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    Idun hatte die ganze Zeit an dem Krankenlager gewacht. Immer wieder hatte sie die verbände gewechselt oder einen der Druckverbände erneuert. Er war schwach... geschwächt vom Kampf und dem Blutverlust. Die Germanin war sich nicht sicher, ob ihre Hilfe von Erfolg gekrönt sein würde. Als er endlich erwachte, atmete sie erleichtert auf. Er war zwar noch nicht über den Berg, aber es war zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
    Er sprach nicht viel, aber es war auch nicht nötig, Idun verstand. „Bedanke dich nicht. Noch nicht Tiberius Verus. Danke mir erst, wenn du wieder vollständig genesen bist.“ Sagte sie und hielt ihm einen Becher an die Lippen. Er hatte bestimmt Durst außerdem war es wichtig genug zu trinken. Und Idun hatte dem Wasser auch noch ein paar Kräuter beigemischt, die den Heilungsprozess unterstützen und ihm die Scherzen nehmen sollten.
    Idun machte sich wieder daran, die Verbände zu wechseln. Zuerst nahm sie sich das Bein vor. Es sah wirklich nicht gut aus. „Du hast viel eingesteckt.“ Stellte sie fest. Während sie die Wunde reinigte und erneut die entzündungshemmende Paste auftrug. Verus würde wohl sehen können, dass sie die Wunde genäht hatte. Ja die großen Wunden hatte sie genäht. Insofern war sie dankbar gewesen, dass er nicht bei Bewusstsein gewesen war. „Es wird heilen.“ Stellte sie fest. Ob es aber so verheilen würde, dass er wieder gehen konnte.. nein das konnte Idun nicht sagen. Die Wunde war tief und die Germanin wusste nicht ob mehr getroffen wurde als nur Fleisch. Insofern würde der Römer warten müssen. Bis er wieder kräftig genug sein würde um zu testen ob er immer noch ohne Probleme laufen konnte.
    Als sie fertig war, holte sie eine Schüssel mit einer wohlduftenden Fleischsuppe. „Hier iss das. Es wird dir gut tun.“ Sie selbst nahm sich auch einen Schussel und einen Becher mit einem Getränk, welches aus geröstetem Korn übergossen mit heißem Wasser bestand.
    Sie beobachtete den Römer eine Weile schweigend, bis sie schließlich fragte. „Warum warst du so weit weg von deinem Posten?“ Ja sie konnte sich nicht erklären, warum er sich mit so wenig Leute so weit hinein in das freie Germanien wagte.

  • Warum war Idun so freundlich? Warum war die Welt diesem ständigen Wechsel unterworfen? Dieser Grausamkeit der Unbeständigkeit? Verus verstand nicht, warum er vor Stunden grausam kämpfen musste und nun von einer potenziellen Feindin versorgt wurde. Nicht, dass er sie als Feindin sehen wollte aber sein römischer Verstand schrie immer wieder nur ein Wort: Feind. Dennoch war Verus selbst kein grausamer Mensch und niemals wirklich verleitet, zu hassen. Er hasste Idun nicht, konnte es auch nicht mehr, da sein Herz inzwischen so taub war, dass er nichts mehr fühlte. Dieses Blutbad hatte ihm nicht nur seine Zuversicht genommen, sondern auch seine tiefsitzenden Emotionen. Einerseits war es eine Erlösung und andererseits ein Fluch, da er sich nicht nur körperlich taub fühlte, sondern auch seelisch. Der Römer wusste, dass dort mehr sein musste, als diese Leere und diese Sehnsucht war geblieben. Etwas zu fühlen, außerhalb dessen, was er erlebt hatte. Im Kampf vergossenes Blut brannte sich in die Seele. Es ließ sich zwar mit Mühe von den Händen waschen aber dessen Geschmack, dessen Gewicht und auch dessen Geruch blieb dem Soldaten ein Leben lang. Noch immer spürte Verus das Gewicht seiner Waffe in den Händen, doch trug er sie nicht mehr. Es war merkwürdig, dass seine Hände dieses Gewicht zu suchen schienen. Kurz krampfte seine Hand erneut, in falscher Hoffnung, sich an das Gladius klammern zu können.


    Tiberius Verus war zerschlagen, während seine Augen den tiefen Schmerz ausdrückten, die diese Leere in ihm hervor rief. Er hätte nicht überleben sollen. Nicht so. Er wäre als Mensch gestorben und nun lebte er als Leere fort. Als Mann, der er mal gewesen war; wie eine Maske, ertrug er sich selbst. "Genesen?" - fragte er skeptisch und meinte damit nicht seine körperlichen Wunden. Er hatte sich den Krieg nie als heroisch und eine erstrebenswerte Sache vorgestellt und doch hatte er geglaubt mit seinem weichen Herzen, die nötige Härte zu erlangen, um ein guter Römer zu sein. Doch dabei hatte er naiv vergessen, dass ein Römer nicht nur Soldat war, der zerstörte, sondern auch erbaute. Römer schufen Gesetze, eine Ordnung und Städte. Sie bauten Straßen, die Kulturen verbanden und Römer träumten von einer neuen Welt, einer gerechten Welt für alle römischen Bürger, die mitunter Barbaren und Sklaven ausschloss aber auch diese erhielten einen Platz. Verus hatte nun die blanke Zerstörung erlebt, ohne Zweck oder Sinn, war er im Blute getauft worden und hatte sein Weltbild fallen sehen. Es war seine Apokalypse gewesen. Verus Seele war an der Erkenntnis zerbrochen, dass diese Welt niemals gerecht sein würde. Niemals würde er etwas anderes sein, als er selbst und das, was er gesehen hatte. Er trank aus dem gehaltenen Becher, kämpfte mit seiner Haltung und so lief der Trank zu Teilen an seinen Lippen vorbei. Der Schatten des Krieges lag in seinen Augen, die immer trauriger wurden und auch verfallener. Ein Blick, der Soldaten und Krieger, die ihren Glauben verloren hatten. Leere Wesen und in der Gefahr herzlose Dämonen zu werden. Der Donner wallte gegen das Holz der Hütte und grub sich in den Boden, wie ein dumpfes Beben. Es war ein Unwetter, ein Gewittersturm, der hereingebrochen war. Iduns Medizin half und vertrieb den körperlichen Schmerz nicht ganz aber ließ ihn erträglich werden. Verus ließ sich zurückfallen, so dass Idun erneut die Verbände bearbeiten konnte. Sie war geübt, dass spürte Verus, da der Wechsel und die Versorgung nahezu punktgenau und schmerzfrei verlief; mit der Ausnahme, dass die Wunden brannten und sich die Haut warm anfühlte, kurz davor in brennendes Feuer umzuschlagen. "Ich habe gekämpft," erklärte Verus auf ihre Aussage, dass er viel eingesteckt hatte. "Es wird von mir als Centurio erwartet," setzte er nach und sprach das Wort Centurio mit Verachtung aus, so als ob er sich selbst nicht mehr ausstehen konnte. Er hatte versagt und doch etwas gewonnen. Seine Männer waren entkommen. Irgendwie beruhigte ihn das, dass wenigstens etwas von ihm etwas Gutes hervorgebracht hatte. "Ich möchte nicht, dass es heilt," stammelte er einen Satz zusammen, so als ob er hoffte, am Fieber zu vergehen. Er wollte nicht mehr. Nicht mehr, nachdem er diese Welt in aller ihrer Grausamkeit erblickt hatte. Der Tiberius wollte zurück in seine Träume, dort wo noch Liebe war. Dort, wo noch Leben war, welches erwünscht erschien. Diese Pein, noch hier zu sein, fraß ihn auf. Er keuchte aus, während er seinen Blick von Idun abwandte. Es tat ihm weh, sie zu sehen; es tat ihm weh, einen Menschen mit diesen Augen anzublicken, die brutal gemordet hatten. Er schämte sich, auch vor einer Barbarin, die ihm nun näher war, als es seine Calena jemals war. Sie sah keinen Römer in ihm, keinen zukünftigen Soldaten oder Patrizier, sondern nur das, was er war: ein Mensch. Hier waren keine Illusionen mehr, keine falschen Bilder einer Idee, sondern nur zwei Menschen, die durch Mitgefühl verbunden waren. Idun kümmerte sich um Verus, während Verus sich vor ihr schämte. Eine merkwürdige Entwicklung des Schicksals; ein Spott der Götter, dass diese beiden Seelen nun mehr gemeinsam hatten, als Verus jemals in Rom gefunden hatte. Es war echte Hilfe. Eine Erlösung von seinen Ketten und Zwängen, die er sich selbst auferlegt hatte. Diese Leere, die er spürte, sprengte seinen Selbstbetrug und war dennoch grausam und brutal zu ihm selbst.


