Wiedersehen zweier Freundinnen

  • Alpina wartete in der Nähe des Tempels der kapitolinischen Trias. Sie hoffte, Runa und Curio irgendwo zu begegnen. Unruhig lief sie auf und ab. Sie freute sich darauf, ihre beste Freundin wiederzusehen. Und sie hatte ihr so viel zu erzählen: von ihrer Reise, von Osrun, den Erkenntnissen, die sie gewonnen hatte. Aber natürlich wollte sie die Unterredung auch nutzen, Runa auf Curio anzusprechen. Dazu kam, dass sie ihr endlich die Wahrheit über die Folgen ihrer Affäre mit Marcellus erzählen musste. Bei dieser Gelegenheit würde sie auch versuchen, herauszufinden, worüber Runa mit Corvinus gestritten hatte, wie Leonides ihr erzählt hatte.
    Es würde also wohl ein langer Abend werden.

  • Runa kam nach ihrem Tempeldienst aus selbigen heraus. Sie hatte ja zur Zeit viel um die Ohren ihr Einführungsopfer rückte mit jedem Tag näher und es tat ihr auch gut sich in die Studien zu stürzen. Es lenkte sie ab von dem was sie eigentlich bedrückte.
    Sie ganz in Gedanken lief sie nun also vom Tempel weg und stieß beinah mit einer jungen Frau zusammen.
    „Oh entschuldi.... Alpina? Alpina. ALPINA!“ Runas Mine erhellte sich just in dem Moment wo sie ihre Freundin erkannte und genau in diesem Moment schloss sie ihre Freundin auch fest in ihre Arme. Erstens um sie zu begrüßen und zweitens um sicher zu gehen, das Alpina hier auch wirklich vor ihr stand. Nachdem sich Runa von letzteren überzeugt hatte konnte sie nun auch endlich in zusammenhängenden Sätzen sprechen. „Alpina..“ Ok der Anfang war erst mal nur eine Wiederholung dessen was sie gerade schon mehrfach gesagt hatte. „Alpina du bist wieder da.“ Gut das war auch nicht gerade konstruktiv, weil ja offensichtlich. „Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich mich freue, dass du wohlbehalten wieder hier bis.“ So brachte sie dann mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen doch noch was vernünftiges zustande.

  • Als Runa kam, machte Alpinas Herz einen Freudensprung. Die darauffolgende innige Umarmung tat gut. Sie tat so gut. Alpina hatte sich so nach Nähe gesehnt und nach dem Gefühl, dass sie jemand vermisst hatte. Die irritierende Begüßung am Vortag durch Curio hatte die Raeterin ernüchtert. Doch Runa war wie Alpina sie in Erinnerung hatte, eine junge Frau mit einem großen Herz.


    "Runa, oh Runa. Ich bin so froh, dich wiederzusehen. Ja, ich bin wieder da. Die Götter haben mich zurückgebracht. Deinem Runenstein habe ich zu verdanken, dass ich mein Ziel erreicht habe."
    Sie nestelte das Naudiz unter ihrer Tunika hervor und hielt es Runa vor die Augen. Alpina war überzeugt, dass sie es diesem Amulett zu verdanken hatte, dass die Schicksalsschwestern gnädig mit ihr gewesen waren.


    "Hast du Zeit? Magst du ein wenig mit mir spazieren gehen? Ich habe dir so viel zu erzählen und möchte natürlich auch von dir einiges wissen."


    Sie beobachtete die Augen ihrer Freundin genau. Hatte sie da ein Leuchten darin erkennen können?

