Gaius Decimus Flavus

  • Kurzfristig, sehr kurzfristig wurde Mirjam vom Maiordomus gerufen, um ein Zimmer für einen Gast herzurichten, der anscheinend unerwartet eingetroffen war und sich nun unten im Atrium mit dem Dominus unterhielt. Da die weitläufige Casa über viele Zimmer verfügte, waren immer einige frei und so musste sie nicht lange suchen um eines zu finden, dass wohl den Ansprüchen des Gastes genügen sollte, der vermutlich ohnehin nicht lange bleiben würde. Dass es sich um ein Familienmitglied handelte, war ihr zu diesem Zeitpunkt schließlich nicht bekannt. Doch auch für Jemanden der länger bleiben sollte bot dieses Zimmer genügend Platz und Komfort. Ihre Herrschaften zählten immerhin mittlerweile zu den reichsten Familien Roms und das spiegelte sich auch in der Einrichtung der Casa wieder, die Innen mehr einer Villa glich.


    Als sie im Zimmer angekommen war, begann sie damit Staub zu wischen. Die leerstehenden Zimmer wurden zwar auch immer wieder gereinigt, aber nicht so oft wie die, in denen jemand wohnte. Daher hatte sich auf den Möbeln eine leichte Staubschicht angesetzt, die es nun zu beseitigen galt. Als sie damit fertig war, kam das Bett an die Reihe. Vorausschauend hatte sie eine frische Bettwäsche mitgebracht und begann nun damit, diese auszubreiten.

  • Nachdem das Gespräch im Atrium beendet war, ließ Flavus sich von einem Sklaven den Weg zu seinem neuen Zimmer zeigen. Füße und Beine waren recht müde, die Reise war schließlich lang gewesen und so verzichtete er darauf Rom an diesem Tag weiter zu erkunden und suchte stattdessen den Raum auf, der für ihn hergerichtet wurde. Als er eintrat staunte er nicht schlecht, denn sein Cubiculum war recht groß, dazu angenehm hergerichtet und hinterließ einen gemütlichen Eindruck in dieser sonst so stressgeplagten Metropole. Sein mitgebrachtes Hab und Gut - Hauptsächlich Kleidung - war bereits hergebracht worden und stand ordnungsgemäß wartend in einer der Ecken. Nahe dem Bett befand sich eine blondhaarige Frau, die in letzten Handgriffen die Bettwäsche herrichtete. Da er sie nur von hinten sah, konnte er leider nicht sagen wie sie aussah, oder gar wie alt sie war.


    „Salve, Serva.“


    Er sah sie nicht an und sah sich im Kreis um. Sie schien gute Arbeit geleistet zu haben, nirgends war Staub, Dreck oder Unordnung zu erkennen. Nicht, dass Flavus es anders erwartet hatte, doch die Sklaven des Hauses schienen im Allgemeinen ihre Aufgaben zufriedenstellend auszuüben. Erschöpft und durchatmend ließ er sich auf einen Stuhl fallen.


    „Wie ist dein Name?“


    Ihm war ein wenig nach Unterhaltung.

  • Eigentlich wollte Mirjam mit ihrer Arbeit fertig und schon wieder weg sein, wenn der Gast in seinem Zimmer eintraf. Doch noch während sie damit beschäftigt war, abschließend den Kopfpolster aufzuschütteln, hörte sie eine Stimme hinter sich. Überrascht wandte sie sich in die Richtung um, aus der die recht junge männliche Stimme kam.


    "Ähm… Salve Herr! Mein Name ist Mirjam. Verzeih bitte, du willst dich bestimmt ausruhen nach deiner Reise."


    Da sie weder wusste, wer genau hier nun vor ihr stand, noch welchen Rang er hatte, ging ihr Blick sicherheitshalber zu Boden. Die Decimer waren im Allgemeinen recht gute und fürsorgliche Herrschaften, die ihre Sklaven ordentlich behandelten. Doch bei Fremden musste man vorsichtig sein. Auch wenn seine Kleidung nach der Reise ein wenig abgetragen und schmutzig wirkte, war ihr deutlich anzusehen, dass sie aus gutem Stoff war. In jedem Fall war also auch dieser hier ein freier Mann und stand damit schon weit über einer Sklavin.


    "Ich bin schon fertig." sagte sie rasch und schritt mit schnellen aber grazilen Schritten auf die Türe zu.

