Stadttor - Wachstube der CU

  • Beim Betreten der Wachstube wurde Antias von wohliger Wärme und fast schon aufdringlichem Schweigen empfangen. Das dritte Contubernium hatte Bereitschaft, die seltsamen Sardinier. Wortlos saßen die acht dunklen Gestalten um den Tisch herum, als lauschten sie voll Andacht den elegischen Versen eines Fidicens. Zu hören war allerdings nur das unregelmäßige Knacken in den Kohlenbecken. „Immer das gleiche mit euch.“ grinste Antias in die kontemplative Runde und nahm eine der ausliegenden Tabulae vom Tisch.“Wir frieren uns draußen das Gehänge ab und ihr feiert hier Orgien.“ Mit einem Blick auf den wartenden jungen Civis fügte er noch eine eben so kurze wie unnötige Erklärung hinzu. „Befragung des Reisenden. Dauert nicht lang.“ Einer der Männer, offensichtlich kein Insulaner reinen Blutes, ließ sich doch tatsächlich zu einer Reaktion hinreißen. „Quatsch nicht. Mach.“


    Amüsiert schnappte sich Antias einen Stilus und ging mit gezwungen dienstlicher Miene zu dem Reisenden hinüber. „Gut, Civis. Wie gesagt, du hast nichts zu befürchten. Nur ein paar übliche Fragen die Einreise betreffend.“ Ein kurzer forschender Blick an die Hüften des jungen Burschen. Keine Waffen. Das hatten die Milites zweifellos bereits kontrolliert. „Wenn ich das recht verstanden habe, bist du ein Octavius auf dem Weg zur Casa seiner Gens, richtig? Dann wüsste ich gerne noch deinen vollen Namen und woher du kommst.“

  • Rufus betrat mit dem Urbaner die Wachstube. In einer Ecke saßen weitere Soldaten um einen Tisch. Rufus murmelte ein "Salvete!" und beobachtete den Urbaner Antias. Beruhigend war schonmal, dass dieses Prozedere anscheinend keine weiteren Folgen nach sich zog, denn immerhin bekam er die Zusicherung, dass er nichts zu befürchten hatte. Antias musterte Rufus eingehend, sagte aber zunächst nichts weiter. Rufus hielt dem Blick stand und wartete, was der Urbaner von ihm wissen wollte. Dies schien Rufus die beste und schnellste Methode zu sein, einfach das zu machen, was von ihm erwartet wurde. "Das stimmt, Miles, mein Name ist Caius Octavius Rufus und ich bin auf dem Weg zur Casa Octavia in Rom, um meine Verwandten zu besuchen. Ich komme aus der Provincia Hispania, genauer gesagt aus Tarraco". Rufus wüsste ja nur zu gerne, wen er in der Casa Octavia alles antreffen würde, vielleicht würde sich während dem Gespräch mit dem Urbaner noch die Möglichkeit ergeben, diesen danach zu fragen. Ob er allerdings darüber Bescheid wusste, war sowieso zweifelhaft.

  • „Verstehe.“ Antias machte sich ein paar Notizen. Hispania. Respekt. Eine beachtliche Wegstrecke hatte der junge Octavius da zurückgelegt. Ob er mit einem der wenigen Küstenschiffe gekommen war, die um dieses Jahreszeit noch verkehrten? Oder auf der Via Iulia die Ligurerküste entlang? Im Grunde spielte das keine Rolle, die Gerüchte konnte er nur in Italia aufgeschnappt haben, im günstigsten Fall in unmittelbarer Umgebung der Urbs. „Ein weiter Weg.“ nickte Antias anerkennend und blickte den Octavier dann eindringlich an. „Und wo hast du das Gerücht vernommen, der Kaiser sei tot?“

  • "Ganz einfach, ich habe schon von weitem gesehen, dass eine Menschenmenge vorm Tor stand, als ich näher kam, sah ich, dass die Tore geschlossen waren. Da es noch nicht dämmerte, war es nicht schwer zu erraten, dass etwas nicht Alltägliches passiert war. Vom Tod des Kaisers habe ich dann von einem Mann erfahren, der mir das Geschehene zugeflüstert hat, als ich am Tor stand und mich daranmachte mich bis nach vorne durchzukämpfen." Dies trug Rufus alles mit einer stoischen Ruhe vor, denn nicht anders hatte es sich zugetragen. Ab und zu schaute er dabei Antias an, der alles genau zu dokumentieren schien. Ein Verhör war zwar nicht die idealste Weise zum ersten Mal Rom zu betreten, aber immer noch dem Carcer vorzuziehen. Deshalb wartete Rufus geduldig, was der Urbaner weiter von ihm wissen wollte.

