Ein Glas, oder auch zwei

  • Leicht fiel es ihm nicht, Sibel für den heutigen Abend allein zu lassen, nach dem, was erst vor wenigen Tagen geschehen war. Avianus wusste, er hatte es bitter nötig, endlich den Kopf frei zu kriegen, und noch dazu würde Seneca, bei dem er erstens ein Versprechen einzulösen hatte und mit dem es sich zweitens zweifellos bestens einen heben ließ, nicht ewig in Rom bleiben. Schlussendlich war er deshalb gar nicht mal so unglücklich darüber, Sibel in der Casa Iunia in der Obhut der Sklaven zurückzulassen, sich dort seinen Cousin zu schnappen und sich mit ihm in die Straßen der Urbs Aeterna zu wagen. Behäbig sank die Sonne dem Horizont entgegen, wovon man zwischen den teilweise mehrere Stockwerke hohen Häusern ohnehin nichts bemerkte, ließ aber einen angenehm lauen Abend für all jene zurück, die ihn außerhalb der eigenen vier Wände nutzen wollten. Von frischer Abendluft und Stille konnte in Rom zwar nie die Rede sein, eine nette Abwechslung war es dennoch und spätestens wenn sie auf den ersten Becher Wein in einer Taberna landeten, würde Avianus, vorerst noch etwas angespannt, vermutlich ganz von alleine locker werden.
    "Was hast du dir für heute Abend vorgenommen? Sollen wir nur mal anstoßen oder hast du vor, deine enthaltsame Zeit in Mantua wettzumachen?", fragte er Seneca mit einem Lächeln, "Für beides kenne ich geeignete Läden."

  • Es war ein schöner Abend, für Rom, es stank an jeder Ecke, überall wurde man angebettelt und obwohl der Himmel noch recht hell war, waren die Gassen teils stockduster. Aber es war ein milder Abend, und natürlich freute sich Seneca auch mehr über die Gesellschaft als über die äußeren Umstände, und wer konnte einem guten Wein schon widerstehen?
    "Nur was trinken, vielleicht was essen." entgegnete Seneca grinsend und fuhr ebenso scherzhaft fort, "Früher hätte ich sicherlich noch das ein oder andere Lupanar aufgesucht, aber das ist vorbei mein Lieber. Also, wo trinkt man denn mittlerweile in Rom?"

  • "Ganz wie du meinst", antwortete Avianus seinem Vetter lächelnd. Die Decima musste es ihm wirklich angetan haben. Natürlich, immerhin wollte er die Frau heiraten und hatte dafür einige Hindernisse in Kauf genommen. Avianus sollte es recht sein, so musste er nicht daneben sitzen und zusehen, während Seneca eine vollbusige Lupa auf dem Schoß herumrutschte. Denn obwohl es ihn bis vor kurzem noch öfter ins Lupanar gezogen hatte, war der Grund dafür ja Sibel gewesen, nicht irgendeine beliebige Hure.
    Nun gut, wo trank man inzwischen in Rom? Überall eigentlich, wollte er erst sagen, verkniff sich allerdings seinen blöden Scherz und grinste stattdessen.
    "Da gibt es zum einen die Caupona Aluta, ein Wirtshaus in Trans Tiberim, wo auch richtig gutes Essen serviert wird, aber ich glaube, die haben inzwischen wieder zugemacht. Meine Männer zieht es an freien Abenden ins Rufo's Elysium - ein billiger Laden, so sieht's dort auch aus und genauso schmeckt auch der Wein. Nichts für uns also." Zum Spaß zwinkerte er seinem Cousin zu. "Die alte Taverna Apicia gibt's tatsächlich immer noch, vermutlich schon unter ihrem zehnten Besitzer. Ein echtes Relikt." Er schlug den Weg in eine Seitengasse ein. "Aber wenn du richtig guten Wein suchst, musst du ins Uva Bacchi, die Schenke macht ihrem Namen alle Ehre", endete er seinen Exkurs zu nennenswerten Schenken, die ihm in der Urbs bekannt waren und war im Grunde ohnehin schon dabei, seinen Vetter zu letzterer zu führen, vor der er schließlich stehen blieb. Der Lärm der Gäste, der aus der Schenke nach draußen in die Gasse drang, hatte sie bereits aus einiger Entfernung angekündigt, nun da Avianus seinem Verwandten den Vortritt ließ und hinter diesem die Schenke betrat, konnten sich auch andere Sinne mit der Taverne bekannt machen. Es roch nach Wein, hier und da zog der Duft von frischem Käse und Oliven an einem vorbei, die Wände waren verziert mit Malereien und zwischen den Tischen wanderten zwei junge Schankmädchen und bedienten die Gäste.
    "Was sagst du? Suchen wir uns einen Tisch?"

