Avianus nickte. Er konnte Seneca nur Recht geben. Im Kampf wusste er stets, was er zu tun hatte. Man stand dem Feind direkt gegenüber und wusste als Soldat meist ziemlich genau, was man zu erwarten hatte: Entweder das Schwert des Gegners traf schneller oder das eigene. Und das war's. Aber die Familie in Angelegenheiten einzuweihen, die man ihr lieber verschweigen würde … dabei kamen furchtbar viele Fragen auf. Etwa wie sie wohl reagieren würden, wie man selbst anschließend reagieren sollte oder ob sie einem irgendwann verzeihen würden, wenn sie es weniger gut aufnahmen. Und wenn man einen Fehler machte, musste man schlicht und ergreifend damit leben. Seneca half ihm jedenfalls definitiv nicht dabei, seine Nachdenklichkeit loszuwerden.
"Da wäre noch etwas, worüber ich mit dir sprechen wollte. Inzwischen bin ich mir zwar nicht mehr sicher, ob du mir eine Hilfe bist, nachdem du von Rom so lange nichts mehr gesehen hast, aber versuchen kann ich es ja trotzdem", wechselte er schließlich mit einem leichten Grinsen das Thema, "Du weißt ja bereits, dass ich versuchen werde, mich in den Ordo Equester hochzuarbeiten. Mit dem ein oder anderen weiteren erfolgreichen Einsatz kann ich vielleicht den Praefectus Urbi für mich gewinnen. Etwas vom Wichtigsten, ein Patron, fehlt mir allerdings noch immer. Bisher habe ich mich aus politischen Angelegenheiten tunlichst rausgehalten und habe, von den Decimi mal abgesehen, keine Ahnung wie wir zu den verschiedenen Familien in Rom stehen … und du hattest ebenfalls lange keinen Patron. Wie hast du das damals angestellt?", fragte er ehrlich ein wenig überfordert seinen Verwandten.
Ein Glas, oder auch zwei
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Seneca musste unweigerlich lachen als Avianus ausgerechnet IHN nach einem Patron fragte. Und dennoch, er entdeckte viele Parallelen zu sich selbst in Avianus, und natürlich wollte er ihm helfen, auch wenn sein er seinen Patron eher zufällig kennenlernte..
"Ich traf Duccius Vala auf dem Markt während ich mit der Truppe unterwegs war. Er war Aedil, und wir trafen uns später zu einem Gespräch. Was dir vielleicht nicht so sehr weiterhelfen wird." befand Seneca und trank einen Schluck, "Allerdings..." fuhr er langsam fort, "Ich bin Ritter, und Tribun, und kenne einige Leute. Wenn du willst schreibe ich dir ein Empfehlungsschreiben, sowohl für den Ritterstand, als auch für einen möglichen Patron, welchen wir auch gerne gemeinsam aussuchen können." schlug er vor, und war recht überzeugt dass er seinem Vetter auf die ein oder andere Weise helfen konnte.. -
Na wenigstens hatte er ihn schonmal gut unterhalten, dachte er sich, als Seneca zunächst nur lachte. Keinen Augenblick hatte Avianus jedoch daran gezweifelt, dass er sich auf Seneca verlassen konnte und der bestätigte einmal mehr, dass er ihn nicht grundlos zu seinen engsten Freunden zählte, wenn er nicht gar sein engster war. Er war sich zwar nicht sicher, was genau er sich zu Beginn an Hilfe erwartet hatte, aber völlig egal was, Senecas Angebot war eindeutig besser. Das ein oder andere Empfehlungsschreiben allein wäre bereits eine große Hilfe gewesen, dass Seneca sich daneben noch als Berater anbot, ließ in seinen Zügen ein glückliches Lächeln erscheinen.
"Deine Unterstützung würde mir wirklich viel bedeuten ... also ja, gerne, wenn du für all das die Zeit erübrigen kannst", antwortete er und machte kein Geheimnis daraus, wie erfreut er über Senecas Angebot war, "Ich habe mir durchaus schon ein paar Gedanken zu möglichen Patroni gemacht. Ich dachte etwa erst an den Senator Tiberius Lepidus. Er ist der Bruder der Tiberia, die ich schon länger kenne. Und auch ihn kenne ich durch ein paar Begegnung persönlich, allerdings scheint er alles andere als ein Freund von Duccius Vala zu sein. Ganz im Gegenteil, er hat während der Kaiserwahlen gegen die Consulen gehetzt. Ich bin nicht sicher ob ich ihm anstandslos vertrauen würde." Wen kannte er sonst noch? Decimus Livianus war ja bereits Silanus' Patron, über ihn hatte er deshalb nicht weiter nachgedacht, da er vermutet hatte, es wäre eventuell besser, neue Unterstützer für die Iunii zu gewinnen als bereits bestehende Kontakte zu stärken. -
"Natürlich kann ich das. Du kannst dir das Schreiben morgen Abend bei mir abholen, es schreibt sich gänzlich nüchtern sicher besser." scherzte der Iunier, obwohl so ein im Suff geschriebenes Schreiben hätte auch was 'Iunius Avianus hat sich vortrefflich bei der Schlacht gegen die Hydra geschlagen, er schlug ihr ganz allein 3 Köpfe ab, darüber hinaus ist seine Trinkfestigkeit hervorzuheben, und er schreckt auch vor billigem Fusel nicht zurück.'