  • Antias nickte resigniert. Natürlich. Die Tore. Angesichts der abgeriegelten Urbs musste selbst dem tumbesten Reisenden mittlerweile dämmern, dass sich Dinge von höchster Tragweite ereignet hatten. Der Tod des Princeps stellte dabei lediglich eines von nur wenigen realistischen Szenarien dar. Die einzigen glaubhaften Alternativen wären ein Aufstand, ein Putsch, ein bevorstehender Angriff oder ... Antias ließ ein feines Lächeln über seine Züge wandern. Oder etwas weit banaleres, das dem Volk alle anderslautenden Gerüchte schlagartig aus den Schädeln blasen würde. Zugegeben, ein recht drastisches Mittel, aber überaus zweckmäßig.


    „Und dieser Mann ..“ setzte Antias seine Befragung nüchtern fort. „ .. kannst du mir den beschreiben? Alter? Größe? Haarfarbe? Statur? Kleidung? Sprachfärbung? Römer oder Ausländer? Hat er noch alle Zähne im Maul? Reist er alleine oder in einer Gruppe? Irgendwelche sichtbaren körperlichen Gebrechen? Andere Besonderheiten? Versuch dich zu erinnern, Octavius Rufus, auch scheinbar unwichtige Kleinigkeiten könnten uns weiterhelfen.“

  • Während der junge Octavier noch nachdachte betrat schließlich auch Optio Classicus die Wachstube. Die acht Sardinier standen schweigen auf und nahmen Haltung an, Antias legte die Tabula beiseite und tat es ihnen gleich.


    „Optio Aemilius Classicus. Gegen den Mann liegt nichts vor. Das ist der Zeuge von dem ich dir berichtet habe. Er war gerade dabei, mir einen Civis zu beschreiben, der draußen Gerüchte über den Tod des Princeps verbreitet.“

  • Das waren aber eine Menge Details, die der Urbaner über den Mann am Tor wissen wollte. So genau hatte Rufus ihn dann doch nicht in Erinnerung, ohne dass er überlegen musste jedenfalls. Rufus dachte kurz nach und versuchte sich zu erinnern."Nun ja, so alt schien er nicht zu sein, im mittleren Alter denke ich und mittelgroß, seine Haare waren pechschwarz, er war relativ schlank und...ja, ich meine, es wäre ein syrischer Akzent gewesen, den ich herausgehört habe...Ich denke, dass er alleine untwerwegs war, sonderlich gepflegt war er nicht, auch seine Kleidung war ziemlich zerschlissen. Und die körperlichen Gebrechen...." Just in dem Moment betrat ein weiterer Urbaner die Wachstube, offensichtlich handelte es sich um einen Offizier, denn es kam Bewegung in die Männer, sie nahmen alle Haltung an. Als dann sein Gesprächspartner den hereinkommenden Soldaten als Optio anredete, nahm auch Rufus unwillkürlich Haltung an, ohne es zu merken.

  • Etwa ein halbes Dutzend Atemzüge lang starrte Antias in strammer Haltung auf die Lippen des Optios, die jedoch schienen sich in absehbarer Zeit nicht mehr öffnen zu wollen. Ungewöhnlich war das nicht bei einem wortkargen altgedienten Veteranen wie Classicus, nur manchmal etwas verwirrend. Die Sardinier setzten sich und nahmen ihr angeregtes Schweigen ansatzlos wieder auf. Antias lauschte noch eine Weile dem anheimelnden Knacken der Kohlenbecken, räusperte sich, wartete ab. Erst als die Stille drohte, ihn einzuschläfern drehte er sich schließlich wieder zu dem jäh verstummten Octavier um. „Ähm .. ja .. wir waren bei den körperlichen Gebrechen. Ist dir dazu noch etwas eingefallen?“

  • Classicus winkte mit einem Fingerzeig die sich gerade hinsetzenden Sardinier zu sich, bzw. zu dem vernehmenden Urbaner.


    Gib Ihnen die Beschreibung des Mannes sagte Classicus dann in Richtung des Octaviers. Dann verhör den da weiter. Wir können jetzt keine Unruhen gebrauchen und schon gar keine wegen irgendwelcher Gerüchte.


    Dann hörte Classicus weiter zu.


    Dann wandte er sich an die anderen Milites. Verstärkt die Wachen am Tor!

  • „Zu Befehl, Optio Aemilius Classicus!“ bellte Antias, salutierte schneidig und fasste dann das bisher Erfragte für die stummen Sardinier noch einmal kurz zusammen. „Wir suchen einen eher heruntergekommen wirkenden Peregrinus mit südöstlichem Akzent, eventuell Syrer, entsprechend pechschwarzes Haar, mittleres Alter, mittlere Größe, schlank und was körperliche Gebrechen angeht ..“ mit erhobenen Augenbrauen wandte er sich wieder an den schweigenden Octavius, auf dem nun gleich zehn neugierige Augenpaare ruhten. Antias konnte nur vermuten, wie der junge Bursche sich bei alldem fühlte, aber ein besonderer Genuss war die Befragung sicher nicht. Höchste Zeit also, die Sache zu einem verwertbaren Ende zu bringen. „.. versuchen wir’s einfach nochmal. Sind dir irgendwelche Gebrechen oder andere körperliche Eigenheiten aufgefallen?“ Ein Wasserkopf wäre enorm hilfreich, fand Antias, oder ein fehlendes Bein, am besten gleich zwei.

