Hortus | Theophanes Ankunft

  • Lucia liebte den Garten wirklich! Selbst in ihrer Zeit in Misenum hatte sie den Pflanzen nicht viel abgewinnen können, doch hier und jetzt empfand sie den Hortus als den schönsten Ort der Villa. Überall waren Blumen, verschiedene Sitzgelegenheiten luden ein zu verweilen und unter dem weisen Stoff eines Sonnendaches saß Lucia an einem kleinen Tisch mit vier Stühlen. Sie hatte Schreibutensilien auf dem Tisch verteilt und schien sich grade nicht entscheiden zu können wie sie den eben geschriebenen Brief abschließen sollte.


    Da kam eine Sklavin auf sie zu und unterrichtete sie von dem Besucher, oder war es vielmehr ein Heimkehrer? Rasch überprüfte Lucia durch abtasten ihr Aussehen, während die Sklavin versuchte auf dem Tisch Platz zu machen.

  • Endlich kam der Sklave zurück, er bat Theophanes, ihn in den Hortus zu folgen, wo sich anscheinend ein weiteres Familienmitglied aufhielt, etwas widerwillig erhob sich Theophanes und folgte dem Ianitor. Im Hortus überkamen ihn die Erinnerungen an seine Kindheit, wie oft versteckte er sich hier und genoss die Einsamkeit, er wurde leicht wehmütig, doch sammelte sich wieder schnell, nie zeigte er nach außen was in ihm vorging, niemand durfte seine Schwächen sehen. Derweil führte der Sklave ihn zu einem Tisch, an dem er ein graziles Mädchen erblickte, diese drehte sich um und Theophanes, der wie er selbst behauptete ein großer Kenner der weiblichen Schönheit war, musste sich eingestehen, die junge Dame war, an Grazie und Schönheit kaum zu übertreffen, mit Stolz vermerkte er für sich, die Götter sind dem Hause Tiberia wohlgesonnen, den solch eine Schönheit kann nur ein Werk der Götter sein. Als der Sklave ihn der jungen Dame vorstellen wollte, schubste Theophanes ihn weg, verbeugte sich leicht und sprach sanft und voller Bewunderung: Ich bin Titus Tiberius Theophanes, Sohn Lucius Tiberius Alexanders. Er machte kurze Pause und sprach weiter: Dürfte ich nun erfahren wie du heißt, mein Kind.

    Aut regem aut fatuum nasci oportere!(Zum König oder zum Narren muss man geboren sein!)

  • Stesichoros wurde zur Seite gestoßen und stolperte zwei, drei Schritte. Verwundert schüttelte er den Kopf, nicht über das Benehmen des Mannes, sondern vielmehr über die Kraft, die er dem Adeligen unter all der Weichheit seiner Kilos nie zugetraut hätte. Da er nur ungern weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, schlich sich Stesichoros rückwärts aus dem Hortus hinaus und begab sich zurück auf seinen Posten. Die Sklavin, welche für die Erfrischungen zuständig war, würde ihm schon erzählen wie das hier weitergegangen war!


    „Salve, Theophanes“, grüßte Lucia mit einem angetanen Lächeln. Irgendwie kam ihr der Name ihres Gegenübers bekannt vor. Lag das nur daran, dass sie sich bemühte die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Familie Tiberia im Kopf zu behalten oder kannte sie den Mann irgendwoher? Die sanfte Stimme und der füllige Körper ihres Gegenübers machten ihn ihr in jedem Fall gleich sympathisch. „Ich bin Tiberia Lucia, Tochter des Decius Tiberius Metellus und Schwester von Lucius Tiberius Lepidus.“ Nachdenklich musterte sie ihren Gegenüber. Dann besann sie sich auf ihre Manieren und beeilte sich zu sagen: „Willkommen in der Casa Tiberia! Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?“ Sie wies über die Schulter, wo die Sklavin gerade den Tisch einigermaßen freigeräumt hatte.