  • "Die Apicia?" fragte Seneca und dachte an die guten alten Tage zurück als er seine Männer das ein oder andere Mal aus einer Schlägerei zerren musste, und an die vielen redseligen Abende in den Hallen der alten Taverne...
    "Nun ich will guten Wein und kein blaues Auge, lass uns in diese Uva Bacchi." stimme er seinem Vetter zu, und da waren sie auch schon.. Avianus du Fuchs.. Dachte er sich, während er die Schenke betrat. Nett sah es aus, ein wenig höherwertiger als die üblichen Spelunken in den Städten, und während er die Auslage musterte, suchte er ohne zu zögern einen Tisch in der Ecke. Ein wenig abgeschieden war er, in einer Ecke, aber so das man den Raum gut einsehen konnte, und die Bedienung einen nicht übersah..
    "Der Abend geht auf mich Avianus." sagte er knapp grinsend und fuhr fort, "Keine Widerrede."
    Und dann kam auch schon die Bedienung, "Genug von eurem besten Wein! Dazu noch Oliven, Brot, Wurst, und was ihr so an kalten Speisen habt." orderte Seneca und legte schon mal ein paar Münzen auf den Tisch, "Wir beide haben das bitter nötig denke ich." scherzte er zu seinem Cousin und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück...

  • Seneca hätte also auch so eine ausgezeichnete Wahl getroffen, was die Taverne betraf. Breit grinsend folgte er seinem Verwandten, den er ein wenig auf die Schippe genommen hatte, zum Tisch und setzte sich.
    Er hätte Seneca ebenso eingeladen, wenn der jedoch darauf bestand und außerdem bereits bestellte, war Widerstand ohnehin zwecklos, hatte er das Gefühl. Allerdings machte er sich keine Sorgen, irgendwann die Chance zu bekommen sich zu revanchieren, und die würde er dann sicherlich nutzen. Mit einem gespielt gequälten Lächeln saß er am Tisch, während Seneca der Bedienung seine Bestellung vortrug. Genug Wein hörte sich ja schon mal richtig toll an. Wollte Seneca ihn abfüllen?
    "Dann hab ich ja keine andere Wahl. Na wenn du mich nachher auch heimträgst …", scherzte er.
    Dass er sich erst letztens zu Ehren des neuen Kaisers gemeinsam mit seiner Centuria hatte voll laufen lassen, schob er dabei einfach mal beiseite. Der eine oder andere Becher würde heute sicher nicht schaden. Solange er nicht zum Alkoholiker wurde, war ja noch alles in Ordnung.
    "Vielleicht sollte ich dich mal in Mantua besuchen kommen … wahrscheinlich redest du mir nur ein, dort wäre es so furchtbar fad, damit du mich nicht am Hals hast, während du mit dem Sold, den du als Tribunus scheffelst, ein Fest nach dem anderen feierst."
    Unterdessen trug eines der Schankmädchen voll beladen einen Teil der Bestellung herbei: Eine Platte mit den gewünschten Speisen über den einen Arm gelegt, dazu in der Hand die ineinander gestellten Becher und in der anderen Hand den ersten Krug Wein. Nacheinander stellte sie alles auf dem Tisch ab, und schenkte den Wein ein.
    Avianus griff nach dem Becher, wollte seinem Vetter bereits zuprosten, hielt dann aber doch inne.
    "Du bezahlst ja, wem sollen wir den Wein also widmen ...? Auf uns?", fragte er mit einem breiten Lächeln.

