.....gen Rom, wo er sich, eine Tagesreise später, vor verschlossenen Toren wiederfand.
Zu Dexters größtem Erstaunen bahnte ihm dort auch die Tatsache, Enkel des großen, des ruhmreichen, des unvergleichlichen Senators Flavius Felix zu sein, nicht den Weg. Weder an der Porta Caelimontana, noch an der Porta Querquetulana, auch nicht an der Porta Capena oder Naevia zeigten die Stadtsoldaten sich angemessen beeindruckt. Selbstverständlich versuchte er sie zu bestechen, doch da war er nicht der einzige, und die Vorgesetzten passten auf wie die Luchse.
So stand er, als der Abend dämmerte, verblüfft und ratlos vor den verschlossene Toren, inmitten einer Menge von Menschen die dort an den Rändern der Strassen unter primitivsten Bedingungen ihre Nachtlager aufgeschlagen hatten und stumpf darauf hofften dass am nächsten Morgen der Spuk vorbei sein und alles wieder seinen gewohnten Gang gehen würde.
So wunderlich diese Abriegelung der Stadt auch war – woher bekamen die Eingeschlossenen ihre Mahlzeiten und ihr Feuerholz, und und müsste die Stadt nicht schon längst in Müllbergen ersticken?? - Dexter ward nur von einem Gedanken beherrscht:
Ich will hier rein.
Er rief sich den Verlauf der Stadtmauer vor Augen. Die Stadt war ja längst über die Mauer hinausgewachsen, viele Viertel lagen ausserhalb (die Villa Flavia auf dem Quirinal unglücklicherweise nicht), und... in der Gegend des Forum Boarium gab es entlang des Tibers gar keine Mauer.
"Heureka."
Den entbehrlichsten seiner Begleiter schickte Dexter mit den Pferden nach Tusculum zurück. Bei ihm blieb die Sklavin Tanit, ein vortrefflich gelungenes Produkt flavischer Sklavenzucht, und der Sklave Moloch, ein gelinde gesagt weniger gut gelungenes Erzeugnis. Zumindest aber war Moloch sehr stark geraten.
Entlang der südlichen Stadtmauer schlugen die drei sich bis zum Tiber durch. Auf dem flachen Ufer, gerade ausserhalb der Sichtweite der Urbaner herrschte ein reges Treiben, Bauersleute aus der Umgebung kamen mit Karren und Körben an, wortkarge Flusschiffer stapften durch den abschüssigen Morast, verluden die Waren in Boote, und schoben diese in den Tiber. Eine wahre Flotte von Schmugglerbooten wartete dort darauf dass die Nacht hereinbrach. Die langen Stangen, welche die Schiffer zum Staken bereithielten zeichneten sich vor dem letzten Abendlicht ab, und von den Rudern tropfte die schlammige Brühe.
Gegen ein gesalzenes Entgelt erhielten Dexter, Tanit und Moloch Passage auf einem dieser Kähne. Sie machten es sich zwischen Schweinehälften und Körben mit erdig riechenden Runkelrüben bequem, und Dexter vertrieb sich die Wartezeit, indem er über das Wesen des Nichts nachdachte, zum einen gesehen als die pure Abwesenheit des Seienden, zum anderen, als den sich zwischen den Körpern erstreckenden Raum, dem durchaus eine eigene Existenz innewohnte.
Irgendwann war die Hand vor Augen nicht mehr zu erkennen und der Schmugglerkahn legte ab, es schaukelte, es wurde gestakt und stromaufwärts gerudert, muffiges Flusswasser sickerte durch die Planken, von weit her waren gedämpft Stimmen zu vernehmen, 'Pssst!' machte der Bootsführer, es schaukelte, Dexter sah nur schwarze Nacht, und dann glitt das Boot unter einen Brückenbogen, verhielt dort an der gerölligen Uferkante.
Der Pons Aemilius musste das sein. Eine Laterne flackerte auf, die Passagiere sprangen an Land, aus der Dunkelheit traten Helfer herbei und entluden rasch das Boot, Münzen klimperten in die Hand des Fährmannes, da hatten Dexter und seine Begleiter sich schon davongemacht. Sie schlichen eine dunkle Gasse entlang, drückten sich in den Schatten, als ein Trupp mit hallenden Caligae sich näherte, atmeten auf als diese vorüberzogen.
Dies alles dünkte Dexter recht unnötig, und eher wie ein Bubenspiel als wie eine wirkliche Strapaze. Nichtsdestotrotz gelangten sie auf diese Weise unbemerkt in die Stadt, sei es durch Glück, sei es weil Rom sich nun einmal nicht vollständig abriegeln ließ, oder sei es weil die Stadtsoldaten gegenüber dem Schmuggel ein Auge zudrückten. Am Rande des Forum Boarium erlangte das Trio die Orientierung wieder, und ab da gingen sie aufrecht, durchquerten das Stadtzentrum und stiegen müde den Quirinal hinauf....