Cubiculum | Claudia Agrippina

  • Das Cubiculum der Claudia Agrippina



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    Kurz nach ihrer Ankunft, wurden ein paar Sklaven damit betraut, der jungen Domina ein Zimmer zu richten.


    Neben einem Bett, welches aus syrischem Zedernholz gefertigt wurde, finden sich hier noch ein passender Schrank aus dem gleichen Material, in dem die feinen edlen Gewänder der jungen Claudia einen Platz finden. Eine Kommode nebst Hocker schließ sich an, sowie eine kleine Sitzgruppe welche durch einen kleinen viereckigen Tisch mit ägyptischen Intarsien komplettiert wird.


    Das Cubiculum verfügt über eine kleine Nebenkammer, in der ihre Amme Eleni unterkommt.

  • Einige Tage nach meiner Ankunft in Rom, hielt ich es für angebracht, meinem Bruder einen Brief zu schreiben:


    Ad
    Manius Claudius Maecenas
    Villa rustca Claudiana
    Eleusis, Achaea


    Liebster Mani,


    du fragst dich sicher, ob dein liebes Schwesterlein wohlbehalten in Rom angekommen ist. Ich kann dich beruhigen, sie ist es!


    ALLERDINGS muss ich mal ein ernstes Wörtchen mit dir reden! Wie konntest du mir nur diesen schrecklichen Menschen auf den Hals hetzen?! Maevius Tullinus raubt mir noch den letzten Nerv. Ständig nörgelt er an mir herum und einen Ehemann hat er auch noch nicht für mich gefunden!
    Stell dir vor, wir waren kürzlich auf dem Sklavenmarkt! Bei dieser Gelegenheit habe ich mich mit frischem Personal eigedeckt. Der Maevius musste unbedingt einen Paedagogus für mich aussuchen. Als ob ich gänzlich unbelesen wäre! Aber das war ja noch gar nicht das Schlimmste! Maevis Tullinus hat diesen armen Kerl entmannen lassen. Dabei hat man ihm irgendetwas abgeschnitten. Ich weiß aber nicht, was. Auf jeden Fall muss es sehr schmerzhaft gewesen sein.


    Kannst du den Maevius nicht unter einem Vorwand zurück beordern? Schreib ihm einfach, seine Olivenhaine seien in Flammen aufgegangen oder seine Frau sei gestorben. Schreib ihm irgendwas! Nur damit er mich endlich zufrieden lässt! Damit hättest du wieder etwa gut bei mit, lieber Mani!


    Apropos etwas gut haben, wie geht´s denn Sempronia? Sie hat sich über meine Abreise sicher gefreut. Oder? Nun hat sie dich ja ganz für sich allein.
    Also ich weiß ja nicht, du bist doch so ein flotter Kerl und entscheidest dich für das unansehnlichste Mädchen der Stadt! Versprich mir, dass du sie zu Hause lässt, wenn du mich demnächst besuchen kommst! Ja?!


    Übrigens Brüderchen, unser Verwandter, der Senator Menecrates, ist ein ganz netter Mann. Ich durfte ihn gleich am Abend unserer Ankunft kennenlernen. Und stell dir vor, in einigen Tagen werde ich ihn auf eine Hochzeit in die Villa Flavia Felix begleiten. Eine gewisse Flavia Domitilla heiratet einen gewissen Tiberius Lepidus. Ich kenne die beiden zwar nicht, doch möchte ich dieses Ereignis als Gelegenheit nutzen, meine Fühler zur feinen Gesellschaft in Rom auszustrecken. Der Maevius meinte natürlich gleich, ich könne mich bei dieser Gelegenheit schon einmal damit vertraut machen, was mir bald bevor stünde. Aus seinem Mund klang das so, als wäre die Ehe etwas Schreckliches. Naja, wenn er den Bräutigam aussucht, dann vielleicht schon.


    Vielleicht treffe ich ja auf dieser Hochzeit auch deinen Freund Flavius Scato. Wie ich dich kenne, hast du ihm bestimmt gleich einen Brief geschrieben, dass ich nach Rom komme. Stimmt´s? Hoffentlich hast du ihm nicht geschrieben, dass ich ihn angeblich früher immer umschwärmt hätte. Das stimmt nämlich nicht!! Wenn er bei uns war, habt ihr mich nämlich immer geärgert. So, jetzt weißt du´s wieder!


    Ich werde dir bald wieder schreiben, um dich auf dem Laufenden zu halten! Bitte grüße Mutter ganz herzlich von mir! Ach ja und denke an den Brief für den Maevius!


    Mögen die Unsterblichen immer bei dir sein!


    Vale bene,
    Dein Pinchen



    Eine Sklavin brachte ihn schließlich zur Poststelle.

  • Auch ich hatte mich mit Eleni in mein Cubiculum zurückgezogen. Nun saß ich an meiner Kommode und blickte in meinen Spiegel. Eleni hatte mir zuvor beim Auskleiden geholfen. Ich wollte diese unbequeme Tunika endlich loswerden und mich dafür in eine etwas weiter geschnittene bequemere einkleiden lassen. Da ich noch die neuen Sklaven erwartete, verzichtete ich natürlich noch auf meine Nachtkleidung.
    Eleni begann die Haarnadeln aus meiner Frisur zu entfernen, so dass Strähne für Strähne meines langen dunkelblonden Haares herabfiel. Nachdem sie auch die letzte Nadel entfernt hatte, griff sie zu einer Burste und begann nun sorgfältig mein Haar zu bürsten. Das tat sie jedes Mal mit einer solchen Hingabe, die fast schon rührend war. Ich war eben immer noch ihr liebes kleines Mädchen, für dass sie wie eine Löwenmutter kämpfen würde, wenn es sein musste. Eleni war auch die Einzige unter den Sklaven, die mich ungestraft mit meinem Namen aussprechen und auf das „Domina“ verzichten durfte.


    [Blockierte Grafik: http://fs1.directupload.net/images/150601/cc3olykt.jpg%20] | Eleni


    „Du hast so schöne Haare, mein kleiner Schatz!“ Das sagte sie immer, wenn sie dabei war, meine Mähne zu bändigen. Doch ich wusste, dass es noch etwas anderes gab, was sie beschäftigte.“Ich hoffe, du wirst hier glücklich werden, mein Kind“, sagte sie plötzlich uns seufzte dabei. Aha, da hatten wir es ja schon!
    „Aber Eleni, warum sollte ich den nicht glücklich werden? Du bist doch immer bei mir.“ Elenis Sorgenfalten verschwanden aus ihrem Gesicht und es schien, als seien ihre Sorgen für den Moment hinfort gefegt worden.
    „Ach mein kleiner Schatz, ich bin so froh, dass mich dein Bruder mit dir geschickt hat.“ Natürlich hatte Maecenas das! Er wusste doch selbst, wie sehr ich an Eleni hing. Manchmal war die alte Sklavin schon etwas sonderbar. Doch natürlich wusste ich, wovor sie sich fürchtete. Es war das, wovor sich jede Mutter fürchtete, wenn ihre Kinder flügge wurden.


