Aller Anfang ist ... laut

  • Am Tag zuvor hatte er sich bereits beim Tribunus Cohortis Urbanae gemeldet, die neue Ausrüstung abgeholt und schließlich seine neue Stube bezogen. Den ganzen mehr oder weniger formellen Firlefanz hatte Avianus also hinter sich und wollte mit Anbruch des neuen Tages auch gleich loslegen.
    Und als er dann früh morgens, in neuer Aufmachung und mit Optiostab aus der Baracke getreten war, hatte er plötzlich realisiert, dass er absolut keine Erfahrung darin hatte, irgendwem etwas beizubringen. Aber zumindest hatte er bei den Cohortes Praetoriae gelernt, wie alles im Idealfall auszusehen hatte. Rumnörgeln, wo etwas nicht passte – dazu wäre er also auf jeden Fall fähig. Und das war ja schon mal die halbe Miete, dachte er jedenfalls.
    Und jetzt? Naja, wie testete man wohl am besten, wie lange die eigenen Leute brauchten, um auf die Beine zu kommen? Der Iunier setzte sich in Bewegung, noch bevor der Antritt zum Exerzieren fällig war, lief die Türen der einzelnen Stuben ab und hämmerte bei jeder mehrmals mit dem Stab lautstark gegen die Türpfosten, während er sich im Befehlston bemerkbar machte:
    "EVIGILATE! VENITE! Vor die Baracken!" Rumms! Rumms! Rumms! "STUBENKONTROLLE! ALLE RRRAUS!!!"
    Bei wem das nicht reichte, den würde er in der Baracke vermutlich persönlich besuchen, um ihn vor die Tür zu scheuchen. Und wer sich noch einen Augenblick dafür nehmen wollte, schnell mal eben Ordnung in seine Sachen zu bringen, dem würde es wahrscheinlich ähnlich ergehen.
    Ursprünglich hatte er sich ja vorgenommen, keiner dieser Vorgesetzten zu sein, die ihre Milites laufend anbrüllten. Und daran hatte sich eigentlich nichts geändert. Aber bei seinem ersten Auftritt als Optio und vor allem, wenn man die Soldaten aus ihren Betten bringen wollte, konnte man auf jeden Fall eine Ausnahme machen. Und ein glanz kleines bisschen Spaß machte es ja schon, solange einem noch nicht der Hals schmerzte.

  • Glücklich den abgestandenen Garumschwaden in den Unterkünften entronnen, wurden die Rekruten vor der Barracke vom scharfen Gestank der Fischfässer empfangen und von einem unbekannten Optio.
    Die Reihen schlossen sich rasselnd und die Augen der versammelten Tirones von der Dritten richteten sich neugierig auf den noch relativ jungen Offizier. Antias stutzte. Er kannte diesen Burschen doch irgendwoher. Richtig! Der Praetorianer, dem er erst neulich eine Nachricht zugestellt hatte. Nicht der unsympathischste Miles in seinem Haufen, erinnerte er sich, aber das war nach dessen Dienstschluss gewesen. Hier begann gerade erst der Dienst, und der Optio machte nicht den Eindruck als hätte er viel Zeit zu verplempern. Immerhin wirkte er nun nicht mehr wie ein überdimensionaler Mistkäfer im schwarzen Brustpanzer, sondern trug die Rüstung der CU. Veränderungen haben immer auch ihr Gutes, sagte sich Antias gespannt, also warten wir's ab.