    Er roch die Suppe, bekam ein Gefühl von Hunger, wandte seinen Blick zurück, mitsamt seinem Oberkörper, um Idun wieder ins Gesicht zu blicken. Seine Augen wichen jedoch aus. Noch immer war dort diese Schande. Dieses Ungemach ihr Gegenüber. Verus begann zu essen und nickte dankend. Es schmeckte ihm. Schließlich stellte sie die Frage, die Verus den Holzlöffel in die Schüssel fallen ließ. Er konnte nicht antworten, da sie genau die Leere eröffnet hatte, die ihn taub gemacht hatte. Einen Moment starrte er in die Suppe, betrachtete die schwimmenden Brocken an Fleisch. "Weil es die Ehre verlangte," versuchte er ihr ehrlich zu antworten, denn das war er ihr schuldig. Wenigstens das. "Es gab Überfälle auf römische Straßen. Unschuldige Händler und Reisende waren in Gefahr," versuchte er zu erklären und brach dann ab, um zu weinen. Er konnte es nicht mehr halten, da all der Schmerz in die Leere trieb und sein Körper den Kampfstress abwerfen musste. Tränen liefen aus seinen Augen, fielen in die Suppe, während seine Stimme vollkommen versagte. "Ich hatte den Auftrag, diese Vorfälle zu untersuchen und schnell wurde dieses Dorf ausgemacht," fand er seine Stimme wieder, nachdem das belastende Gewicht von seiner Kehle gerissen war. Noch immer drangen Tränen aus seinen Augen, liefen in breiten Streifen über das immer noch verschmutzte Gesicht; vermischten sich dort mit Öl, Asche und Blutresten zu einer neuen Farbe, die herabtropfte. Weiße Linien entstanden auf seiner Haut, wie Kanäle in den Schmutz. Die Tränen wuschen die Haut rein, die Krieg erduldet hatte. "Schließlich starben wir," schloss er ab, ließ den Kopf sinken und blickte hinab.

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    Idun ließ dem Römer die Zeit die er brauchte. Sie hatte schon viele gesehen, die sich Angesicht des Krieges, des sinnlosen Tötens in sich selbst verloren hatten. Und dieser Mann hier stand am Scheideweg. Sie drängte ihn nicht, sie hörte zu und beobachtete den Mann auf dem Lager.
    Als er dann ihre Frage beantwortete nickte sie und dennoch hinterfragte sie. Ja sie hinterfragte, damit der Römer über das Geschehene nachdachte. Sie wollte nicht, dass er es verdrängte. Denn dann würde es sich tief in seine Seele fressen und ihn von innen heraus zerstören.
    „Die Ehre? Welche Ehre? Deine Ehre? Die Ehre Roms?“ Kurz lies sie diese Fragen wirken, bevor sie weiter sprach. „Antworte nicht.. noch nicht. Bevor du antwortest sage mir, was hast du erwarte? Ihr kommt in unser Land. Ihr versklavt uns. Ihr nehmt uns, dass was unser Geburtsrecht ist. Wir sollen Steuern zahlen für einen Handel, der schon viel länger so existiert und nun kommt ihr und wollt Silber dafür. Ihr wollt unsere Ressourcen, unser Land, unsere Ernte. Ich heiße nicht gut was dieses Dorf getan hat. Aber ich kann es verstehen. Der Winter war hart. Härte als die vergangenen. Die Menschen leiden. Sie haben Hunger. Ihr habt ihnen ihr Land genommen. Ihren Handel. Nun kann das Land auf dem sie leben nicht mehr ernähren. Ihr kommt und wollt herrschen. Erzählt etwas von einer Idee von Rom. Aber ist es nicht so, dass diese Idee nur für einen Römer gut ist? Nur ein Römer hat einen Platz in eurem Staat. Wir die nicht zu Rom gehören, sind für euch Barbaren. Ungebildet ohne Kultur. Ihr versklavt uns nehmt uns unsere Freiheit.“ Idun sprach ruhig und frei von Emotionen. Sie zeigte nur die Sicht der Germanen auf. „Was glaubst du erzeugt man, wenn man beherrscht, versklavt und unterdrückt? Diese Menschen haben keine Perspektive mehr im Leben. Sie sehen euch als Eindringling, als Tyrann, als Unterdrücker. Niemand, kein Mensch will in Sklaverrei leben. Deswegen lehnen sie sich auf. Dies gibt ihnen Hoffnung. Die Hoffnung, die Eindringlinge eines Tages von ihrem Land zu vertreiben.“ Nun blickte die Verus an und zwar direkt in seinen Augen. „Sag mir Römer, warum bin ich weniger wert, als ein Römer? Warum habe ich weniger Rechte auf ein freies Leben, als einer, der in diesem Fall wohl das Glück hatte als Bürger deines Roms geboren zu werden? Warum denkt ihr, dass wir ungebildet sind? Warum glaubt ihr wir haben keine Kultur? Hast du dich jemals gefragt, hast du jemals hinterfragt ob es nicht doch anders ist? Vielleicht sind unsere Kulturen verschieden. Aber so unterschiedlich wie du denkst sind sie nicht. Du gingst für die Ehre und hast dafür gekämpft. Und genau aus diesem Grund haben auch die Dorfbewohner gekämpft.“ Idun hielt innen. Sie hätte noch so viel zu sagen, doch wollte sie den Mann nicht überfordern. Sie wollte, dass er nachdachte, dass er sich mit dem was gewesen war auseinandersetzte. Dass er aber auch seine Motivation hinterfragte. Dass er vielleicht erkannte, dass Gewalt, Herrrschaft und Unterdrückung nicht immer der richtige Weg war.

  • Ihre Worte füllten die Leere nicht, doch zeigten einen Ausweg. Verus musste nachdenken; er konnte sich nicht mehr entziehen und hinter großen Namen sowie Ideen verstecken. Er ware allein mit dieser Germanin und musste ihre Vorwürfe ertragen. Ja, es waren Vorwürfe für ihn als Römer, der in ein fremdes Land gezogen war, um einen Staat mit Leben zu füllen, der Völker unterwarf und ein Meister des Krieges war. Einst war für Verus die Sache klar gewesen, dass Rom alles war. Es gab keine sinnige Ordnung außerhalb des Lichtes der ewigen Stadt. Alles, was je von Interesse gewesen war, war mehr für Rom zu sein. Er wollte ein guter Mann sein. Ein Mann der Tat und der Hoffnung. Ein echter Sohn Roms. Doch nun begriff er die Nutzlosigkeit dieser Scharaden. "Weil die Welt einer natürlichen Ordnung folgt," wollte er antworten aber brach dann ab, um sich noch etwas Bedenkzeit zu geben. Idun weckte etwas in ihm. Etwas, was er unter der Rüstung und dem Stahl begraben hatte. "Jedes Wesen hat seinen Platz und Rom ordnet die Dinge in dieser Welt. Nicht, dass ich Rom einseitig bewerte und die anderen Völker verleugne aber ohne Rom wäre nur Krieg in der Welt," begann er seine Erklärung und konnte dadurch seine tristen Gedanken überwerfen, da sein Verstand, welcher in Tristesse war, in neue Muster eintauchen konnte. "Rom unterwirft Völker, um diese in eine neue Ordnung zu bringen, die allen dient. Auch die Sklaven, oft Kriegsgefangene, werden dieser Ordnung unterworfen und können eines Tages, wenn es das Gesetz oder ihr Besitzer will, wieder frei sein. Auch bietet Rom jedem Freien die Gelegenheit ein wahrer Bürger zu werden," sagte seine Stimme nachdenklich, ohne wirkliche Kraft und doch gab sie den tiefen Kern seiner Überzeugung wieder. "Rom ist nicht böse aber auch nicht gut, denn es möchte die Welt ordnen, die voller Chaos ist. Ich gebe zu, dass wir zeitweilen unnahbar erscheinen und einige unserer Vertreter sicherlich nicht sehr aufgeschlossen sind aber Rom ist so viel mehr als das. Rom ist Größe, Rom ist der Senat, ein Volk aus vielen Völkern, denn unser Bürgerrecht bezieht sich schon lange nicht mehr nur auf Anwohner Roms, sondern auf eine Mitwirkung am Staat. Jeder kann Römer sein, welcher an Rom mitwirkt. Sklaven sind durch niederes Schicksal oder Unglück dazu geworden aber müssen es nicht bleiben. Auch für sie gibt es Gesetze. Rom ist Gerechtigkeit, denn anders als ihr, leben wir nicht nur nach Traditionen, sondern auch nach einem geschriebenen Recht, welches alle verbindet, ob Sklave, Bürger oder sonstiger Freigeborener. Es eint uns und ordnet das wirkliche Chaos. Das Recht wird vom Senat im Wohle des Volkes beschlossen und der Senat setzt sich aus Vertretern der römischen Bürgerschaft zusammen, die vom Augustus ernannt werden. In Rom herrscht das Volk und auch der Augustus ist nur ein Primus inter Pares, von den Gesetzen und dem Eid erwählt, Rom zu lenken aber niemals als Rex zu beherrschen. Wir haben keine Könige, keine hohen Herren, sondern wir alle sind Bürger Roms, mit mehr oder weniger Ansehen. Auch ich entstamme einer alten Familie, die man in Rom Patrizier nennt, aber ich weiß, dass neben mir Plebejer, jüngere Familien, ebenso gedient haben. Rom ist alles, Rom bin ich und sie. Alles hat eine natürliche Ordnung." Verus stockte dann wieder, als er über das Gesagte nachdachte. Er wollte Idun nicht bestrafen oder herabwürdigen, so dass er nun lieber schwieg. "Nicht wir führen gerne Krieg, sondern werden oft überfallen. Die Welt ist chaotisch. Ein Beispiel sind die Parther, die uns stets bedrängen und sich selbst als östliche Ordnungsmacht begreifen und doch sind wir es, die ihnen stets Frieden anbieten." Der Tiberius versuchte abzulenken, um die unbequemen Fragen in seinem Krankenbett bei Seite zu schieben. Denn er selbst hatte keine gute Antwort, warum die Dinge so waren, wie sie waren. Im Herzen wusste er, dass es die willkürliche Gnade der Geburt war, die die Völker trennte und Staaten auch nur gedachte Konstrukte waren, die Linien und Grenzen auf Karten.