    „Was hältst du eigentlich von den neuen Sklaven? Meinst du, ich habe eine gute Wahl getroffen?“ Absichtlich hatte ich unser Gespräch auf ein anderes Thema gelenkt, da ich wusste, wie sehr Eleni der Gedanke grämte, mich eines Tages loslassen zu müssen. Zum Glück ging sie auch darauf ein. Denn ich schätzte ihre Meinung sehr, auch wenn sie für mich nicht immer gut ausfiel.
    „Ach, die beiden Mädchen haben auf mich einen ganz guten Eindruck gemacht. Auch wenn man an ihren Sprachkenntnissen noch etwas feilen muss.“ So oder so ähnlich hatte ich mir das auch gedacht. Die beiden schienen nicht dumm zu sein, auch wenn sie unsere Sprache nicht ganz so perfekt sprachen. Doch mit etwas Übung, konnten diese Makel schnell aus der Welt geschafft werden.

    „Und wie findest du den Orientalen?“ Natürlich interessierte mich ihr Urteil über ihn am meisten. Schließlich jatte er mich eine ganze Stange Geld gekostet. Und erlich gesagt, wusste ich gar nicht, wozu ich ihn eigentlich gebrauchen konnte. Er hatte mir einfach gefallen. Mehr nicht.
    Eleni fing es diplomatisch an. „Ich glaube, Dominus Maevius war ganz schön sauer, als du ihn gekauft hast. Allerdings, muss ich sagen, wird er sich erst noch beweisen müssen, wozu er taugt.“ Ich nickte nachdenklich. „Ja, das wird er wohl…“

  • Auf dem Weg vom Balenum zum Cubiculum der Domina konnte er nicht umhin darüber nachzugrübeln, wozu er hier in Zukunft eigentlich taugen sollte. Und so wie es Naevia gesagt hatte, wusste es die Domina auch nicht. Sie wird entscheiden..., hatte sie gesagt und Onatas seufzte leicht unter diesem Gedanken. Also konnte es immer noch geschehen, dass er als Träger einer Sänfte endete oder als...als... Allzu weit kam er in seinen Überlegungen nicht, denn sie waren angekommen. Noch einmal schaute er zu Nefertiri und der Germanin und folgte Naevia dann in den Raum hinein. Wiederum kam er nicht umhin sich umzuschauen, ehe sein Blick auf die hübsche Domina und die ältere Sklavin fiel. Am besten, er setzte alles daran den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen, weil man ja nie wissen konnte. Er straffte seine Haltung ein wenig und senkte ein wenig den Kopf, auch wenn er seine Blicke nicht von seiner neuen Herrin nehmen konnte. Sie sah anders aus als auf dem Markt oder noch im Atrium. Ihr Haar war nun offen und wallte ihr seidig schimmernd über die Schultern. Es gefiel ihm sehr. Er mochte dunkelblondes Haar. Im rechten Licht konnte glänzen wie Gold. Zum Beispiel in der späten Abendsonne, wenn das Licht diesen ganz besonderen Winkel hatte. Unbemerkt hatte sich ein Lächeln in sein Gesicht geschlichen, doch es verschwand sofort, als er es bemerkte. Nein, es war besser doch auf den Boden zu schauen, was er letzten Endes auch tat.

  • Ich verstummte, als sich die Tür öffnete und Naevia, gefolgt von den neuen Sklaven, eintrat. Meine Neuerwerbungen hatten offensichtlich ein Bad genossen, welches ihnen den Schutz des Marktes von ihren Leibern gespült hatte. Allerdings sahen sie in diesen unförmigen Tuniken nicht gerade attraktiv aus. Besonders mein Orientale sah darin äußerst unscheinbar aus. Doch ihn schien das nicht weiter zu stören. Ganz unverhohlen ließ er seinen Blick von unten heraus auf mir ruhen. Vielleicht glaubte er, ich merke das nicht. Doch da befand er sich schwer im Irrtum. Denn so wie er mich beobachtete, beobachtete ich auch ihn. Auch wenn ich mich hin und wieder den beiden Sklavinnen zu wandte, ging mein Blick doch stets wieder zu ihm. Natürlich fiel mir auch sein leicht angedeutetes Lächeln auf, was ich aber nicht zu erwidern versuchte.


    „Wie ich sehe, hat man euch fürs Erste versorgt.“ Inzwischen hatte ich mich von meinem Stuhl erhoben und umkreiste meine drei neuen Sklaven, um sie noch einmal von allen Seiten genau zu begutachten. Was ich mit den beiden Frauen vor hatte, stand ja von Anfang an fest. Nefritiri würde meine neue Ornatrix werden und Ferun würde ab morgen für die Ordnung und Sauberkeit meiner Räumlichkeiten zuständig sein. Aber Onatas? Was mit ihm geschehen sollte, war mir bis dahin noch ein Rätsel.


    „Nun denn, morgen werde ich mich von euren Fähigkeiten überzeugen können,“ meinte ich zum Abschluss zu den beiden neuen Sklavinnen. „Ihr dürft nun gehen und euch zurückziehen. Naevia wird euch einen Platz in der Sklavenunterkunft zuweisen.“ Damit entließ ich die beiden Sklavinnen, jedoch nicht meinen Syrer. „Halt,“ rief ich ihn zurück, als er bereits beabsichtigte, mit den anderen zu gehen. „Du bleibst noch hier! Ich habe mit dir noch zu reden.“ Bevor ich aber begann, mit ihm zu sprechen, wartete ich noch ab, bis Naevia und die zwei Neuen verschwunden waren.
    Derweil hatte ich wieder auf meinem Stuhl Platz genommen und musterte ihn erst eine Weile. „Was denkst du, sollte ich mit dir anstellen, Onatas?“, begann ich unser Gespräch.