  • Und ob sie das erkennen konnte. Runa freute sich von ganzem herzen das ihre Freundin wieder hier bei ihr war. Auch wenn das in einem gewissen Maße egoistisch war. Runa hatte jeden Tag Alpina mit in ihre Gebete eingeschlossen, neben den diversen kleineren Opfern für die Götter.
    Sie drückte Alpina also noch mal fest an sich.
    „Wenn mein Geschenk dir ein wenig helfen konnte, freut mich das sehr.“ Ja nun lächelte Runa wirklich so wie schon lange nicht mehr in letzter Zeit.
    „Natürlich habe ich die und selbst wenn ich keine hätte ich würde alle Termine absagen.“ Sagte sie mit einem Augenzwinkern. „Ich will alles wissen. Ich hoffe dein reise war erfolgreich?“ Ihr Blick wurde eine Spur trauriger. „Ich hoffe du hast gefunden was du gesucht hast und dass du nicht mehr weg gehst?“

  • Alpina lächelte dankbar. Es war schön eine so gute Freundin zu haben.


    "Gut, dann lass uns ein wenig an den Fluss hinuntergehen. Währenddessen erzähle ich dir von meiner Reise. Und erschrecke nicht, wenn ich die Palla abnehme. Ich habe mir die Haare abgeschnitten, um nicht sofort als Frau erkennbar zu sein. Du kannst dir gar nicht vorstellen, welchen Gefahren man ausgesetzt ist als Frau im freien Germanien."


    Sie hakte Runa unter und schlenderte los, den Weg aus der Stadt hinaus ans Flussufer.
    "Ich habe gefunden was ich gesucht habe. Es war ein weiter, erkenntnisreicher Weg, voller guter wie schlechter Erfahrungen. Ich habe kurz vor dem Limes eine Händlergruppe gefunden, die mich begleitet hat. Es waren sehr ehrliche Männer, raubeinig und schweigsam, aber durch und durch integer. Mit ihnen bin ich bis eine Tagesreise vor meinem Ziel gewandert. Dann habe ich meine Weg zu der weisen Seherin Osrun gefunden. Ich sage dir, es war so wichtig, dass ich sie gefunden habe. Sie hat mir so viele, teils schmerzhafte Erkenntnisse beschert, aber alle haben mich ein Stück weitergebracht, haben mich verändert, haben mich wachsen lassen."


    Ganz genau sah Alpina den Teich der Göttin Holle vor sich, Osrun, die weiße Frau und Alwina. Jetzt war es an der Zeit Runa einzuweihen. Alpina setzte sich mit Runa an das Flussufer. Nachdenklich sah sie auf die andere Seite des Rhenus hinüber. Dorthin, wo sie zu sich gefunden hatte und wo jetzt Corvinus nach ihr suchte.


    "Ich habe dir noch nicht alles erzählt, was du über mich wissen musst. Vor allem jetzt, wo so viele Veränderungen stattgefunden haben, musst du den Ursprung von all dem kennen."
    Sie sah Runa an.
    "Vor einiger Zeit kam ein junger Mann in meine Taberna Medica. Er war gutaussehend und machte mir schöne Komplimente. Er schien sich Hals über Kopf in mich verliebt zu haben. Unerfahren und naiv wie ich war, verschenkte ich mein Herz an ihn und als er es darauf anlegte auch meinen Körper. Ich schenkte ihm meine Jungfräulichkeit - in einem Versteck im Garten. Wie dumm von mir. Nur kurz darauf sagte er mir, dass er mich aus Standesgründen nicht heiraten, ja nicht einmal eine offene Beziehung mit mir leben könne. Sein Onkel hatte es verboten. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Bis zu diesem Punkt hatte ich nicht groß über Standesunterschiede nachgedacht. Wie auch immer, er zog sich aus meinem Leben zurück, ich aber war schwanger. Und nun beging ich den größten Fehler meines Lebens. Ich trank einen Kräutertrank, der das Kind in meinem Leib tötete. Ich tötete mein eigenes Kind. Curio fand mich in meinem Blut und rettete mir das Leben. Aber ich konnte nicht vergessen was ich getan hatte. Ich glaubte, dass die Furien mir die Alpträume schickten, die mich Nacht für Nacht aus dem Schlaf rissen. Curio versuchte alles, die Götter zu besänftigen, doch nichts half. Die weise Frau half mir zu verstehen, dass ich es war, die dieses Kind nicht loslassen konnte, die es auf Erden festhielt. Ich musste lernen, es loszulassen, es gehen zu lassen. Jetzt geht es mir besser damit."