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    Sie hörte sich die Worte des Verus an, aus ihm sprachen die Erziehung. Das was man ihn wohl seit Kindesbeinen an eingetrichterte hatte, aber nicht sein Herz. Idun sah ihn lange an. Jetzt da sie ihre Bemalung im Gesicht nicht trug, konnte man erkennen, dass sie wohl jünger war als sie sonst wirkte. Sie mochte gerade mal Anfang 20 sein.Doch wenn man ihr in die Augen blickte sah man die Augen einer alten Frau. Ja in dieser Germanin lebte eine alte Seele.
    „Ist dies deine Überzeugung?“ fragte sie mit Zweifel in der Stimme. „Nun dann lass mich meine Sicht darlegen.“ Idun setzte sich bequem neben das Lager. „Wir hatten Frieden bis Rom kam. Natürlich gab es Streitigkeiten unter den Sippen. Aber ich denke, dass es die Auch in Rom gibt. Nicht alle Familien sich sich untereinander grün. Du sagst eure Gesetzte sind besser als unsere Sitten? Warum? Wir haben etwas ähnliches wie eure Gerichte. Wir haben das Thing. Dort kann jedermann sprechen und sein Recht verlangen. Bei uns urteilt kein Einzelner, Urteile sind immer eine Mehrheitsentscheidung.“ Sie versuchte es dem Römer so einfach wie möglich zu erklären, dass sie eben nicht gesetzlos waren. „Und ein Sklave hat Rechte? Soweit mir bekannt ist, kann ein Herr seinen Sklaven auch töten, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Also hat der Sklave nicht mal das Recht auf Leben. Was ist wenn ein Sklave nicht so reagiert wie es ein Römer erwartet? Er wird gebrochen, man nimmt ihm seinen freien Willen. Ist es nicht so, dass Sklaven nach römischen Recht Sachen sind? Also entmenschlicht das römische Recht sie doch oder? Ein Sklave kann Bürger Roms werden? Ich glaube du malst es schöner als es ist. Er kann ein Freigelassener werden, ist aber immer noch an die Familie des Herren gebunden, also nicht wirklich frei. Er selbst kann nie ein Bürger Roms werden.“ Ja die Germanin überrasche den Römer wohl, denn sie hatte doch sehr gute Kenntnisse des römischen Rechtes. Woher? Das ließ sie offen. „Rom bringt nicht die Ordnung, nicht die Erlösung. Rom bringt den Krieg und das Chaos. Ja die Welt hat ihre Ordnung und Rom bringt diese durcheinander. Wofür? Nicht für eine Idee eines Staates. Nein Tiberius. Nicht für eine Idee. Diese Idee ist es die man euch verkauft, damit sich die Soldaten in den Kampf stürzen. Aber tief in dir weißt du das es nur um Macht geht. Es geht nur darum mächtig zu sein und zu beherrschen. Der einfach Soldat wird nie etwas davon haben. Es geht um die Macht Einzelner.“ Iduns Augen wirken nun dunkel wie die Nacht. „Du sagt bei euch regiert das Volk, weil sie die Senatoren wählen? Aber ist es nicht so, dass die Reichen sich die Stimmen erkaufen? Wie aussagekräftig ist dann diese Wahl? Ist es also das Volk oder das Geld und die Machtgier die Rom regieren?“ Idun musste lächeln, dass sich der Römer ausgerechnet über die Parther beschwerte. „Unterscheidet ihr euch wirklich von den Parther? Nein, sie machen nichts anderes als Rom. Sie wollen Macht und die Vorherrschaft, kannst du ihnen das wirklich vorwerfen?“ Gerade als sie nochmal nachhaken wollte, weil er ihre Frage nicht beantwortete hatte ob sie weniger wert war als ein Römer, hörte man Geräusche an der Tür. Idun erhob sich und öffnete diese. Es weißer Wolf husche herein und suchte sich einen Platz am Feuer. „Ich habe mich schon gefragt wo du bleibst.“ Sagte sie und wuschelte dem Wolf durch das Fell. „Das ist Fenrir.“ sagte sie und urplötzlich wechselte sie das Thema. „Du fragst dich bestimmt, warum ich dir helfe. Schau ich habe auch ihm geholfen. Ich fand ihn, er war verletzt vom Pfeil eines Jäger. Ich habe ihn gesundgepflegt. Er ist wie du und ich ein Geschöpf der Götter. Ich achte und ehre jedes Leben. Und außerdem steht du unter dem Schutz des Donar. Und wenn er einen Römer erwählt, dann muss er einen Plan haben. Deswegen habe ich Wulfgar davon abgehalten dich zu deinen Ahnen zu schicken.“