  • Einen kurzen Moment noch dauerte das Schweigen von Rufus an. Mittlerweile wurde er neugierig beäugt, ob er noch etwas über den Gesuchten sagen könne. Es war nicht gerade angenehm von allen Seiten so angestiert zu werden, das musste Rufus zugeben. Diese Tatsache half nicht unbedingt seinem Ernnerungsvermögen auf die Sprünge, deshalb musste er sich zunächst einmal sammeln. Dazu schloss er für einen Augenblick die Augen, dadurch konnte er wenigstens die neugierigen Blicke ausblenden. Als er die Augen wieder öffnete, sagte er: "Also die körperlichen Gebrechen....", irgendwie war Rufus doch stolz den Urbanern helfen zu können, "... er schien auf einem Bein zu hinken, denn das linke Bein war etwas kürzer als das rechte...und mit dem rechten Auge schien er zu schielen." Danach überlegte er noch kurz, ob er noch andere Dinge wahrgenommen hatte, doch es wollte ihm nichts mehr einfallen. Also beließ er es erst einmal bei dieser Beschreibung.

  • Antias schmunzelte dem Octavius anerkennend zu. Damit ließ sich doch was anfangen. Kein Wasserkopf, leider, dafür aber Silberblick und ein verkürztes Bein, da konnte man nicht meckern. Zufrieden griff er nach der Tabula, ergänzte die Notizen und drückte sie einem der Sardinier in die Hand. „Danke, Octavius Rufus, das wird uns weiterhelfen.“ Oder gab es da vielleicht noch etwas? Nein, wohl kaum. Nach einem prüfenden Blick in das offene Gesicht des jungen Burschen, war sich Antias sicher, dass der alles gesagt hatte, was ihm an dem geschwätzigen Kerl aufgefallen war. Noch weiter auf den Octavier einzudringen, machte nicht viel Sinn. Schlimmstenfalls würde er sich unter dem Druck irgendwelche zusätzlichen Details aus den Fingern saugen, nur um endlich in Ruhe gelassen zu werden.


    „Gut. Für mich war es das. Ob du gehen kannst, entscheidet der Optio. Nur noch ein gut gemeinter Rat auf den Weg ..“ Antias bedachte den Octavius mit einem ernsten Blick. „.. ich an deiner Stelle würde auch innerhalb der Stadtmauern keine Gerüchte weitertragen, wenn du verstehst, was ich meine.“ Schließlich wandte er sich zum Aemilier um und salutierte. „Optio Aemilius Classicus! Miles Germanicus bereit zum Abtreten!“

  • Offensichtlich schien der Miles mit den Ausführungen des Octaviers zufrieden zu sein. Eigentlich lag es Rufus völlig fern, andere in die Pfanne zu hauen und anzuschwärzen, doch war es in diesem Fall nicht anders machbar. "Ich werde deinen Rat beherzigen", entgegnete er dem Soldaten. Eigentlich ist das aber doch selbstverständlich, ging Rufus noch durch den Kopf. Mal ganz davon abgesehen, dass er gleich sein Todesurteil hätte unterschreiben können, wenn er den Rat nicht beachten würde. "Noch eine Frage, Miles, könntest du mir vielleicht den Weg zur Casa Octavia beschreiben? Ich habe keine Ahnung, wie ich dorthin komme und würde nur ziellos herumirren,bis ich jemanden gefunden hätte, der mir den Weg erklären kann." Vielleicht hatte Rufus ja Glück und der Urbaner wusste den Weg. Ein Versuch war es allemal wert.

  • Bereits im Kehrschritt begriffen hielt Antias noch einmal inne. Ach ja richtig, der Octavius war das erste mal in der Urbs und kannte sich hier natürlich nicht aus. Grübelnd kratzte sich Antias über’s Kinn. „Hm .. sicher bin ich mir nicht, aber ich meine, das ist am Esquilinus. Also, erstmal ein gutes Stadium die Flaminia runter, dann auf die Via Lata und knapp zwei Meilen nach Süden bis zum Fuß des Capitolinus. Vor dem Forum Romanum nimmst du die Abzweigung in die Via Labicana und gehst dann einfach weiter nach Osten bis zu den Hängen des Mons Esquilinus. Dort fragst du am besten nochmal, und wenn ich mich getäuscht habe, vergib mir.“ Mit einem fatalistischen Achselzucken verabschiedete er sich von dem jungen Octavier und stapfte aus der Wachstube.

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