• Bereits eine geraume Weile vor Eintreffen des Gastes hatte Serrana bereits damit begonnen, alle ohnehin mehr als sorgfältigen Vorbereitungen für den Besuch wieder und wieder zu überprüfen, bis sie wirklich mit allem zufrieden war und sich die Zeit nahm, um sich in aller Ruhe frisch zu machen und dem Anlass entsprechend zu kleiden.


    Immerhin war es schon eine ganze Weile her, seit zum letzten Mal eine Vestalin den Fuß über die Schwelle der Casa Germanica gesetzt hatte. Die letzte war Serranas gute Freundin Claudia Romana gewesen, doch die hatte sich seit einigen Jahren sehr zurückgezogen und war zu Serranas Leidwesen kaum noch in der Öffentlichkeit aufgetreten.
    Von der jungen Decima, die heute vorbeischauen wollte, wusste Serrana mit Ausnahme des Namens fast nichts, sodass sich zu der leichten Nervosität auch noch ein nicht unbeträchtliches Maß an gesunder Neugier gesellte, während sie im Atrium auf die junge Vestalin wartete.


    Die Zeit reichte gerade noch, um ein weiteres Mal einen prüfenden Blick in die Runde zu werfen und alle betroffenen Sklaven auf ihre Plätze zu scheuchen, dann trat der Sklave, der heute Dienst an der Porta bereits in Begleitung Decima Messalinas ein, und Serrana machte lächelnd einen Schritt nach vorn.


    "Salve, Decima, es ist mir und meiner Familie eine große Ehre, dich hier in der Casa Germanica begrüßen zu dürfen."

  • Messalina trat also ein, gefolgt von Nysa. Auf dem Weg dorthin blickte sie sich recht wenig um. Beiden Augen geradeaus dem Ziel entgegen. Es gab nämlich nicht so viel zu sehen, was sie hätte interessieren können. Denn mit dem Atrium Vestae war die Casa sowieso nicht zu vergleichen. Der Luxus war nämlich einmalig gewesen. Wer konnte nämlich schon einen Raum vorweisen, der fast vollkommen aus Gold verkleidet war.


    Als sie Serrana sah, öffnete sie ihr Lippenpaar und setzte zum Lächeln an, dabei öffneten sich ihre Augen weit. "Salve, Germanica. Es ist mir ebenso eine Ehre, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Und die Entscheidung dich in deiner Casa anzutreffen war goldrichtig. Ein wunderschöner Ort."


    Als sie das letzte Mal Serrana traf, war Serrana schwanger gewesen.


    "Wie geht es deinem Kind...deinen Kindern?"

  • Sie war ja die einzige vom Gefolge Messalina´s mit von der Partie, wenn sie auch weiterhin abseits stand, um die beiden nicht zu stören. Sie sah lieber den Sklaven der Germanicer zu, wie sie versuchten ihrer Domina und dem Gast alles recht zu machen. Es war anders als im Atrium Vestae, wo man die Dinge sehr gemächlich anging und sich oft lange für irgendwelche banalen Angelegenheiten Zeit lies. Tauschen würde sie auf keinen Fall. Nie und nimmer. Wirklich.


    Auf die Frage mit den Kindern blickte sie ein wenige irritiert, sowas fragte ihre Domina nicht allzu oft. War sie doch viel lieber an der Funktion der Gesprächspartner interessiert als über die privaten Verhältnisse derjenigen. Außer natürlich private Bündnisse. Denn Solches Wissen aufzuzeigen war für ihre Domina äußerst wichtig, um sich nicht mit irgendwem zu verscherzen, nur weil sie den falschen Namen an einem falschen Ort genannt hatte. Politik war nicht einfach, aber langweilig.


    Sie pustet einmal ihr Pony zu Recht und stöhnte innerlich.

  • "Nun ja, es gibt zweifellos größere und prachtvollere Villen hier in Rom als die Casa Germanica, aber ich habe mich hier immer wohl gefühlt. Wenn du möchtest und es dich nicht langweilt, dann führe ich dich später gern noch ein wenig herum." Sogar schon in Zeiten vor ihrer Hochzeit, als sie Calvena, Sedulus' Nichte hier besucht hatte, aber der Gedanke an die im Bürgerkrieg verschollene Freundin war nach wie vor so schmerzhaft, dass Serrana ihn möglichst schnell wieder beiseite schob und sich stattdessen voll und ganz auf ihre Besucherin konzentrierte. Dass diese nach ihren Kindern fragte, erleichterte die Sache natürlich noch einmal zusätzlich.