  • Als Theophanes den Namen der jungen Frau hörte, war ihm sofort klar, warum ihm das Gesicht so merkwürdig bekannt vorkam und diese leuchtenden Augen, es war sie, die kleine Lucia, mit der er genau in diesem Garten gespielt hat, mit ihr und ihrem Bruder Lucius. Theophanes war damals noch ein junger Mann, voller Lebensfreude, mit Idealen, Hoffnungen und Träumen, fest entschlossen die Welt zu verändern, so naiv war er damals. So verbrachte er gerne Zeit mit den Kindern seines Vetters, vor allem in dem Garten, nur hier fühlte er sich damals wirklich heimisch, Lucius war als Kind eher ruhig und sehr in sich hineingekehrt, Lucia war dagegen ganz anders, schon damals ein kleines Wunder, immer so wissensdurstig, stellte eine Frage nach der anderen. Zum zweiten Mal am heutigen Tag hatte er mit der Wehmut zu kämpfen. Grad wollte er mit Lucia in Erinnerungen schwelgen, als ein Zauberwort „Erfrischung“ ertönte, sofort vergaß Theophanes die lästigen Schatten der Vergangenheit, die ihn heute den ganzen Tag quälten und wurde sofort zu der egoistischen und narzisstischen Person, die er immer war, nur auf seine Bedürfnisse aus: Ah mein Kind, gerne nehme ein Schluck Wein und etwas essbares zu mir, während dessen kannst du mir das neuste aus der Gerüchteküche erzählen und lass bitte nichts aus.

    Aut regem aut fatuum nasci oportere!(Zum König oder zum Narren muss man geboren sein!)

  • Wenn sich Lucia nicht komplett irrte, musste sie hier einen ihrer Onkel vor sich haben. Da sie sich aber nicht ganz sicher war, verließ sie sich einfach mal auf das Gefühl, dass ihr der Mann bekannt vorkam und würde später nocheinmal im Familienstammbaum nachschlagen. Auf Theophanes Worte setzte sie sich also lächelnd und deutet der Sklavin an ihr und ihrem Onkel einzuschenken.


    Die junge Frau hatte es grade geschafft den Wust an Täfelchen und Zetteln zu einem Stapel zu ordnen und beeilte sich nun die Gläser mit Wein und Wasser zu füllen. Diese stellte sie dann auch vor die beiden Herrschaften, während die Pastetchen in der Mitte des Tisches ihren Platz bekamen. Sie selbst zog sich anschließend ein paar Schritte zurück, bereit erneut einzuschenken wenn die Gläser leer würden.


    Lucia begann währenddessen ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: „Die Gerüchteküche ist in letzter Zeit ordentlich am Brodeln! Anscheinend währt der Frieden inzwischen wieder lange genug, dass so manchen wieder langweilig wird.“ Sie hätte zwar gerne vorher gefragt, wo Theophanes grade herkam und ob er beabsichtigte länger zu bleiben, aber das würde sich sicher noch im späteren Verlauf des Gespräches klären. „Unsere Nachbarin von schräggegenüber zum Beispiel: Ihr Mann ist beim Palast beschäftigt und jedes Mal wenn er das Haus verlässt, kommt eine vermummte große Gestalt nur wenige Minuten später über den Dienstboteneingang in die Villa.“ Lucia hob beide Hände, wie um zu sagen ‚das kommt nicht von mir‘. „Die Gute ist nun schwanger und voller Stolz ob dieser Tatsache. Die Frage ist jetzt nur: Darf der Herr des Hauses auch stolz sein?“ Sie grinste, wie man es halt Tat, wenn man in der schmutzigen Wäsche anderer wühlte und wartete gespannt, wie Theophanes ob ihrer kleinen Geschichte reagieren würde.

