Der Weg durch Rom

  • Groß.


    Laut.


    Und voller Menschen.



    Die ersten Eindrücke, die auf Iulia Laevina von Rom einprasselten, entsprachen eindeutig nicht ihrem Geschmack. Sie war die Ruhe und Übersichtlichkeit ihrer kleinen Stadt auf dem Land gewohnt, und so gefiel es ihr eigentlich auch ganz gut. Aber man konnte eben nicht alles haben.


    Laevina hatte immerhin schon mal vom Straßentor auf den Markt gefunden, darauf war sie sichtlich stolz. Zwar war sie nur aus Zufall hinter ein paar Menschen hinterher-, und so auf den Platz gestolpert, aber das musste ja keiner wissen. Allerdings musste sie jetzt noch irgendwie zur Casa Iulia finden... Und das würde mit Sicherheit deutlich schwieriger werden. Mit einem nicht zu überhörenden Seufzer widmete sie sich wieder der Wegbeschreibung, die ihr von zuhause mitgegeben wurde. So viele Straßen, Kreuzungen, Winkel und Häuser... wie sollte sie sich hier je zurechtfinden?

  • So ein verdammter Mist!!!.
    Verzweifelt sah sich Vestina in der Menschenmenge um, aber sie hatte kein Glück: ihre Sklavin Nicaea blieb spurlos verschwunden. Auf dem Markt herrschte buntes Treiben, die Händler priesen lautstark ihre Ware an und die Menschenmasse schob sich wie eine Schlange zwischen den Läden hindurch. Zu einer anderen Zeit hätte Vestina diesen Anblick als sehr interessant und überwältigend empfunden, doch jetzt war es einfach nur überwältigend.
    Undzwar negativ überwältigend.
    So wie ein Felsen, der den Menschen unter sich langsam erdrückt.
    Gut, blöder Vergleich. Nun fühlte sich Vestina, als ob die Menschenmenge sie langsam zerquetschte und das half ihr in der gegebenen Situation überhaupt nicht weiter.


    Verdammt, verdammt, verdammt!!
    Was musste sie auch so neugierig sein und ohne große Gedanken an etwaige Gefahren losstürmen, sobald der Markt vor ihr aufgetaucht war?! Nicaea war schon länger Sklavin der römischen Iulier und kannte sich demzufolge sehr gut in der Stadt aus, ideal, um Vestinas Erkundungsdrang zu stillen.
    Zumindest hatte sie das in der Casa gedacht, als sie auf die Sklavin getroffen war. Stadtvertraute Skalvin, die dich sicher durch die Straßen führen wird, interessante oder wichtige Dinge zeigt und rechtzeitig vor Taschendieben warnt. Perfekt!
    Naja....denn das größte Problem hatte Vestina nicht erkannt: Sich selbst.
    Das Bauernmädchen, das von seinen Gefühlen geleitet unbesorgt losstürmt und die arme Leibsklavin hinter sich lässt.
    Und natürlich sofort komplett aus den Augen verliert.


    Hektisch schob Vestina sich durch die Leute und schaute sich immer wieder nach Nicaea um.
    Ihre Suche wurde aprupt beendet, als sie urplötzlich in eine Person hineinrannte...

  • Die Augen noch immer auf die Beschreibung fixiert, wurde Laevina plötzlich aus ihren Gedanken gerissen...


    ... und fand sich anschließend auf dem staubigen Boden des römischen Marktes wieder. Ihre Seite schmerzte und der Schreck saß ihr in den Gliedern. Ihre Tafel mit der Wegbeschreibung lag gute 2 Meter von ihr entfernt, schutzlos den trampelnden Schritten der Menschenmasse ausgeliefert. Ihre Kleidung war vom aufgewirbelten Staub bedeckt und vermutlich durch den rauen Stein kombiniert mit dem recht unsanften Aufprall an der ein oder anderen Stelle zerrissen. Ihre Körperhaltung war auch nicht mehr so ganz natürlich... Eine Art seitlich Zusammengekauertes auf den Boden gedrückt werden, kombiniert mit einer Prise ziemlich abnormal verrenkter Gliedmaßen. Aber trotz all dem: am Überraschendsten war dieses seltsame Etwas, dass auf ihr drauf lag und sich manchmal so komisch bewegte... Moment! War das ein Mensch? Die Iulierin riss erschrocken die Augen auf. Wie kam dieser Mensch da hin? Dem Gewirr von Haaren und Kleidung nach zu urteilen, handelte es sich wohl um eine Frau... ein Mann hätte sie vermutlich ohnehin schon halb erdrückt, bevor sie überhaupt die Augen hätte öffnen können.


    Das erklärte natürlich, was gerade geschehen war. Irgendjemand hatte nicht darauf geachtet, wo er (beziehungsweise eher sie) hingelaufen war, und war in sie reingelaufen.