  • Die junge Domina hatte sich erhoben und hatte damit begonnen, sie zu umkreisen und zu bemustern. Onatas hielt ganz still und versuchte den Regungen seiner Herrin nicht mit den Blicken zu folgen. Ja, versorgt waren sie fürs Erste, doch er war auch gespannt, welche Fähigkeiten denn von ihnen erwartet wurden, von denen sie sich überzeugen wollte. Trotzdem nickte er ein wenig und machte sich daran, sich herumzudrehen und mit den anderen den Raum zu verlassen, doch er wurde aufgehalten. Sie wollte mit ihm reden? Nun schaute er seine Domina doch aufmerksam an, während die anderen gen Sklavenunterkunft verschwanden. Was sie mit ihm anstellen sollte? Er neigte seinen Kopf ein wenig, nicht sicher, ob sie tatsächlich eine Antwort erwartete oder ob dies nur eine rein rhetorische Frage war. Doch wie auch immer. Sie musste sich doch mit seinem Kauf etwas gedacht haben. Seine Blicke bekamen etwas Fragendes und ihm fiel beim besten Willen nichts ein, was er hätte zur Antwort geben können. “Nun, das weiß ich nicht, Domina!“, erklärte er ehrlich. “Vielleicht gibt es ja einen Stall oder einen Garten, in dem ich arbeiten kann... ich fege auch das Haus oder...naja...was eben so anfällt...das erledige ich dann.“ Nur bitte nicht als Sänftenträger! Das wäre ihm wichtig, doch über den Punkt schwieg er sich besser aus. Nicht, dass die Domina noch auf dumme Ideen kam, sofern sie denn wirklich nicht wusste, was er eigentlich in ihrem Besitz tun sollte.

  • Vielleicht lag es an meiner Unerfahrenheit, die mich dazu verleitete, glauben zu können, ein Sklave wie er, der erst ein paar Stunden in meinem Besitz war und der wahrscheinlich einen Patrizierhaushalt noch nicht einmal vom Hörensagen kannte, wäre im Stande, mir Rede und Antwort zu stehen. Natürlich war er dazu nicht fähig und wenn doch, dann traute er sich nicht, frei zu sprechen. Was ich ihm aber keineswegs verübelte. Oder aber er wusste es tatsächlich nicht besser und suchte nun selbst nach einer passenden Aufgabe für sich. Ich hörte bereits die sarkastischen Bemerkungen von Tullinus, die er mir, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, unterbreiten würde, ganz gleich ob ich das nun hören wollte oder auch nicht.


    Natürlich gedachte ich meinen neuen Sklaven nicht an den Garten, die Stallungen oder gar für den Hausputz zu vergeuden. Nein, irgenderwas war an ihm, was mich bereits auf dem Sklavenmarkt fasziniert hatte. Ich hätte es nicht beschreiben können, was das war, doch ich spürte, dass es mich auch jetzt wieder ganz unbewusst in seinen Bann zog.
    „Sagtest du nicht, du könntest auch Gedichte rezitieren oder gar verfassen? Du könntest mir als Vorleser dienen und für meine Unterhaltung sorgen.“ Die Tage in der Villa konnten lang werden, wenn man das Haus nicht verließ. Das wusste ich von zu Hause. Besonders leidvoll waren die Tage nach dem Tod meines Vaters und solche, an denen auch mein Bruder nicht zugegen war.
    „Und vielleicht sollte ich dich ausbilden lassen, damit du mich beschützen kannst, wenn ich einmal außer Haus bin.“ Dann hätte Onatas wenigstens auch in den Augen des Maevius eine Daseinsberechtigung.

  • Er hatte so ehrlich geantwortet, wie es ihm möglich gewesen war und eigentlich hatte er auch an nichts anderes denken können, wozu man ihn gebrauchen konnte. Zumindest, wenn es allein nach seinen Fähigkeiten ging, die er nun wirklich nicht sonderlich hoch einschätzte. Doch dann fragte die junge Domina auch schon nach den Gedichten, die er rezitieren oder verfassen könnte. Tatsache, das hatte er auf dem Markt von sich Preis gegeben, doch sah sie ihn wirklich als eine Art Vorleser? Sie würde sich doch dann sehr wundern, wenn er mit seinem dürftigen Können auf diesem Gebiet dann wahrscheinlich wirklich ihre Zeit enorm kurzweilig gestalten würde. Lachen würde sie über ihn! Etwas peinlich berührt schaute er nun zu Boden und seine Kiefermuskulatur spannte sich an. Vielleicht hätte er auf dem Markt den Mund doch nicht allzu voll nehmen sollen. Und wie kam sie auf die Idee, dass er sie beschützen könne? Er war kein Kämpfer, doch wie es schien, wollte sie ihn ausbilden lassen. Unwillkürlich schnappte der Sklave nach Luft. Beschützer trugen dieser Tage eine große Verantwortung und er war sich noch nie sicher gewesen, ob er einer solchen Herausforderung gewachsen war. Am Ende ging immer etwas schief oder lief fürchterlich aus dem Ruder.


    “Domina, ich...,“ begann er dann etwas hilflos. Ja, was sollte er nun sagen? Dass er zu all dem nicht wirklich taugte und letzten Endes doch am liebsten tatsächlich eine unverfängliche Beschäftigung im Garten haben würde? Das wäre gewiss ein ganz falscher Ansatz. Oder? “...Ich kenne mich wirklich nicht gut mit Gedichten aus...also ja, ich schreibe welche, aber ich lese so selten welche, weil... die große Poesie ist mir... also sie ist... mir ein wenig fern, aber wenn es dein Wunsch ist, dann werde ich sie natürlich lesen. Auch laut. Und bestimmt würde aus mir auch ein guter Leibwächter werden, mit ein wenig Glück... ich meine Übung... und es ehrt mich sehr, dass du dieses Potential in mir siehst. Aber ich gebe mich auch gerne mit einer Tätigkeit im Garten-, oder wahlweise dem Küchenbereich zufrieden... also... sofern das auch dein Wunsch...also ...wäre...ja...“ Etwas verstohlen hob er nun wieder den Blick und hoffe, dass er sich nicht um Kopf und Kragen geredet hatte. Doch wie sollte das sein? Außer Gestammel hatte er ja nicht wirklich etwas von sich gegeben. “Domina, sieh...Tatsache ist, dass diese Hände...“ Er hob sie gleich einmal ein wenig an, um sein folgendes Anliegen zu unterstreichen, “...noch nie eine Waffe gehalten haben oder mit jemandem im ernsthaften Sinne gerungen haben.“ Nein, wirklich nicht. Eigentlich hatte er nur des öfteren mit Worten gerungen, oder mit der eigenen Beherrschung.

  • Ich hätte ja mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass mich der Sklave auf dem Markt schamlos angelogen hatte! Oder hatte ich dort nur gehört, was ich hören wollte?
    Anfangs stotterte er noch herum, als wolle er die richtigen Worte finden, was ich im Anbetracht der Situation auch nicht als besonders tragisch erachtete. Dann aber versuchte er Sätze zu formen und was ich dadurch erfuhr, verärgerte mich ein wenig, doch gleichzeitig empfand ich es auch höchst amüsant, wie er sich, einem Fisch gleich, der ins Netzt gegangen war, umher wand.