    Ihr Blick ging zu der Freundin.
    "Du weißt, wer der Mann war, der mir so schöne Augen gemacht hat und mich dann schwanger sitzen ließ?"

  • Runa ließ Alpina erzählen hier ein oh oder ah, ein verständnisvolles Nicken und während der ganzen zeit ließ sie die Hand ihrer Freundin nicht los.
    „Ja ich weiß es.“ war das erste was Runa über die Lippen kam. Sie war so froh, das Alpina von sich aus mit dem Thema angefangen hatte. Runa hatte sich ja schon gefragt, wie sie normal mit Alpina hätte umgehen können, wenn das immer zwischen ihnen gestanden hätte.
    „Die Helvetier mussten es mir erzählen. Ich habe den älteren Bruder gesehen, wie er... den Petronier.. du weißt schon.“ Runa sprach so leise das nur Alpina es hören konnte.Sie wollte nicht das irgendwer anderes diese Worte mitbekam.
    „Sei ihnen nicht böse deswegen. Sie hatten keine Wahl.“ Ob Alpina sauer auf Corvinus war war ihr eigentlich sch... egal. Aber sie wollte nicht das Alpina sauer auf Curio war.
    Dann nahm sie ihre Freundin in den Arm und drückte sie ganz fest an sich. „Ich wünschte du hättest es mir früher gesagt. Ich kann mir vorstellen, dass dies die schwerste Entscheidung in deinem Leben war – dein Kind an die Götter zurückzugeben.“ Vorwürfe? Nein die kamen nicht von Runa sie konnte sich vorstellen, in welch verzweifelter Situation Alpina gewesen war. Um so mehr wünschte sie sich Alpina wäre zu ihr gekommen damit. Sie hätte sie sicher unterstützen können. Eine Lösung finden können und Alpina diese verdammte Reise ersparen können.
    „Sei unbesorgt, von mir erfährt niemand etwas von alle dem. Und auch nicht davon das ich weiß wer den Petronius... Auch wenn ich die Art und Weise nicht für die beste Lösung halten, bin ich dennoch der Meinung das er sich das redlich verdient hat.“
    Runa ließ ihre Freund los, hakte sich bei ihr unter. „Du musst mir unbedingt erzählen, was du noch so alles von der weisen Frau gelernt hast. Und dein kurzen Haare will ich sehen, wer weiß, vielleicht wird das der neue Trend.“ Sie zwinkerte Alpina fröhlich zu.

  • Zitat

    „Die Helvetier mussten es mir erzählen. Ich habe den älteren Bruder gesehen, wie er... den Petronier.. du weißt schon.“


    Alpina sah Runa forschend an. Sie hatten es ihr erzählen müssen? Da wird Corvinus aber nicht begeistert gewesen sein. War das der Grund für den Streit. Wieviel hatten sie ihr noch erzählt?


    "Ich finde Gewalt grundsätzlich die falsche Lösung, noch dazu weil Corvinus dem Petronier auf meinen Wunsch hin nicht gesagt hat, wofür er die Prügel bezog. Es war eine sehr männliche Form von Rache. Doch beide meinten, dass sein Verhalten nicht ungestraft bleiben dürfe. Nun, mir hat es nichts gebracht und Corvinus hat es in Gefahr gebracht. Marcellus weiß bis heute nicht, dass er beinahe Vater geworden wäre und ich werde es ihm auch nicht erzählen."