  • Verus wollte nicht darüber nachdenken, nicht erneut darin erinnert werden, wie bedeutungslos und sinnlos sein Kampf in der Ferne gewesen war. Inzwischen verstand er sich selbst nicht mehr. Seine Gedanken waren wirr, ungeordnet und rollten in seinem Bewusstsein auf und ab. Er belog sich selbst, erzählte sich die Wahrheit und flüchtete dann wieder in das Vergessen. Innerlich schlug er auf sein Herz ein, immer wieder, doch es wollte nicht mehr schweigen. Es pochte kräftiger mit jedem Gedanken an das, was er verloren hatte. "Ich...," stammelte seine brüchige Stimme ohne ein Lächeln, mit flacher Atmung in den Raum der Hütte. "Ich... Ich," wollte er antworten aber scheiterte, da er bereits im Versuch vergessen hatte, was er sagen wollte. Verus verlor nicht das Vertrauen in Rom oder etwa doch? Er verlor das letzte Licht, was Rechtfertigung gewesen war. "Ich muss anders beginnen," sagte er schließlich, da er ihre Worte nicht mehr entkräften konnte. "Ich galt als ein Geschenk, als beschenkt von den Göttern, mit Kraft, Klugheit und Verstand. Ich ließ viele Altersgenossen als Narren im Leben stehen, wenn ich sprach. Nun liege ich hier, verletzt, vor einer Germanin und denke, dass du ein Geschenk bist. Ein Geschenk an uns alle," eröffnete Verus seine Lebensgeschichte. "Ich besitze eine Sklavin. Sie heißt Aviana. Ich rettete sie aus den Händen eines furchtbaren Mannes, eines Schuhmachers in Mantua. Sie war geschlagen, misshandelt worden und ich habe es gesehen. Ihre Narben, ihren Schmerz und habe darin etwas entdeckt, dass ich vorher in meinem alten Leben in edlen Häusern und unter großen Namen, niemals gefühlt hatte. Ich empfand Mitgefühl. Ihr Schmerz, wurde mein Schmerz. Ich konnte es nicht mehr erdulden und tat etwas Unrömisches und fiel mit einem Beutel voll Geld vor diesem Mann auf die Knie, um diese Sklavin zu retten." Seine Augen zeigten Liebe, Hingabe und Mitgefühl, wie auch Trauer und Leid. Die Emotionen spiegelten sich natürlich in seinen Augen, während er sprach. Sie waren erneut glasig und leise Tränen quollen aus den Augenwinkeln. "Ich erhielt sie und sie lebt als meine Sklavin unter uns Soldaten. Sie hasst Waffen, sie fürchtet sich davor und wollte, dass ich mit ihr eine Villa Rustica betreibe. Sie meinte stets, dass ich eine gute Seele sei, die lieber Erde von den Händen waschen sollte als Blut. Und nun begreife ich, was sie meinte," formulierte er gemeißelt, so dass jedes Wort sein eigenes Gewicht hatte. "Ich habe sie bis heute nicht freigelassen, da ich fürchte, dass sie mich verlässt. Sie braucht mich doch. Sie kann nicht lesen, war ihr ganzes Leben Sklavin, und ich war der erste, der sie angeblickt hat. Aviana ist so zerbrechlich, so traurig, dass ihr Gesicht alleine mich zum weinen bringt, wenn ich nicht beherrscht wäre. Aviana braucht mich als Römer, um ihr Schild zu sein. Die Welt war niemals gut zu ihr. Niemals, bis jetzt und heute hätte ich sie beinahe alleine unter Soldaten zurückgelassen," sagte er und brach dann einen Atemzug ab, um nicht von den heraufziehenden Schmerzen übermannt zu werden. "Ich selbst stamme ursprünglich aus dem östlichen Teil des Reiches, Achaia, wo meine Familie, als Tochterfamilie der Tiberii, mehrere Landgüter verwaltete und zu viel Einfluss gelangt war. Uns unterstand fast Achaia. Schließlich gab es in Rom einen Umschwung, ein Mann nahm sich alles und ließ diejenigen töten und verfolgen, die ihm Wege standen. Salinator war sein Name. Er ließ Schergen über unsere Hauptanwesen herfallen, es wurde niedergebrannt und wir konnten fliehen. Nach Monaten der Flucht gelangten wir nach Rom und lebten als einfache Bürger. Ich war damals bereits verloren. Nur meine Calena hielt zu mir. Eine starke Frau, die jedoch in ihren Eitelkeiten und ihrer Selbstgerechtigkeit gefangen ist. Für sie war ich immer zu weich," setzte er fort und blickte Idun mit seinen großen Augen an, die wieder an Leben gewannen. Die Leere in ihm wich zurück und die Taubheit zerbrach, wie ein Eisbrocken auf dem Boden. "Ohne große Hilfe von meiner Familie, ohne die Hilfe Roms, wollte ich Rom helfen und wieder ein Römer sein. Ich trennte mich von meiner Frau, um Soldat werden zu können. Ich absolvierte mehrere Studien, die mich befähigen sollten und wurde Legionär. Schnell stieg ich auf, erst Optio, dann Centurio und heute Kommandeur eines Praesidio und trotzdem blieb dort dieses Gefühl, dass dort etwas war, was ich niemals verstehen würde. Schließlich fand ich Aviana und sie erfüllte mich mit diesem Gefühl. Ich wollte für sie da sein. Selbst meine einstige Frau hatte niemals dieses Gefühl geweckt, trotzdessen, dass ich sie liebe aber die Liebe verstarb unter den Vorwürfen an mich. Schließlich änderte sich alles in Rom aber nicht für mich, Salinator verschwand, ein neuer Name erhob sich und das Spiel ging weiter. Ich war gebunden durch meinen Eid." Ein Wolf trat ein, so dass Verus erstaunt in seinem Bett zurückwich, um nicht von der Bestie angefallen zu werden aber bemerkte schnell, dass dieser friedlich war. Idun gab sogleich eine Erklärung ab, die Verus beruhigte und so nahm er das schützende Fell, welches er heraufgerissen hatte, wieder herunter. "Ich glaube nicht an die Götter aber ich glaube an Menschen. Menschen machen die Dinge auf dieser Welt und ich bedanke mich bei dir, dass du mich gerettet hast," stellte Verus klar und kam dennoch nicht umhin, dem Schicksal insgeheim zu danken.

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    Idun ließ ihn reden. Sie hörte zu und machte sich ihre eigenen Gedanken. Auch wenn er es wohl nicht offen aussprechen konnte und wollte. Sagte er ihr mit dieser Geschichte oder Lebensbeichte doch, dass er verstanden hatte. Was sie meinte. Es war so klar und doch schien er es nicht wahrhaben zu wollen. Es waren nur noch ein paar kleine Fragen, die sie ihm nun stellte, dann würde sie ihn für heute in Ruhe lassen, er würde schon verstehen, er würde begreifen... es brauchte seine Zeit. Rom wurde schließlich auch nicht an nur einem tag erbaut.
    „Verus? Was meinst du? Braucht sie den Römer? Oder braucht sie den Menschen Verus? Und denkst du wirklich, dass sie gehen würde wenn du sie freilässt? Ich glaube nicht. Aber du tust es nicht, weil du Angst hast sie zu verlieren. Und welcher Idee von Rom ist denn dieser Salinator gefolgt. Oder bestätigt nicht gerade seine Geschichte, dass was ich sage. Das die Idee von Rom ein Ideal ist, aber es in der Realität doch nur um Machtansprüche Einzelner geht? War das nicht auch dieser Kaiser, der euch in einen Krieg Bruder gegen Bruder gestürzt hat?“ Idun streichelte Gedankenverloren ihren Wolf. „Wolltest du Römer sein? Oder wolltest du dir beweisen, dass du es auch ohne deinen Reichtum, ohne deine Familie und ohne deinen Namen schaffen kannst. Wolltest du Römer sein oder zu dir selbst finden?“
    Sie erhob sich, nahm ihm die leere Schüssel aus der Hand. „Nun wir tun das was wir tun müssen. Es wird sicher auch viele unter den meinen geben, die meine Handlung dir zu helfen nicht verstehen. Und dennoch weiß ich das es richtig war, denn wie ich schon sagte ich achte jedes Leben und unterscheide dabei nicht ob nun Römer oder Germane. Ob Haustier oder Raubtier. Darüber zu urteilen, welches Leben mehr wert ist als das andere steht mir nicht zu. Ich glaube nicht daran, dass jemand mehr Rechte als andere hat nur weil er unter besseren Voraussetzungen geboren wurde. Aber du solltest nun schlafen. Und vielleicht beantwortest du mir morgen meine Frage. Ob ich weniger wert bin als ein Römer.“
    Idun kontrollierte noch einmal die Verbände, reichte Verus noch einen warmem Kräutertrank, bevor die die wärmenden Felle über ihn ausbreitete. „Erhole dich und versuche zu schlafen.“
    Auch Idun machte es sich auf einem Felllager bequem.

  • Verus wollte eine erneut eine Antwort geben aber scheiterte abermals. Hier, in dieser präkeren Lage, ihr ausgeliefert und mit den Erfahrungen des Kampfes, war sein Verstand nicht in der Lage eine wirklich wahre oder korrekte Antwort zu geben. Es gab hier keine klare Wahrheit mehr, sondern nur noch Perspektiven. Facetten von etwas, was beide kannten aber nur umschreiben konnten. Idun suchte ihre Antwort in der Natur, in den Dingen, um sie herum und Verus in sich selbst. Der Römer vergaß Rom nicht aber vergaß sich selbst. Der Traum endete und ein neuer Traum begann. Verus wusste nicht, warum er sich selbst dieses Leben angetan hatte. Er wusste nicht einmal mehr, ob er seine Calena wirklich liebte, wenn sie maßgeblich für diesen Zustand verantwortlich war und ihn dezent zum Militär gedrängt hatte. Verus nahm seine Umgebung abwesend wahr. Es erschien, wie ein Traum, ein echter Traum, der alles außer sich selbst ins Vergessen trieb. "Sie braucht ein Herz," antwortete er schließlich abwesend auf ihre erste Frage. Es war das, was ihm in den Sinn kam. Seine Wunden schmerzten, brannten und ein kribbelnder Schmerz zog durch seinen Körper, wie ein Schauer an Frost und Kälte. Ja, Verus verstand aber dürfte nicht verstehen. Dennoch brach die Fassade, die Mauer und die Wände in ihm ein. "Rom kann wieder dieser Traum sein, dieses Ideal," stammelte er ein paar Worte zusammen, um ihr erneut eine Antwort zu geben. "Ich wollte dieser Römer sein, der einem Ideal folgt und nun erkenne ich...," wollte er sagen und blickte dann wieder lebendiger, nicht mehr verstellt, zu Idun. "... dass vieles von der Perspektive abhängt. Unsere Realitäten entstehen durch unsere Wahrnehmung. Alles, was ich bisher bin, bin ich und nur ich. Ich muss es nicht verkleiden," sagte er dann nach kurzer Pause, um die Worte zu finden. "Du bist...," erhob er liebevoll die Stimme, während seine eine Hand ihre Wange suchte, um diese in dankend und fürsorglich zu streicheln, während sie die Verbände kontrollierte und er mit der anderen nach dem Becher mit dem Kräutertrank griff, den sie ihm ebenfalls reichte. "Ich sollte dies nicht in dir sehen...," entschuldigte er sich und stellte dann den Becher auf einem Schemel in der Nähe ab, während seine Hand, nach Idun suchend, ins Fell fiel, als diese wunderbare Germanin sicht entfernt hatte. "Ja, schlafen," meinte Verus, während er sich zur Seite drehte, um seine Augen zu schließen. Die Müdigkeit kam schnell und auch bald der Schlaf. Sein Körper brauchte die Zeit und die Erholung.