  • Ohne weiter umschweife steuerte Theophanes den Tisch, wo die Sklavin Wein und köstlich aussehende Pasteten hinstellte, schon nach kürzester Zeit waren die Pasteten verschwunden, er achtete nicht einmal darauf, dass Lucia keine einzige Pastete abbekam, wenn es ums Essen ging, war für Theophanes jeder sich selbst der nächste, sein Hunger war nun etwas gestellt, doch satt war er noch nicht. So drehte sich Theophanes, der während des Essens, aufmerksam Lucias Geschichte folgte, zu der Sklavin und schrie sie an: hör auf da zu stehen Sklavin, bring noch mehr Wein. Ich muss dir sagen mein Kind, die Sklaven in der Villa, sind alle Nichtsnutze und Faulenzer, aber nicht mehr lange, jetzt bin ich ja da, ich werde die alle in die Mangel nehmen, das schöne Leben ist für euch vorbei. Die letzten Worte zischte er und starrte dabei die Sklavin an, dann wandte er sich wieder Lucia zu und sprach liebevoll zu ihr: Ah mein hübsches Kind, bitte verzeih mir meinen Wutausbruch, doch die Sklaven sind allesamt Parasiten und wenn man ihnen zu viele Freiheiten einräumt, werden die faul und somit nutzlos. So nun sprechen wir nicht mehr darüber, ich muss sagen deine Geschichte, hat mich erheitert, endlich lebe ich wieder, du kannst es dir nicht vorstellen, wie sehr ich Rom und den üblichen Klatsch und Tratsch vermisst habe, den größten Teil meines Lebens verbrachte ich auf Reisen, Griechenland, Orient, Ägypten, doch nirgends kamen die menschlichen Abgründe so zum Vorschein wie hier in Rom, ich bin überglücklich wieder hier zu sein. So nun mein Kind erzähl mir mehr.

    Aut regem aut fatuum nasci oportere!(Zum König oder zum Narren muss man geboren sein!)

  • Als Lucia nach ihrer Geschichte sich ebenfalls ein Pastetchen gönnen wollte, merkte sie überrascht, dass diese schon leer waren. Hatte Theophanes tatsächlich alle alleine verdrückt? Ihre Verwirrung steigerte sich nur noch, als ihr Verwandter plötzlich aus dem Nichts ihre Sklavin anschrie. Das war aber nicht weit her mit der vornehmen Zurückhaltung. Leicht pikiert hob Lucia beide Augenbrauen, immerhin implizierte Theophanes mit seinen Worten, dass Lucia und ihr Bruder eine zu lasche Hand mit den Sklaven hatte. Es missfiel ihr außerdem, dass er nicht zuerst auf ihre Geschichte reagiert hatte. Die Sklavin trat währenddessen stumm näher und schenkte Theophanes aus dem immer noch fast vollen Krug eine stärkere Wein-Wassermischung als noch eben nach. Da sich Lucia auch so leicht das Zepter nicht aus der Hand nehmen lassen wollte, trug sie der Sklavin ruhig auf: „Bring, wenn du noch einen zusätzlichen Krug Wein holst, auch noch einen Schwung Pasteten mit. Mein Onkel scheint Hunger von der langen Reise zu haben.“ Grade so hielt sie sich noch davon ab zu sagen, dass sie außerdem auch gerne eins essen würde. Die Sklavin nickte und eilte etwas schneller als sonst aus dem Raum.


    Schon ein wenig weniger von Theophanes eingenommen, als sie es auf den ersten Blick war, führte Lucia die Unterhaltung dennoch gerne fort. Sie musste immerhin einschätzen, ob ihr Onkel nun länger hier bleiben wollte und wie er seine eigene Position in der Familie sah. „Ja, da hast du recht, nichts kommt Rom gleich. In meiner Zeit in Misenum habe ich die Stadt und seine Menschen ebenfalls schmerzlich vermisst. Ich war ungeheuer froh, als mich mein Bruder endlich wieder hierher holte. Lepidus ist übrigens vor kurzem zum Quaestor gewählt worden.“, erzählte sie stolz. „Er hat hier alleine die Stellung während des Krieges gehalten und macht der Familia alle Ehre!“ Gespannt musterte Lucia ihren Gegenüber, wie er wohl auf ihre Worte reagierte? Würde er sich Lepidus unterordnen oder würde er versuchen sich selbst als das Oberhaupt der Familie darzustellen?