  • Seneca lachte als Avianus zu scherzen begann, und er schätzte tatsächlich kurz ab wie schwer er wohl wäre.. Nicht dass er ernsthaft damit rechnete, aber man wusste ja nie, außerdem fühlte er sich nach Avianus scherzen bezüglich seines "Schreibtischpostens" ein wenig bei der Ehre gepackt..
    "Nun, ein wenig Übung habe ich noch. Ich denke so einen Urbaner kriege ich locker gestemmt." entgegnete er, und sah im Augenwinkel schon die ersten Getränke und Speisen kamen.. Das sah alles wirklich gut aus, sowas gab es in Mantua nicht, womit wir wieder beim Thema wären..
    "Ich sage dir, Mantua ist ein verschlafenes Nest. Hätte es nicht so eine stragtisch günstige Position, würde man wohl sämtliche Hunde des Imperiums dort vergraben lassen." scherzte er und schaute dem Schankmädchen beim einschenken des Weines zu, bevor er ebenfalls seinen Becher griff, und wie üblich ein paar Spritzer den Göttern darbrachte..
    "Auf uns, den Kaiser und die Frauen. Die uns wahnsinnig machen, aber was wäre das Leben ohne sie?" fragte Seneca grinsend und stieß mit seinem Vetter an bevor der Wein seine Kehle herunterlief.
    "Ein wirklich guter Tropfen, zum genießen nicht zum saufen." sagte Seneca ernst während er seinen Becher abstellte, "Aber was verstehen wir schon von gutem Wein, hauen wir ihn weg!" brach es aus ihm heraus, und schon hatte er den Becher wieder in der Hand, "Also.. Hast du ihn schon gesehen den neuen Imperator?" fragte er, denn fernab von Rom, und nicht mehr in der Garde war der Kaiser wie für viele Legionäre nur ein Abbild geworden, und man hatte keine Vorstellung von seinem wahren Wesen.

  • Avianus blieb gar nichts anderes übrig als ebenfalls zu lachen. Die Vorstellung, dass Seneca ihn über die Schulter werfen und zur Casa tragen würde, war zu komisch.
    "Verdammt langweilig", antwortete Avianus auf die vermutlich eher rhetorische Frage und stieß mit seinem Cousin an. Tja, die Frauen. Fluch und Segen zugleich waren sie wohl. Noch immer lächelnd, trank er ein paar Schlucke und setzte den Becher wieder ab, nur um über Senecas Worte anschließend leicht verwundert die Brauen zu verziehen und zu lachen, als er sie revidierte.
    "Gut, ich dachte schon, du willst mich zwingen nur zu nippen", meinte er lachend und kam dann auf den Kaiser zu sprechen:
    "Tatsächlich noch gar nicht", antwortete Avianus etwas verwundert über seine eigene Antwort, "Soweit ich weiß hat sich der Aquilier erst einmal öffentlich dem Volk gezeigt, direkt nach den Wahlen. Seitdem scheint er mehr mit administrativen Aufgaben beschäftigt zu sein, davon gehe ich jedenfalls aus. Sicherlich werden wir mehr von unserem Kaiser sehen, wenn der erste Schwall an Arbeit vorbei ist." Hoffte er jedenfalls. Im Moment war er aber schon über Donativa und freie Abende froh. Das hielt sowohl seine Leute als auch ihn selbst vorerst bei Laune und zeigte, dass der neue Kaiser sie im Gegensatz zum Cornelier nicht vergessen hatte.
    "Seine Familie soll allerdings ein wenig … unkonventionell sein. Man sagt seine Frau sei nach der Wahl auf einem Pferd übers Forum geritten. Nachdem Palma und dessen Familie sich als ausgesprochen farblos herausgestellt hat, könnte ich mir aber schlimmeres vorstellen."

  • Seneca schaute ein wenig verdutzt als Avianus die Geschichte von der reitenden Kaiserin erzählte, und konnte sich nur allzu gut vorstellen wie das wohl bei der römischen Schickeria angekommen sein mag.
    "Auf einem Pferd sagst du?" fragte er, während er einen Fetzen Brot in etwas Garum tauchte, "Und? Haben die noblen und reichen Roms schon den Untergang des Imperiums ausgerufen?" scherzte er und steckte sich das Stück Brot sogleich in den Mund.
    "Ich wäre nur zu gerne noch bei der Garde. Ich meine, die Geschichten aus dem kaiserlichen Umfeld waren immer spannend. Auch wenn ich hoffe dass sie bei diesem Kaiser auf eine Art spannend sind wie noch bei Vescularius." sagte er, und fragte sich ob er das eventuell etwas zu laut gesagt hatte, sodass er sich kurz umsah..
    "Also erzähl mal.. Axilla, Silanus, Sibel, die Garde. Was ist in den letzten Monaten in Rom geschehen? Ich habe das Gefühl dass ich eine Welt von Rom entfernt bin, auch wenn ich tatsächlich noch in Italia weile, woran ich mich ab und an erinnern muss." fragte er seinen Cousin bevor er wieder einen kräftigen Schluck nahm. Der Wein schmeckte nicht nach Kopfschmerz, was morgen eine gute Nachricht sein würde.