Aber da es ja doch noch irgendwie um die Zukunft seines Vetters ging, beschloss er das Schreiben doch auf morgen zu vertagen..
"Tiberius Lepidus? Ich muss gestehen dass ich ihn nicht kenne." entgegnete Seneca, bei den Göttern, Rom wirkte weit weg.. "Eine engere Bindung zu den Decimern scheint mir nicht sinnvoll. Onkel Silanus ist schon ein Klient des Praefectus wie du selbst sagst, und sollte ich Seiana heiraten, wäre dies politisch erneut eine Annäherung." auch wenn Seneca es verabscheute in solchen Dimensionen von seiner Beziehung zu sprechen..
"Was ist mit Senator Purgitius Macer? Axilla pflegt recht guten Kontakt zu diesem Mann, und seine Kontakte und Erfahrung, besonders im Militär sollten unbestritten sein.", Seneca dachte über weitere Namen nach, bezüglich des Militärs konnte seinem Cousin wohl keiner außer den Decimern helfen, aber es auch noch andere mächtige Männer in der ewigen Stadt, "Oder die Senatoren Flavius Gracchus oder Claudius Menecrates. Letzterer hat ebenfalls militärische Erfahrung, und beide haben recht großen Einfluss hier in der Stadt." -
"Ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass du jetzt sofort ein Empfehlungsschreiben aufsetzen würdest …", antwortete Avianus und lachte kurz auf, "Es sei denn, du würdest darauf bestehen, dann nur zu. Aber ich würde es mir Morgen sicher noch einmal durchlesen." Unterhaltsam wäre es bestimmt, wenn auch nicht sonderlich hilfreich.
"Ich habe erst über jene Senatoren nachgedacht, denen ich schon persönlich begegnet bin. Die Liste war nur leider verdammt kurz", bemerkte er grinsend und leerte seinen Becher, "Und bei den Decimern habe ich mir dasselbe gedacht. Deshalb bin ich ja auf dich zurückgekommen und werde mich vermutlich auf deine Einschätzung verlassen … etwa dass wir Iunii bereits Kontakt zum Senator Purigitius haben, das wusste ich so noch gar nicht. Ich hätte mich vielleicht öfter mit Axilla zusammensetzen sollen."
Während er sich wieder beim Essen bediente dachte er noch einmal genauer über Senecas Vorschläge nach. Solche Entscheidungen wollte man ja nicht leichtfertig treffen. Vermutlich auch nicht angetrunken, aber er würde sich ohnehin später alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen.
"Wenn ich die Wahl hätte, würde ich vermutlich jemanden wählen, der bereits im Militär zu tun hatte. Kontakt zu den Claudii wäre für unsere Gens sicher wertvoll. Einen Versuch wäre es wert, beim Claudius vorstellig zu werden und sollte das nicht klappen, aus welchem Grund auch immer, bliebe mir noch immer die Möglichkeit, beim Purgitius anzufragen", sagte anschließend er fast schon zu sich selbst. Hätte er nicht schon einiges an Wein intus, wäre er mit Sicherheit schon bei dem Gedanken daran nervös mit einem Senator, den er nicht einmal ansatzweise kannte, über ein Patronat zu sprechen. Jetzt allerdings steckte er sich nur ein weiteres Stück Brot in den Mund und blickte seinen Cousin fragend an. -
"Gut, dann probier es bei dem Claudius. Danach können wir uns weitere Schritte überlegen." befand Seneca und war zufrieden... "Letztlich hast du das Potenzial ein guter Ritter zu werden. Welche Pläne verfolgst du? In die Provinzen, die Grenzen schützen? Oder ein Amt am Hof?" hakte der Iunier ein wenig nach, letztlich lag es ja sowieso nicht gänzlich bei Avianus wo er landen würde, "Oder möchtest du bei den Einheiten in Rom bleiben?" fragte er weiter und trank ein wenig Wein bevor er noch einmal nachsetzte, "Ich bin gespannt. Vielleicht wirst du ja auch Bauer und bestellst dein Grundstück. Avianus der Bauer, eine interessante Vorstellung." scherzte er, auch wenn es ihm natürlich bewusst war dass Avianus noch längst nicht im Ordo Equester war, und er erstmal die ersten Schritte tätigen musste..