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    Idun war schon früh auf den Beinen, ihren Gast jedoch ließ sie die Ruhe die er brauchte. Er sollte sich erholen. Es würde ihr nicht schwerfallen zu bemerken, wenn er erwachte. Denn sie wusste nur zu gut, dass der Römer wohl jeden einzelnen Knochen in seinem Leib spüren würde. Ja es würde ihm bestimmt so vorkommen, als hätte ihn gestern Hannibal mit seiner Elefantenhorde überrannt.
    Die Germanin hatte schon einen schmerzstillenden Trunk vorbereitet, aber auch einen Becher mit dem Trank aus geröstetem Getreide. Sie mochte diesen Trunk, er vertrieb die Müdigkeit.
    Sie stand in der offenen Tür der Hütte, streichelte den Wolf, der sich neben sie gesetzt hatte und beobachtete den Sonnenaufgang. Der Himmel färbte sich unter der aufgehenden Sonne blutrot.
    "So wie schon bald die Erde hier von germanischen Blut getränkt sein wird." sagte sie leise vor sich hin.
    Ja Idun wusste sehr genau, was dieser Wiederstand nach sich ziehen würde. Die Römer würden einen derartigen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen. So wie Verus gedacht hatte, dachten viele Römer. "Rom ist alles." Idun schüttelte es, als sie diese Worte sprach.
    Ein Geräusch aus dem inneren der Hütte lies sie aufhorchen, auch Fenrir hatte die Ohren gespitzt. "Oh unser Gast ist wach. Los ab mit dir genieß den Tag." Mit einem freundlichen Klaps verabschiedete sie den Wolf und ging in die Hütte. "Guten Morgen." Sagte sie ihm und reichte Verus den Becher mit dem Korngetränk. "Hier das weckt die Lebensgeister. Wenn du Schmerzen hast trink den anderen Becher. Nur bitte nicht so oft, der Körper gewöhnt sich sonst an die Mittel und sie wirken nicht mehr so gut." Noch während sie sprach setzt sie sich in der nähe seines Lagers auf den Boden. "Und wie geht es dir heute?"
    Jetzt da es hell war konnte man auch erkennen, dass es sich hier wirklich nur um eine einfache Hütte handelt. Eine Feuerstelle in der Mitte diente dazu die Hütte zu wärmen und das Essen zuzubereiten. Es gab nur zwei Liegeplätze, die reichlich mit Fellen ausgestattet waren. Überall von der Decke hingen gebündelte getrocknete Kräuter herab. Eine Truhe stand in einer der Ecken. Da sie offen war konnte man erkennen, das sämtliche Haushaltsgegenstände darin gelagert waren. Ein paar Teller, Becher, ein Topf aus Eisen und eine Pfanne.
    Es gab keinen Tisch oder Stühle, dafür war die Hütte einfach zu klein.
    Sie untersuchte die Wunde, alles schien soweit gut. Nur die tiefe Wunde am Bein machte ihr Sorgen. Die Rötung um die Wunde herum breitete sich aus. Scheinbar war es ihr nicht gelungen sämtliche Verschmutzungen zu entfernen und so hatte sie sich entzündet. Sie drückte vorsichtig auf die Wunde und schon trat auch Eiter aus dieser aus. Idun stieß einen germanischen Fluch aus und sah Verus betrübt an. "Ich werde die Wunde nochmal öffnen müssen… und … ich muss sie wohl ausbrennen, damit die Entzündung sich nicht ausbreitet." Ja das wäre dann wohl tödlich für den Römer. Idun erhob sich und legte ein Messer in die Glut des Feuers. "Machen wir es gleich? Meinst du, dass du schaffst das?" Sie schaute den Römer fragend an. "Essen gibt es dann anschließend." Schob sie noch nach. Sie würde ihm vorher nichts geben. Zu oft hatte sie schon erlebt, wie Menschen sich vor Schmerzen übergaben und fast an ihrem Erbrochenen erstickt wären. Sie wollte jedes Risiko vermeiden.

  • Die Nacht war von Albträumen geplagt gewesen. Schweiß stand auf seinem Gesicht, welcher unbändig herabperlte, und auf seinem Gesicht einen okkulten Glanz erzeugte. Verus suchte mit seinen Augen die Raumdecke ab. Es war immer noch diese Hütte. Ihm war warm, zu warm und ein steigendes Fieber ließ ihn kraftlos antworten: "Guten Morgen." Zwei Worte, die ihm vieles abverlangten. "Becher," wiederholte er müde und griff nach dem Korngetränk, welches er schwungvoll in seinen Mund kippte. Er hatte Durst, großen Durst sogar, da sein Körper durch den Blutverlust und das steigende Fieber an seine Reserven ging. Schließlich setzte sie sich neben ihn, was er kaum zu Kenntnis nehmen konnte, da das Fieber bereits seine Augen erreicht hatte. Es fiel ihm schwer, den Becher zu halten, der so dann auch aus der Hand fiel und jenes Getränk über seine Brust verteilte. Der Becher rollte lieblos auf den Boden herab. "Beschissen," antwortete der sonst so höfliche Römer mit einem harten Wort und hob seine zitternden Hände an. Dennoch schien Verus nicht entrückt oder verloren, da er noch einigermaßen artikuliert sprechen konnte. Seine Augenlider presste er mehrfach zusammen, bis der Blick wieder schärfer wurde. Idun untersuchte die Verletzungen des Legionärs und blieb sorgenvoll an der tiefen Beinwunde, die durch den Schnitt mit dem germanischen Schwert entstanden war, hängen. Verus spürte ihre Hände an seinem Fleisch, da die Berührungen schmerzten und er dabei sein Gesicht verzog. Schließlich drückte sie Eiter heraus, was Verus stöhnen ließ; schmerzlich drückte er Luft aus seinem Mund und der Nase. Verus, der sich nun leicht aufgesetzt hatte, um seine Retterin besser anblicken zu können, sagte mit schwindender Stimme: "Ja, ich bin bereit." Das Essen war ihm egal. Es sollte nur dieser Schmerz enden. Ihm war nicht ganz bewusst, was dieses Ausbrennen bedeutete aber das Wort alleine verhieß nichts Gutes. Scheinbar wollte sie mit einem glühenden Messer über die Wunde gehen. Verus war kein Medicus und hatte in seinem Leben zum Glück bis jetzt keine schwere Verletzung erlitten. Er fürchtete sich und so lief noch etwas mehr Schweiß über seine Wangen. Die Furcht machte aber das Fieber vergessen. Seine sorgenvollen Augen lagen bei Idun, während seine Lippen zitterten.

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    Sie nickte, hob den heruntergefallenen Becher auf und holte zunächst kühlende Tücher für seine Stirn. Wärend sie versuchte sein Fieber etwas zu senken, sprach sie leise auf ihn ein. „Verus, ich weiß du bist tapfer, aber auch der tapferste Mann erträgt nur eine gewisse Menge an Schmerzen, irgendwann gewinnen die Schmerzen über den Verstand.“ Idun tupfte vorsichtig dem Schweiß von seinem Körper. „Du bist mir an Kraft eindeutig überlegen und es ist dringen nötig, dass du dich bei der Behandlung nicht bewegst. Ich füge dir sonst unnötig noch mehr Schmerzen zu.“ So hoffte, dass er verstand. So erhob sie sich und war nur Augenblicke später mit einigen Seilen da. Sie fixierte das zu behandelnde Bein sowie den Körper des Römers mit den Seilen, so dass er nun wirklich völlig bewegungsunfähig, ihr noch mehr aus ohnehin schon ausgeliefert war.
    Die Germanin drückte dem Römer ein Stück Holz in den Mund und machte sich dann ohne weitere Verzögerung an die Arbeit.
    Mit einem sauberen Messer öffnete sie die Wunde, Sekret und Eiter liefen sogleich heraus. Idun wischte alles sorgfältig weg. Die Wundränder säuberte sie nun mit eben diesem kleinen aber unglaublich scharfen Messer. Als alles erledigt war atmete sie tief durch und blickte dem Römer kurz in die Augen. Dann nahm sie das Messer aus dem Feuer. Die Klinge war inzwischen rotglühend.
    Sie zögerte keinen Moment, sonder drückte das Messer gezielt auf die nun wieder offene Wunde um sie einerseits zu verschließen und anderseits die Keime abzutöten.
    Der Geruch unverkennbare süßliche Geruch nach verbranntem Fleisch strömte durch die kleine Hütte. Sie konnte spüren, wie sich Verus unter Schmerzen wand, doch darauf konnte sie gerade keine Rücksicht nehmen.
    Die Götter hatten irgendwann ein Einsehen und gönnten dem Gepeinigte eine Ohnmacht.
    Das erleichterte Idun die Arbeit und sie kam schnell voran.
    Sie betrachtete ihr Werk, zum Abschluss so sie die nun klaffende Wunde mit geschickten Handgriffen und einem in Heilkräuter getränkten Garn zusammen. Schließlich sollte alles wieder vernünftig zusammenwachsen.
    Zum Schluss verband sie das Bein erneut. Nun bleib zu hoffen, dass die Entzündung beseitigt war. Zusätzlich umwickelte sie seine Beine mit kühlen Tüchern. Ein ebensolchen wurde ihm auch auf seine Stirn gelegt.
    Sie sprach leise in ihrer Muttersprache.
    Ich bitte um Schutz
    die guten Götter der Erde unten,
    des Himmel oben
    und die hohen Mächte,
    daß sie mir verleihenheilende Hände
    und Worte, um zu heilen den Verus.
    Heilung und Kraft,
    Wohlsein und Stärke
    füllt nun die Glieder,
    Gesundheit kehrt wieder.
    Ganz sind und eins mit sich
    Körper und Seele.
    Asen, Vanen,
    gebt Stärke und Schutz!
    Donar, heile! Weihe den Spruch!

