Kooperation und Koordination

  • Zweimal die Woche traf sich Curio in der Taberna Silva Nigra mit seinem Mitmagister


    | Numerius Carsuleius Merula


    um die anstehenden Termine jeweils für eine halbe Woche abzusprechen, Projekte zu koordinieren und Pflichtanwesenheiten aufzuteilen. So mussten sie bei kleineren Terminen nicht beide erscheinen, während sie absprachen, welche Termine so groß waren, dass sie beide erscheinen mussten. Merula war vier oder fünf Jahre älter als Curio, war vor zwei Amtszeiten bereits einmal Magister Vici gewesen und hatte ein untrügliches Talent dafür, sich vor unangenehmen Terminen zu drücken. So blieb es oft an Curio hängen, Termine bei Schweinebauern oder Kleintierzüchtern wahrzunehmen, während sich der Carsuleius vor allem Termine auf dem Markt sicherte. Curio ließ ihm das durchgehen, denn aus den Erzählungen Merulas von dessen erster Amtszeit wurde deutlich, dass es ihn das letzte Mal getroffen hatte, als er sich seine Amtszeit mit einem alten, verknöcherten ehemaligen Alaoffizier geteilt hatte, der sogar schon mehrere Amtszeiten hinter sich gebracht hatte. Daher war es für Curio nur logisch, dass er als Grünschnabel halt in den sauren Apfel beißen und manchmal im wahrsten Sinne des Wortes Ochsentouren hinter sich bringen musste. Dennoch gab es auch einen Lichtblick, denn Merula überließ ihm als ausgebildetem Aedituus den Großteil ihrer kultischen Aufgaben. So hatten sie sich im ersten Drittel der Amtszeit gut miteinander arrangiert.

  • Etwas verspätet kam Curio in der Taberna an, wo Merula bereits an ihrem Stammtisch in einer ruhigeren Ecke auf ihn wartete. Sie wollten heute den ersten Teil der Woche miteinander koordinieren und - wie immer - auch einige politische und gesellschaftliche Gerüchte austauschen. Es war eine der ersten Lektionen, die der erfahrene Carsuleius dem Helvetier beigebracht hatte: Informiert sein ist alles! Mit einem entschuldigenden Blick setzte sich Curio auf den freien Platz, schüttete sich etwas Wein in seinen bereits bereitgestellten Becher und goss großzügig Wasser hinterher.


    Entschuldige meine Verspätung, Merula. Du weißt ja, die Kreuzungsschreine...


    Merula winkte ab und schüttelte den Kopf.


    Ach was, nicht der Rede wert. Du hast ja jetzt auch noch mehr zu tun. Aber erstmal herzlichen Glückwunsch!


    Jovial klopfte der Carsuleius Curio auf die Schulter und gab der Bedienung zu verstehen, dass er heute die Rechnung übernehmen werde. In Curios Gesicht hingegen spiegelte sich Verwirrung wider. Etwas unschlüssig blickte er auf den Weinkrug, dann zu seinen Becher und schließlich zu Merula, der breit grinste.


    Glückwunsch? Wozu? Die Schreine jedenfalls benötigen noch Zeit, bis sie eingeweiht werden können.


    Erneut schütelte Merula den Kopf.


    Doch nicht die Schreine, du Paddel! Ich meine deine glücklichen Familienneuigkeiten.


    Merula wirkte überrascht, dass sich die Verwirrung bei Curio keineswegs nachließ, sondern ganz im Gegenteil viel größer wurde.


    Kriegst du überhaupt noch etwas mit. Ich meine deine Vaterschaft.


    Vaterschaft...


    Langsam dämmerte Curio, worauf das hier hinauslaufen sollte. Allerdings wechselte sein Gesicht keineswegs in Freude, wie es Merula wahrscheinlich erwartet hatte, sondern wurde vielmehr ungehalten.


    Es ist nicht mein Kind.


    stellte Curio schließlich mit allem Nachdruck fest, den er zusammenbekam.


    Aber...


    versuchte es Merula erneut, doch Curio unterbrach ihn unwirsch.


    Es - ist - nicht - mein - Kind! Und ich werde es nicht tolerieren, dass solche Unwahrheiten verbreitet werden!


    Mittlerweile waren auch die Umstehenden aufmerksam geworden und Curio musste sich zusammenreisen, dass er hier keinen Tobsuchtsanfall bekam.


    Schon gut, schon gut...


    versuchte Merula beschwichtigend auf Curio einzureden.


    Aber in diesem Fall solltest du dringend schauen, dass du dem entgegenwirkst.