  • Avianus griff eben falls nach einem Stück Brot und schob sich eine Olive in den Mund.
    "Die Begeisterung hält sich in Grenzen, aber wenigstens der Kaiser nahm's angeblich gelassen." Da konnte man sich dann natürlich auch seinen Teil denken. Wer bei den beiden wohl die Hosen anhatte? Dazu, den neuen Kaiser laut als Pantoffelheld zu betiteln, ließ er sich mal lieber nicht hinreißen. Ein amüsanter Gedanke war es dennoch.
    "Ich weiß was du meinst, obwohl ich die Garde sicherlich nicht in ihrer besten Zeit erlebt habe …" Wenn er an die öffentlichen Auftritte in geschwärzter Paraderüstung zurückdachte wurde auch er regelmäßig etwas sentimental. "Aber ehrlich gesagt, ich glaube, dass mir der etwas ruhigere Alltag bei den Cohortes Urbanae gut tut." Verdammt, hörte er sich gerade alt an. Als wäre er kurz vor dem Ruhestand. Aber er musste sich eingestehen, er hatte privat schon genug Stress. Zwar hatte er auch bei den Cohortes Urbanae genug zu tun, aber bei der Garde wäre der Druck sicherlich nicht weniger, eher noch größer.
    Er biss von seinem Brot ab und trank erneut einen Schluck. Tja, in Rom war so einiges passiert, sodass er gar nicht richtig wusste, wo er anfangen sollte. Da war das riesen Theater um den Tod des Corneliers gewesen, Senatoren die gegeneinander hetzten, derweil rannten irgendwo in Trans Tiberim verrückte Christianer herum, Decimus Serapio tauchte plötzlich wieder auf, und zu guter Letzt war da noch Sibel, die sich gerade erst im Balneum hatte ertränken wollen.
    "Vieles, verdammt vieles. Du willst gar nicht wissen, wie's hier zuging, als der Cornelier plötzlich tot war. Weil der ein derart schwammiges Testament aufgesetzt hat, dass jeder glaubte, es würden wieder Unruhen ausbrechen, hat der Praefectus Urbi kurzerhand die Stadttore schließen lassen und die Wachen dort und noch dazu die Patrouillen verstärkt. Freie Abende konnten wir natürlich vergessen und als wäre das alles nicht genug, mussten wir befürchten, dass sich die Senatoren gegenseitig an die Kragen gehen und derselbe Mist wie beim letzten Kaiserwechsel nochmal von vorne losgeht. Ich sag's dir, da die Männer halbwegs bei Laune zu halten war echt nicht leicht", erzählte er. Als man Boten zu den Einheiten außerhalb Roms geschickt hatte war das wichtigste ja bereits beschlossen gewesen. Am Ende hatte sich alles als halb so wild herausgestellt, aber bis dahin hatte man sich geistig natürlich auf das Schlimmste vorbereitet.
    "Auch bei der Garde hat sich einiges getan … unser alter Praefectus Decimus Serapio sitzt seit einer Weile wieder im Stab, zwar nur als Tribunus, aber immerhin. Ich deute es als ein gutes Zeichen. Nur von Axilla und Silanus hör' ich zurzeit nicht viel, und auch bei meinen wenigen Besuchen in der Casa bin ich ihnen nicht über den Weg gelaufen. Silanus ist immer noch in der Kanzlei tätig, soviel kann ich dir sagen, und Axilla? Naja, vielleicht ist es sogar besser, ihr nicht ständig zu begegnen, sonst merkt sie vielleicht noch was wegen Sibel. Wenn sie es irgendwann erfahren muss, will ich es ihr lieber persönlich erklären." Als er geendet hatte, leerte er schließlich den ersten Becher. Der Wein war nicht nur gut, der wurde sogar immer besser. Wie vermutlich jeder andere auch.