  • Das laute Krachen an der Tür ließ mich aus dem Schlaf hochfahren. Verschlafen rieb ich mir die Augen, bevor ich begriff, was los war. Anscheinend konnte es irgendwer nicht abwarten die Legionäre zu triezen. Eilig zog ich meine Tunika an und legte mir den Brustpanzer darüber an. Wie immer schnürten- mein Pritschennachbar und ich -wir uns gegenseitig die Lederbändchen auf dem Rücken zusammen. Wir achteten darauf, dass die Rüstung nicht zu fest saß, aber auch nicht lose am Körper herumwackelte. Im Kampf war das lebenswichtig- eine intakte Rüstung und dazu den perfekten Sitz, der den Großteil des Körpers verdecken sollte, um es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen.
    Anschließend schnürte ich mir die caligae und setzte mir den Helm auf. Der Helmriemen war schnell geschlossen. Ich legte mir den Schwertgurt um, ließ Gladius in die Scheide gleiten und griff nach meinem Schild, der an das Fußende meines Bettes gelehnt stand. Dann begab ich mich Richtung Barackenausgang.
    Doch ich hielt im letzten Moment inne und drehte mich noch einmal um. Das Bett!
    Schnell hastete ich zurück richtete das Kissen und legte die Felldecke flüchtig zusammen. Nun aber schnellstens raus. Unter lauten Klappern der nagelbeschlagenen Sohlen der caligae durchquerte ich die Baracke, vorbei an den letzten Kameraden, die sich ankleideten und noch schnell versuchten irgendwas in Ordnung zu bringen.
    Ich trat nach draußen, wo die Sonne langsam versuchte den Himmel zu erklimmen. Ich reihte mich in die Unterabteilung meiner Zenturie ein und blickte umher. Der Großteil der Zenturie hatte sich bereits versammelt. Da waren Hispo, Antias ... und ein Unbekannter Mann der ganz vorn stand und ungeduldig seinen Optiostab schwang. Wer war dieser Optio nur und warum die frühe Stubenkontrolle?
    Den Schild stellte ich vor mir auf den Boden und legte meinen linken Unterarm auf die Oberkante des kalten Eisens, die Rechte auf den Schwertknauf gelegt.

  • Irgendwann schleppte sich auch der letzte Soldat auf den Platz vor den Unterkünften. Da war eindeutig noch Luft nach oben, vor allem aber hatte Avianus natürlich bemerkt, dass einige länger gebraucht hatten, als man es sich selbst von einem Anfänger erwarten würde. "Hätte ich gewollt, dass ihr extra nochmal hübsch aufräumt, hätte ich die Kontrolle angekündigt", bemerkte er deshalb ironisch, während sich die Soldaten vor den Baracken aufstellten. "Und unangekündigte frühe Appelle werdet ihr noch oft genug erleben müssen, also gewöhnt euch lieber schonmal dran."
    Beim nächsten Mal würde er ein ganzes Stück weniger gnädig sein, aber vorerst würde er es dabei belassen, denn mit einem leichten Grinsen registrierte er die teilweise verwirrten Mienen der Milites und Tirones, die jetzt zwar brav in Reih und Glied standen, aber ganz offensichtlich nicht wirklich eine Ahnung hatten, was gerade Sache war.
    "Guten Morgen, Soldaten. Steht bequem", kam er schließlich endlich dazu, seine Leute zu begrüßen. "Mein Name ist Optio Aulus Iunius Avianus, besser ihr prägt ihn euch gut ein, denn ich darf euch mitteilen, dass ich von nun an den Centurio in all seinen Aufgaben unterstützen werde." Er ließ seinen Blick durch die Reihen der Soldaten schweifen, um sich einen groben Überblick über die Männer seiner neuen Einheit zu verschaffen.
    "Dazu gehört natürlich auch die Ausbildung der Tirones und das tägliche Exerzieren. Noch irgendwelche Fragen?", meinte er dann weiters in ernstem Tonfall, obwohl sein sein leichtes Grinsen inzwischen zu einem selbstzufriedenen Lächeln geworden war. Ansonsten würde er ohne weitere Verzögerungen mit der Stubenkontrolle beginnen.
    Er erinnerte sich noch gut an seine eigene Grundausbildung bei den Cohortes Urbanae, welche vergleichsweise angenehm verlaufen war. Spätestens nach seiner raschen Versetzung zu den Praetorianern, wo er doch noch herausgefunden hatte, was das Wort Abhärtung eigentlich wirklich bedeutete, hatte er sich darüber allerdings nicht mehr sonderlich gefreut. Mehr oder weniger wollte er den Soldaten also einen Gefallen tun und ihnen eventuell ein ähnliches Schicksal ersparen: Besser sie lernten früher, alle nervenaufreibenden Eventualitäten des Soldatenlebens zu ertragen, als zu spät. Und dazu gehörte hin und wieder auch, noch vor Tagesanbruch aus den Betten gescheucht zu werden.

