[Vicus Salutaris] Von Hüttenbesitzern und freiwilligen Helfern

  • Einige Tage waren nun vergangen, als Curio Publius Lacerius Simplex im Bürgerverzeichnis der Stadt gefunden hatte. Die Recherche war unterm Strich doch recht unkompliziert gewesen, auch wenn der junge Helvetier gelernt hatte, dass die Verwaltung viel beschäftigt war und sich nicht um die Interessen jedes einzelnen Einwohners der Stadt kümmern könnte. Er hatte wohl einfach Glück gehabt, ebenso wie er Glück gehabt hatte, die Suche nach dem Lacerier zumindest auf einen kleineren Vicus eingrenzen zu können. Er hoffte, dass es so weiter gehen würde und das Fortuna sich nicht doch noch überlegte, dass das Schicksalsrad für Curio wieder abwärts gehen sollte.


    Nun hatte sich Curio etwwas Zeit freischaufeln können. Am Tag hatte keine Lektion mit dem Aedituus des Apollo-Tempels stattgefunden und so hatte Curio sich seine Zeit sehr gut einteilen können. Die Alltagsarbeiten hatte er so schnell wie möglich zu Ende gebracht und sie hatten auch den kritischen, wenn auch nicht mehr ganz so guten Augen des Aedituus standgehalten, sodass er früh in die Freizeit entlassen worden war. Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Casa Atia, wo er seine Sachen in sein Zimmer gebracht, sich etwas Wasser ins Gesicht geworfen und zum Schluss seine Tunika gewechselt hatte, machte er sich auf den Weg nach Norden in den Vicus Salutaris.


    Dort stand er jetzt. Und wusste nicht wirklich weiter. Schließlich konnte er ja schlecht von Haus zu Haus und von Insula zu Insula gehen und an jede Haus- und Wohnungstür klopfen und fragen, ob dort ein Lacerius Simplex wohnte. Curio schaute sich orientierungslos um. Er war erst einmal hier gewesen und wusste lediglich, wo er den Mercur-Schrein und die Iupitter-Säule finden konnte. Doch alles darüber hinaus würde ihn woh heute noch vor eine Herausforderung stellen.

  • Curio schlenderte durch den Vicus, schaute sich interessiert um und versuchte, sich ein Plan zurechtzulegen, wie er jetzt hier vor Ort weitermachen sollte. Einige Zeit wartete er auf einen Geistesblitz, doch war es eigentlich erwartbar, dass ein solcher ausbleiben würde. Schließlich blieben sie meistens aus und die aktuelle Angelgenheit war ja jetzt auch nicht so lebenswichtig, dass sich irgendeine Gottheit damit beschäftigen müsste. Die Gebäude um ihn herum sahen alle gleich aus. Einstöckig, meist einfacher Bauart. Vereinzelt fanden sich mehrstöckige Insulae. Doch sahen sie für Curio alle gleich aus. Er fand keinen Hinweis auf den Lacerius. Das Schlendern wurde langsam und langsamer, immer in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, und sei es ein noch so kleiner Hinweis...


    Schließlich kam Curio an dem kleinen Markt an, der sich im Zentrum des Vicus zwischem dem Merchusschrein bis zum Militärhafen erstreckte. Er kaufte sich einen Apfel an einem der Stände, suchte sich einen schönen Platz und beobachtete das Treiben auf dem kleinen Marktplatz. Er war gefüllt mit Matrosen der Classis, mit Einwohnern des Vicus, die um diese Uhrzeit einkaufen gingen, und natürlich den Händlern, die ihre Waren verkaufen wollte. Dort ein Fischstand, daneben der Stand eines Bäckers, daneben ein Stand mit Früchten, denen gegenüber Stände von Gewürzhändlern und Pelzhändlern, an der Stirnseite ein Stoff- und Kleidungshänler. Besonders gefragt waren natürlich die Lebensmittelstände. An allen standen Trauben von Kunden und grate der Stand des Bäckers war Anziehnungspunkt zahlreicher Kunden. Curio versuchte zu hören, was er mit seinen Kunden besprach, doch bekam er immer nur Wortfetzen mit. Was er jedoch klar hörte, war, dass er eine ganze Reihe von Kunden mit Namen ansprach.


    Curio biss in seinen Apfel, kaute eifrig, schluckte und biss erneut hinein. Das Fruchtfleisch des Apfels erfrischte und feuchte seine Kehle an diesem trockenen, warmen Tag an. Dann stockte er. Der Bäcker grüßte offensichtlich seine Stammkunden mit Namen. Wenn der Lacerius hier wohnte, den Bäcker gleich um die Ecke, war es möglich, dass auch er dort Stammkunde war. Ein weiteres Mal biss Curio in seinen Apfel. Er wollte warten, bis der Ansturm dort abnahm und dann mit dem Bäcker reden.