    Als Runa Alpinas neue Frisur sehen wollte, schämte sich die Raeterin ein wenig. Sie nahm die Palla vom Kopf und schüttelte die kinnlangen Locken.
    "Ich hoffe sie wachsen schnell wieder. Bald kann ich sie hinten zusammenfassen, dann fällt es nicht mehr so auf", sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
    "Nun zu deiner Frage nach Osrun. Es war wunderschön dort. Ein magischer Ort mit einem Teich auf einem Berg. Die Seherin ist eine uralte Frau, gütig und weise. Sie hat mir auf geheimnisvolle Weise zu vielen Erkenntnissen verholfen. Ich habe so vieles über mich und die Menschen, die mir nahe stehen gelernt. Und ich habe eine Aufgabe bekommen. Eine schwere Aufgabe. Ich trage sie mit mir. Noch weitere fünf Monate..."


    Alpina stockte. Sie sah Runa in die Augen und war sich sicher, dass sie wusste, wovon Alpina sprach. Jetzt würde sie vielleicht auch erfahren, wieviel ihr die helvetischen Brüder bei jenem Streitgespräch schon erzählt hatten. Denn irgendwie ahnte sie, dass es in diesem Streit um Alpina gegangen war.

  • Runa besah sich die Haare und streichelte kurz über die Locken. „Wir bringen hier noch etwas Schnitt rein, dann sieht es richtig gut aus. Und keine Sorge die wachsen wieder.“ Sie lächelte ihrer Freundin aufmunternd zu. Wirklich Runa fand die Frisur nun wirklich nicht schlimm, im gegenteil, sie verlieh Alpina etwas Freches.
    Runa hatte es gewusst! Woher auch immer sie hatte es gewusst, nicht umsonst hatte sie genau das Corvinus um die Ohren gehauen.
    „Ich hätte diese Frau auch zu gern kennen gelernt.“ fing sie aber erst mal an. Die folgenden Worten wollten gut überlegt sein. Nach nur kurzem nachdenken hatte Runa beschlossen auf Heimlichkeiten zu verzichten, dass lag ihr so wie so nicht. „Von dem Helvetier?“ spätestens jetzt war wohl klar das Runa so ziemlich genau Bescheid wusste. Aber dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Alpina... es ist ein Geschenk der Götter.“ schnell zog Runa ihre Freundin in eine Gasse wo sie gänzlich unbeobachtet waren. Erst hier strich sie ihr sanft über den Bauch.
    „Du weißt das er zu dir stehen wird wenn du drauf bestehst? Er ist zwar ein Holzkopf aber einer mit Prinzipien. Pflichtgefühl ist so was wie Zuneigung bei den Helvetiern, hat man mir erklärt.“ Runa rollte mit den Augen wenn sie daran dachte wurde sie glatt wieder ungehalten. „Aber wenn du beschließt es allein zu schaffen, dann bin ich an deiner Seite. Hörst du? Ich werde dir helfen. Du bist nicht allein!“ Das stelle Runa mit Nachdruck klar. Sie würde sich schon was einfallen lassen. Dann sprach sie aus was sie auch schon Curio gesagt hatte. „Alpina, du hast einen Mann verdient, der dich liebt, der dich auf Händen trägt und nicht weil es sein Pflicht ist. Und so wie ich dich kenne siehst du das wohl ähnlich, oder?“
    Runa nahm Alpina wieder in den Arm. „Vielleicht erkennt der sture Holzkopf ja irgendwann was für ein tolle Frau du bist. Irgendwann, wenn er seine verlorene Liebe nicht mehr seinen Geist und sein Herz beherrscht.“

  • Natürlich wusste Runa sofort, was sie mit ihrer kryptischen Aussage gemeint hatte. Und sie schloss messerscharf, dass es Corvinus Kind war. Das wiederum machte Alpina deutlich, dass beide Helvetier ihren Eid ihr gegenüber gebrochen hatten. Nun, sei´s drum. Es handelte sich ja nicht um irgendwen, sondern um ihre Freundin Runa. Sie würde zu Alpina halten, das machte sie auch sofort deutlich.
    Was dann noch aus ihr herausspudelte, ließ darauf schließen, dass Corvinus bereits angedeutet hatte, dass er sich zu einem etwaigen gemeinsamen Kind bekennen würde. Gut, das erleichterte ihre Situation theoretisch. Praktisch aber kam Runa gleich mit dem Thema rum, das Alpina beschäftigte, seit sie wusste, dass die Nacht in der Casa Atia nicht folgenlos geblieben war. Sie nickte langsam.