    Von der allgemeinen Situation und ihren Schmerzen sichtlich genervt, ließ Laevina ihren Kopf zurück auf den Steinboden fallen und schloss ihre Augen. Die lange Reise hatte schließlich nicht nur an ihren Kräften, sondern auch an ihren Nerven gezehrt.
    Na, das ist ja ein super Empfang, dachte sie sich, da ist man keinen ganzen Tag in Rom und hat sich schon verlaufen,
    hat sein Gepäck verloren,
    und wurde vom erstbesten Menschen hier umgerannt.
    Genau so hatte ich mir das erhofft!

    Alles, was sie jetzt wollte, war ein entspannendes Bad im Caldarium einer Therme hier, aber das konnte sie wohl erstmal von ihrer Wunschliste streichen. Vermutlich hätte sie sich auf dem Weg zu den Thermen sowieso wieder verlaufen.

  • Puh, da hatte sie ja Glück gehabt!
    Vestina war bei dem Sturz offensichtlich sanft gelandet, denn soweit sie es beurteilen konnte, war sie unverletzt geblieben. Schnell versuchte sie, ihre Tunika einigermaßen in Ordnung zu bringen und ließ dabei ihre Augen wieder umherwandern.
    HOLY SHI...- dies war der einzige Ausdruck aus dem Griechischen, den Vestina kannte und schon des Öfteren gedanklich genutzt hatte- kein Wunder dass es ihr gut ging:
    Sie war direkt auf einer jungen Frau gelandet, die offensichtlich nicht besonders erbaut über diese Art von Nähe war.


    Oder hatte Vestina sie womöglich noch verletzt?! Panik stieg in ihr auf, als sie die mit geschlossenen Augen vor ihr liegende Person betrachtete.
    " Geht es Euch gut?", schrie sie die Frau in ihrer Angst, keine Antwort zu erhalten, fast an.

  • Oh nein, es redet mit mir.


    Wobei Reden noch untertrieben war. In dieser Menschenmasse war es ja durchaus schwer, jemanden zu verstehen, aber die Frau schrie ja beinahe um ihr Leben.


    "In Anbetracht dessen, dass Ihr mich gerade umgerannt habt, geht es mir gut. Danke der Nachfrage.", sagte sie, im Versuch halbwegs nett zu klingen. Langsam öffnete sie die Augen, um zu sehen, wer da gerade vor - oder eher auf ihr saß. Allerdings hatte sie nicht mit dem gerechnet, was sie jetzt zu Gesicht bekam: Dort saß ein junges Mädchen, nicht älter als sie! Eigentlich sah sie sogar ein wenig jünger aus, aber Laevina war nie gut im Einschätzen anderer Menschen gewesen. Aber noch etwas überraschte sie... Diese blonden Haare. Die Farbe war für sie ziemlich ungewohnt, sie kannte eigentlich nur die schwarzen und dunkelbraunen Haare ihrer Verwandschaft. Zwar hatte sie schon von verrückten Römerinnen gehört, die sich mit Taubenmist die Haare bleichen sollten, aber das waren auch Groißstädter... Für Laevina war immer klar gewesen: Deliranti isti Romani - Die spinnen, die Römer.


    Nachdem sie diese ominösen blonden Haare lange und eingängig betrachtet hatte, fiel ihr auf, dass sie noch immer am Boden lag, dieses Mädchen auch noch immer auf ihr saß, und ihre Wegbeschreibung langsam, aber sicher den Abflug machte - und beschloss, etwas dagegen zu unternehmen.
    "Ich... wäre Euch trotzdem sehr dankbar, wenn Ihr euch von mir... nun ja.... erheben würdet.", bat sie die Fremde mehr oder weniger freundlich, von ihr runter zu gehen.


    Sie versuchte, so weit es ging, den Kopf zu heben um ein bisschen Ordnung in ihre Gliedmaßen zu bringen und ihre derzeitige Lage besser überblicken zu können. Von unten war das Ganze leider so gut wie unmöglich. Zumal dieses Mädchen ja IMMERNOCH auf ihr saß.

  • Die andere lebte noch und war anscheinend auch unverletzt, sodass Vestinas Sorgen in der Hinsicht erstmal beruhigt worden waren.
    Jedoch hatte die Fremde gerade ruhig, aber sehr explizit angemerkt, dass sie Vestina noch immer als Schutzlage vor dem Straßenschmutz diente, was die Situation noch peinlicher machte.
    Argh, die Götter waren ihr heute eindeutig nicht wohlgesinnt.
    Erst Nicaea und nun das.
    Vestina hätte sich ein Schild mit der Aufschrift "Bauerntrampel" umhängen können, sie wäre nicht stärker aufgefallen als jetzt.
    " Tut mir leid, dass ich Euch umgefäl...zum Stürzen gebracht habe, ich hoffe sehr, dass Ihr unverletzt seid.", entschuldigte sie sich bei der jungen Frau und bot ihr eine Hand zum Aufstehen an.