  • Am nächsten Tag erwachte Verus, gefesselt mit Tüchern und einem Liederriemen, in seinem Schlafplatz, während seine Lippen salzig schmeckten. Die Atmung fiel ihm leichter, doch sein Bein schmerzte noch immer aber das Fieber hatte sich gesenkt. Es war zwar nicht ganz verschwunden aber es war deutlich zurückgegangen. Verus, dezent in Panik, riss an den Tüchern herum, die seine Arme hielten. "Idun," rief er. "Idun," immer wieder, da er sich fürchtete und diese kriechende Panik seinen Vertand übermannt. Das Fieber war nicht ausschlaggebend für seine Angst, sondern seine Entkräftung und sein Wassermangel, der ihn in diesem Gefühl verharren ließ. Er wollte frei sein und seine Ängste formierten sich zu einem Gedanken, dass er nun geopfert werden sollte und sich Idun vielleicht umentschieden hatte. Oder sie war getötet worden und die Germanen kamen, um ihn zu holen. Immer noch riss er an den Tüchern, bis diese vom Bettbalken rissen und Verus erschöpft beide Arme vor sich auf den Brustkorb sinken ließ. Wenigstens etwas freier. Seine Stimme hatte versagt und so blickten sich seine verstörten Augen suchend um. Das nasse Tuch war von seiner Stirn gefallen, lag ungefaltet neben seinem Kissen und gab dort einen Teil seiner Flüssigkeit ins Liegefell ab.

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    Idun hatte gerade am nahen Fluss Wasser geholt, als sie die panischen Rufe hörte. Sie ließ den Eimer fallen und rannte zur Hütte bewaffnet mit einem Knüppel – auf das Schlimmste gefasste – stürmte sie herein und sie fand nichts. Sie hatte wer weiß was angenommen, dass ein wildes Tier sich Zugang verschafft hatte, das einige der Dorfbewohner doch beschlossen hatten den Römer zu töten... und wer wieß was ihr sonst noch durch den Kopf geschossen war. Entsprechend verstört schaute sie einen Moment lang, bis – ja bis ihr Blick auf die zerrissenen Tücher fiel. „Verdammte Axt! RÖMER! Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ Mit nur wenigen Schritten war sie bei ihm und überprüfte die Wunde. Zum Glück hatte er sein Bein nicht zu sehr beansprucht, die Nähte hielten. „Es ist wichtig, dass du stillliegst. Versprich mir das du stillliegen wirst, dann nehme ich die Seile ab.“ Sie schaute ihn ernst an. Als er zur Bestätigung nickte, nahm sie die Fesseln, die allein dazu gedient hatten, dass er sich bei seinen Fieberkrämpfen nicht verletzt ab und reichte ihm einen Becher mit Wasser. Sie stellte noch einen Krug auf den Platz neben seinem Lager. „Ich muss nochmal zum Bach Wasser holen, versprich dass du nichts anstellst.“ Kopfschüttelnd verließ sie die Hütte. Sie beeilte sich und kehrte nach einiger Zeit zurück. Dann machte sie sich daran, eine Suppe aus Hühnerfleisch und allerlei Gemüse zu kochen. Während sie fast andächtig in der Suppe um herrührte sah sie den Römer nachdenklich an. „Dein Fieber ist fast weg. Nachdem du gegessen hast, werden wir versuchen in wie weit du dein Bein noch bewegen kannst.“ Ja die Wunde war tief und die Germanin wusste nicht ob der Römer sein Bein würde noch bewegen können. Sie wollte sehen ob es irgendwelche dauerhaften Schäden geben würde.
    Und wie sie es versprochen oder angedroht hatte, half sie Verus nach dem Essen auf die Beine. „Stütze dich auf mich und versuche zu laufen.“ Damit er nicht wirklich darüber nachdenken konnte und sich auch nicht auf seine Schmerzen konzertierte schob sie noch nach. „Du bist mir immer noch einen Antwort schuldig. Bin ich weniger wert als ein Bürger Roms?“ Ja bisher hatte er sich immer um eine Antwort gedrückt. Aber Idun konnte furchtbar hartnäckig sein.
    Nun da er so dicht bei ihr war und seinem Arm auf ihre Schulter legte würde er wohl auch das verblasste Brandmal erkennen. Eben jenes Mal, das römische Sklaven zeichnete. Das mal war alt. Man musste es ihr wohl im frühesten Kindesalter gesetzt haben.
    „Los jetzt ein Fuß vor den anderen.“

  • Hatten ihn die Götter verlassen? War der Himmel der Götter nun schwarz verhangen? Verus wusste nun, dass diese Nachwelt blind für eine Erlösung war. Es kannte keinen Schmerz und keine Hoffnung, denn jenes Gefühl der Verzweifelung, welches er nun kannte, konnten Menschen nicht verstehen, die nicht unter dem schwarzen Himmel gekämpft hatten. Die Sonne war verhangen von dunklen Mächten und so fühlte sich Verus verlassen, nur Idun schien hier zu ihm zu halten. Idun, eine Germanin; Germanen, die er immer verdammt hatte; half ihm aufrecht zu gehen. Sie hatte ihn versorgt, Brücken ins Nichts geschlagen und stellte nun die Frage, die Verus niemals sauber beantworten wollte. Ihre Suppe hatte ihm Kraft gegeben und mit Mühe aber beständig trat er einen Schritt vor den anderen. Ohne ein Wort zu verlieren. Er tat einfach, worum sie ihn gebeten hatte. Verus stützte sich auf Idun, bemerkte das Sklavenzeichen und bemerkte erneut diese Schwärze, die seine Seele umklammert hielt, auch wenn das Licht seines Herzens deutlich in seinen Augen glimmte. War dies hier das Elysium? Waren dies die Felder und Wiesen der Nachwelt? Lag außerhalb dieser Hütte seine Erlösung oder doch in ihren Armen? Schritt um Schritt fand sein Bein wieder Halt. Verus war gut trainiert, befähigt und das römische Heer hatte ihm genug Muskelmacht verliehen, um gegen den Schmerz anzukämpfen. Die Nähte hielten, auch wenn ein wenig Wundwasser in den Verband sickerte. Sie verdiente eine Antwort. Eine echte Antwort. Verus, verloren in dieser Welt aus Kampf und Tod, wollte diese Schande vergessen machen und ihr mit entschiedender Kraft etwas sagen, was doch nicht gelang. Diese Entscheidung konnte er nicht treffen. Er blieb stehen, schlang seinen Arm fest um ihre Schultern, da sie nun mehr als eine Stütze war. Ihr Gesicht war voller Leben, trotz der rauen Spuren ihres Lebens; und ihre Augen waren schön, so schön, dass Verus ihnen nicht entfliehen konnte. Verus blickte sie mit festem Blick an und doch lag Verletzlichkeit in seinen Augen. Sie war eine Sklavin gewesen. Eine römische Sklavin vermutlich und nun half sie ihm? Es war ein Wunder. Hier waren göttliche Mächte am Werk, wenn vielleicht auch nicht von Göttern geschaffen, fand sie Verus. "Du bist wunderschön," wich er erneut aus und sprach den ersten Gedanken aus, der ihm einfiel, als er in ihre Augen blickte. Ihre Wildheit, ihre ungepasste Lebensweise und doch ihr Mitgefühl und ihre Lebenskraft waren für den Römer, der nun Intrigen und eine vermeindliche Kultur kannte, etwas Neues. Er konnte Rom nicht an eine Germanin verraten, alles aufgeben, was ihm sein Leben lang vorgelebt wurde und doch war diese Frau so anders, so wunderbar, dass Rom ihm in dieser Sekunde gleichgültig wurde. Er wollte ihr seinen Dank zeigen. Das Weltbild trat zurück, da er dieser Situation ausgeliefert war. Die Entscheidung gegen Rom wurde nicht getroffen aber es gab eine Entscheidung für Idun. "Danke," sagte Verus, während seine andere Hand ihre Wange suchte, um diese fürsorglich zu streicheln. Doch die Hand fiel dann wieder zurück, als seine Beinwunde schmerzte und er sein Gesicht in Pein verzog.