    "Ich kenne den Wahlspruch der Helvetier: Fides sanctissimum humani pectoris bonum est. Treue ist das heiligste Gut des menschlichen Herzens. Das haben mir beide schon versichert. Natürlich ist er nicht wie dieser Petronier, er würde mich nie hängen lassen. Wie du sagst er hat seine Prinzipien, Pflichtgefühl. Aber ich weiß nicht, ob ich das will, Runa. Du weißt nicht, wie diese Nacht abgelaufen ist, oder? Es war eine wilde Mischung aus einem Drogenrausch seinerseits, dann der Wut auf mich... weil ich in meiner Enttäuschung, dass er von seiner alten Liebe nicht lassen kann, ihn provoziert habe... er war so böse auf mich. Du hättest den Hass in seinen Augen sehen sollen. Fast hätte er mich erschlagen. Dann hat die Drogenwirkung eingesetzt. Die Mandragora wirkt schlaf- und traumfördernd, aber eben auch erotisierend. Plötzlich hielt er mich für seine verstorbene Frau. Er bedrängte mich, ließ sich nicht abschütteln... Runa, es war unglaublich zu spüren wie sehr er sie liebt... nach all der Zeit. Es tat so weh zu sehen, dass er sie so sehr liebt, mich aber mit keinem Blick je so angesehen hat, wie sie. Keine dieser Liebkosungen, keines der Liebesgeständnisse galt mir..."
    Alpina brach ab. Sie weinte stille Tränen. Dann rieb sie sich die Augen.
    "Am kommenden Morgen war es ihm peinlich. Er merkte, was er im Rausch getan hatte. Zerknirscht hat er mir gestanden, dass ich nicht gemeint war mit diesem Ausbruch an Gefühlen, dass er mich nie anders als eine gute Freundin gesehen und wahrgenommen hat. Ich wusste es ja, aber es war so niederschmetternd, es aus seinem Mund zu hören. Ich stand ganz allein mit meinen Gefühlen. Ich hatte mich verliebt, aber er nicht. Runa, will ich, dass er mich aus Mitleid zu sich nimmt? Will ich das? Nur weil er sich für seinen Fehltritt schämt und nach außen hin das Gesicht wahren will. Nach dem berühmten Familienmotto. Nein, Runa, ich glaube, das will ich nicht. Solange es nicht von Herzen kommt und das kann es nicht zu diesem Zeitpunkt, denn im Grunde kennen wir uns gar nicht... solange werde ich lieber alleine für mein Kind sorgen. Ich habe einen Beruf und Freunde... ich bin nicht allein."
    Sie sah Runa lange an. Dann schloss sie ihre Beichte mit einem Satz. "Was ich will, ist Liebe und nicht Pflichtgefühl."

  • Runa lauschte den Worten sie hielt während der ganzen Zeit Alpina im Arm. Sie strich ihr sanft über den Rücken.
    Nein die ganzen Detail kannte sie nicht, sie war entsprechend schockiert.
    „Das er ein oller Holzklotz mit der Sensibilität eines Felsens ist haben ich schon erwähnt oder?“ Runa versuchte es einfach mal mit Sarkasmus. Doch dann schwenkte sie um. „Ich kann dich besser verstehen, als du vielleicht gerade glaubst. Ich kann dir so gut nachempfinden wie es ist zu lieben, diese Liebe wird aber nicht erwidert.“ Runa drückte Alpina an sich. „Wenn der Holzklotz nicht irgendwann aufwacht, dann lass ihn. Ich werde dich unterstützen wo ich kann. Nein allein bist du ganz sicher nicht. Und nun komm.“ Runa zog Alpina mit sich und blieb vor einem Barbier stehen. „Jetzt kümmern wir uns erst mal um deine Haare.“ sagte sie und schon die junge Frau vor sich in den Laden.
    „Was kann ich für euch tun?“ war die Frage des Ladenbesitzers.
    „Meine Freundin hier benötigt deine Hilfe.“ Runa ließ ein paar Taler in die Hand des Barbiers fallen und schob Alpina auf einen Stuhl. „Jetzt lass dich verwöhnen. Das hast du nötig.“ Runa nahm neben ihr Platz und hielt weiterhin ihre Hand.

