Wie erwartet hatte der Centurio seine Anwärter auf den Freigang noch einmal nach allen Regeln der Kunst geschliffen bis sie beim Abendappell kaum mehr Haltung hatten annehmen können. Ein erschöpfter Freigänger war ein friedlicher Freigänger – idealerweise. Die Rekruten erholten sich allerdings immer schneller von den täglichen Strapazen, der nun schon wochenlange Drill zeigte Wirkung. Am Beginn seiner Ausbildung hatte sich Antias nach Dienstende nur noch ausgepumpt in die Unterkunft geschleppt und auf die Pritsche geworfen. Mittlerweile waren die Männer weit härter geworden. Härter und trotziger. Sie hatten mit der Zeit gelernt, dass Schmerzen bis zu einem gewissen Grad zu ignorieren waren und die Erschöpfung einen Scheitelpunkt hatte, der sich überschreiten ließ, wenn man sich ihm nicht ergab.
So hatte die Dritte Centurie am Abend nicht viel Zeit darauf verwenden müssen, sich die Wunden zu lecken und Atem zu schöpfen. Die Männer hatten schnell ihre Ausrüstung für den nächsten Tag in Ordnung gebracht, waren in bequeme Tunicae geschlüpft und den Mauern der Castra entkommen bevor es sich noch irgendein Befehlshabender mit dem Freigang anders überlegen konnte.
Draußen in den schmalen Vorstadtgassen empfing sie ein chaotisches Gedränge, was nicht weiter verwunderlich war, denn immerhin hatte die gesamte Centurie Ausgang erhalten, mit Ausnahme ein paar armer Hunde, die wegen diverser Nachlässigkeiten zum Wachdienst verdonnert worden waren. Und die Dritte war ganz offensichtlich nicht die einzige Centurie mit Freigang, sämtliche Wege in südwestliche Richtung waren nahezu verstopft von jungen Burschen, denen man den Rekruten trotz Zivilkleidung schon von weitem ansah. Dazu kamen noch die Altgedienten mit Ausgang, die omnipräsenten Einheiten der Prätorianer, diensttuende Einheiten der CU und CV und natürlich die Zivilisten: Händler, Huren, Artisten und allerlei anderes geschäftstüchtiges Volk, das es auf den Sold der Männer abgesehen hatte.
Um im Gewimmel überhaupt vorwärts zu kommen, hatte sich die Centurie schnell in ihre Contubernien aufgelöst, die sich nun einzeln durch die Gassen schoben. Antias und seine Kameraden hatten sich zu einer lockeren Kolonne formiert, an deren Spitze Fimbria, der breitschultrige Bulle aus Alba Fucens die Menge teilte wie ein klobiger Ackerpflug. Als hoch aufgeschossene Nachhut schlenderte Hispo hinter der Gruppe her und behielt sowohl die Kameraden als auch deren Umfeld stets im wachsamen Auge. Von den breiteren Straßen direkt am Lager weg – stadteinwärts, das war der Plan. Unmittelbar an den Castra war der Wein am teuersten und am schlechtesten. Mit etwas Glück würden sie eine abgelegenere Caupona finden, die nicht allabendlich von durstigen Soldaten gestürmt wurde.
Antias hatte sich bereits auf der Principalis eine Handvoll Oliven gekauft, von denen er sich beim Gehen immer wieder eine schwungvoll in den Mund warf. Ein recht simpler Plan, dachte er sich amüsiert, aber immerhin ein Plan.