  • Seneca hörte sich alles an und staunte nicht schlecht darüber dass die Stadt mehrere Tage abgeriegelt wurde, und dachte sich dass dies wohl mehr Chaos verursacht hatte als offene Tore. Auf der anderen Seite konnte er die Sorge durchaus nachvollziehen.
    "Ein guter Centurio wie du es einer bist.. Hast du die Männer mit Wein und Fleisch bestochen?" scherzte er, und war sich durchaus bewusst wie schwierig es für die Stammeinheiten gewesen sein muss einigermaßen die Oberhand zu behalten. Plötzlich erweckte Namen sein Interesse, Faustus Decimus Serapio, und es schauderte ihn ein wenig, schließlich hatte er vor Seianas Familie mindestens genauso viel Angst wie er vor Axilla und Silanus hatte, versuchte sich dies aber nicht anmerken zu lassen..
    "Axilla, Silanus." wiederholte er die Namen seiner Verwandten, "Die muss ich noch bändigen. Wie wäre es wenn ich dich voran schicke? Dann wirkt meine Geschichte gar nicht mehr so schlimm." scherzte der Iunier und lachte breit während er einen Schluck trank..

  • "Mit Wein, ja, und ihnen noch mehr Wein und Fleisch versprochen, wenn sie brav durchhalten", antwortete Avianus knapp. Und sein Versprechen hatte er dann auch eingelöst. Manchmal fragte er sich schon, ob er zu gutherzig mit seinen Leuten umsprang. Sicherlich schmiss nicht jeder Centurio eine Feier für seine Leute und spendierte dabei Wein und Weiber.
    Seneca konnte wohl gar nicht anders, als jedes Mal wenn sie beisammen saßen, wieder auf Sibel zu sprechen zu kommen, ob direkt oder indirekt. Avianus nahm's gelassen und schenkte seinem Cousin nur einmal mehr schiefes Lächeln.
    "Ist es wirklich so schlimm? Ehrlich gesagt, ich hab da irgendwie kein Gefühl mehr dafür", fragte er zurück. Dass er sich mit Huren herumtrieb war ja erstmal nicht so wild, dass er sich allerdings in sie verliebte, sie kaufte und anschließend noch in seiner Habitatio unterbrachte, da würde vermutlich das Verständnis seiner Verwandten enden. Für ihn hingegen war es mittlerweile zur Normalität geworden, mit Sibel Zeit zu verbringen, in seinen Augen war sie ja weder wirklich Lupa noch Sklavin jemals gewesen. Das Problem war schlicht, dass sie es für alle anderen sehr wohl war.
    "Ich bin ja eher dafür, dass du vorgehst, immerhin hab ich wegen dir eh schon schlechtere Karten. Nachdem du schon nicht nach ihrer Pfeife tanzt, ruhen ihre Hoffnungen umso mehr auf mir, und jetzt komm ich mit einer Sklavin daher. Oder wir stellen uns dem Ärger einfach gemeinsam." Geteiltes Leid war schließlich halbes Leid, sagte man ja so schön. Obwohl das Ergebnis bei doppeltem Ärger ohnehin wieder dasselbe war. Bitter lächelnd schenkte er sich und dabei auch gleich Seneca Wein nach.
    "Aber wir reden viel zu viel von mir ... was hast du für die Zukunft geplant? Wirst du dann plötzlich zum ruhigen Familienvater?" Für Avianus war die Vorstellung leicht ungewohnt, wenn er auch nicht daran zweifelte, dass Seneca es irgendwie auf die Reihe kriegen würde. Aber er kannte seinen Cousin größtenteils als Soldat und hatte ihn auch im Kampf gesehen. Andererseits wusste er, wie auch er selbst sich meist ganz anders verhielt, wenn er Sibel bei sich hatte.