  • Dankbar für Runas Zuwendung ließ sich Alpina in den Laden schieben, auch wenn sie nicht überzeugt war, dass das ihr Frisurproblem lösen würde. Doch sie vertraute der Freundin. Der Barbier war tatsächlich ein Künstler. Er schaffte es, aus ihrem missglückten Abrupfen der Haare einen netten Haarschnitt zu zaubern, der sie zumindest über die Zeit bringen würde, bis die Haare wieder lang genug waren, sie hochzustecken.


    Als sie den Laden verließen, hielt Alpina ihre Freundin noch einmal auf.
    "Du hast mir noch nichts von dir erzählt. Wie lange wird deine Ausbildung noch dauern? Und was möchtest du mir über deinen Lehrer erzählen?"


    Sie sah Runa dabei offensiv an. Der Freundin musste klar sein, dass Alpina etwas von der veränderten Gefühlen der beiden wusste oder zumindest ahnte. Vielleicht würde sie Curio beruhigen können in seiner Angst, Runa würde ihm einen Korb geben, wenn er sich ihr offenbarte.

  • Args. Runa wich dem Blick ihrer Freundin aus. Was waren schon ihre Problemchen gegen die von Alpina und eigentlich wollte sie nicht über Curio sprechen, dass war nämlich definitiv ihr wunder Punkt.
    „Nicht mehr lange.“ antwortete sie also eher ausweichend. Einerseits war sie froh darüber, denn dann würde dieser Eiertanz endlich aufhören. Andererseits war da diese unglaubliche Leere.
    Aber das nun folgende Gespräch war keins was man auf der Straße führte. Sie zeigte auf eine nahe liegende Taverne.
    „Wollen wir?“
    Nur kurze Zeit später saßen sie an einem ruhigen Tisch hatten jeder ein Getränk vor sich. Runa drehte den Becher in der Hand und schaute den kleinen Wellen in dem Becher zu.
    „Ich liebe ihn.“ sagte sie schließlich. „Ich weiß nicht wann und wo es passiert ist. Aber an dem Abend wo ich den Streit mit Corvinus hatte wurde es mir plötzlich klar. Und ich hatte zumindest das Gefühl, das es ihm ähnlich geht. Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Er hat nur von Pflichterfüllung gesprochen, als ich ihm versucht habe klar zu machen, dass du sicher nicht in Jubelstürme ausbrichst wenn der Helvetier aus einer Pflicht heraus zu dir steht.“ Runa schaute auf und man konnte wohl sehen, wie sehr sie das getroffen hatte. „Seit her reden wir nur das nötigste miteinander.“

  • Da war es wieder, dieses furchtbare Wort: Pflichterfüllung. Das hatte man den helvetischen Brüdern wohl schon mit der Muttermilch eingeflößt. Sie glaubten alles mit diesem Pflichtbewußtsein in die richtigen Bahnen lenken zu können. Und Curio hatte das ganz besonders ausgeprägt. Er war oft so steif vor lauter Bemühen, die Façon zu bewahren. Sie wusste jedoch, dass es in seinem Inneren ganz anders aussah. Jetzt musste sie die richtigen Worte finden.