  • Zwar hatte sich Flavus im Zimmer umgesehen, und die Überraschung der Sklavin nicht zu Gesicht bekommen, ihre Worte allerdings hörte er ganz deutlich. Das kurze Zögern vor der Begrüßung verriet sie dann schließlich. Mitten im Satz lenkte der Decimer seinen Blick auf sie und konnte sich nicht gegen ein leichtes Lächeln wehren. Mirjam - wie sie sich vorstellte - hatte ein recht unschuldiges, freundliches Gesicht, das zweifellos ziemlich hübsch für eine Sklavin war. Dass sie noch nicht fertig war, bevor er eintraf, war sicherlich nicht ihre Schuld und wenn doch, kümmerte es ihn in diesem Moment auch wenig. Er nickte als sie sich entschuldigte, sich anschickte ihn in Ruhe zu lassen und zur Tür schritt. Kurz sah er ihr nach, ehe er es sich anders überlegte.


    „Mirjam, warte.“


    Sich erhebend machte er einen dezenten Schritt auf sie zu.


    „Ich bin Gaius Decimus Flavus. Ich komme aus Hispania, weißt du wo das ist?“


    Der Bildungsstand der meisten Sklaven war ziemlich gering, weshalb er sich dessen nicht wirklich sicher war.


    „Ich werde von jetzt an hier wohnen und wir werden uns nun wohl ab und zu zu Gesicht bekommen. Es würde mir Vergnügen bereiten, wenn du mir ein wenig über die Casa erzählst und mir sagst, wer hier noch lebt.“


    Bis jetzt hatte er nur Livianus und Varenus getroffen, er war sich jedoch sicher, dass noch mehr Decimer in Rom zugegen waren.


    „Das heißt, wenn du gerade keine anderen Aufgaben hast.“


    Er deutete beispielhaft in Richtung des fertig gerichteten Bettes, legte jedoch keine Wertung in seine Stimme. Für einen Sklaven gab es sicherlich auch weit schlimmere Aufgaben als Betten zu machen und Zimmer zu putzen. Von einem kurzen Gespräch mit ihm ganz zu schweigen.

  • Nun war es Mirjam, die sich ein kurzes verschmitztes Schmunzeln nicht verkneifen konnte, auch wenn sie versuchte es zu unterdrücken. Ob sie wusste wo Hispania lag? Ja, das wusste sie nur zu gut, hatte sie doch die meisten Jahre ihres jungen Lebens dort verbracht und war erst vor kurzem auf Wunsch ihres Herrn nach Rom gekommen, um von nun an in der Stadtcasa zu dienen. Und woher sollte der Gast, welcher sich nun sogar als ein weiteres Familienmitglied entpuppte, auch noch wissen, dass es der ausdrückliche Wunsch ihres Herrn gewesen war, dass sie als junges Mädchen hin und wieder Unterricht vom familieneigenen Privatlehrer bekam, der ebenfalls ein Sklave war. Sie überlegte noch ganz kurz auf seine Frage hin, ob sie etwas anderes zu tun hätte. Doch da ihr Auftrag lediglich gewesen war das Zimmer vorzubereiten, schien es in Ordnung zu sein, noch kurz auf seine Fragen zu beantworten. Nun lächelte sie doch, als sie gleich mit der Ersten begann. Und einmal angefangen, sprudelte es auch schon aus ihr nur so heraus.


    "Ja Herr, ich weiß wo Hispania liegt. Ich bin dort ebenfalls aufgewachsen. Um genauer zu sein habe ich bisher auf dem Familiensitz der Decima in Tarraco gelebt und bin selbst erst vor kurzem nach Rom gekommen. Es ist wirklich sehr aufregend hier. Ich meine…. Tarraco ist auch nicht gerade eine Kleinstadt, aber verglichen mit Rom. Hier ist alles viel größer, eindrucksvoller und …. Ja, größer einfach.


    Auch die Casa hier. Soweit ich gehört habe, wurde sie schon etliche Male ausgebaut und erweitert. Die Anzahl der Bewohner schwankt laut den Sklaven die schon länger hier dienen laufend. Manche Familienmitglieder zieht es nach Rom, andere gehen wieder in die Provinzen um Karriere zu machen oder einfach nur um einmal etwas anderes zu sehen. Im Moment lebt hier neben meinem Herrn Livianus auch noch seine Nichte Seiana. Demnächst werden auch seine Verlobte Aelia Vespa und ihr Sohn zu uns ziehen. Dann gibt es auch noch Decimus Varenus, der jedoch mehr Zeit im Palast verbringt als in der Casa.