    „So ist das also!“, rief ich und bedachte Onatas mit einem strengen Blick. „Und du bist der Meinung, du taugst nur dazu, im Garten in der Erde herumzuwühlen oder um schmutziges Geschirr zu säubern? Und dafür habe ich ein kleines Vermögen springen lassen? Das kann unmöglich dein Ernst sein!“ Noch immer lastete mein Blick auf ihn, auch während ich nun schwieg. Wieder erhob ich mich von meinem Stuhl und begann, ihn mit gebührendem Abstand zu umrunden. So ließ ich ihn eine ganze Weile zappeln und blieb dann direkt hinter ihm stehen.
    „Als ich mich heute Morgen zum Markt aufmachte, hatte ich ganz und gar nicht das Bedürfnis, einen Sklaven für den Garten zu kaufen! Du verstehst also, dass ich deiner Bitte nicht nachkommen kann.“ Wieder schwieg ich und umrundete ihn dann zur Gänze, so dass ich mich wieder direkt vor ihm fand. „Aber du sagtest soeben, du schreibst selbst Gedichte. Dann lass mal hören!“ Ich nahm wieder auf meinem Stuhl Platz und schlug die Beine übereinander. „Nun, fang an!“, gebot ich ihm und harrte dem, was nun kam.


  • Manius Claudius Maecenas
    Villa Rustica Claudiana
    Eleusis • Achaia


    Ad
    Claudia Agrippina
    Villa Claudia
    Roma
    Italia




    Salve, meine liebes Pinchen!


    Ich danke dir vielmals für dein Schreiben. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, endlich Nachricht von dir erhalten zu haben. Deine Zeilen lassen erahnen, dass du bereits dabei bist, Rom mit deinem sonnigen Temperament zu beglücken. Deine liebenswert bescheidene Art dürfte schon jetzt eine enorme Bereicherung für die Römische Gesellschaft darstellen, daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Verzeih, wenn ich diese Worte mit einem Schmunzeln schreibe, aber den von mir lang ersehnten Brief gleich mit einer Beschwerde über Maevius Tullinus einzuleiten, ist so typisch für dich, dass ich dergleichen fast schon erwartet habe.


    Es ist mir schon klar, dass Tullinus nicht gerade das ist, was du dir unter einem amüsanten Gesellschafter vorstellst, aber sein Unterhaltungswert war auch nicht der Grund, ihn dir an die Seite zu stellen. Cnaeus Maevius Tullinus ist ein hochanständiger Mann, der unserer Familie seit Jahrzehnten in unumstößlicher Loyalität verbunden ist. Es mag ja sein, dass er seine ganz eigene Auffassung von Humor hat und davon, was für eine junge Frau deines Standes gut ist. Ich für mein Teil verlasse mich auf seine Lebenserfahrung, und das solltest du ebenfalls tun. Über die von ihm veranlasste Entmannung der erworbenen Sklaven brauchst du dir keine unnötigen Gedanken zu machen. Das ist durchaus üblich und dient der Veredelung der Ware. Tullinus weiß schon, was er tut. Genau deshalb ist er bei dir. Du darfst bei all deinen Vorbehalten ihm gegenüber eines nicht vergessen: Maevius Tullinus hat Familie und Geschäfte in Achaia zurückgelassen, um seinem Patron einen großen Dienst zu erweisen. Wir haben ihm dafür Respekt zu zollen. Du schreibst, er habe noch keinen Ehemann für dich gefunden? Nun, das will ich ihm auch geraten haben! Was die Eheanbahnung betrifft, hat Tullinus die Aufgabe, das Angebot an Kandidaten zu sondieren, nicht mehr und nicht weniger. Es würde mir nicht im Traum einfallen, die Wahl deines künftigen Gatten einem Maevier zu überlassen, so untadelig er auch sei. Da hat dein besorgter Bruder noch das eine oder andere Wörtchen mitzureden.


    Bevor du nun aber in finsteres Brüten verfällst, habe ich auch noch eine gute Nachricht in Sachen Tullinus. Du wirst ihn nur noch eine Weile ertragen müssen, da ich beabsichtige, ihm die Verwaltung unserer Güter anzutragen. Zwar sind mir in den vergangenen Wochen mehrere angeblich äußerst fähige Männer empfohlen worden, aus Gründen, die ich hier nicht weiter darlegen will, vertraue ich allerdings keinem davon. Also habe ich mich für Tullius entschieden. Er weiß, worauf es ankommt, kann auf eine lange Erfahrung in der Gutsverwaltung zurückblicken und wie ich ihn kenne, wird er nicht zögern, sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe zu stellen. Vorausgesetzt, du kannst tatsächlich auf seine Anwesenheit in Rom verzichten. Aber nach dem zu urteilen, was du über unseren Onkel Menecrates schreibst, scheinst du bei ihm in sehr guten Händen zu sein und Scato ist schließlich ist auch noch da. Du hast übrigens richtig vermutet, selbstverständlich habe ich meinem alten Freund von deinem Kommen unterrichtet, und er freut sich schon darauf, dich wieder zu sehen. Keine Sorge, deine Zuneigung für ihn, die du in deinem Brief so vehement bestreitest, war natürlich nicht Gegenstand unserer Korrespondenz. Trotzdem möchte ich dich bitten, ihm gegenüber stets eine gewisse wenn auch freundschaftliche Distanz zu wahren. Gerüchte werden ohnedies entstehen, man braucht sie nicht auch noch zu befeuern.


    Nun zu deinen warmen Worten meine Verlobte betreffend. Meinst du nicht, es wäre langsam an der Zeit, den Giftkelch auszuschütten? Meine aufrichtig geliebte Pina, Sempronia Attica kann mir niemals meine Schwester ersetzen, eben so wenig wie dein künftiger Gatte jemals deinen Bruder wird ersetzen können. Wie du sehr wohl weißt, ist dieses Verlöbnis von unserem Vater in die Wege geleitet worden, und der hatte seine Gründe, Matienus’ älteste Tochter für mich auszuwählen. Mit deinem Liebreiz kann sie es freilich nicht aufnehmen. Wer kann das schon? In unseren Kreisen ist Attraktivität aber nun mal kein ausschlaggebendes Kriterium für eine Vermählung. Verbindungen allein aus niederen Instinkten heraus wollen wir doch auch künftig der Plebs überlassen. Obgleich mir völlig klar ist, dass ihr beiden wohl niemals Freundinnen werdet, appelliere ich an dich als die Schönere und Klügere, etwas mehr über den Dingen zu stehen und Attica wenigstens als eine Art entfernte Verwandte zu betrachten. All zu oft werden sich eure Wege ohnehin nicht kreuzen. Zu meiner Reise kann ich selbstredend nur ohne sie aufbrechen, du darfst meinem Kommen also ganz gelassen entgegen sehen. Es wäre schlechterdings undenkbar, mit Attica zu verreisen, bevor wir verheiratet sind. Um den Rahmen der Schicklichkeit zu wahren, müsste uns zumindest Sempronius Matienus begleiten, und darauf lege ich nun wirklich keinen gesteigerten Wert.