  • Der Apfel war mittlerweile zu einer Kitsche geschrumpft und tatsächlich war der Anstrum auf den Stand mittlerweile zurückgegangen. Nur noch vereinzelt kamen Kunden, die Brot oder Gebäck kauften. Der Stand leerte sich zunehmend, sodass Curio nun langsamen aber gezielten Schrittes auf ihn zuging und sich zuerst bei den Waren umsah. Nach wenigen Augenblicken trat der Bäcker an ihn heran und stellte ihm sein durchaus ansehnliches Angebot vor. Glücklicherweise hatte Curio genug Geld dabei, um auch ein mittelgroßes Brot zu kaufen und so kam er ins Gespräch mit dem Bäcker, der die derzeitige Pause gut mit dem kurzen Gespräch zu überbrücken wollte. Der Bäcker erzählte von seinem gut laufenden Geeschäft, während Curio von seinem Dienst im Tempel erzählte. Beide nickten auf die Erzählungen des jeweils anderen anerkennend, wobei vom Bäcker das - für Curio mittlerweile gewohnte - Versprechen kam, ihn für ein Opfer im Tempel anzusprechen.


    Schließlich kam Curio aber auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen.


    Du hast ja auch bestimmt eine ganze Reihe von Stammkunden hier im Vicus, so gut, wie deine Geschäfte hier laufen. Und die lernt man ja auch bei jedem Besuch ein bisschen besser kennen.


    Der Bäcker nickte zustimmend, während er seine restlichen Waren neu und wieder etwas ansprechender anordnete.


    Das stimmt. Die Einwohner hier in Salutaris kommen gern zu meinen Stand und einige kenne ich schon seit Jahren. Einmal kam sogar jemand her, der schon als Kind bei meinem Vater sein Brot gekauf hat und unserem Geschäft weiterhin treu bleiben wollte, nachdem er nach einigen Jahren in Confluentes zurück nach Mogontiacum gezogen war.


    Der Stolz des Bäckers auf sein Geschäft und seine Waren war kaum zu überhören und Curio konnte es kaum abwarten, das Brot zu Hause zu probieren. Doch jetzt war keine Zeit dafür.


    Das spricht für deine Waren. Und wenn mir dein Brot schmeckt, komme ich bestimmt auch nochmal her. Du kennst Saltuaris ja auch bestimmt sehr genau, wenn die Einwohner regelmäßig herkommen. Ich bin auf der Suche nach einem Mann. Seine Name lautet Publius Lacerius Simplex und er soll hier in Salutaris wohnen. Weißt du zufällig, wo ich ihn finden kann?


    Die Frage war dann doch sehr direkt gestellt und der Bäcker schaute auch entsprechend misstrauisch auf den jungen Mann vor ihm. Curio hatte ja nichts Böses im Schilde, aber wer sich so offen über eine ganze bestimmte Person informiert, konnte einfach nur schlechte Nachrichten oder sogar Schlimmeres überbringen. Entsprechend zurückhaltend war der Bäcker daher auch.


    Sagen wir mal, ich kenne ihn und könnte dir auch sagen, wo du ihn finden könntes. Was würde das für Konsequenzen haben, sowohl für mich, als auch für diesen... Lacerius?


    Die Stimme des Bäckers war deutlich zurückhaltender geworden. Von dem Enthusiasmus aus dem vorhergehenden Gesprächsteil war nichts mehr übrig geblieben. Wieder mal ging es für Curio darum, Misstrauen zu zerstreuen und Vorbehalte aus der Welt zu räumen.


    Für dich hätte wahrscheinlich gar keine Konsequenzen. Gerne werde ich aber regelmäßig vorbeischauen, um zum Beispiel Opfergaben für den Tempel, oder Brot für den Eigenbedarf zu kaufen. Für den Lacerius wären die Konsequenzen sicherlich nicht schlecht. Vielleicht kann ich ihm sogar helfen, ein liegengeblienes Problem zu lösen. Vielleicht hat er dir ja schonmal von seiner Hütte am Rhenus erzählt?


    Der Blick des Bäckers blieb misstrauisch, doch als Curio auf die Hütte zu sprechen kam, schien etwas in seinen Augen zu blitzen. Er legte zwei große Laibe Brot auf leere Plätze, bevor er Curio lange musterte und dann doch fortfuhr.


    Ich will nicht, dass der Lacerius irgendwelchen Ärger bekommt. Wenn du also nur wissen willst, wo er wohnt, weil du ihm irgendwelchen Mist andrehen oder ihn sonstwie ausnehmen willst, kann ich dir nur raten, das Weite zu suchen. Und zwar sofort!