    Da die Situation kaum noch unbehaglicher werden konnte, beschloss sie einfach, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und zu schauen, was passieren würde:
    "Mein Name ist Iulia Vestina, seid ihr zufällig einer kleinen, schwarzhaarigen Sklavin begegnet, die aussah, als ob sie etwas dringend suchen würde?", fragte sie die Frau am Boden.
    Zu spät fiel ihr ein, dass dies angesichts der Tatsache, dass es ein sonniger Tag war und sie sich auf einem gut besuchten Markt befanden, zu den weniger erfolgsversprechenden Fragen gehörte, die man hätte stellen können.

  • Immerhin schien das machen Manieren zu haben. Wenn Sie auch nicht die Aufmerksamste war, sie bemühte sich wenigstens.
    "Ist schon in Ordnung, das passiert auf so überfüllten Märkten durchaus mal." Sie brachte erst eine gewisse Grundordnung in ihre Kleidung - sie wusste ja nicht, wie es bei den Römern ist, aber ihr war es dann doch unangenehm, wenn ihre Tunika verrutschwn sollte und so Stellen freigab, die eigentlich nicht für die Blicke der Öffentlichkeit bestimmt waren.
    Als sie sich davon überzeugt hatte, dass alles so weit wie möglich in Ordnung gebracht war, ergriff sie die ihr angebotene Hand und hievte sich mithilfe des Mädchens wieder auf die Beine. Noch ein bisschen den Staub abklopfen und schon sah Laevina wieder fast akzeptabel aus.


    Die widmete ihre Aufmerksamkeit nun dem Mädchen, das sich gerade wieder zu Wort meldete.


    Laevina traute ihren Ohren nicht, als sie sich als Iulia vorstellte. Konnte das sein? Aus allen Familien, die hier in Rom lebten, lief ihr ausgerechnet eine Iulia, ein Mitglied ihres eigenen Gens buchstäblich in die Arme? Den Göttern sei Dank! , denn so konnte Laevina bestimmt doch noch irgendwie zur Casa Iulia!


    Aber die andere Iulia suchte wohl jemanden... Eine Sklavin. Mit schwarzem Haar... Auf einem Markt, mitten in Rom. Nichts leichter als das!
    "Also ehrlich gesagt... Ja, habe ich. Nur weiß ich leider nicht, ob diejenige, die ihr sucht, unter den unzähligen war, die ich bisher gesehen habt. Tut mir leid. Warum sucht ihr sie denn, wenn ich fragen darf?" auch wenn laevina sich meist eher weniger für die Angelegenheiten anderer Leute interessierte, hing von diesem Mädchen möglicherweise eine Menge ab. Und es interessierte sie schon, wie jemand derartig abgelenkt sein konnte, dass man einfach so in andere Leute hinein rannte.

  • Gut, die Fremde schien geneigt ihr zu helfen!
    So bekannte Vestina dann ohne große Verlegenheit:
    "Nun denn, Ihr müsst wissen, ich lebe erst seit Kurzem hier in Rom und kenne mich in der Stadt gar nicht aus. Heute bin ich zunächst mit einer ortsvertrauten Sklavin hierhergekommen, doch in dem Trubel hier, habe ich sie leider verloren und bisher nicht iwedergefunden."
    Dass das Verschwinden Nicaeas ihre eigene Schuld war, verschwieg Vestina der Anderen vorsorglich.
    Die Arme hatte ihre Unachtsamkeit schließlich schon sehr deutlich vorgeführt bekommen.


    Jetzt als die Fremde vor ihr stand, nahm Vestina sich die Zeit, um ihr Gegenüber genauer zu betrachten. Die junge Frau vor ihr überragte sie um einen halben Kopf und man erkannte trotz der Tatsache, dass sie soeben Bekanntschaft mit dem Erdboden der Stadt geschlossen hatte, dass sie recht elegant gekleidet war.
    "Was mag sie wohl auf den Markt führen? Ist sie vielleicht hier um einen Sklaven zu kaufen oder andere der angepriesenen Waren? Doch sie scheint ja ganz allein hergekommen zu sein. Suchte sie auch etwas bestimmtes?
    Vestina beschloss ihre Neugier zu stillen und fragte die Frau vor ihr vorsichtig:
    "Entschuldigt meine Neugier, aber was führt Euch hierher? Gibt es hier Dinge, die man unbedingt einmal gesehen haben muss oder besonderes zu kaufen?"
    Vielleicht war diese Frau ja geborene Römerin und konnte Vestina sowohl bei der Suche nach Nicaea, als auch bei ihrer Erkundungstour durch die Stadt behilflich sein!

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