    Bedauerlicherweise kann ich dir momentan nicht mit dem von dir so geschätzten neuesten Tratsch aus der feinen Gesellschaft dienen, da ich seit den Kalenden des Iunius nicht mehr in Athen gewesen bin. Die Folgen eines verheerenden Gewittersturmes werden mich voraussichtlich auch noch die nächsten paar Tage in Eleusis festhalten, aber spätestens zu den Nonae Capratinae werde ich zu Mutter zurückkehren. Es geht ihr ausgesprochen gut, und wenn ich ihr erst deinen lieben Gruß übermittle, wird es ihr noch weit besser gehen. Du fehlst ihr sehr. Manchmal, wenn du ihr zu sehr fehlst, kann ich eine unausgesprochene Anklage in ihren Augen lesen. Trotz aller Einsicht in die Notwendigkeiten macht sie es mir doch insgeheim zum Vorwurf, dich nach Rom geschickt zu haben, obwohl ihr sicher klar ist, dass Vater dasselbe getan hätte. Wie auch immer, spätestens an deiner Hochzeit werdet ihr euch wiedersehen. Bis dahin wirst du leider mit deinem langweiligen Bruder vorlieb nehmen müssen, der sich auf die Reise begeben wird, sobald hier alles geregelt ist.


    In meinem Schreiben an Maevius Tullinus werde ich ihn bitten, so bald er es verantworten kann, nach Achaia zurückzukehren, um die Geschäfte zu übernehmen. Ertrage ihn einstweilen mit Langmut und vertraue dich nach Tullinus’ Abreise dem wohlwollenden Schutz unseres Onkels an. Überbringe bitte der Familie, vor allem Senator Menecrates die allerherzlichsten Grüße von mir und versuche, ihm nicht all zu sehr auf die Nerven zu fallen. Warte lieber, bis ich eintreffe. Ich bin das schließlich gewohnt und kann damit umgehen.


    Viel mehr gibt es für den Moment nicht zu sagen. Gib gut auf dich acht, mein Pinchen. Sei schlau und besonnen und vergiss bei allen Verlockungen und Zerstreuungen der Urbs Aeterna niemals unseren Wahlspruch.



    Mögest du stets unter dem gütigen Segen der Götter wandeln!
    Dein dich schmerzlich vermissender Mani.


    Der Brief meines Bruders, der mich vor einigen Tagen erreicht hatte, lag noch offen auf meinem Schreibtisch herum. Wie immer hatte ich ihn mehrmals hintereinander gelesen. Vielleicht geschah dies aus aus der Sehnsucht nach meinem Bruder heraus. Jeder seiner Briefe war wie eine kleine Kostbarkeit für mich. Und dieser hier war etwas ganz besonderes! Denn noch immer ich konnte mein Glück kaum fassen. 'Mani' hatte mir endlich diesen miesepetrigen Maevius Tullinus vom Hals geschafft. Heute Morgen war er abgereist, um sich in Achaia seinem neuen Amt zu widmen, welches Maecenas für ihn vorgesehen hatte.


    Nun galt es, ihm so schnell wie möglich zu danken. Ich wusste gar nicht, wie ich meine Freude in Worte fassen sollte. So glücklich war ich! Endlich frei! Endlich niemand mehr, der mich ausspionierte und mir jede kleine Freude verdarb. Nein, diese Zeiten waren nun vorbei. Nun konnte nur noch alles besser werden, so dachte ich, ungeachtet dessen, dass das Schicksal bereits wieder zugeschlagen hatte – wovon ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen konnte.
    „Allerliebster Mani….“ begann ich meinen Brief. Der Federkiel kratzte bei jeder Letter, die ich auf dem Papyrus auftrug. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich du mich gemacht hast….“


    Plötzlich öffnete sich die Tür. Es war Eleni die eintrat. In ihrer Hand trug sie eine weitere Papyrusrolle, die mit dem mir wohlbekannten Siegel aus Achaia versehen war. Ein wenig kräuselte ich die Stirn. Sollte mir mein Bruder etwas noch einen weiteren Brief geschrieben haben? Offenbar war seine Sehnsucht nicht minder groß als meine.
    „Noch ein Brief von meinem Bruder?“ fragte ich Eleni und legte den Federkiel beiseite. Meine alte Kinderfrau lächelte und zuckte leicht mit den Schultern. Dann reichte sie ihn mir. Sofort brach ich das Siegel und öffnete den Brief. Mir fiel gleich auf, dass es nicht seine Schrift war. Meine Augen wanderten sofort zum Ende des Briefes. Ich erkannte die Unterschrift unserer Stiefmutter.
    Ein wenig seltsam kam es mir schon vor, von ihr zu hören. Umso gespannter war ich darauf, zu erfahren, was sie mir mitteilen wollte. Also begann ich zu lesen. Schnell begriff ich die Ernsthaftigkeit ihrer Zeilen. Die Freude wich in Sekundenschnelle aus meinen Gesichtszügen. Unmerklich wurde ich blass. Tränen schossen mir in die Augen, als ich begriff, war zart und zerbrechlich doch ein Leben sein konnte und dass seines zerstört worden war. Ein Unfall, so schrieb meine Stiefmutter…
    Der Brief glitt aus meiner Hand und ich stürzte mich auf Eleni, um mich, so wie früher, bei ihr auszuweinen…

  • Ja, genau so war das. Nur zaghaft begegnete er dem gestrengen Blick, der ihm auferlegt wurde. Es war offensichtlich, dass die Worte die er gewagt hatte hervor zu stottern seiner neuen Herrin nicht gefielen. Aber was um alles in der Welt hätte er sonst sagen sollen? Er war nun einmal ein Stallbursche gewesen und hatte sich auch ein wenig um die Pflege seines alten Herrn gekümmert, ehe dieser sich durch die Pforten der Unterwelt auf und davon gemacht hatte. Außerdem konnte er ja nichts dafür, dass er Sklavenhändler einen horrenden Preis für ihn verlangt hatte. Onatas schaute sich auf dem Boden um, denn die Blicke, die ihn noch immer trafen ob der Entrüstung der Claudia waren alles andere als angenehm. Sie hatte also kein Bedürfnis nach einem Sklaven gehabt, der im Garten seiner Beschäftigung nachging? Was wollte sie dann? Offenbar schien sie es selbst nicht recht zu wissen, oder täuschte das nur? Immerhin sollte er ihr ja erzählen, was er nun tun sollte in diesem Haushalt. Sie umrundete ihn und nur flüchtig wagte es der Sklave zu ihr hin zu spähen. Man kam sich schon ein wenig so vor wie ein Beutetier, das alsbald genötigt wurde zu erklären, mit welchen Gewürzen bestückt es über der Flamme gebraten werden wollte. Ja, und nun sollte er auch noch anfangen und eines seiner Gedichte zum Besten geben? Onatas schluckte und biss sich flüchtig auf die Unterlippe. Er liebte zwar das Dichten, was aber nicht bedeutete, dass es sich bei seinen Werken um höhere Kunst handelte. “Nun... ich... also... ich...“, begann er ein wenig hilflos, doch es war abzusehen, dass ihm diese neuerlichen Worte auch wieder nichts bringen würden. Außer Ärger verstand sich. Ein Gedicht... ein Gedicht... “Ahm...gut... ja... ich....“ Onatas räusperte sich ein wenig. “Ich fange dann mal an... es ist ein Gedicht über den... also...Winter...ja...“