    Grade zum Ende wurde jedes Wort des Bäckers messerscharf und Curio musste einen Schritt zurücktreten. Der junge Helvetier brauchte einen Augenblick, bis er sich gefangen hatte und erhobb dann beschwichtigend die Arme.


    Ich versichere dir, ja ich verspreche dir, dass ich dem Lacerius nichts Böses will. Ganz im Gegenteil. Ich habe seine Hütte am Rhenus gefunden und will dabei helfen, sie wieder auf Vordermann zu bringen.


    Er legte alle Aufrichtigkeit und Redlichkeit in diese beiden Sätze und hoffte, dass das ausreichen würde, den Bäcker von seinen guten Absicht zu überzeugen. Wieder schwieg der Bäcker daraufhin lange, mustere Curio wieder von oben bis unten. Curios Herzschlag hingegen wurde schneller und unruhiger. Schließlich nickte der Bäcker.


    Du sagtest, du bist Discipulus im Apollo-Tempel. Ich weiß also, wo ich dich finden kann, wenn du mir hier eine dreiste Lüge erzählt hast. Du findest Lacerius in der Insula Pomponia. Das ist in einer Seitenstraße im nördlichen Teil des Vicus. Du gehts einfach in nordwestlich Richtung, vorbei am Mercurschrein und dann die erste Straße rechts rein.


    Gänzlich überzeugt schien der Bäcker immer noch nicht, aber die Drohung für den anderen Fall war ausgesprochen. Curio prägte sich die Wegbeschreibung des Bäckers ein und wandte sich ihm dann nochmal zu.


    Ich danke dir sehr und werde mein Versprechen nicht brechen. Mögen die Götter dich, die deinen und deine Bäckerei beschützen. Vale.


    verabschiedete sich Curio dann und machte sich auf den Weg, in jene Richtung, die ihm der Bäcker angezeigt hatte. Währenddessen kam auch schon ein weiterer Kunde, der wiederum freundlich bedient wurde.

  • Langsam schlenderte Curio durch durch die Straßen des Vicus und ging auf jenes Haus zu, das ihm der Bäcker gezeigt hatte. Die Häuserfront der Insula Pomponia erstreckte sich weit durch den Straßenzug. Ein beeindruckendes Gebäude, wenn auch von außen nicht mehr das modernste. Lange suchte Curio nach einem Eingang, den er letztlich aber glücklicherweise fand. Als er auf die Tür zutrat, trat eine ältere Frau hinaus, blickte sich um, schaute den jungen Helvetier kurz unverwandt an und wollte dann weitergehen, doch Curio sprach sie an, wo er Lacerius Simplex finden konnte. Wieder schaute die Frau unverwandt, verwies ihn dann aber auf die zweite Habitatio auf der rechten Seite der ersten Etage. Curio dankte freundlich, doch die Frau war schon weg, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.


    Curio betrat die Insula und musste sich erstmal zurechtfinden. Wie viele Insulae waren die Räume, Wohnungen und Flure unübersichtlich geschnitten, sodass es einige Zeit dauerte, bis er das Treppenhaus gefunden hatte. Derweil ging er an kleineren und größeren Wohnungen vorbei, aus einem war das Schreien eines Kindes zu hören, aus einem anderen ein lautstarker Streit und aus einem dritten ein dumpfes Schlagen auf Holz. Nach einigen Minuten fand er die Treppe und stieg in die erste Etage hinauf, wo sich die geräumigeren Wohnungen befanden. Curio wandte sich nach rechts, ging an der ersten Wohnungstür vorbei und blieb dann an der zweiten Wohnungstür stehen. Als er ankam, schaute er sich um, schlug sich seine Tunika vorsichtig aus, atmete tief durch und klopfte dann fest an der Tür.


    Lange Zeit passierte gar nichts. Der junge Helvetier versuchte zu lauschen, ob er irgendwelche Geräusche hörte und vernahm dann tatsächlich ein leises Schlurfen über dem Boden. Es näherte sich der Tür, dann herrschte wieder für einige Momente Stille, bevor sich die Tür einen Spalt öffnete, grade genug um heraus zu schauen, und die rauhe Stimme eines alten Mannes ertönte.


    Wer bist du und was willst du hier?


    Curio zögerte, antworte dann aber mit dem Brustton der Überzeugung.


    Meine Name ist Iullus Helvetius Curio und ich bin auf der Suche nach Publius Lacerius Simplex.


    Wieder entstand eine längere Pause. Das Auge, das zwischen dem Spalt zu sehen war, musterte den jungen Helvetier. Curio begann, sich tatsächlich unwohl zu fühlen. Und dies sollte sich bewahrheiten.


    Ich kaufe nichts an der Tür.


    schleuderte der Mann Curio entgegen und drückte die Tür zurück ins Schloss.

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