Eine kleine Hütte am Rhenus

  • An einem freien Nachmittag hatte Curio sich vorgenommen, einen Abstecher zum Rhenus zu machen. Mit einem kleinen Spaziergang zwischen Rhenus und Stadtmauer wollte er sich die freie Zeit vertreiben und vor allem etwas Abkühlung für die doch recht hohen Temperaturen hier in Mogontiacum suchen. So verließ er die Stadt durch das Tor Richtung Vicus Mattiacorum und bog direkt hinter dem Tor nach links zum Rhenusufer ab. Die Sonne schien dabei stark auf ihn herab und Curio schaute zuerst auf und trat ging dann zum Rhenusufer, wo er beobachtete, wie die kleineren Flussschiffe der Händler stromabwärts fuhren, um ihre Waren weiter gen Norden zu transportieren. Dafür suchte sich Curio erstmal einen gemütlichen Platz an einem großen Baum, an den er sich anlehnen konnte. Immer wieder wenn ein neues Schiff vorbeikam, wurde es von Curio genau beobachtet. Er versuchte den Namen des Schiffes und seine Fracht zu erkennen und suchte dann nach dem Kapitän, der sich meistens am hinteren Teil des Schiffes aufhielt. Curio fand das alles unglaublich interessant, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, irgendwann mal längere Zeit auf einem Schiff zu verbringen. Warum auch? Schließlich würde er wohl ohnehin erstmal hier in Mogontiacum bleiben, sodass eine längere Reise gar nicht zur Debatte stand. Mögliche kürzere Reisen in die Nachbarstädte wiederum könnte er zu Fuß, mit einem Pferdoder gar einem Wagen zurücklegen können, sodass auch hier ein Schiff kein Rolle spielte.


    So verweilte Curio einige Zeit, blickte auf die Schiffe mit so klingenden Namen wie "Hildegundis" oder "Rhenianus" , erkannte Stoffe, Amphoren und unbearbeitetes Holz, und erfreute sich der schönen Aussicht. Wie aus dem Nichts schoss ihm dann eine Frage durch den Kopf: Warum waren Schiffe eigentlich immer weiblich? Die "Hildegundis", die "Rhenianus"... Das erste Mal war im das am Hafen in Noviomagus aufgefallen und erneut bei seiner Erkundungstour des Hafens hier in Mogontiacum. Curio erinnerte sich, dass er einen alten Kapitän sagen hörte, dessen "alte Dame" mache es nicht mehr lang und es werde Zeit, dass sie mal wieder auf Hochglanz werde... Aus dem Zusammenhang hatte Curio geschlossen, dass der Alte von seinem Schiff gesprochen hatte, dass wirklich so ausgesehen hatte, als dass es seine besten Zeit irgendwann im Vierkaiserjahr gehabt hatte. Curio runzelte die Stirn. Sahen die Matrosen ihre Schiffe denn wie ihre Ehefrauen oder Liebhaberinnen? Curio schüttelte den Kopf. Er würde jetzt und hier keine endgültige Antwort darauf finden und würde wohl doch nochmal in den Vicus Navaliorum, um dort eine Antwort auf diese Frage zu finden.


    Nun erhob sich der junge Helvetier, blickte sich um und stockte einen Augenblick. Wieder runzelte er die Stirn, schaute nochmal genau hin und erkannte dann zwischen zwei Bäumen auf einer kleinen Anhöhe eine runtergekommene kleine Hütte. Curio näherte sich dieser langsam und spitzte die Ohren, ob er irgendwelche Geräusche daraus vernehmen konnte. Sicherheitshalber schnappte er sich auch einen dicken Ast, der - im Fall der Fälle - als Knüppel dienen konnte. Er hörte nichts. Bevor er noch näher gehen würde, wollte er aber erstmal feststellen, womit er es zu tun hatte. Die Seiten waren mit zahlreichen Löchern versehen, die Fenstergläser waren rausgebrochen, die schwere Holztür lag rechts neben dem Eingang und bot so jedem Vorbeikommenden die Möglichkeit, die Hütte zu betreten. Hier dürfte lange schon niemand mehr gewesen sein, dachte sich Curio und trat noch weiter an die Hütte heran. Ein Knacken im Geäst ließ ihn kurz aufschrecken, als er dann aber einen Vogel in einen der Bäume flattern sah, der gleichsam einen kurzen Gesang anstimmte, atmete Curio einmal tief durch und machte einen weiteren Schritt Richtung Hütte. Mögliche "Bewohner" müsste er jetzt hören können, doch war die Hütte offenbar unbewohnt. Nun war Curio aber nah genug an die Hütter rangekommen, um einen Blick durch die Türöffnung zu werfen. Niemand war drin, zumindest auf den ersten Blick. Doch hatte Curio jetzt endgültig Mut gefasst und trat in die Hütte ein.