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    Idun half dem Römer und mit ihrer Hilfe konnte er sich auf fortbewegen. Sie atmete erleichtert auf, es schien nur eine – wenn auch tiefe – Fleischwunde zu sein. „Ja so ist es gut, spornte sie ihn an.“
    Aber wiedereinmal lenkte er ab und beantwortete ihre Frage nicht, das brachte sie zum lächeln. „Nun Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters.“ Antwortete sie ihm. Als sie jedoch bemerkte, dass sein Gesicht von Schmerzen gezeichnet war half sie ihm zurück auf das Lager. „Das soll für heute reichen. Man darf nie zu viel auf einmal wollen nicht wahr.?“ Ja es war wohl eine Frage und eine Feststellung. Behutsam bette sie Verus wieder auf das Lager, dieses Mal jedoch so, dass er aufrecht sitzen konnte. Sie reichte ihm einen Becher mit einem Kräutermix gegen die Schmerzen.
    „Du willst mir nicht antworten - Stimmst?“ Sie lächelte ihn an. „Du musst nicht wenn du nicht willst. Du gibst deine Antworten auf andere Art und Weise.“ Ja sie hatte es durchaus in seinen Augen lesen können, wie er dachte und doch wusste sie, dass es ihm schwerfiel gegen seine Erziehung, seine Überzeugung zu sprechen. Stattdessen redete sie nun. „Weißt du warum ich hier allein lebe?“ Natürlich war das nur eine rhetorische Frage. „Meine Eltern lebte weiter weg von hier. Sie waren einfache Bauern, bis sie eines Tages zwischen die Fronten gerieten und von Römern versklavt wurden.“ Sie blickte den Römer an und doch sah sie nur durch ihn hindurch. „Ich wurde als Sklavin geboren, meine Mutter war mit mir schwanger, als sie von ihrem Land verschleppt wurde. Jedoch hatten meine Eltern Glück im Unglück, sie konnten zusammenbleiben. Und dennoch war es für sie kaum erträglich, dass sie nicht mehr frei waren. Natürlich haben ihre Herren versucht sie mit Schläge zu brechen, doch dies gelang ihnen nicht. Irgendwann entdeckte ihr Dominus jedoch ihre verwundbare Stelle – mich. Als mein Vater wiedereinmal aufbegehrte war nicht er es, der bestraft wurde, sondern ich. Mein Vater musste zusehen, wie sie seiner kaum 4 Jahre alten Tochter ein Brandzeichen setzten. Bis zu jenem Tag hatte ich nicht bewusst mitbekommen, dass wir Unfreie waren. Doch seither habe ich Fragen gestellt. Ich habe es nicht verstanden, warum man mich so gequält, mir so weh getan hat. Meine Eltern haben versucht es mir zu erklären und sich immer wieder entschuldigt, dass sie mich nicht beschützen konnten. Seit jenem tag waren meine Eltern wohl das was ihr Römer gehorsame Sklaven nennt. Aber waren sie das wirklich? Nein das waren sie nicht, sie taten nur was von ihnen verlangt wurde. Eines Tages als sich die Gelegenheit bot, flohen sie mit mir zusammen. Ich glaube ich war da 8 oder 9? Weit weit nach Norden führte sie ihr Weg bis wir schließlich weit im Norden zu einer Alten Frau kamen – Runhild. Sie erzählte meinen Eltern, dass ich eine Gabe hätte und dass sie mich lehren würde diese zu nutzen. Aber sie sagte ihnen auch, dass sie nicht bleiben könnten, weil es zu gefährlich wäre, weil man entflohene Sklaven jagt. Meine Eltern trennten sich also von mir und ließen mich bei der Alten zurück. Sie lehrte mich alles was sie wusste über die Zeichen der Götter, über die Kräuter, über die Heilkunst und über die Menschen. Irgendwann meinte sie es sei an der Zeit, dass ich es allein versuche, so bin ich - auch auf der Suche nach meinen Eltern wieder weiter gen Süden gezogen. Und ob es nun Schicksal war oder Wille der Götter, ich habe meine Eltern noch einmal gesehen. Sie waren vor den Toren der Stadt an Kreuze geschlagen worden. Man hatte sie also doch wieder eingefangen.“ Idun atmete ein paar mal tief ein und aus, als eben jenes Bild ihrer sterbenden Eltern vor ihr auftauchte. „Ich ließ mich in der Nähe dieser Stadt nieder, anfangs habe ich noch in einem der Dörfer hier in der Nähe gelebt, doch habe ich nie dazugehört. Für sie war ich immer die Fremde. Ja sie legen Wert auf mein Urteil, weil sie wissen, dass ich die Zeichen der Götter deuten kann. Sie würden mich auch nicht aus ihren Dörfern verweisen. Aber dennoch ist es zu spüren, wenn man die Fremde ist. So zog ich mich hierher zurück und gehe nur in die Siedlungen, wenn man mich ruft oder es nötig ist.“
    Idun sah in das Feuer. „Und nein auch wenn man meinen sollte, dass ich nun alle Römer verdamme. Ich tue dies nicht. Sie habe nur nach dem gehandelt, was sie für richtig halten – was du das römische Recht nennst. Aber ich frage. Ich hinterfrage. Woher weiß man das es nichts anderes als das römische Recht gibt? Es gibt für mich nicht gut oder böse. Nicht nur schwarz oder weiß. Es gibt so viel dazwischen.“ Nun sah sie ihn wieder an. „Verstehst du was ich meine?“

  • Verus legte sich mit ihrer Hilfe wieder ab. Der Römer begriff vieles, verstand vieles aber etwas blieb ihm immer verschlossen. In seiner Welt war Freiheit Schwäche. In Rom hatte jeder seinen festen Platz und für ihn selbst war dieser Platz immer mit seelischen Mühen verbunden. Verus war allzu weich und sensibel, trug eine Maske des harten Römers, der die Tapferkeit vor sich weg trägt aber in seinem Herzen wollte er frei sein. Frei von diesen Zwängen, frei von diesen Normen, die ihn Stück für Stück töteten. In seiner Welt funktionierte alles, irgendwie hielt alles zusammen aber es kostete einen hohen Preis. Sein Rom war teuer mit Gold und Blut erkauft. Er verstand längst die Systematik der Macht, des gebändigten Willen einer Stadt, die ein Imperium bildete. Wieder auf seinem Lager liegend, fielen ihm klare Antworten ein aber ihr mitteilen wollte er sie nicht. Sie waren unpassend. Ungerecht, wenn man er genau überlegte. Sie fragte ihn erneut, doch anstatt weiter zu bohren, entschied sie sich ihre eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Verus lauschte aufmerksam, mit seiner Seele und Herzen. Idun breitete ihre traurige Welt vor ihm aus, was ihn sichtlich schmerzte. Nicht die Beinwunde bereitete ihm Schmerzen, sondern auch, dass diese hilfsbereite Frau einst derart leiden musste. Doch der Römer in ihm, der durch Erziehung und Projektion einer fernen Macht, erzeugt wurde, konnte diese Geschichte zwar für tragisch halten aber kam gleichermaßen mit dem Gedanken umher, dass dies ihr Platz gewesen war und ihr Schicksal zum Wohle Roms notwendig gewesen war. Verus war gespalten in eine freie Seele, die einem Vogel gleich, frei schweben wollte und einem römischen Verstand, der Recht und Ordnung brauchte, um zu überleben. Der Tiberius streckte seine Hand zu ihr aus, um ihre Hand zu greifen. Er wollte ihr beistehen, während sie sprach. "Ich verdamme auch nicht aber...," wollte er sagen, doch dann schnürte etwas seine Kehle zu. Er hatte die Barbaren verdammt. In seinen Gedanken hatte er längst ein Urteil über den nicht-römischen Kulturkreis gefällt. Verus hatte die Barbaren verurteilt, weniger wert zu sein als ein Römer. "Ich verstehe dich," antwortete er dies mal ohne Selbstbetrug. Die Klarheit überschwemmte seinen römischen Verstand, der nun schweigen musste und seine Seele flog für einen Atemzug frei, so dass seine Hand Iduns fest in liebevollem Griff hielt. Sie waren sich ähnlich geworden. Und waren es vielleicht immer schon gewesen. Beide waren sie Gefangene ihrer Rollen und ihres Schicksales, wenn auch ihre Herzen im gleichen Rythmus schlugen.