    "Ich habe mir schon so etwas gedacht. Eigentlich freue ich mich für euch, denn ihr seid meine Freunde und würdet wunderbar zusammenpassen. Du weißt doch jetzt, wie die Helvetier denken und was ihr Motto ist. Wundert dich da sein Verhalten? Er kann nicht über seinen Schatten springen. Seine Mutter und sein Vater haben ihm schon als kleines Kind eingebläut, dass er auf seinen Ruf achten muss, sich an bestehende Standesregeln halten muss und um Himmels Willen alles meiden muss, was ihn in Verruf bringen könnte. Oder schlimmer noch, was dich in Verruf bringen könnte. Er denkt dabei vermutlich nicht einmal an sich, sondern daran, dass dein Ruf Schaden nehmen könnte. Dein Vater ist ein angesehenr Mann, sein Patron. Er glaubt, dass er deiner nicht würdig ist, Runa. Corvinus ist schon zu lange Soldat. Da hat er die brutale Wirklichkeit erlebt. Ich habe in Germania libra einen Ausschnitt dessen gesehen und erlebt, was er tagtäglich auf den Schlachtfeldern des Imperiums erleben musste. Da tut er seine Pflicht. Ich habe die Gräuel erlebt. Da denkst du nur ans Überleben, daran deine Haut zu retten. Dennoch kommt auch für ihn die Pflicht vor dem Gefühl. Siehst du, wie stark die Prägung durch die Familie war? Wie soll es erst bei Curio sein. Er ist noch jung, gänzlich unerfahren und noch stark vom Elternhaus geprägt. Er vertraut seinen Gefühlen nicht und flüchtet sich in die Floskeln, die er gelernt hat. Um ihn aus der Reserve zu locken, wirst du ihm vorleben müssen, wie es ist, wenn man den Verstand und das Pflichtgefühl ausschaltet und die Gefühle sprechen läßt. Er muss es erst lernen. Du musst seine Lehrerin sein, Runa! Ich kann dir nur sagen, dass du es nicht bereuen wirst."

  • Wollte sie so genau wissen, was der Helvetier im Krieg erlebte? Nein wollte sie nicht. Alpina würde sie sicherlich irgendwann fragen welche schlimmer Erfahrungen sie dort gemacht hatte. Aber das würde sie in einem kleinen privaten Rahmen tun und nicht hier.
    „Weißt du. Was ich nicht verstehe wenn er doch so viel Gräuel erlebt da draußen, dann müsste er doch froh sein hier her zu kommen zu einer Frau die auf ihn wartet, die ihn auffängt, ihn umsorgt und die ihm zeigt das es nicht nur Schlechtes auf dieser Welt gibt.“ Genau das war der Punkt wo sie dieses verdammte Pflichtgefühl nicht mehr nachvollziehen konnte.
    „Und zu Curio. Ich weiß selber das es nicht richtig ist. Wie du schon sagt er will nach oben, er will was erreichen. Mein Vater ist sein Patron und ich bin seine Schülerin. Ich weiß doch selber wie aussichtslos das ganze ist. Aber, verdammte Axt, ich kann doch nichts für meine Gefühle!“ Runa schaute Alpina an und sprach leise. „Meine Eltern haben eine reine Zweckehe. Auch wenn sie immer respektvoll miteinander umgegangen sind und Mutter sehr bemüht war es mich nicht wissen zu lassen. So habe ich doch gesehen, wie unglücklich sie damit ist. Vielleicht ist es ja nur der naive Traum die naive Schwärmerei eines jungen Mädchens, dass sich wünscht ihr Leben nicht so verbringen zu müssen. Aber schlussendlich ist es wohl besser so wie es ist, denn ich werde wenn es denn so weit ist den Mann ehelichen, den mein Vater für mich aussucht.“ Spätestens in den letzet Worten konnte man wohl ihre Verzweiflung nur zu deutlich heraus hören.