  • Theophanes merkte wie unzufrieden Lucia mit seiner Einstellung, was die Sklaven angeht, war, vielleicht hat er den Bogen auch leicht überspannt, er war jahrelang weg und darf sich jetzt nicht in Lucias Haushaltsführung einmischen, er dachte, er bittet sie, etwas später, noch einmal um Verzeihung, nun war jetzt eine andere Geschichte viel wichtiger, Lucia erzählte wieviel Lucius erreicht hat, als Tiberier war Theophanes stolz auf die Erfolge seines Neffen, doch als er selbst, war er grün vor Neid und missgönnte seinem Neffen den Aufstieg, er ließ sich des aber nicht anmerken und sprach voller falscher Bewunderung: Ah ich habe es schon immer gewusst, Lucius war schon als Junge, sehr zielstrebig, somit war es nur eine Frage der Zeit, bis er die Karriereleiter erklimmt. Nun da Lucius so erfolgreich ist, ist er auch am besten dafür prädestiniert unsere Familie als Oberhaupt nach außen zu vertreten, zwar wäre ich als ältester, geeigneter dafür. Der Neid kam doch durch, Theophanes überspielte es jedoch und fuhr fort: Da ich aber lange Zeit abwesend war, hab ich auch die notwendigen Beziehungen und Freundschaften verloren und wäre somit nicht gerade der beste Kandidat die Familien als Oberhaupt zu führen, außerdem bin ich nach Rom gekommen um mir etwas Ruhe und Erholung zu gönnen. Nun aber zu dir mein Kind, solch eine wunderschöne junge Frau, wird bestimmt sehr viele Verehrer haben, hat sich da schon jemand einen Platz in deinem Herzen gesichert, vielleicht ein Claudier oder gar ein Flavier, erzähl es mir bitte, ich brenne darauf es zu erfahren.

  • Langsam aber sicher wusste Lucia nicht mehr, was sie von Theophanes halten sollte. Der erste gute Eindruck verblasste, je länger sie sich mit ihrem Onkel unterhielt. Zwar sprach Theophanes eigentlich davon, dass Lepidus der beste Kandidat für das Familienoberhaupt wäre, doch Lucia glaubte aus seinen Worten noch etwas anderes herauszuhören. Denn Momentan mochte ihr Onkel in Rom keine Kontakte haben, aber was wäre denn dann bitte in einem halben Jahr? Würde sich Theophanes dann genauso selbstverständlich in Lepidus Angelegenheiten einmischen, wie er es grade bei ihren Sklaven getan hatte? Lucia beschloss ihren Onkel lieber genau im Auge zu behalten, nur für den Fall… Und sollte sich das Verhältnis zu ihrem Bruder hoffentlich bald wieder bessern, würde sie ihm auch von ihren Befürchtungen berichten. Nach außen hin lächelte sie jedoch unverändert weiter und nickte ihrem Onkel bestätigend zu.


    Dann machte der gute Mann aber einen Gedankensprung, den Lucia so gar nicht mochte. War doch grade ihre Verlobung das Streitthema zwischen ihr und ihrem Bruder. Doch das brauchte sie Theophanes nicht ja nicht direkt unter die Nase binden. Also schüttelte sie lachelnd den Kopf. „Mein Bruder hat schon den einen oder anderen geeigneten Kandidaten im Auge, doch noch haben wir nichts dergleichen vereinbart. Ich hoffe ja, dass er sich zuerst eine Frau nimmt, ehe ich das Haus verlasse.“, plapperte Lucia einfach mal vor sich hin. Lustigerweise bemerkte sie dabei, dass sie es sich tatsächlich aus den unterschiedlichsten Gründen wünschte, dass Lepidus vor ihr heiratete. „Ich würde ihn nur ungern mit dem Haushalt alleine lassen. Er hat schon genug um die Ohren!“ Sie winkte ab und hoffte, dass sie damit Theophanes Frage ausreichend beantwortet hatte.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!