    Seine Blicke suchten seine neue Herrin und irgendwie mussten eben diese Blicke erscheinen wie jene eines verstörten Hundes, der bemerkt hatte, dass er es auf dem Schoß des falschen Herrn bequem gemacht hatte. Onatas räusperte sich und betrachte sich wieder die Steinfliesen vor sich.


    “In der kalten Jahreszeit lässt es sich gut leben,
    an warmer Flamme eingepackt, auch spinnen und auch weben.
    Die Blätter an den Bäumen fehlen,
    muss man durch den Schnee sich quälen
    in früher Nacht
    die Kälte lacht...
    ahm...
    und wenn … und wenn...“


    Onatas atmete tief durch, wohl wissend, dass seine Kunst wohl niemanden vom Stuhl fegen würde. Hastig atmete er noch einmal durch. “Oder ich nehme dieses....Die Blume!“


    Er kramte noch einmal in seinem Gedächtnis.


    “Die Knopse knospt in stiller Mühe,
    zu bringen Frühjahrsfrieden,
    doch kam dann schnell 'ne Herde Kühe
    und trampelt sie zur Erde nieden.
    So liegt den viele schöne Blüte
    in des Schicksals ewiger Güte.“


    Er blinzelte ein wenig und suchte zaghaft den Blick seiner Herrin, um zu schauen wie sie nun reagieren würde.

  • Mein fordernder Blick lag nun auf Onatas, meinem selbsternannten Dichtersklaven. Durch meine Forderung hatte ich ihn sichtlich aus der Fasson gebracht. Schwerfällig begann er nun nach Worten zu suchen. Vielleicht wurde ihm ja nun auch nur selbst bewusst, dass er seinen Mund ein wenig zu voll genommen hatte. Wenn dem so war, was sollte ich dann tun? Ihn bestrafen, weil er mich zum Narren gehalten hatte? Und wenn ja, womit? Nur ungern wollte ich ihm weh tun, denn irgendetwas, ich konnte es gar nicht recht in Worte fassen, fühlte ich in meinem Innersten. Keine Frage, der Sklave hatte mir von Anfang an gefallen! Sonst hätte ich für ihn wohl kaum eine Unsumme an Geldstücken für ihn bezahlt. Doch wie mir nun langsam bewusst wurde, waren es nicht nur die Äußerlichkeiten, die mich an ihm entzückten. Nein, da war mehr, ein ganzes Stück mehr. Seltsame Gefühle empfand ich, als hätten geheime Mächte mich verzaubert. Es war so ähnlich wie die Vorliebe für ein geliebtes Spielzeug oder für einen Hund mit weichem Fell und feuchter Nase. Ja, so war es wohl, ein Spielzeug! Aber im Gegenzug zu meinen Puppen war dieses Spielzeug sehr lebendig, was den Reiz an ihm nur noch um ein Vielfaches vergrößerte.


    Letztendlich folgten seinem Stottern und Räuspern, zwar noch immer zögerlich, ein paar zusammenhängende Worte. Ein Gedicht über den Winter! „Aha“, entgegnete ich gespannt. Mehr wollte ich sein Vorhaben nicht kommentieren, um ihn nicht noch mehr zu verunsichern. Lediglich nickte ich ihm nun aufmunternd zu, um tatsächlich noch in den Genuss seiner dichterischen Ergüsse zu gelangen.
    Endlich gelang es dann auch Onatas, sein Unbehagen soweit auszublenden, um beginnen zu können. Noch lächelte ich gespannt, als er begann, jedoch schwand ganz allmählich mein Strahlen, indem sich meine Wangenknochen der Schwerkraft unterwarfen und ich zu guter Letzt nur noch mit einem offenen Mund da saß. Das änderte sich auch nicht, als er sich über die über die Blume ausließ.
    „Äh ja…“ Begann nun ich recht unbeholfen. „Das war einfach…äh…“ grauenhaft! „... wunderbar“ hörte ich mich nur sagen. Wunderbar?! Das sollte daran denn wunderbar gewesen sein? Hätte ich mich in diesem Augenblick im Spiegel betrachten können, hätte ich ein seltsam anmutendes Lächeln entdecken können. Was war nur mit mir los?

  • Er blickte noch ein wenig bekümmert drein, denn er wusste genau, dass es sich keineswegs um große Dichtkunst handelte die soeben über seine Lippen gekommen war. Seine Kunst war dürftig und bisher hatte es ihm auch massiv an Vorbildern ermangelt. Doch woher sollte man an höhere Poesie kommen, wenn man in einem Stall arbeitete und tagein, tagaus Mist schaufelte? Es war ja gar ein Wunder, dass ihm der Sinn für das Dichten nicht gänzlich abhanden gekommen war unter seinem Herrn, dem greisen Batidius Denter. Nun denn, was sollte es schon. Seine neue Domina hatte es wissen wollen und nun wusste sie es eben. Onatas schluckte, als sie die erste unbeholfene Äußerung zu seinen Künsten tätigte, ehe dann ein zaghaftes wunderbar ertönte. Sie lächelte sogar und mit einem Mal tat es der Sklave ihr gleich, denn es war schön zu wissen, dass sein Werk bei einer hübschen Dame angekommen war. Ob nun seine Herrin oder nicht. Er rührte sich ein wenig an dem Platz, an dem er stand und musste sich eingestehen, dass es doch sehr gut war, eine Freude gemacht zu haben. “Danke, Domina! Ich habe es in meiner Freizeit gedichtet,“ erklärte er dann. “Nun ja, auch wenn ich nicht viel davon hatte. Also Freizeit. Aber wenn es dir eine Freude macht, so kann ich mich in Zukunft bemühen, noch bessere Gedichte zu verfassen…vielleicht über die Liebe, oder die Anmut der Frauen, oder über den Herbst, das Haus oder vielleicht sogar … die Kraft der Pferde…, wenn es dir gefällt.“ Ihm würde es jedenfalls gefallen. Doch das tat ja nichts zur Sache. Noch war nicht geklärt, welche Aufgaben ihm denn in diesem Haus zukommen würden. “Aber darf ich fragen, Domina, wie ich dir nun in Zukunft dienlich sein kann?“ Eigentlich hoffte er ja, dass sie von ihrem Plan ablassen würde, ihn als Wächter einzusetzen. Würde sie das allerdings doch tun, so hätte er wohl keine andere Wahl als die Künste der Verteidigung zu erlernen und sich obendrein noch ein wenig körperlich zu ertüchtigen.