    Klingt eigentlich recht wenig für ein so großes Haus, aber mein Herr hat mir erzählt, dass es in manchen Jahren hier nur so von Decimern gewimmelt hat. Die Casa ist also darauf ausgelegt wesentlich mehr Leuten eine Unterkunft zu bieten."


    Eigentlich machte er einen recht netten Eindruck auf die junge Sklavin. Zudem musste er ungefähr in ihrem Alter sein. Abschließend lies sie sich daher noch dazu hinreißen, etwas zaghaft eine Gegenfrage zu stellen.


    "Und du Herr, zu welchem Zweig der Familie gehörst du?"

  • Flavus war etwas positiv überrascht. Er hatte eine wortkarge, verschüchterte junge Frau erwartet, aus der er jedes stumpfe Wort herauspressen musste. Stattdessen sprach sie fließend wie das Wasser eines Aquäduktes, durchaus mit gewählten Worten und ohne Scheu. Er hörte ihr aufmerksam zu und war beinahe perplex als sie ihm eine persönliche Gegenfrage stellte. Das war er nicht unbedingt gewohnt, meist waren es ziemlich teure, speziell ausgebildete Gesellschafter, mit denen man sich auf einem passablen Niveau unterhalten konnte. War sie so eine? Er versuchte sich nicht allzu viel der Überraschung anmerken zu lassen, behielt sein Schmunzeln aber im Gesicht.


    „Varenus ist der Bruder meines verstorbenen Vaters. Mein Großvater war der Vetter des Consulars Livianus.“, versuchte er (mehr oder weniger erfolgreich) verständlich zusammenzufassen.


    „In Tarraco war ich ab und an zu Besuch. An dein Gesicht würde ich mich jedoch erinnern, sollten wir uns dort schon einmal begegnet sein.“


    Kurz, vielleicht dennoch einen Augenblick zu lang, betrachtete er ihre feinen Gesichtszüge. Dass er ihr bei seinen Besuchen in der Casa wohl nicht über den Weg gelaufen war, war auch nicht weiter verwunderlich. Als Knabe hatte er kaum Kontakt zu gleichalten Sklaven, gespielt hatte er mit ihnen schon gar nicht. Er teilte ihre Einschätzung, dass die Casa wohl noch weit mehr Personen aufnehmen konnte, als sie es derzeit tat. Die Räumlichkeiten waren beeindruckend groß.


    „Mir geht es ähnlich. Rom ist die größte Stadt der Welt, ich muss mich auch erst zurechtfinden.“, offenbarte er etwas kleinlauter als die Worte zuvor, eher er sich wieder fing und mit gewohnt kräftiger Stimme fortfuhr.


    „Was sind deine Aufgaben hier? Du scheinst intelligenter zu sein als… andere.“

  • Der Neffe dieses Varenus also. Mirjam dachte, dass es bestimmt kein Zufall war. Doch warum war er dann nur so überraschend aufgetaucht. Hätte Varenus etwas davon gewusst, dann hätte man doch schon früher ein Zimmer für den jungen Herrn hergerichtet. Aber sich darüber nun noch den Kopf zu zerbrechen, zahlte sich nicht wirklich aus.


    "Ich war nicht ausschließlich in Tarraco, sondern auch immer wieder auf den Landgütern der Familie. Wie du vielleicht weißt, besitzt die Familie von Dominus Livianus sehr viel Grund in Hispania. Vor allem rund um Tarraco. Es kann also durchaus sein, dass wir uns einfach verpasst haben. Auch während des Bürgerkrieges hatte sich der Dominus auf eines dieser Güter zurückgezogen."


    Bei seiner letzten Frage sah sie ihn etwas verdutzt an. Sollte das etwa ein Kompliment sein? Und wem meinte er mit andere? Andere Leute die er kannte oder andere Sklaven? Vermutlich letzteres. Doch Sklaven waren immer so gebildet wie es ihr Herr wollte und zuließ. Wobei Bildung ja eigentlich nicht wirklich etwas mit Intelligenz zu tun hatte. Auch ein Bauer konnte sehr intelligent sein. Mirjam beschloss lieber nicht auf diese Aussage einzugehen, sondern lediglich auf seine Frage zu antworten.