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    Idun nahm die Hand die die ihre hielt und zog ihre Hand auch nicht zurück. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, dass er einfach seine Gedanken nicht aussprechen konnte oder wollte, verstand sie nicht. Sie hatte nie mit ihren Gedanken hiermit Berg gehalten. Natürlich gab es Momente, in denen man besser schwieg. Aber hier war das doch nicht nötig. „Aber...?“ Fragte sie also nach. „Du hast Angst, dass wenn du mir sagst was du wirklich denkst du deine Ideale – oder zumindest das verrätst, was du bisher für diese gehalten hast.“ Das war keine Frage sondern eine Feststellung ihrerseits. „Ja ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist. Rom ist Alles – nicht wahr? Ich verlange nicht von dir, dass du irgendetwas aufgibst. Aber ich denke du – der Mensch Verus versteckt sich hinter eben diesem Rom ist Alles.“ Idun sah den Römer lange schweigend an. „Du verstehst mich, dass ist mehr als ich zu hoffen wagte.“ Sagte sie schließlich.“ Natürlich hatte sie seine innere Zerrissenheit bemerkt, das er sie aber in gewisser Weise eingestand war für Idun viel wert. Auch das er, der doch sonst immer streng nach Gesetz gehandelt hatte, nicht darauf einging, dass ihre Freiheit, die sie hier genoss, gegen römisches Recht verstößt - war mehr als sie zu hoffen gewagt hatte. So langsam verstand sie warum Donar ihn erwählt hatte. Wenn es möglich war, dass ein Einzelner sich wandelt …. Ja welch ein schöner Gedanke.

  • Verus schloss die Augen, so als ob er sich selbst vergeben wollte; für all das Blut und die Gewalt, die er anderen angetan hatte. Auch er hatte als römischer Soldat Gewalt und Blut zu vielen Menschen gebracht. Er war auch nicht mehr als eine Waffe. Doch durch dieses Schicksal, durch dieses schreiende Feuer, fand er etwas Seltenes und Wunderschönes. Er lebte. Endlich lebte er wieder. Sein Herz fühlte wieder, während sein Verstand schwieg. "Am Ende leben wir alle und am Ende zählt nur, dass wir gelebt haben," erklärte der Römer, während er Idun zu sich heranzog, um sie zu umarmen. Ein Römer umarmte eine Sklavin in vergebungsvoller Hingabe. "Es ist so einfach, wenn man schlicht lebt; einfach leben," sprach er, während er seine Augen wieder öffnete. "Wärest du als Römerin geboren, wäre ich als Germane geboren, doch am Ende zählen unsere Leben und wir wären genauso, wie jetzt an diesen Ort gelangt," meinte er und blickte ihr erneut tief in die Augen. "Lass' uns für ein paar Stunden vergessen, was wir sind; wer wir sind, sondern lass uns einfach leben," sprach er und lächelte sie menschlich an. Er machte sich frei von seiner Last, da er in ihr und mit ihr Vergebung gefunden hatte. Er musste erst an das Ende seiner Welt reisen, in Blut baden, um die Gewalt zu vergessen, die er sich selbst angetan hatte. Verus fand das Licht wieder, was er einst als Kind besessen hatte. Zerisssen von diesen Gefühlen, unfähig sich zu flüchten, fiel sein Kopf vor, um ihr sanft auf die Stirn zu küssen. Ein Kuss der Gnade, der Sehnsucht und des Dankes; der wahren Demut, die ein Römer einer einstigen Sklavin beweisen konnte. Seine Lippen berührten ihre Stirn, während sich erneut seine Augen schlossen. Er spürte ihre Wärme, ließ sich darin fallen, bevor er seinen Kuss von ihrer Stirn löste und seinen Kopf zurück bewegte. In der selben Bewegung öffnete er seine Augen. Seine Lippen zitterten aber sein Blick war fest auf sie gerichtet. "So selten und wundervoll," sagte er mit liebender Stimme und lächelte Idun vertrauensvoll an.

  • Sie lächelte. Er verstand. Er der Römer verstand. Idun's lächeln war sanft. Die Umarmung ließ sie zu und sie genoss diesen Moment in dem die Völker, die Herkunft, Rom, Germanien … einfach alles seine Bedeutung verlor. In diesem Moment zählte nur der Mensch. Nur diese beiden Menschen.
    Ihr war die Bedeutung des Kusses auf die Stirn bewusst, es war so unwirklich und doch so real.
    Sie schaute dem Römer tief in die Augen.
    „ Du hast es verstanden.“ Sie lächelte. „Du bist das, was du liebst. Du bist das, wofür du einstehst. Du bist das, was du bezeugst. Zeig Gesicht - lebe dein Leben.“



    Inzwischen war es Abend geworden. Idun verließ die Hütte. Nach einiger Zeit kehrte sie zurück. „Komm.“ Sie half ihm von dem Lager. Vor der Hütte brannte ein Feuer. Felle lagen daneben. Es war eine klare dunkle Nacht, die Sterne funkelten. Idun half Verus sich zu setzen. Eine Zeit lang schaute sie ins Feuer und genoss die wäre die von diesem ausging. Irgendwann richtet sie ihren Blick gen Himmel. „Siehst du den Mond? Siehst du wie blutrot er gefärbt ist? So wird sich die Erde hier morgen färben. Getränkt vom Blut der Germanen.“ Sie sah Verus an. „Sie kommen. Deine Legionen kommen um dich und die deinen zu rächen und die meinen zurichten.“ Die Germanin sah wieder in das feuer. Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen und tanzten darin. „Schon morgen...“
    Ja bald schon würde die Zeit hier enden und er wäre wieder der Römer.

  • Die Umarmung war sein und ihr Heiligtum. Beide fanden sich in den Armen wieder, fanden Hoffnung und eine natürliche Liebe, die fern von Grenzen und Völkern existierte. Beide lebten für einen Moment, der einen Hauch Ewigkeit hatte. Zwischen beiden entwickelte sich eine Kraft, die etwas Großartiges war. Es war ein Licht, eine Macht, die göttlich war und doch so menschlich. Beide waren in dieser Umarmung Götter ihrer eigenen Zeit. Verus neigte sein Haupt an ihr Haupt, während sie lächelte und sprach. Man verweilte in dieser Pose, gab sich Nähe und Wärme, bis der Abend einbrach.


    Idun half ihm hinaus aus der Hütte, nachdem sie kurz selbst durch die Tür getreten war, um hinaus zu blicken. Verus freute sich auf frische Luft und einen Blick in die ungeschönte und unverstellte Natur, die er hier kennengelernt hatte. Römer neigten dazu, allen Dingen ihre Form aufzuzwingen; waren es Gärten oder bestellte Wälder. Römer ordneten alles ihrer Auffassung unter und veränderten ihre Umgebung massiv, während hier alles unverändert, sogar freier wirkte als im fernen Achaia oder Italia. Es brannte ein Feuer, denn es knisterte und warf sein Licht in seine Augen. Verus setzte sich mit ihrer Mithilfe auf das Fell, welches bereit lag. Der Tiberius blickte in den Himmel, so wie sie es tat; bewunderte die Sterne und seufzte dann, denn ihm war bewusst, dass dieser Moment seines Friedens bald enden würde. Sie machte ihn auf den Mond aufmerksam, den er nun aufmerksam betrachtete. "Ja, sie werden kommen. Es verlangt die Tradition und das Gesetz," entgegnete Verus mit trauriger Stimme. Während sie wieder ins Feuer blickte, blickte er weiter zum Blutmond. Er hatte etwas Faszinierendes; etwas Diabolisches und auch Mystisches. Ein seltsam okkultes Monstrum an Farbe und Gestalt. Dieser Mond war ein echtes Zeichen, wenn auch natürlich. Nicht, dass Verus an Zeichen glaubte aber er kam nicht um den Gedanken umhin, dass dieser Mond ein passendes Sinnbild war. Idun blickte schließlich wieder in seine Richtung, so dass auch Verus seinen Kopf senkte, um ihr in die Augen zu blicken. Er hatte es sich bequem gemacht, fuhr mit der Hand über den Boden in ihre Richtung, um nach ihrer Hand zu greifen. Sie sollte nicht alleine mit diesem Gefühl sein. "Du bist etwas Besonderes," erklärte er, während seine Hand die ihre umschloss. "Wenn sie kommen, wenn die Legionen kommen, musst du fliehen. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert, obwohl ich gerne bei dir bleiben würde oder mir wünsche, dass du bei mir bleibst," faselte er ein paar Satzbrocken zusammen, um seinen unruhigen Gedanken Raum zu geben und diese auch mitzuteilen. In seinem Gesicht stand Sorge. Echte Fürsorge um Idun, die ihm geholfen hatte und echtes Mitgefühl gezeigt hatte. Ihm war klar, dasss er als Römer zurückkehren musste aber was sollte mit Idun geschehen?

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