    "Oh, den Kindern geht es gut, wie nett von dir, nach ihnen zu fragen." Serrana, die nach anfänglichen Schwangerschafts- und Geburtsängsten mit Feuereifer in ihrer Rolle als Matrone und Mutter aufgegangen war, blühte bei diesem Thema gleich noch ein wenig mehr auf. "Die Zwillinge haben schon seit geraumer Zeit Unterricht, und der kleine Manius wird auch bald soweit sein, kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht." Jetzt, wo sie der jungen Vestalin aus solcher Nähe gegenüber stand, fiel Serrana zum ersten Mal bewusst auf, dass sie einander schon einmal begegnet waren, was allerdings auch schon einige Zeit zurücklag. "Du warst damals bei mir im Tempel, um eine Amsel zu opfern, nicht wahr?" fragte sie sicherheitshalber noch einmal und mit unverkennbar verlegenem Gesichtsausdruck nach. "Entschuldige, dass ich mich jetzt erst daran erinnere, dabei hattest du doch damals schon den Wunsch Vestalin zu werden. Zweifellos liegt der Segen der Götter auf dir, sonst hätten sie das nicht wahr werden lassen." Serrana machte eine einladende Geste zu eine Sitzgruppe am Rand des Atriums hin. "Aber nimm doch bitte erst einmal Platz und mach es dir bequem. Ich habe für später eine kleine Mahlzeit vorbereiten lassen, aber du möchtest doch sicher vorher gern etwas trinken."

  • "Es kommt nicht auf die Größe und der Prächtigkeit an, sondern vielmehr, wer in den vier Wänden zu Hause ist. Und die Germanicer sind eine der großartigen Familien überhaupt. Was ist schon ein Villa im Gegenzug Mitglied deiner Familie zu sein." Diese Meinung hätte in den Reihen der Decimer zum Teil zu Konfrontationen geführt. Gut, dass niemand die tatsächlichen Gedanken lesen konnte. Außerdem schien Serrana sich kaum um die Politik zwischen den Familien zu scheren. "Gerne, und es langweilt mich nicht. Keine Sorge. Solange du an meiner Seite bist. Zusätzlich bietet sich das Wetter doch recht an, um später draußen im Hortus zu verweilen." Immer mit Komplimenten um sich werfen, nur zu fett aufgetragen sollte es nicht sein.


    "Ach, Kinder. Eine Sache, die ich nie erleben werde. Nie das Leben als Mutter genießen kann, wie einem die eigenen leiblichen Kinder zum Lachen bringen, glücklich machen. Das ist eben das Opfer was ich bringen muss. Doch bereuen, wohl kaum, es gibt eben Momente." Auch diese Aussage war mehr oder weniger nicht ehrlich gemeint. Sie konnte sich zwar Kinder vorstellen, doch nie einen Mann geschweige Ehemann. "Weißt du, wie ich das meine?"


    "Sind die beiden Zwillinge zu Hause? Wir könnten sie später mit den Hortus nehmen? Auch wir im Atrium Vestae haben fast täglich Kindergesang und was gibt es Schöneres als solche Klänge zu hören?" Ja, die Kinder im Atrium Vestae. Eine Gegebenheit die auch Messalina genoss. Weil sie immer fröhlich waren. Ihr Leben noch so unberührt war.


    Als dann Serrana von der Amsel sprach. Konnte Messalina nur die Augen verdrehen. "Erinnere mich bloß daran nicht. Als kleines Mädchen war ich noch sehr unwissend, was die Opfergaben betraf." Messalina konnte nicht anders, und fing an zu lachen. "Wie dumm ich doch war." Als sie sich dann wieder beruhigte. "Aber deine damalige Begleitung tat mir richtig gut. Du bist eine sehr gute Aeditua. Vor allem, was bei vielen fehlte, sehr einfühlsam. Ich könnte mir gut vorstellen, dass du zur Pontifex Minor aufsteigen könntest." Zwischenzeitlich nahm sie die einladende Geste an und setzte sich zusammen mit Serrana. "Danke. Gerne, ein wenig Wasser." Dabei schaute sie lächelt zu Serrana. "Hach...deine Anwesenheit tut mir richtig gut. Und ja, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Mein Lebenstraum. Welcher ist denn deiner? Eine glücklich Familie? Und bist nicht du genauso von den Göttern gesegnet? Kinder, einen liebevollen Ehemann..."

  • "Nun, es freut mich sehr, dass du unsere Familie offenbar so schätzt." entgegnete Serrana, die tatsächlich ein wenig überrascht über diese Aussage war, sich das allerdings nicht anmerken ließ. Decimer und Germanicer waren in den vergangenen Jahren seit ihrer eigenen Ankunft in Rom nicht unbedingt als die engsten Verbündeten und Freunde bekannt gewesen, und auch aus Sicht einer Vestalin waren letztere nicht unbedingt eine Gens, die einem wegen besonderer Frömmigkeit ins Auge sprang. Aber im Grunde waren die möglichen Beweggründe auch nicht so wichtig, viel entscheidender war es, das Wohlwollen und die Gunst einer der heiligen Dienerinnen der Vesta auf seiner Seite zu wissen, und um das zu erhalten und vielleicht noch ein wenig auszubauen, würde Serrana sich gern ins Zeug legen.