    "Eigentlich wurde ich nach Rom geholt, um der zukünftigen Frau meines Herrn als Gesellschafterin zu dienen und mich vor allem auch um ihren Sohn zu kümmern. Doch die Hochzeit hat sich etwas verzögert und nun helfe dort und da aus, wo eben noch eine zusätzliche Hand gebraucht wird."


    Vermutlich stellte diese Aussage auch klar, warum ihr als Sklavin ein gewisser Bildungsstand zuteil wurde. Als Gesellschafterin und Kindermädchen musste sie sich eben neben anderen Begabungen auch für eine gepflegte und interessante Konversation eigenen. Wobei in diesem Fall wohl Kindermädchen der falsche Ausdruck war. Schließlich wusste sie bereits, das besagter Sohn ihrer zukünftigen Herrin in absehbarer Zeit das Mannesalter erreichen würde. Doch ein bisschen war es noch bis dahin und in der Zwischenzeit, war es ihre Aufgabe für ihn da zu sein.

  • „Da könntest du wohl Recht haben.“


    Das wäre tatsächlich eine plausible Erklärung. Alles in Allem machte es jedoch sowieso keinen Unterschied. Hispania war groß und die Landgüter der Decimi zahlreich. Flavus bezweifelte, dass er selbst alle kannte, geschweige denn einen Besuch abgestattet hatte. Es war daher eh unmöglich alle Sklaven zu kennen, die sich im Hausstand irgendeines Mitglieds seiner Gens befanden, selbst wenn sie es schon so lange taten wie Mirjam.


    Die Verdutztheit, mit der sie ihn bedachte nachdem er nach ihrer Aufgabe gefragt hatte, übersah der junge Römer nicht. Hatte er sie beleidigt? Das wäre nicht seine Absicht gewesen. Explizit ging sie nur auf die tatsächliche Frage ein, ohne etwas auf seine Randbemerkung zu erwidern, die -zugegebenermaßen - auch etwas mehr von Flavus‘ Fingerspitzengefühl vertragen hätte. Wieder einmal konnte er sich nicht gegen ein Schmunzeln wehren. Es war das was sie nicht sagte, das die Quintessenz seiner Worte beantwortete. Oh ja, sie war durchaus intelligent und hielt sich geschickt zurück.


    Es dauerte eine kurze Weile, ehe sein Verstand den Rest ihres Satzes verarbeitet hatte. Nun war es der Decimer, der verdutzt dreinsah.


    „Moment. Du meinst, Livianus heiratet? Wen?“


    Ein Gespräch mit Mirjam sollte sich offenbar wirklich als hilfreich herausstellen. Auf seiner Reise hierher hatte er nicht viel mitbekommen und auch davor hatten Neuigkeiten ihre Zeit gebraucht um seine Mutter und ihn zu erreichen.

  • "Ja, er heiratet wieder. Und zwar Aelia Vespa. Sie ist die Nichte des vor dem Bürgerkrieg ermordeten Kaisers Valeranus und seines Patrons Aelius Quarto. Die Sklaven im Haus sind deswegen schon ganz aufgeregt. Die Nichte eines Kaisers wohnt dann hier mit uns unter einem Dach!"


    Das besagter Kaiser, oder vielmehr Adoptivkaiser, vor dem Bürgerkrieg ermordet wurde und damit auch die Dynastie der Ulpier ihr Ende gefunden hatte bzw. die Aelier selbst ja eigentlich keine Kaiserfamilie waren, tat für die junge Sklavin, sowie für viele andere Römer auch, nichts zur Sache. Denn ob kaiserliche Familie oder nicht, der Onkel von Aelia Vespa war Kaiser und die Aelier hatten bis vor dem Bürgerkrieg auch im Palast gelebt. Und alleine der Gedanke mit einer solchen Person unter ein und demselben Dach zu leben war für die junge Frau unvorstellbar. Ihr dann auch noch direkt zu dienen, verstärkte die Aufregung noch zusätzlich. Diese Aufregung war Mirjam nun auch deutlich anzusehen.


    "Sie soll eine wunderschöne Frau sein. Ich meine… ich selbst habe sie noch nicht gesehen, aber andere Sklaven haben mir davon berichtet. Sie hat unseren Herrn bereits mehrere Male hier im Haus besucht. Sie ist zwar um einiges Jünger als der Dominus, aber er sieht ja immer noch sehr stattlich aus für sein Alter. Zudem ist er reich und gehört der Oberschicht an. Wer wünscht sich so einen Mann nicht.