    Curio nickte. Wer auch immer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hatte - und für Curio war die Zahl der Verdächtigen an einer Hand abzuzählen -, er und wahrscheinlich sie tat es um ihm zu schaden. Schon jetzt war ihm klar, dass damit sein größter Trump, seine Integrität, hier in Frage gestellt werden sollte. Es würde einen Charakterkrieg geben und er war bereit, diesen bis zum bitteren Ende auszufechten. Jetzt aber musste er sich, wohl oder übel, erstmal mit der kommenden Wochen beschäftigen, auch wenn er gezielt darauf achtete, sich genug Zeit für mögliche Gegenmaßnahmen zu lassen.

  • Zusätzlich zu den üblichen Planungs- und Koordinationstreffen von Curio und Merula luden sie zudem noch in unregelmäßigen Abständen auch weitere Gäste zu diesen Gesprächen ein. Normalerweise trafen sie sich dann etwas früher, um ihr jeweiliges Programm abzuhaken, und etwas später kam dann der jeweilige Gast dazu, mit dem sie sich über seine jeweiligen Arbeitsschwerpunkte und Anliegen zu unterhalten. In der Regel handelte es sich bei diesen Gästen um Personen aus dem öffentlichen Leben, die eine besondere Stellung in der Gesellschaft hatten. So kamen Vereinsvorsitzende, Mitglieder einzelner städtischen Kulte oder niedere städtische Beamte. Heute war es nun der Magister des Collegium Fabrorum, der Schmied Publius Aurius Atimetus, genannt Eginhard. Das Collegium Fabrorum war die örtliche Feuerwehr für die Vici Apollonensis und Navaliorum und wurden seinerzeit durch ein Decretum Decurionum ihre Amtsvorgängers Lucius Petronius Crispus, dem Sohn des petronischen Pontifex eingerichtet. Seitdem verrichtete das Collegium seine Arbeit und genau darüber sowie über seine Ausstattung, die ihm von Seiten der Stadt gestellt werden sollte, wollten sich Curio und Merula informieren.


    Atimetus erschien pünktlich und da Curio und Merula noch die letzten Punkte besprechen wollten, luden sie ihn ein, sich zu ihnen zu setzen, kamen aber noch nicht auf das eigentlich Thema zu sprechen. Stattdessen luden sie ihn zu einer Kanne Wein ein, und bestellten einen weiteren Becher und die Kanne bei der Bedienung, die sie nach kurzer Wartezeit auch servierte. Als die beiden Magistri Vici ihre Themen abgehakt hatten, stießen sie mit dem Aurius auf den Abend an und begann, sich mit ihm über die Arbeit und die Ausstattung zu unterhalten.

  • Das Gespräch verlief entspannt und es wurde für Curio und seinen Amtskollegen deutlich, dass das Collegium an sich gut aufgestellt war und strukturelle Änderungen, zum Beispiel an dem entsprechenden Dekret, nicht erforderlich waren. Curio machte sich dazu zufrieden Notizen. Den letzten größeren Einsatz des Collegiums hatte es bei dem Brand der ehemaligen Villa Duccia gegeben, der allerdings beim Eintreffen des Collegiums bereits so weit fortgeschritten war, dass das Haus selbst nicht mehr gerettet werden konnte. Stattdessen hatte sich das Collegium bemüht, die Villa kontrolliert abbrennen zu lassen, ohne dass die anliegenden Gebäude Schaden nahmen. Das hatte wiederum sehr gut geklappt, sodass die Schäden für die Nachbarn in Grenzen gehalten werden konnten. Auch die Übungstreffen des Collegiums verliefen gemäß des Dekrets verlaufen. Regelmäßig trafen sich die Mitglieder an Feiertagen, um Lösch- und Abrissmanöver zu trainieren und sich so auf dem neusten Stand und stets bereit hielten, bei einem Brand auszurücken. Auch das nahmen Curio und sein Amtskollege zufrieden zu Kenntnis und konzentrierten sich hächstens darauf, kurze Zwischenfragen zu stellen, die der Aurius stets so gewissenhaft und anschaulich wie möglich zu erklären versuchte.


    Erst als sie auf das Löschmaterial und die Ausrüstung des Collegiums zu sprechen kamen, deutete sich Handlungsbedarf an. Zuletzt waren eine der Spritzen und zwei Leitern bei einem Training zu Bruch gegangen, die dringend zu ersetzen waren. Auch die Äxte und Decken hatten an den Gebrauchsspuren zu leiden und sollten beizeiten ersetzt werden. Curio schrieb alles mit, was der Atimetus nannte und überschlug bereits die Kosten für die Neuanschaffung des Materials. Einige Teile davon würde sicherlich der Ordo finanzieren. Zusätzlich verständigten sich Curio und Merula mit dem Magister darauf, auch perönlich Material zu beschaffen, das als Ersatz fungieren könnte, wenn vorhandenes Material mal ausfallen sollte. Abschließend lud der Magister Curio und Merula für den nächsten Feiertag, den Tag des Mogon zum Ende ihrer Amtszeit zu einem Übungstag des Collegiums ein, was die beiden gerne annahmen, um sich auch vor Ort ein Bild der Übungen zu machen.

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