  • Eines musste man dem Sklaven lassen, er hatte eine gesunde Selbsteinschätzung. Auch wenn ich gerade das Gegenteil behauptet hatte und ihn in den Himmel gelobt hatte. Aber da er es nun ja schon selbst erwähnte, begann ich beipflichtend zu nicken. „Sagen wir es einfach mal so, Onatas. Du bist so etwas wie ein ungeschliffener Edelstein. Um dein wahres Können, deine wahre Schönheit zu offenbaren, muss man dich erst noch formen.“ Das war wohl gesprochen, aber wie genau sollte man ihn formen, beziehungsweise formen lassen? Sollte ich ihn etwa auf eine Schule schicken, damit er das Dichten von der Pieke auf lernte? Doch dann fiel mir sein dezenter Hinweis auf seine Freizeit wieder ein. Nun ja, Freizeit war nicht unbedingt das, was ein Sklave en masse hatte. Dennoch war ich bereit, sie ihm in Maßen einzuräumen. Natürlich würde ich diesen Freiraum nicht als Freizeit deklarieren. „Also gut, neben deinen Pflichten, dich um mein Wohlergehen und meine Sicherheit zu kümmern, wirst du dich von nun an kundig machen. Die Villa verfügt über eine ganz passable Bibliothek. Dort wirst du von nun an…“ Staub wischen? Nein! „…die Dichtkunst studieren. Dort hast du Gelegenheit, dich einzulesen und …dich inspirieren zu lassen.“ Die letzten Worte sprach ich mit einem erwartungsvollen Grinsen. Dann versuchte ich in der Mimik meines Sklaven herauszulesen, wie ihm diese Anweisung wohl schmeckte. Erst eine Weile später fuhr ich weiter fort. Denn ich wollte meinen „orientalischen Smaragden“ auch noch in eine andere Richtung formen lassen.
    „Nun, wie du dir sicher denken kannst, ist es nicht nur wichtig, deinen Geist zu fördern, sondern auch deinen Körper. Damit du mir tatsächlich so dienen kannst, wie ich es wünsche, wirst du dich an Gundalf wenden. Er wird dich ertüchtigen und dir alles beibringen, was ein guter Custos wissen muss.“ Gundalf war einer jener Custodes, die mit mir nach Rom gekommen waren. Eigentlich hätte er den Maevius wieder zurück nach Achaia begleiten sollen, doch auf dessen Drängen war er hier geblieben. Der Germane war ein riesenhafter Hüne, der zwar über eine Menge Muskeln jedoch über wenig Hirn verfügte. Alleine schon seine Erscheinung schlug so manchen Angreifer in die Flucht. Doch Onatas würde von ihm nichts zu befürchten haben, solange Gundalf ihn als seinen „Freund“ ansah.

  • Offen und noch im lächelnd hatte er seiner neuen Herrin entgegen geschaut, doch ob ihrer Worte hin hatte er eine Augenbraue angehoben und seine Miene bekam einen leicht nachdenklichen Ausdruck. Wie sollte er denn ihre Aussage einschätzen, dass er ein ungeschliffener Edelstein wäre? Hatte ihr seine Darbietung doch nicht gefallen? Immerhin wäre es kein Wunder und er hatte ja auch nie wirklich behauptet ein Homer zu sein, auch wenn er vielleicht zuvor ein wenig zu dick aufgetragen hatte. Aber 'Formung'? Das klang nach wirklich harten Mühen und Anstrengungen in der Zukunft und es war doch obendrein ein Zeichen, dass – so wie er war – die Herren nun doch nicht recht froh mit ihm war. Aber was sollte er schon dagegen tun, außer sich in der kommenden Zeit anzustrengen und eben zu einem reinerem Schliff zu gelangen? Nichts weiter. Naja. Zumindest nichts mehr, aber gewiss auch nichts weniger. Also die junge Domina dann allerdings meinte, dass er sich kundig machen sollte, konnte es Onatas nicht recht glauben. Er sollte in eine Bibliothek? Seine Augen weiteten sich ein wenig, doch er nickte schlicht auf dieser Worte hin, während ein ehrliches Strahlen seine Augen erreichte. Er durfte hier die Dichtkunst studieren? Das ließ ja fast vergessen, dass er wohl zugleich die Rolle als Custos aufgebürdet bekam, der er sich noch immer nicht recht gewachsen fühlte. Nur sollte er seiner neuen Herrn von seinen Selbstzweifeln diesbezüglich berichten? Besser wäre es wohl nicht. Besser wäre es, wirklich zu besagtem Gundalf zu gehen und sich einige Tricks und Kniffe zur Verteidigung eines anvertrauten Gutes beibringen zu lassen. Hadern und zittern würde er dann immer noch können, wenn es so weit war. “Ich werde mich sehr bemühen, Domina!“, sagte er auch sogleich. “Ich werde mich in jeder Hinsicht die du von mir verlangst ertüchtigen und… kräftigen und du wirst keinerlei Anlass haben zu bereuen, dass du mich in dein Haus… ich meine in dieses Haus… ich meine…“ Nun, nachdem er den Faden verloren hatte, rang er tief nach Atem, seufzte einmal aus und begann von Neuem: “Danke für die Möglichkeit, die Dichtkunst studieren zu dürfen! Das war mir bisher noch nie vergönnt gewesen. Und ich verspreche dir, dass du dich unter meiner Wachsamkeit mehr als nur sicher und geborgen fühlen kannst. Ich werde Gundalf so schnell es geht aufsuchen!“ Und schon wieder sprach er Worte aus, die er im Nachgang sicherlich eventuell bereuen würde, doch war sie nicht so? Die Dankbarkeit? Wie heißer, stürmischer Wind, der jede Menge Staub vor sich her trieb, nur um dann irgendwann zu versanden? Aber so sollte es nicht werden. Er war wirklich aufrichtig dankbar und er nahm sich fest vor, die auch in Zukunft unter Beweis zu stellen. “Kann ich sonst noch irgendetwas für dich tun, Domina?“, wollte er dann wissen.