    Und außerdem war sie bereits einmal verheiratet. Daher bringt sie auch einen Sohn mit in die Ehe. Es ist also bestimmt keine schlechte Partie für sie, wenn du verstehst was ich meine."


    Letzteres sagte Mirjam etwas leiser und sah verschwörerisch zur offenen Türe, um sicherzugehen, dass gerade niemand draußen vorbei ging. Erst jetzt merkte sie, dass sie wieder einmal ihre Zunge nicht im Zaum halten konnte und es einfach so aus ihr herausgesprudelt war. Immer war es dasselbe. Sie trug ihr Herz eben auf ihrer Zunge und war viel zu freizügig damit, ihre Gedanken auch offen kund zu tun. Irgendwann würde ihr das Probleme verursachen hatte Cyrus, ein anderer Haussklave, schon mehrmals angemerkt. Doch irgendwie schaffte sie es einfach nicht, sich mehr zurückzuhalten. Und das hier konnte so ein Moment sein. Denn immerhin war ihr der Mann, dem sie hier so freizügig ihre Meinung aufzwang, ein vollkommen Fremder und ein Familienmitglied noch dazu. Was hinderte ihn daran es bei der nächstbesten Gelegenheit ihrem Dominus zu erzählen. Bei den Göttern! Mirjam spürte, wie ihr die Röte in das Gesicht stieg.

  • Das waren absolut interessante Neuigkeiten, die Mirjam da vorzubringen hatte. Schöne Frauen gab es viele. Es war der Stand, Einfluss und die Politik, die auf einer solchen Stufe zählte. Diese Ehe hielt sicherlich für beide Seiten ihre Vorteile bereit, schließlich war sie doch gerade dazu da. Getuschel um die wahren Beweggründe einer solchen Verbindung gab es doch immer, da unterschieden sich die noblen Räumlichkeiten der oberen Zehntausend kaum von Sklavenunterkünften. Jeder zerriss sich die Münder und dürstete geradezu nach dem neusten Klatsch und Tratsch. Betraf das Ganze dann noch einen Consular und die Nichte eines ehemaligen Kaisers, war schnell das ganze Römische Reich involviert. Flavus wunderte es wirklich, dass er bis dato noch nichts davon mitbekommen hatte.


    Nachdem die blonde Gesellschafterin hemmungslos aus ihrem Nähkasten geplaudert und wenig später realisiert hatte, was für Worte da eigentlich aus ihrem Mund kamen, sah der Decimer sie zunächst scharf an. Als er dann sah, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg, konnte er nicht mehr an sich halten, prustete und lachte lauthals.


    „Du wirst kaum eine Frau in Rom finden, für die Decimus Livianus keine gute Partie wäre, aber ich verstehe, was du meinst.“


    Ein leichtes Zwinkern sollte verdeutlichen, dass er es ihr nicht übelnahm. Was war sie nur für eine ungewöhnliche Sklavin? Er hatte noch nie jemanden getroffen, der so ohne Hemmungen über seinen Besitzer und Herren redete.


    „Aber das sollte ich wohl für mich behalten. Du solltest mit dieser Meinung aber lieber auch nicht hausieren gehen.“


    Während er sich wieder setzte, fiel sein Blick auf das wenige Hab und Gut, das er hierher mitgebracht hatte.


    „Ich möchte mir morgen die Stadt ein wenig ansehen. Außerdem brauche ich neue Kleidung“, er deutete auf die etwas abgetragene Reisekleidung, die er noch immer am Leib trug, wobei ihm einfiel, dass er auch ein Bad vertragen konnte „Solange Aelia Vespa und ihr Sohn noch nicht hier sind, wird Livianus sicher nichts dagegen haben, wenn ich mir dich etwas ausborge und du mich begleitest. Ich spreche morgen früh mal mit dem maior domus.“

  • "Ja Herr!" sagte Mirjam etwas kleinlaut nachdem er sie zuerst ausgelacht und dann auch noch auf ihr zu lockeres Mundwerk aufmerksam gemacht hatte. Doch zum Glück wechselte der Decimer das Thema wieder recht rasch und ließ die junge Sklavin aufhorchen. Einkaufen? Einkaufen ging sie eigentlich sehr gerne. Diese einzigartige Atmosphäre, die auf dem Märkten herrschte, die vielen, auch teilweise exotischen Waren aus allen Ecken und Enden des Reiches und natürlich auch die vielen schönen und kunstvollgearbeiteten Kleidungsstücke, die man dort zu sehen bekam. Natürlich beschränkten sich ihre Besuche auf das Sehen, denn leisten konnte sie sich solche Kleider als Sklavin freilich nicht. Doch auch hin und wieder jemand anderen beim Einkauf zu braten und solch edlen Stoffe zu berühren machte ihr Spaß. Bisher waren es jedoch ausschließlich Frauen gewesen und keine Männer, die sie auf einen solchen Einkaufstripp begleitet hatte.