  • Alpina verstand ihre Freundin so gut. Sie hatte schon zuvor ihr gegenüber betont, dass sie keine Wahl haben würde, wenn es um die Frage eines Ehemannes ging. Selbstverständlich würde ihr Vater ihn aussuchen. Doch was sprach gegen Curio. Er war auf dem besten Wege sich einen Namen zu machen, Duccius Verus konnte sicherlich das Potential des jungen Helvetiers erkennen. Was sprach also gegen ihn als Gatten für seine Tochter?


    "Runa, du musst nicht verzweifeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr eine gemeinsame Zukunft haben könnt. Es hängt allerdings auch von eurer Geduld ab. Du musst erst deine Ausbildung abschließen. Solange er dein Lehrer ist, dürft ihr euch solche Gefühle nach außen hin nicht erlauben und das weiß Curio. Deshalb versucht er diese Mauer aus Pflichtbewusstsein aufrecht zu halten. Wenn er sich erst einen sicheren Stand in der Gesellschaft erarbeitet hat und, wie er ja plant, mit seinem Bruder ein eigenes Haus besitzt, hat er die Voraussetzungen geschaffen, bei deinem Vater vorzusprechen. Hab Geduld, Runa. Ihr seid noch so jung."


    Sie lächelte der Freundin aufmunternd zu.
    "Aber ich weiß wie es ist, wenn einen dieses Gefühl so durch und durch flutet, da kann man an nichts anderes mehr denken. Man möchte dem anderen am liebsten immer nahe sein. Du wirst deine Gefühle im Zaum halten müssen, zu euer beider Wohl und um die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft zu wahren."

    Zu Runas Überlegungen, die Corvinus betrafen, sagte sie nichts mehr. In seinem Wahn, als er glaubte, dass sie Alwina war, hatte er immer beteuert, dass er nicht mehr in irgendwelche Feldzüge ziehen wollte, dass er eine Familie gründen wollte. Er hatte diesen Wunsch gehegt, nur eben nicht mit Alpina. Ihr gegenüber hatte er immer nur davon gesprochen, dass er die Germanen niedermetzeln wollte, weil er ihnen und den Redelsführern des Bürgerkriegs die Schuld an Alwinas Tod gegeben hatte. Und das tat er jetzt wohl, hoch zu Ross. Gegen Norwiga und ihre blutrünstigen Horden würde er sich behaupten müssen, die eiskalt Männer, Frauen und Kinder quälten und ermordeten. Womöglich stellte sich die Frage nach einer gemeinsamen Zukunft mit ihm als Vater ihres Kindes längst nicht mehr...


    "Komm, Runa, lass uns nach Hause gehen. Wir sollten uns aber bald wieder treffen. Es tut so gut, endlich eine Freundin zu haben, der man sein Herz ausschütten kann und die umgekehrt auch ihres öffnet."
    Sie umarmte Runa herzlich und drückte sie ganz fest an sich.

  • Gefühle im Zaum halte, na dass konnte ja was werden. Runa war die letzten Wochen eher ein brodelnder Vulkan und die täglichen Unterrichtsstunden, wo sie sich beide zwar sahen, aber wirklich nur auf den Unterricht beschränkten. Wo sie genau das taten was von ihnen erwartete wurde, machten es nicht besser im Gegenteil.
    „Vielleicht hast du Recht.“ sagte Runa im Bezug auf das er vielleicht auch in den Augen ihres vater ein geeigneter Kandidat wäre. Runa aber konnte nicht so recht daran glauben, auch wenn sie dann vielleicht einen Funken Hoffnung hätte. „Ja vielleicht eines Tages. Aber vielleicht ist es auch besser ich schlage ihn mir aus dem Kopf, dann kann ich zumindest nicht enttäuscht erden.“


    Runa erhob sich. „Ja es ist schon spät. Ich begleite dich noch und Stück. Und natürlich treffen wir uns so bald wie möglich wieder. Schließlich muss ich dich im Auge behalten, nicht das mir meine Freundin über Nacht wieder abhanden kommt.“ Sagte Runa zwinkernd. „Ich habe dich wirklich sehr vermisst und täglich für deine sichere Rückkehr gebetet.“

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