  • Neptun hatte uns eine ruhige und unspektakuläre Überfahrt beschert. Wie schon mein ganzes Leben, begleitete mich auch dieses Mal meine gute alte Amme Eleni. Nachdem mein getreuer Onatas vor einigen Monaten einer furchtbaren Krankheit erlegen war, hatte ich mir einen neuen Leibwächter zulegen müssen.


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    Creton, ein grimmig dreinblickender und muskelbepackter Skythe, schüchterte bereits jeden der ihm in die Quere kam durch seine gigantische Erscheinung ein. In seinem früheren Leben, so hatte man mir auf dem Markt berichtet, sei er ein erfolgreicher Gladiator gewesen. Auch wenn ich mich in seiner Umgebung stets in Sicherheit wiegen konnte fehlte mir doch sehr meinen guten Onatas, der mir zuletzt fast wie ein guter Freund gewesen war. Ich vermisste die geistreichen Gespräche, die wir an manchem Abend geführt hatten.


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    Dann war da noch Eirene, eine kleine unscheinbare Makedonin, die sich um meine äußere Erscheinung kümmerte. Ich hatte sie aus meinem Haushalt in Athen mitgebracht. Mein verblichener Gatte hatte sie mir zur Hochzeit geschenkt.


    Unsere kleine Reisegesellschaft war in Brundisium an Land gegangen und hatte von dort aus den Weg nach Rom mittels eines Wagens zurückgelegt. Nachdem wir die Stadtgrenze der urbs aeterna erreicht hatten, hatte Eleni für mich eine Mietsänfte besorgt, die mich bis zur Villa Claudia bringen sollte. Meine Sklaven hielten sich in meiner unmittelbaren Umgebung auf, auf dass mir nichts Böses geschehe. Durch den dünnen Schleier der Sänfte zog die Stadt an mir vorbei. Hätte Fortuna nicht ein solch abscheuliches Spiel mit mir gespielt, wäre mir bei diesem Anblick sicher das Herz aufgegangen. Doch ich vermied es, eine Gefühlsregung zu zeigen. Ich wollte nur zur Villa Claudia – mehr nicht!
    Zielsicher hatten mich die Träger der Mietsänfte zum Eingang meiner römischen Heimstadt gebracht. Eleni hatte sich an der Tür bemerkbar gemacht und meine Ankunft angekündigt. Dann ging alles sehr schnell. Es hatte keine Stunde in Anspruch genommen, bis dass ich wieder in meinem alten Cubiculum wiederfand. Alles sah so aus, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich es verlassen hatte.

  • Der Winter war eingekehrt und mit ihm waren die Saturnalien immer näher gerückt. Einst hatte dieses Fest eine große Bedeutung für mich – damals in Eleusis, als mein Bruder und ich noch klein waren. Vater hatte jedes Jahr ein opulentes Fest ausgerichtet, bei dem die Freunde der Familie, seine Geschäftspartner, sowie Klienten und natürlich die ganze Sklavenschaft eingeladen waren. Letztere hatten stets noch monatelang danach davon schwärmen können. Seit jedoch Vater und kurze Zeit später mein Bruder von mir gegangen war, war die Zeit um die Saturnalien für mich immer zu einer sehr schwierigen Zeit geworden.


    Dieses Jahr jedoch sollte dies anders werden. Zumindest wollte ich die Feiertage nicht allein verbringen. Doch wen sollte ich nur einladen. Ich sann über meine Bekanntschaften nach, die ich zuletzt seit meiner Rückkehr gemacht hatte. Da fiel mir nur der Iulier ein, den ich im Pompeiustheater und bei dem Rhetorenwettstreit getroffen hatte. Vielleicht sollte ich diese Bekanntschaft ausweiten um auf kurz oder lang wieder Anschluss in der römischen Gesellschaft zu finden. Letztendlich war der Iulier in diesem Haus kein Unbekannter, denn wie er mir sagte, kannte er meinen Onkel und hatte auch schon mit ihm zusammengearbeitet. Doch natürlich ziemte es sich nicht für mich, mir einen unverheirateten Mann einzuladen. Also entschied ich, auch seine Verwandten einzuladen, deren Bekanntschaft ich ja zum Teil auch bereits machen konnte.


    Also setzte ich an meinen Schreibtisch und ließ mir von Eleni ein Stück Papyrus und Tinte reichen, um einen Brief zu schreiben. Nachdem das Schreiben mit meinem Siegel verschlossen war, ließ ich Creton rufen, der den Brief zu den Iuliern bringen sollte. Nach Möglichkeit sollte er nicht ohne eine Antwort zurückkehren.

  • Die Morgenfrische hatte ich für einen Spaziergang im Hortus genutzt. Als ich wieder zurückkam, lag ein Brief auf der Kommode. Neugierig schaute ich nach dem Siegel. Nein, es war nicht das Iulische! Es war das der Aurelia. "Nanu, wer schreibt mir da?", sagte ich eigentlich mehr zu mir selbst. Auch Eleni konnte mich in diesem Moment keines Besseren belehren. Also öffnete ich rasch den Brief und las laut vor:


    Ad. Claudia Agrippina


    Salve Agrippina,
    ich hoffe es geht dir gut und du kannst nicht über Langeweile klagen.
    Ich bin für eine Weile in der Urbs da mich gute Neuigkeiten hierher brachten.


    Ich hoffe das wir uns bald wieder sehen. Wenn du Zeit und Muse hast komm mich doch besuchen, die Villa steht fast leer der Rest der Familie ist noch in der Sommerfrische auf dem Land.


    Sim-Off:

    Gern kann auch Claudia Aquilina oder Claudia Livineia mitgebracht werden.



    liebe Grüße
    Dursilla


    "Aurelia Drusilla… Aurelia Drusilla…" ,sinnierte ich laut. "Kennen wir eine Aurelia Drusilla. Eleni?" Die alte Sklavin musste selbst einen Augenblick nachdenken, da ihr der Name auch nicht sofort geläufig war. "Wenn ich mich nicht irre, hast du sie bei deinem letzten Aufenthalt getroffen. Vielleicht bei einer Festlichkeit. Ich bin mir nicht sicher." Jetzt war ich doch etwas ratlos, wenn sich selbst Eleni nicht genau erinnern konnte. Andererseits war dies eine gute Möglichkeit, sich wieder den Weg zurück zur feinen Gesellschaft Roms zu ebnen. "Was meinst du, soll ich die Einladung annehmen?", fragte ich Eleni, obwohl ich die Antwort ja bereits schon kannte. Die Sklavin zuckte mit den Schultern. "Ja, warum nicht. Du hast in den nächsten Tagen keinerlei Verpflichtungen," meinte sie. Also beschloss ich, der Aurelia am nächsten Tag einen Besuch abzustatten.

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