte damit eindeutig Pluspunkte bei Domitilla gesammelt und vielleicht hegte sie bereits sogar den Verdacht, dass ihr Zukünftiger doch nicht ganz so übel war, wie sie zu Anfang gedacht hatte.
    „Selbstverständlich nehme ich dieses überaus großzügige Geschenk an! Ich danke dir vielmals dafür! ... Meine Rettung jährt sich genau heute in zwei Wochen*. “


    Sim-Off:

    * Selbstverständlich können wir das bereits füher oder aber auch erst später aussimmen. Zumal ich in zwei Wochen in Urlaub sein werde. 8)

  • "Aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit", gab der Tiberier nicht unzufrieden über seine gelungene Schmeichelei mit gespielter Bescheidenheit von sich. "Dann werde ich alles für den entsprechenden Tag in die Wege leiten" So schien dieses vorerst so unsicher beginnende Treffen wohl auch sehr hoffnungsvoll zu enden. Blieb zu hoffen, dass sich das nicht bald wieder zerschlagen würde. "Bevor wir nun auseinandergehen: Ich hoffe, du hast in der nächsten Zeit keine drängenden Termine einzuhalten? Ich schlage vor, dass wir uns in zwei Tagen zur Eheregistratur begeben und die Verlobung eintragen lassen. Anschließend würde ich dich auf eine Cena zu mir nach Hause bitten, wo wir sogleich meine Verwandten über unsere Verlobung informieren. Auch mein Sklavenstab wird gut daran tun, bereits zu sehen, welcher Frau sie in der Villa Tiberia demnächst zu Diensten sein müssen"

  • Na dann! Wenigstens war er nicht geizig. Für die Zukunft würde das schon eine gewisse Rolle spielen, denn die Flavia liebte edle Gewänder und schönen teuren Schmuck. Am liebsten mochte sie Lapis Lazuli, wenn möglich mit einigen goldfarbenen Pyritadern. Ein Stein, der auf langen gefährlichen Wegen erst noch ins Imperium gebracht werden musste. Domitillas Ressentiments waren wenigstens für den Augenblick fast gänzlich verschwunden. Zumindest bis er sie daran erinnerte, dass ja noch demnächst ihrer beider Hochzeit anstand. In zwei Tagen also schon wollte er sie zur Eheregistratur schleppen. Zwei Tage nur noch in Freiheit. Danach würde sie durch das Versprechen, ihn zu heiraten, gebunden sein. Diese Vorstellung löste eine Art Panik in ihr aus. Gab es denn nicht noch irgendein rettendes Schlupfloch? Das gab es… vielleicht. Jedoch nur eines, welches ihr allenfalls noch ein paar Tage mehr Zeit verschaffen würde.
    „Ich nehme an, du hast bereits alles mit meinem Vater geregelt… oder zumindest mit meinem Cousin Flavius Gracchus, der zwar nicht mein offizieller Vormund ist, dem ich aber sozusagen von meinem Vater anvertraut wurde, solange dieser in Ravenna weilt.“ Eine kurze Pause entstand. Ein unschuldiges Lächeln folgte. „Du hast doch schon mit ihm gesprochen, nicht wahr?“

  • "Das hatte ich selbstverständlich noch vor", kam es Lepidus in den Sinn. Wie konnte er diese Formalitäten auch vergessen? Dass sein Gegenüber eher in einem seltenen Ausnahmefall sui iuris war, verstand sich eigentlich von allein. Es war ja im Grunde ebenso klar, dass es durch diesen 'Deal' mit ihrem Neffen Scato nicht getan war, der über eine bloße Empfehlung - so sinnvoll sie auch ist - hinaus jedoch keine Verfügungsgewalt über die Flavia hatte. "Senator Gracchus und ich, hatten bisher bei anderen Gelegenheiten sehr positive Gespräche. Ich bin mir sicher, dass er dem nichts zu entgegnen hat" Eher müsste erfuhr der Tiberier schon etwas über die Dos, die doch eigentlich nicht allzu gering ausfallen dürfte. "Vielleicht könntest du für den morgigen Tag einen Termin mit deinem Vormund anberaumen? Ich würde ihm dann selbstverständlich in der Villa Flavia meine Aufwartung machen"

  • Ach ja wirklich?! Natürlich verbot sich die Flavia jeglichen Kommentar, schließlich war sie ja wohlerzogen und diesen Schein wollte sie auch unbedingt wahren. Vielleicht hoffte sie noch darauf, ihr Cousin könnte, sozusagen als letzte Instanz, dem Ganzen noch in letzter Minute einen Riegel vorschieben. Aber warum sollte er das? Die Beziehungen zwischen den beiden Familien waren keineswegs belastet und eine Verbindung zwischen ihnen konnte tatsächlich nur Vorteile bringen. Und so war es eigentlich auch nicht anders zu erwarten, als er ihr diesen kleinen Hoffnungsschimmer auch noch zunichte machte.
    „Ja das glaube ich auch,“ meinte sie nur und verbarg dabei ihre wahren Gedanken. Doch nicht genug! Hatte sie eben noch auf ein wenig mehr Zeit gehofft, so ließ er all ihre Hoffnungen darauf wie eine Seifenblase platzen. „Morgen schon?“, platze es aus ihr heraus. „Nun, ich werde sehen, was sich machen lässt. Meine Sklavin wird dich darüber auf dem Laufenden halten.“ Ein kleiner Fingerzeig auf Candace folgte, die sich bislang schweigsam im Hintergrund gehalten hatte, ganz so wie man es von ihr verlangte.

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