  • "Ist es nicht Avianus, ist es nicht. Ich scherze nur." entgegnete er als Avianus ihn etwas verstimmt ansah. Natürlich war es schlimm in den Augen derer die sich nie etwas hatten zu schulden kommen lassen, aber Seneca sah das alles gelassen, mehr noch, er wollte dass sein Cousin seinen Weg findet, und sein Glück.
    "Gemeinsam. Das klingt gut. Zwei gegen zwei, das klingt doch fair." scherzte Seneca und trank einen Schluck, bevor Avianus auf seine Zukunft zu sprechen kam, und Seneca damit ein Lächeln und einen Blick in seinen Becher abrang, in welchem er seinen Wein hin- und herschwappen ließ... Er und ruhiger Familienvater? Familienvater.. Wie recht er damit bereits hatte.. Eigentlich eine perfekte Gelegenheit Avianus in sein zweites Geheimnis einzuweihen.
    "Familienvater? Nun, wenn du wüsstest mein Lieber." sagte er etwas geheimnisvoll und trank einen Schluck während er Avianus angrinste, "Aber ruhig? Ich? Ich denke dass wird noch dauern, aber Seiana tut mir gut." erklärte er und versuchte sich vorzustellen wie schwer es doch werden könnte Seiana zurückzulassen wenn es ins Feld ging.

  • Avianus fragte sich, ob es überhaupt eine gute Idee gewesen war, Seneca danach zu fragen. Der war bestimmt nicht die beste Wahl, wenn es um eine Beurteilung seiner ungewöhnlichen Liebesbeziehung ging. Genau das war es andererseits, was er an seinem Vetter in letzter Zeit zu schätzen gelernt hatte.
    Nun entfaltete auch der Wein langsam seine Wirkung, insofern dass Avianus sich ein wenig lockerer zurücklehnte. Ja, zwei gegen zwei klang wirklich nicht schlecht. "Dann hätten wir zumindest das geklärt", schloss er beruhigt. Selbst wenn sie nur scherzten, zeigte es doch, wer hier wem zur Seite stand. Er ahnte, wenn er sich bei dem Zoff zwischen Axilla und Seneca auf dessen Seite stellte und gleichzeitig noch seine eigene Geschichte beichtete, wäre sein Verhältnis zu seiner Cousine bald auch nicht mehr viel besser. Und wie es mit Silanus aussähe, würde sich zeigen. Wer allerdings hielt zu ihm, und würde es wohl auch in Zukunft tun? Wer war ihm immer ein Freund gewesen und hatte ihn stets unterstützt? Da brauchte er kein zweites Mal darüber nachzudenken, was er tun würde. Er biss von seinem Brot ab, nahm sich ein Stück Käse und blickte kauend zu Seneca, der nach seiner letzten Bemerkung etwas nachdenklich geworden war.
    "Das nehme ich doch an, immerhin willst du sie heiraten", kommentierte er anschließend und lachte kurz auf. Und ruhig konnte Seneca vermutlich auch noch im Ruhestand werden. Allerdings hatte sein Cousin ihn mit seiner anfänglichen Heimlichtuerei neugierig gemacht. "Was weiß ich denn nicht?"

  • "Ihr Name ist Silana." entgegnete er knapp, während er seinen Becher abstellte und eine Reaktion in Avianus Augen abzulesen versuchte, "Ob sie eine Iunia oder eine Decima ist, ist noch nicht geklärt. Aber sie ist meine Tochter, so viel ist sicher." fuhr er fort, und zupfte etwas verlegen an einem Brotfladen herum, "Ich.." versuchte er sich zu erklären, und ließ vom Brot ab, "Ich konnte es nicht vorher sagen, ich kenne sie auch kaum. Aber die Götter haben sie in diese Welt gesetzt, und wer wäre ich sie ewig zu leugnen?" fragte er rhetorisch und hoffte keine Sympathien bei Avianus verspielt zu haben..
    "Du wirst sie kennenlernen, ebenso wie Seiana. Vielleicht werde ich doch ein ruhiger Familienvater, und das noch früher als gedacht." scherzte er nun, ob es wohl zu früh für Scherze war?