    Tatsächlich schien sie seit längerem unbewohnt. Eine Pritsche in einer Ecke, eine kleine Feuerstelle in der anderen und ein aus schwerem Holz gefertigter Tisch waren die einzigen Dinge, die sich innerhalb der Hütte befanden. Ein Blick nach oben bestätigte derweil den ersten Eindruck. Die zahlreichen Löcher im Dach ließen darauf schließen, dass die Hütte in diesem Zustand auch kaum bewohnbar war. Erst jetzt ließ Curio den Ast sinken, schaute sich immer interessierte um und setzte sich schließlich auf die Pritsche. Wem auch immer diese Hütte gehörte oder gehört hatte, er war schon seit Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen. Wahrscheinlich hatte dieser jemand, wenn er denn noch lebte, auch überhaupt kein Interesse an der Hütte. Curio nahm sich vor, in den nächsten Tagen in der Curia vorbeizuschauen und dort anzufragen, ob und wenn ja wem die Hütte gehörte. Sollte sich herausstellen, dass die Hütte keinen Besitzer mehr hatte, nahm Curio sich vor, sie wieder auf Vordermann zu bringen und als Fischer- oder Sommerhütte zu nutzen. Anderenfalls würde sie wohl auch weiterhin vor sich hin verfallen...

  • Einige Tage später ging Curio erneut zu der kleinen Hütte. Erneut ging er vorsichtig auf das kleine Gebäude zu und beobachtete die Umgebung drumherum. Auf den ersten Blick hatte sich nichts geändert. Die Tür lag immer noch neben dem Eingang, Reparaturen waren nicht vorgenommen worden und als Curio, wieder mit einem Stock bewaffnet, in die Türoffnung trat, fand sich auch niemand im Innern. Eigentlich hatte Curio in die Curia gehen wollen, um mehr über die Hütte in Erfahrung zu bringen, doch hatte er nach seiner Ernennung zu städtischen Discipulus genug zu tun gehabt, und hatte weder die Zeit gefunden die Curia aufzusuchen, noch erneut zur Hütte zu kommen. Heute hatte er etwas Zeit gefunden, doch als er bereits vor der Curia stand, fiel ihm auf, dass seine Informationen doch reichlich spärlich waren. Eine verlassene Hütte vor der nordöstlichen Stadtmauer und nördlich des westlichen Brückenkopfs der Rhenusbrücke. Doch würde es ihn sehr überraschen, wenn es nicht noch mehr Hütten in der Nähe gäbe. Es galt also, mehr Informationen zu finden, und das wäre am besten hier in der Hütte möglich.


    So stand Curio nun in der Hütte, auch wenn er nur wenig Hoffnung hatte, hier etwas zu finden. Der Besitzer hätte wohl kaum irgendwelche Unterlagen hier gelassen, auf seinen Namen schließen ließen und Curio hatte auch das erste Mal nichts entsprechendes gesehen. Nichtsdestotrotz schaute er sich jetzt nochmal genauer in der Hütte um. Die Pritsche war leer und auch daneben fand sich nichts, was ihm bessere Informationen geben könnte. Die Feuerstelle bot natürlich erst recht nichts, was sollte er hier auch finden, außer den Überresten des Brennholzes. Doch selbst davon war nichts zu sehen. Nur ein paar kläglichliche schwarze Reste waren zwischen den Steinen zu sehen. Offenbar hatte man hier schon lange kein Feuer mehr gemacht. Nun fiel sein Blick auf den massiven Holztisch. Die Tischplatte war leer und zeigte grobe Maserungen. Er ging auf den Tisch zu, streichte mit der Hand über die Tischplatte und umging dann den Tisch einmal komplett. Nichts besonderes war zu sehen. Erst als Curio auf die Knie ging und unter den Tisch schaute, fiel ihm ein kleines verdrecktes metallnes Schild an, das unter der Tischplatte befestigt war. Curio griff seine Tunika und wischte damit das Schild sauber. Zu erkennen war nun eine Aufschrift: "Faber tignarius Arminius P. Lacerio Simplicis amico suo gratiam maximam habet" Also hatte er doch etwas gefunden. Hoffentlich würde er unter dem Namen Publius Lacerius Simplex bei der Curia Erfolg haben. Zumindest hatte er jetzt schonmal einen Namen.


    Daher erhob sich Curio, klopfte seine Tunika wieder etwas sauberer, wobei er die Stelle, mit der er das Schild gereinigt hatte, noch richtig reinigen müsste. So verließ der junge Helvetier die Hütte erstmal wieder und könnte sich nun auch mit besseren Informationen über die Hütte erkundigen.

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