    Dennoch konnte sie nun schwer nein sagen. Immerhin schien es so, als ob er ihre vorlauten Aussagen für sich behielt und schon alleine deswegen, sollte sie es sich nicht mit dem neuen Hausbewohner verscherzen. Und dass seine Kleidung nicht gerade vor Sauberkeit und Eleganz strotze, hatte sie ja bereits selbst festgestellt. Sie nickte daher ausnahmsweise artig.


    "Wenn du das wünscht Herr. Wenn du möchtest kann ich auch jemand vorbeischicken, der deine Kleidung abholt und wäscht. Und auch ein Bad kann ich dir vorbereiten lassen. Die Casa verfügt über ein eigenes, sehr geräumiges und luxuriöses Balneum, wenn du keinen Besuch in einem öffentlichen Bad vorziehst."

  • Offenbar schien Mirjam kein Problem mit seinem Wunsch zu haben. Sie willigte ein, ihn am nächsten Tage in die Stadt zu begleiten. Auch wenn Flavus kein Kulturbanause in diesem Sinne war, konnte es nicht schaden eine weibliche Meinung einholen zu können. In Rom zählte der erste Eindruck, der äußere Schein nämlich viel, und niemand konnte es sich leisten, nicht tadellos und seinem Stand entsprechend gekleidet zu sein.


    „Sehr schön.“


    Im Gegensatz zu seinem derzeitigen Auftreten. Zum Glück wusste noch niemand auf der Straße, wer er war und konnte sein Gesicht so einem Namen zuordnen. Seine Tunika, die derzeit weit mehr wie ein Haufen Lumpen anfühlte, war wirklich nicht ausgehtauglich.


    Während die Sklavin ihr wohlmöglich zuvorkommend gemeintes Angebot unterbreitete, zog Flavus die Luft durch die Nase ein. Zwar hatte er ohnehin an ein Bad gedacht, doch stank er wirklich so stark, dass seine Erscheinung selbst eine Sklavin abschreckte? Er roch nichts. Doch vermutlich auch nur, weil er seinen eigenen Körpergeruch bereits seit einigen Tagen gewöhnt war. Das Gefühl von Schmutz haftete unnachgiebig an ihm. Letztendlich zeugte Mirjams Bemerkung also nur von Geschmack und einem Verständnis für Klasse. Sie würde sicher eine herausragende Beraterin in Einkaufsfragen abgeben.


    Dann sollte es also ein Bad für ihn sein.


    „Ja, dafür wäre ich dir dankbar.“


    Als Zeichen dafür, dass er derzeit nicht mehr von Mirjam verlangte, nickte er ihr zu und gab ihr die Erlaubnis zu gehen, falls sie nichts mehr zu sagen hatte. Er jedenfalls wandte sich bereits ab und begann sich seiner Tunika zu entledigen. Er konnte dieses abgetragene Gefühl einfach nicht länger ertragen.

  • "Ja Herr!" sagte Mirjam erneut und nickte. Anscheinend war sie mit dem Vorschlag eines Bades goldrichtig gelegen. Es war zwar nicht so, dass er besonders unangenehm roch und selbst wenn, hätte sie es niemals gewagt dies zu sagen, aber Mirjam wusste noch aus eigener Erfahrung, dass nichts angenehmer am Ende einer langen Reise war, als ein entspannendes Bad zu nehmen. Ehe sie sich versah, begann er auch schon damit sich auszuziehen. Für sie ein klares Zeichen sich zurückzuziehen. Sie blickte noch einmal in die Richtung des Regales um sicher zu gehen, dass frische Badetücher bereit lagen - schließlich konnte der Decimer nicht nackt durch die Casa laufen, wenn er das Balneum aufsuchte – und ging zur Türe. Die Handtücher lagen auf ihren Platz und Mirjam schloss die Türe hinter sich, jedoch nicht ohne vorher noch einmal kurz einen verstohlenen Blick auf den halbnackten jungen Mann zu werfen, der ihr mittlerweile den Rücken zugedreht hatte. Und weg war sie...

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