  • Auch Scato stand in der Reihe der angetretenen Legionäre und lauschte, so aufmerksam er um diese Zeit konnte, der Rede des neuen Optios, der sich vor der Mannschaft aufgebaut hatte und nicht gerade einen besonders symphytischen ersten Eindruck hinterließ. Eines wusste der Fabier jedoch bereits jetzt - diesen Name würden die Soldaten bestimmt nicht so schnell vergessen, drohte der Optio ja bereits bei seinem ersten Auftritt damit, in Zukunft öfter präsent zu sein. Als er auch noch das tägliche Exerzieren erwähnte, seufzte Scato leise und als der Optio schließlich noch Fragen erlaubte, war er sich so gut wie sicher, dass keiner es wagte sich zu Wort zu melden und dadurch vielleicht gleich beim ersten Zusammentreffen unangenehm aufzufallen. Denn ganz gleich welche Frage kommen würde, es konnte gewiss nur eine Dumme sein. Scato blieb daher weiterhin ruhig in der Reihe stehen und wartete, wie es nun weiterging.

  • Noch irgendwelche Fragen? Verdammt, und ob! Wie sah der Dienstplan für den Festtag des Iuppiter Liber aus? Antias biss sich auf die Zunge. Aufpassen! Schnauze halten! Der Vorteil schlaflos verbrachter Nächte bestand zweifellos in zunächst geschärften Sinnen, der Nachteil lag im schleichenden Nachlassen der Hemmschwelle Autoritäten gegenüber. Sachte, Junge .. ganz sachte!


    Immerhin, die Ansprache des neuen Optio war kurz und prägnant gewesen. Kein Vergleich zu den selbstherrlichen Vorträgen ihres alten Unteroffiziers, der sich beim Appell meist damit begnügt hatte, langatmig den Tagesbefehl zu erklären, um dann wieder zu verschwinden und erst Stunden später mit unverkennbarer Weinfahne sporadisch den Dienst zu kontrollieren. Antias starrte durch den sich lichtenden Morgennebel auf den Optio und wog eventuelle Vor- und Nachteile des Kommandowechsels gegeneinander ab. Die Bilanz fiel eindeutig zugunsten des neuen Offiziers aus.
    Mochte Inunius Avianus auch schlimmstenfalls etwas vom arroganten Dünkel der Praetorianer mit über die Principalis geschleppt haben, dem Dienst würde das kaum schaden, im Gegenteil. Die Rekruten mussten endlich wieder das Gefühl bekommen, dass es vorwärts ging. Sie alle wollten irgendwann einmal die Grundausbildung hinter sich wissen und gute zuverlässige Urbaner sein. Der bisherige Stumpfsinn der Ausbildung hatte dieses Ziel in eine nebulöse ferne Zukunft gerückt. Zeit, dass sich etwas tat. Egal was.

  • Keine Fragen? Auch gut, dann hatte er wohl alles Wichtige bereits gesagt. Oder die Soldaten dämmerten noch im Halbschlaf dahin, beides war möglich. Wie auch immer, aufhalten lassen wollte der Iunius sich davon natürlich nicht. Ordentlich wachrütteln konnte er die Soldaten auf dem Exerzierplatz noch früh genug.
    "Gut, wir werden schon noch warm", bemerkte Avianus schlicht, um sich dann wieder wichtigeren Dingen zuzuwenden, denn dass ihm die meisten der Truppe wenig begeisterte Blicke schenkten, war ihm nicht entgangen. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass der Centurio bei der letzten Kontrolle nicht vollkommen zufrieden mit euren Stuben war. Ich werde also einen kurzen Blick in eure Unterkünfte werfen und hoffe für euch, dass ihr inzwischen für Ordnung gesorgt habt."
    Denn was brachte eine Kontrolle schon, wenn man nicht sicherging, ob sich danach auch was geändert hatte. Er winkte die Contubernia nacheinander vor und besah sich die einzelnen Stuben. Hier und da passte so manches noch immer nicht ganz – unter Nachkontrollen hatten die Milites bei ihrem früheren Optio vermutlich nicht zu leiden gehabt – und der Fischgeruch der in und um die Stuben herrschte war auch nicht wirklich das Wahre, aber zumindest dafür wollte er den Soldaten nur ungern die Schuld in die Schuhe schieben, für ihre Rationen konnten die Männer wohl kaum was.
    Schließlich kam er zum Contubernium des ihm bereits bekannten Tiro Germanicus Antias, dem er nun wissende Blicke zuwarf, während er ihn und seine Kameraden aufforderte: "Ihr seid dran, geht voraus!"


    Sim-Off:

    Könnt gerne in den Unterkünften weiterposten.

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