    "Ja, ich denke, ich verstehe dich sehr gut." Serranas Nicken war aufrichtig, denn gerade über diese Frage hatte sie sich in ihrer Jugend sehr viele Gedanken gemacht. "Weißt du, ich wollte immer gern den Göttern dienen, und eine Weile habe ich auch überlegt, Vestalin zu werden, aber der Wunsch, eine eigene Familie mit Kindern zu haben, war einfach zu groß. Ich selbst bin damals ohne wirkliche Familie aufgewachsen, umso mehr weiß ich daher zu schätzen, was ich an meinem Mann und den Kindern habe. Dennoch habe ich allerhöchsten Respekt davor, sein Leben so voll und ganz den Göttern zu verschreiben, wie du es getan hast, so etwas hätte ich sicher nicht leisten können."


    Serrana wartete, bis die Decima sich gesetzt hatte und ließ sich dann neben dieser nieder, während sie den wartenden Sklaven ein Zeichen machte, ein paar Erfrischungen zu bringen. "Ja, die Zwillinge sind daheim und der kleine Manius auch. Ich werde sie gern rufen lassen, wenn wir in den Hortus gehen, ich hoffe nur, dass dir der Lärm nicht zuviel wird, meine Kinder sind nämlich leider nicht gerade für ihr stilles und leises Benehmen bekannt." Was vermutlich seinen Grund darin hatte, dass Serrana bei ihrer Erziehungsarbeit niemals auch nur ansatzweise so streng gewesen war oder auch nur hätte sein wollen wie seinerzeit ihre Großmutter, aber das musste ja nicht unbedingt ausgebreitet werden. Zumal eine Bemerkung der Decima ihr ohnehin nur Sekunden später eine verlegene Röte ins Gesicht trieb und alle anderen Gedanken fürs erste verscheuchte.


    "Ich eine Pontifex minor? Ich danke dir, das schmeichelt mir sehr, aber für so ein Amt wäre ich derzeit wirklich nicht würdig genug. Ich habe mich in den letzten Jahren viel zu sehr um meine Familie und viel zu wenig um meine Pflichten als Aeditua gekümmert, das muss ich zu meiner Schande leider zugeben. Natürlich wäre so ein Amt ein großer Traum, etwas, das mir sicher sehr gefallen würde, aber dafür müsste ich mich erst einmal wieder so den Göttern widmen, wie sie es verdienen." Serrana räusperte sich unverkennbar verlegen, doch dann kehrte das Lächeln auf ihr Gesicht zurück. "Es freut mich sehr, dass dein Wunsch wahr geworden ist, man konnte damals schon spüren, wie wichtig dir all das war. Und ja, ich denke, in gewisser Weise habe auch ich das gefunden, dass ich suchte, als ich in deinem Alter war. Einen festen Platz in einer Familie, die mich jederzeit auffängt, einen Mann, den ich nach wie vor sehr liebe, meine Kinder und natürlich meine Berufung als Priesterin der Minerva. Es gibt wirklich wenig, über das ich mich beklagen könnte."

  • Messalina spitzte die Ohren als Serrana meinte mal mit den Gedanken gespielt zu haben Vestalin zu werden. "Die Überlegung eine Vestalin zu werden war aber nur von kurzer Dauer oder? Wenn ich das hier so sehe. Kinder, Ehemann, reines Familienleben. Alles das, was eine Vestalin nie erfahren würde." Das Serrana gelogen habe könnte, um so die Gunst von Messalina zu gewinnen, daran glaubte sie nicht. Weil dafür wirkte sie einfach zu aufrichtig. "Ohne die Vestalinnen vor allem Vesta wäre ein Familienleben so wie deines unmöglich. Sorgt sie doch für die Familieneintracht. Auf der anderen Seite sind Matronen nicht weniger wichtiger. Denn was würde der Nachwuchs ohne die Liebe der Mutter tun? Sterben..."


    Nach der Übergabe der Erfrischungsgetränke blickte sie kurz Richtung Fenster und versank für wenige Sekunden in Denken um ihre eigene Kindheit. "Ich war als Kind nicht anders, stürmisch. Von daher stört es mich überhaupt nicht. Es erheitert mich sogar. Denn die Tage als Vestalin sind fast ausschließlich zu ruhig. Es ist ja leider nicht mehr wie früher, als die Leute im Atrium Vaesta ein und ausgingen. Darunter auch viele hohe Persönlichkeiten.
    Nun ja..."


    Sehr gut, Serrana war also nicht abgeneigt. "Das würde ich nicht ganz so sehen. Denn Vieles als Pontifex minor ist reine Verwaltungsarbeit. Es wird ja leider oftmals vergessen, dass wir wie die kaiserlichen Beamten dienen. Außer du würdest uns wie die Christen beurteilen." Ihrer Meinung nach sollte man dieses Gesindel abschlachten. Gut, dass niemand ihre Gedanken lesen konnte. "Ich kann dir sicherlich helfen. Weil im Herzen möchtest du es doch.", sagte sie mit einem eher wirkenden verstohlenen Blick.


    Die letzte Sätze nahm Messalina nur zur Kenntnis ohne etwas zu kommentieren. Denn sie erinnerte sich auch, dass sie damals eine weiße Taube opferte und es im Nachhinein als Lächerlich herausstellte, auch wenn sie recht klein und unwissend war.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!