  • Avianus wollte sich gerade noch etwas mehr Wein die Kehle hinunterschütten und verschluckte sich dabei fast, als Seneca antwortete. Hastig stellte er den Becher wieder ab, blickte Seneca über den Tisch hinweg überrascht an und hüstelte dabei leicht, wegen der paar Tropfen, die sich in seine Luftröhre verirrt hatten. Machte er Witze, oder meinte er das tatsächlich ernst? Eine uneheliche Tochter. Mit der Decima …? Ein verdammt schlechter Witz wäre das. Noch einmal räusperte er sich und bekam endlich wieder normal Luft.
    "Silana …", wiederholte Avianus den Namen, weil ihm gerade keine geeigneten Worte einfielen, denn so langsam drang die Erkenntnis zu ihm durch, dass Seneca sich keinen Scherz erlaubt hatte. Abgesehen davon, wie sollte er überhaupt darauf reagieren? Zumindest hatte er ihm von sich aus davon erzählt, was er Seneca hoch anrechnete, selbst wenn er natürlich keine Ahnung hatte, wie lange er es ihm zuvor bereits verschwiegen hatte. Sicherlich war es auch kein Thema, über welches sein Cousin leichtfertig mit jedem sprach. Lautstark ließ Avianus die Luft aus seinen Lungen entweichen und lehnte sich wieder zurück.
    "Das ist … ein starkes Stück …", meinte er erst nur fuhr sich mit der Hand durch die Haare nach hinten in den Nacken, wo er sich ausgiebig kratzte. Nein, er machte kein Theater. Zumindest vorerst nicht. Denn erstens saßen sie in einer Taberna und zweitens wollte er erst wissen, wie Seneca sich das vorstellte …
    "Seneca, was willst du mit einer Tochter? Ich meine … wie willst du den Leuten das erklären?"

  • "Was ich mit einer Tochter will?" fragte Seneca noch bevor Avianus ausgesprochen hatte, und hörte ihn sich dann erst weiter an, "Welchen Leuten soll ich das erklären Avianus? Denen die mich sowieso nicht mögen oder jenen die noch nie von mir gehört haben?" spottete Seneca kurz, schließlich schienen dies momentan die beiden Lager zu sein die sein soziales Gefüge ausmachten..
    "Sie existiert nun einmal." befand er und fand es auch wunderbar so, "Ich bin Soldat Avianus.. Einer der wenigen in meinem Stand und Rang die nicht als Ritter ins Tribunat kamen. Ich hab keine Ahnung wie ich das machen soll. Seiana, sie kennt sich in der Gesellschaft aus, sie wird eine Lösung finden." erklärte der Iunii und trank einen Schluck, "Es ist nicht so dass es geplant war, aber die Konsequenzen werde ich im ganzen Umfang tragen."

  • Das glaubte Avianus ihm gerne, dass es so nicht geplant gewesen war. Tja, da war sie trotzdem, auch da gab er Seneca Recht. Du hättest besser aufpassen müssen, wollte er dennoch sagen, käme sich aber etwas seltsam vor, als jüngerer von beiden seinen Cousin und noch dazu ehemaligen Centurio zurechtzuweisen. Und vermutlich wusste Seneca das selbst. Und wer wäre er, ihm Vorwürfe zu machen? Bei all den gemeinsamen Nächten mit Sibel wäre es ja keine Überraschung gewesen, wenn auch sie irgendwann einmal schwanger geworden wäre. Sollte er sich Sorgen um sein bestes Stück machen? Er driftete mal wieder ab …
    Ach, Wein. Der half immer, dachte er, machte einen erneuten Versuch, etwas zu trinken, und scheiterte dieses Mal nicht. Ein wenig nachdenklich stellte er den Becher ab.
    "Ich wünsche dir wirklich, dass ihr das hinkriegt ...", erklärte er seine Gedanken. Er sah ja, dass Seneca damit beschäftigt war, seine Fehler, die sich von seinen eigenen gar nicht so sehr unterschieden, geradezubügeln. "... Und vertraue darauf, dass ihr beide die Situation so geradebiegt, dass am Ende jeder halbwegs gut aus der Sache rauskommt. Ich mache mir lediglich Sorgen ... verständlicherweise, nehme ich an. Wenn du die Decima tatsächlich heiratest, werden vielleicht ein paar Leute mehr deinen Namen kennen, das wirst du nicht verhindern können. Und wenn das Mädchen am Ende zur Iunia wird, werden womöglich Fragen auftauchen", gab er schließlich zu bedenken, "Aber gut ... wie alt ist sie denn schon?"

