[Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg] Narseh
Der Perser öffnete die Eingangstür seiner Werkstatt, an der es soeben geklopft hatte. "Kommt herein", meinte er nur knapp zu den vier Gestalten, die ihm von der anderen Seite der Schwelle aus entgegenblickten, und hielt ihnen die Tür auf - vier seiner engsten Freunde und zugleich einige der wenigen Männer, denen er in der Angelegenheit vertraute, wegen der er sie zu sich gebeten hatte. Vor allem aber waren sie keine Römer. Zu heikel war sein Anliegen, als dass er einen Römer in sein Haus geladen hätte. Eine Weile war es bereits her, dass sich die Urbaner erneut bei Mirjam hatten blicken lassen und seitdem hatten Evanders Worte in ihm gegärt, aus dem Samen, den sein Glaubensbruder gepflanzt hatte, waren inzwischen Wurzeln getrieben, ein Setzling daraus geworden, und das Verlangen hatte sich in ihm festgesetzt, etwas zu unternehmen. Denn durch jene Feigheit, wie sie von Elias und Sarah Besitz ergriffen hatte, würden sie untergehen.
Hinter ihnen verschloss Narseh die Tür mithilfe eines Riegels von innen, denn niemand sollte sich in die Werkstatt verirren, solange sie miteinander sprachen, führte sie ins Hinterzimmer, einen kurzen Blick warf er noch durch die Hintertür, um sicherzugehen, dass dort nicht wieder ein neugieriger Nachbar herumlungerte, und schloss sie wieder.
"Was tust du da, Narseh?", fragte einer der Christianer, David, den Perser besorgt.
"Ich stelle sicher, dass wir ungestört bleiben. Keiner außer euch soll vorerst wissen, was hier gesprochen wurde."
"Erfahren wir also endlich, was das alles soll?" Ein weiterer der vier blickte Narseh ärgerlich an.
"Was glaubst du, wozu ihr hier seid, Yishai?", antwortete Narseh seinem Gefährten gelassen, "Ihr werdet mir helfen, unsere Geschwister vor den Römern zu schützen."
"Bist du wahnsinnig geworden?"
"Sie akzeptieren es nicht, dass wir ihre Götter und ihren Staatskult ablehnen, wollen uns dazu bringen, ihren Kaiser zu verehren, und uns damit zur Götzenanbetung zwingen und dazu, den Allmächtigen zu verraten. Sie verschleppen uns, richten uns hin, und verbieten uns, anderen von der Liebe Gottes zu berichten. Und ich soll hier also der Wahnsinnige sein? Sie verwehren den Menschen ihre Erlösung! Ob aus Blindheit oder Unwissenheit über den rechten Weg oder Hass … ", sprach er zu der Handvoll Männer, die er in dem Raum versammelt hatte. Amal nickte, die Mienen Davids und Arashs waren bereits nachdenklich geworden, lediglich Yishai stellte sich erneut offen gegen den Perser:
"Christus lehrte uns, Gewalt zu meiden, selbst unseren Feind zu lieben …"
"Es sprach einst der Herr zu Mose: …", unterbrach Narseh seinen Gefährten, " … Wer den Namen des Herrn schmäht, soll mit dem Tode bestraft werden. Und wer einen Menschen erschlägt, soll ebenfalls den Tod finden. Habt also keine Furcht euch gegen diese römischen Soldaten zu stellen, denn nichts als ungläubige Mörder sind sie, wenn sie unsere heiligen Versammlungen stürmen, Frauen wie Männer, Junge genauso wie Alte mit sich zerren, um sie zu foltern, bei lebendigem Leib zu verbrennen oder unter den Augen des ebenso verrückten Volkes von wilden Tieren zerfetzen zu lassen!"
"Aber Elias meinte …"
"Elias ist blind, genauso wie die Römer sieht er die Wahrheit nicht! Mit den Römern gibt es keinen Frieden! Seht ihr nicht, wie der Herr sie bereits bekämpft? Ihren Kaisern den Tod schickt und ihren Soldaten den Bürgerkrieg? Ihren Senat spaltet? Wenn sie unsere Versammlungen erneut stürmen, werden wir vorbereitet sein, und uns dem Kampf anschließen."
"Narseh hat recht, es wird Zeit, dass jemand etwas unternimmt", sagte Amal zustimmend zu Yishai, "Haben nicht du und deine Frau Idirs und Leahs kleine Tochter aufgenommen, weil ihre Eltern bei der Razzia verschwunden sind? Willst du, dass deinen Kindern beim nächsten Mal dasselbe passiert?"
"Wenn es keinen anderen Weg gibt, sollten wir kämpfen", pflichtete ihm David bei.
Arash nickte ebenfalls. "Unsere Unterdrückung dauert schon zu lange an. Wenn sie uns angreifen, haben wir die Wahl entweder gleich durch die Hand der Römer zu sterben oder aber zumindest zu versuchen, unsere Familien und Geschwister zu schützen."
Narseh legte Yishai eine Hand auf die Schulter. Auch dieser nickte nun langsam, wenn auch seine Miene dabei bei weitem nicht so entschlossen wirkte, wie bei den anderen dreien. Narseh lächelte bereits, und war sich sicher, bei seinen vier Gefährten die richtige Wahl getroffen zu haben. Sie würde Waffen besorgen, sie würden mehr Leute für sich gewinnen, und sie würden frei sein.
"Gut, ich helfe euch."