Ein Tag glich wie ein Auge dem Anderen, hatte sogar fast exakt den gleichen Tagesablauf. Aufstehen, Morgenpflege, Anziehen, Frühstücken, Unterricht durch die Privatlehrer, Mittagspause und Essen, wieder Unterricht, ein wenig Freizeit, die sich in diesem Haus noch langweiliger gestaltete, da es an gleichaltrigen Spielkameraden fehlte (die Kinder von Senator Sedulus waren ihm viel zu jung), eventuell noch zur Aufmunterung ein paar Sklaven oder andere Mitbewohner der geräumigen Stadtcasa ärgern, danach Abendessen (manchmal im Kreise der Familie, manchmal gemeinsam mit den Gastgebern und manchmal allein), vielleicht noch ein wenig lesen, wieder Körperpflege und danach ab ins Bett. So in etwa konnte man einen typischen Tagesablauf aus der Sicht von Gaius Prudentius Primus zusammenfassen, der gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Großonkel Lucius, dessen Sohn Gaius und dem Sklaven Nakhti im Haus der Gens Germanica schon eine gefühlte Ewigkeit die doch einigermaßen beengten Gästezimmer bewohnte.
Seine Mutter wies ihn zwar immer wieder darauf hin, dass es hier allemal besser war, als während des Bürgerkriegs, wo die ganze Familie aus Rom flüchten und sich verstecken musste. Doch daran konnte sich der junge Prudentier, wenn überhaupt, dann nur noch sehr schemenhaft erinnern. Ganz zu schweigen von der Zeit, wo sie noch alle glücklich und zufrieden bei seinem anderen Großonkel, dem ermordeten Kaiser Valerianus, im Palast lebten. Diese Zeit, die er als Kleinkind noch selbst erlebt hatte, kannte er mittlerweile ausschließlich aus Geschichten der Anderen und da schienen die Grenzen zwischen wirklicher Erinnerung und den Erzählungen oft zu verschwimmen. Gaius wusste beispielsweise nicht, ob er sich tatsächlich an die Oleanderbüsche erinnern konnte, die einst das Peristyl des Domus Aeliana zierten, oder ob er nur glaubte sich daran zu erinnern, weil sein Großonkel Lucius ständig davon sprach. Er war schon recht alt und sprach eigentlich fast von nichts anderem mehr, als von seinem Oleander. Manchmal kam ihm sein recht alter Onkel Lucius doch ein wenig wunderlich vor, doch Mutter sagte immer wieder, dass er ein großer Mann war, der überall im Reich respektiert wurde und hoch angesehen war. Die Frage, warum sie dann immer noch hier im Hause der Germanicer als Gäste leben mussten und nicht längst zurück in den Domus Aeliana gezogen waren, verkniff er sich dann immer, auch wenn ihn diese Frage sehr oft beschäftigte, wenn er Abends im Bett lag und auf das Einschlafen wartete. Überhaupt gab es in letzter Zeit einiges, dass er aufgeschnappt hatte und das ihn beschäftigte. Alle versuchten ihn immer von den Gesprächen der Erwachsenen fern zu halten und meinten, er wäre noch viel zu jung für derartige Gespräche, wenn er versuchte sich dazu zu reklamieren. Doch aus seiner Perspektive gesehen, war er wesentlich weiter als so manch anderer Junge in seinem Alter. Zumindest glaubte Gaius das, denn viele Vergleichsmöglichkeiten hatte er ja hier in seinem goldenen Käfig nicht.
Und aus diesem Käfig wollte er so bald wie möglich ausbrechen. Vor allem seitdem er erfahren hatte, das seine Mutter wieder einem anderen Mann versprochen war. Natürlich hatte man versucht auch das möglichst lange vor ihm Geheim zu halten, doch nachdem sogar die Haussklaven darüber tuschelten, war es nicht mehr wirklich schwierig mehr in Erfahrung zu bringen. Der angesehene Consular Marcus Decimus Livianus, Praefectus Urbi von Rom, Klient seines Großonkels Lucius und angeblich früher sehr guter Freund seines Vaters sollte der zukünftige Mann an der Seite seiner Mutter werden. Oder vielmehr sie die Frau an seiner Seite. Für Gaius schien da nicht mehr viel Platz zu sein. Und was konnte das schon für ein guter Freund sein, der die Witwe seines toten Freundes heiratete, fast als hätte er darauf gewartet das er stirbt, um sie ihn wegzuschnappen. Gaius verstand ganz und gar nicht, warum sich seine Mutter darauf einließ und sogar sein Großonkel diese Verbindung befürwortete. Dessen Sohn Gaius Paetus hatte einmal versucht ihm diese ganze Sache zu erklären, doch war wie zu erwarten war, auf wenig Verständnis bei den jungen Prudentier gestoßen. Würde sein Vater noch leben, dann hätte dieser Decimer es sicher nicht gewagt, ihm seine Frau auszuspannen. Würde sein Vater noch leben, dann wäre einiges hier anders. Sie hätten es bestimmt nicht nötig Obdach im Haus Anderer zu suchen, sondern würden bestimmt wieder im Palast wohnen. Neuer Kaiser hin oder her. Immerhin war sein Vater Praefectus Praetorio. Sie würden bestimmt auch viel Reisen. Gaius würde so gerne Reisen, das Imperium kennenlernen und die bekannte Welt und darüber hinaus erkunden. Doch das alles waren nur die Wünsche und Träume eines Knaben, der auf dem mühsamen Weg ins Erwachsenenalter war. Sein Vater war lange Tod, dahingerafft von einer unerwarteten Krankheit (zumindest hatte man das immer ihm gegenüber so gesagt) und er war daher nichts weiter als ein Halbweise, dessen Mutter sich mit einem neuen, um einiges älteren Mann verlobt hatte und der in einem Haus wohnte, dass nicht dass seiner Familie war. Was blieb ihm also anderes übrig, als sich seinem Schicksal zu fügen und abzuwarten, was die Zukunft noch alles für ihn bereithielt.
Zum jetzigen Zeitpunkt hatte Gaius das Schicksal dazu verdammt gelangweilt im Hortus zu sitzen und mit einem Stock in der Erde herumzustochern, welche die Rosenstöcke des Älteren der beiden im Haus wohnenden Germanicer-Senatoren beherbergte. Der Unterricht war für heute zum Glück beendet und er hatte sich ein schattiges Plätzchen gesucht, um der Hitze ein wenig zu entgehen und seinen Gedanken nachzugehen.
[Sim-off]Falls jemand Lust hat.... 8)[/SIm-off]