  • "Ich danke dir für dein Verständnis Avianus." entgegnete Seneca etwas kleinlaut während er ihm nachschenkte.. Teurer Wein machte noch das meiste gut, "Natürlich wird man mich dann mehr kennen. Ich wäre verheiratet mit der Nicht des Prafectus Urbi, der Schwager des Tribunus Preatoriae. Aber darum ging es mir nie, Seiana hätte auch ein einfaches Bauernmädchen sein können. Ihre Bekanntheit macht die Sache natürlich schwierig, aber auch dafür werden wir eine Lösung finden." er trank einen Schluck und ein Schimmer glänzte über seine Augen als Avianus mehr über Silana wissen wollte..
    "Sie ist nun etwa 2 Jahre alt, vielleicht etwas älter." erklärte Seneca und spürte einen gewissen Stolz, "Sie ist furchtbar aufgeweckt Avianus, sie spricht, ist neugierig. Ich würde gerne mehr Zeit mit ihr verbringen." sagte er, und lächelte ein wenig nachdenklich, in solchen Momenten vermisste er sie irgendwie, "Viele Informationen für einen Besuch nicht wahr?" scherzte der Tribun und hoffte dass Avianus sich auf irgendeine abstrakte Art freute sowas in wie ein Onkel zu sein.

  • Sein zweiter Becher war noch nicht einmal ganz leer, und Seneca schüttete bereits nach. Avianus schmunzelte nur und ließ seinen Vetter machen.
    "Schon irgendwie … und dabei dachte ich, ich wäre derjenige, der viel zu erzählen hat", stimmte er Seneca nachdenklich zu und trank erneut. Als wären innerhalb weniger Tage Jahre an ihm vorbeigezogen, fühlte es sich an. Zuvor hatte er nur von irgendeiner Romanze gewusst, und plötzlich stand sein Cousin und einer seiner engsten Freunde kurz davor um die Hand einer Frau anzuhalten, an welche er nie im Leben gedacht hätte, und war noch dazu Vater. Und es brachte ihn dazu, über sein eigenes Leben nachzudenken und darüber, wie seine Zukunft wohl aussah. Abseits seiner Beziehung mit Sibel hatte er bisher nicht einen Gedanken an Familienplanung verschwendet. Vermutlich würde er einfach für immer der etwas seltsame Onkel all seiner Nichten und Neffen sein, der sich nur mit Weibern herumtrieb, die er nie haben könnte … Lupae und Sklavinnen, Vestalinnen und Patrizierinnen – selbst wenn er die beiden Letzteren nur zu seinen Bekanntschaften zählte. Denn er konnte sich absolut nicht vorstellen, in absehbarer Zeit zu heiraten und war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt wollte.
    "Weißt du, so kenn ich dich gar nicht, Seneca. Ich glaube ich werde sie fast kennenlernen müssen", meinte er dann lächelnd, denn Seneca hatte ganz offensichtlich einen Narren an seiner Tochter gefressen, "Und ich weiß das hört sich jetzt blöd an, denn ich wüsste beim besten Willen nicht, was ich tun könnte, aber falls ich dir doch irgendwie helfen kann, lass es mich wissen. Noch blöder käme ich mir nämlich vor, es dir nicht einmal anzubieten. Aber als Offizier der Cohortes Urbanae habe ich vielleicht doch ein paar Möglichkeiten, dummen Schwätzern das Leben schwer zu machen", endete er mit einem kleinen Scherz.

  • "Ich hatte lange gegrübelt ob ich es dir sagen soll. Und der Familie. Aber ich habe mir gedacht bevor ich irgendwann hier auftauche, verheiratet, mit Kind, wäre es besser es vorher zu tun." erklärte der Iunier und steckte sich eine Olive in den Mund, "Es ist faszinierend wie sehr sich die Wahrnehmung unterscheiden kann. Ich bin weniger nervös vor einer Schlacht, wenn die Formationen Aufstellung nehmen kann ich es kaum noch erwarten, weil ich es hinter mich bringen will. Aber diese Geständnisse, das sind wahre Herausforderungen für mich." fuhr er fort, und lachte als Avianus Silana erwähnte, "Das musst du, und das wirst du. Sie bedeutet mir wirklich viel obwohl ich sie erst ein paar Mal gesehen habe." er grinste jedes Mal wenn er an Seiana oder Silana dachte, 'seine Frauen', "Ich danke dir für die Hilfe Avianus, und dein Beistand ist mehr als ich erwartet habe. Ich denke jedoch die kommenden Schlachten muss ich alleine schlagen. Sollte es sich allerdings anbieten werde ich auf dich zurückkommen. Aber wer weiß wo wir landen? Wenn Seiana und ich nach Mantua ziehen sollten wir wenig Probleme bekommen."

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