"Wie dem auch sei, morgen vor der Cena kannst du dir dein Schreiben bei mir abholen mein Lieber." -
"Eine Karriere außerhalb des Exercitus kann ich mir nicht so recht vorstellen, wenn ich ehrlich bin." Dass er vielerlei Hinsicht ein Gewohnheitsmensch war, konnte er nicht leugnen. Viele Veränderungen in seinem Leben hatten allerdings auch ihr Gutes gehabt, so sehr sie ihm zunächst auch missfallen hatten. "Am liebsten würde ich dabei auch in Rom bleiben, andererseits kenne ich die Provinzen kaum, ein wenig Abwechslung wäre vielleicht gar nicht das schlechteste." Ein Lachen konnte er sich am Ende nicht verkneifen. Er und Bauer … das wäre natürlich auch eine Art Abwechslung, obwohl er von öden Landgütern in seiner Jugend schon genug gesehen hatte und ein Gladius lag seiner Meinung nach um einiges besser in der Hand als Sichel oder Pflug.
"Vielleicht krieg ich ja ein Grundstück in der Nähe von Mantua. Ich mach dann daraus ein Weingut und du kommst jede Woche vorbei, damit wir uns einen Krug hinter die Binde kippen können", spielte er einfach mal mit.
Schlussendlich deutete er flüchtig auf den Becher in Senecas Hand und tippte vor seinem Cousin auf die Tischplatte, damit er ihn abstellte.
"Also gut …", sagte Avianus mit einem Grinsen und warf dabei einen Blick in den Krug. Da war ja immer noch was drin. "Machen wir das Ding leer?" Blöde Frage. Wegschütten war ja wohl kaum eine Alternative. Und Seneca hatte ja zu Beginn noch was von Hauen wir ihn weg gesagt, ausgerechnet der ließ sich aber für seinen Geschmack bisher gehörig Zeit beim trinken. Musste an Mantua liegen. Schnödes Mantua ... was hat es nur aus meinem Cousin gemacht?, dachte er sich leicht benebelt. Er füllte beide Becher erneut, hob seinen eigenen und prostete Seneca zu. "Runter damit!" -
"Ich hätte nichts dagegen, ein Weingut in Mantua fände ich hervorragend. Aber naja.. Dann auf den Exercitus! Und darauf dass du ihm fähig dienen wirst." prostete Avianus seinem Cousin zu und haute den Becher weg, nur um direkt nachzufüllen und direkt wieder anzusetzen. Der Bursche wollte ihn herausfordern? Das würden wir doch mal sehen..
"In der Provinz lernt man das trinken, sonst gibt es ja nichts zutun!" scherzte der Iunier während er mit dem Finger über den Becherrand strich..
Und wieder setzte Seneca an um einen Schluck zu trinken, schließlich hatte er nicht vor etwas stehen zu lassen..
"Mut antrinken. Den teuren Wein genießen. Wie du siehst habe ich viele Gründe zu trinken!" juckste er und spülte noch einen Schluck herunter.. -
Gemeinsam mit seinem Cousin schüttete er den Becher in einem Zug hinunter. Kaum hatte er ihn wieder abgesetzt, hatte Seneca schon den Krug in der Hand und füllte nach. Avianus tat es ihm gleich, hob den Becher an und wollte den nächsten Schluck trinken, war aber dazu gezwungen wieder abzusetzen, weil er unweigerlich lachen musste. Sollte das eine Kampfansage sein?
"Gründe haben wir beide zu genüge. Hier in Rom musst man trinken, sonst hält man es gar nicht aus …", witzelte Avianus, "Der Gestank, die vielen Leute, lästige Politiker, hochnäsige Patrizierinnen, …"
Daraufhin hing er wieder am Becher, blickte Seneca über dessen Rand hinweg belustigt an und stellte ihn schließlich geräuschvoll ab.
"Wenn du also glaubst, ich lass zu, dass du dich hier alleine betrinkst, irrst du dich gewaltig. Wenn wir diesen Krug bezwingen, dann gemeinsam!", verkündete er mit gespielt theatralischem Ton, füllte erneut beide Becher nach und musste fast schon ein wenig enttäuscht feststellen, dass auch dieser Krug früher oder später einen Boden aufwies. Der Kampf war sehr viel kürzer ausgefallen, als er erwartet hatte. Zwei gegen einen war aber auch unfair. "War's das?" -
Seneca griff sich die Kanne und stellte sie auf den Kopf. Nur ein paar rote Tropfen entrannen eben jener sodass wenige rote Punkte im Holz entstanden, welche nach kurzer Zeit schon wieder verblassten..
"Das war's." befand der Iunier und ließ die Kanne falsch herum auf dem Tisch stehen.
Der Kampf war vorbei gewesen, und auch wenn es keine Unmengen an Wein waren welche dort heruntergespült worden waren, merkte Seneca die wohlige Wärme und das leicht Taube Gefühl welches der Alkohol in seinem Innersten verursachte..
"Ich denke ich sollte ein wenig schlafen. Ich muss doch morgen ausgeschlafen sein. Vielleicht sollte ich mir noch einen Schlauch Wein für Morgen mitnehmen, man kann ja nie wissen." scherzte der Tribun während er mit seinen Fingern auf den Tisch klopfte..
Sie saßen dort noch kurz bevor sie wieder in die Gassen Roms hinausgingen. Vorbei an den vielen Trunkenden, selbst mehr oder weniger zwei von ihnen, bahnten sie sich den Weg zurück zur Casa...
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