Die Cousine und die Liebste: Ein Kennenlernen

  • Avianus lehnte sich endlich zurück, war dabei immer noch ein wenig neben der Spur. Er war froh darüber, dass Axilla ein wenig mit Sibel über die Hochzeit sprach, sodass er nur weiterhin glücklich zu Lächeln und hier und da zu nicken brauchte. Außerdem hatte er ja von Hochzeiten gar keine Ahnung. Nur einmal räusperte er sich leise und wollte kurz etwas sagen … Sibel war sehr wohl schon auf einer Hochzeit gewesen. Auf Senecas und Seianas. Ehe er es ausgesprochen hatte, kam ihm in den Sinn, dass Axilla vielleicht noch gar nichts davon wusste, dass die Ehe inzwischen geschlossen war. Und das jetzt sicher kein geeigneter Augenblick war, das zur Sprache zu bringen. So schwieg er also, und blickte einen Moment lang betreten in die Runde. "Ja … nein, klar. Ein Vertrag … gute Idee. Und der Consular … das kriege ich hin", schwafelte er einfach irgendetwas und trank einen Schluck Wein. Bei den Göttern, das würde noch etwas werden, wenn er mit Axilla über das Gespräch mit Seiana redete. Aber ganz sicher nicht jetzt. "Die Götter um ihren Segen zu bitten, kann nie schaden. Apropos Opfer … wenn du möchtest, können wir auch ein Opfer darbringen, als Dank für das Glück, das uns in letzter Zeit wiederfahren ist. Und um um eine gute Schwangerschaft und Geburt zu bitten", meinte er zu seiner Verlobten. Seine Verlobte. Wie ungewohnt das klang. Er, der baldige Vater, sie, die Verlobte – wenn alles glatt lief. Die Überraschungen wollten einfach kein Ende nehmen.
    Und dass Sibel nicht einfach nur hier würde wohnen wollen, hätte er sich bereits denken können. Wann nahm sie jemals einfach ein Geschenk an, ohne darüber nachzudenken, was sie dafür im Gegenzug geben könnte. Dabei sollte sie gar nicht einfach so weitermachen, wie sie in seiner Habitatio alle möglichen Arbeiten erledigt hatte. Seiner Meinung war es Zeit, dass sie etwas kürzer trat und sich schonte. Und auch dafür war ein Umzug in die Domus genau das richtige.
    "Ich bin mir sicher, bis das Kind auf der Welt ist, kannst du dich auch ein wenig hier einleben", meinte er dazu, "Mach dir darüber vorerst keine Sorgen." Das einzige, worüber sie sich vielleicht sorgen machen sollte, war, was er dann wieder alleine in seiner Habitatio machte. Ganz bestimmt nicht täglich wischen und frisch kochen, soviel war klar. Er versuchte einfach bei dem Gedanken nicht zu unglücklich zu wirken. Aber wie sollte er auch. Er würde sie heiraten. Was in aller Welt könnte ihn heute noch unglücklich machen.
    "Gut … Axilla hat bereits zwei Söhne, musst du wissen", wollte er ein wenig das Thema wechseln. Wobei auch das eigentlich mit dem Rest zusammenhing. Bestimmt würde sie Sibel den einen oder anderen Rat geben können und wusste, worauf während der Schwangerschaft zu achten war. Auf jeden Fall wäre sie seiner Liebsten eine bessere Hilfe, als er es war. Immer mehr war er davon überzeugt, dass es das einzig richtige war, sie in der Domus zu lassen. Ein besserer Ort konnte für Sibel gar nicht existieren.

  • Hatte sie das eben wirklich gesagt? Sie wäre noch nie auf einer Hochzeit gewesen? Avianus‘ kurzes Räuspern war ein dezenter Hinweis darauf gewesen. Aber es lag wohl wahrscheinlich daran, dass sie sich im Vorfeld tausendmal eingeredet hatte, es tunlichst zu vermeiden, die Sprache auf ‚gewisse‘ Themen und Personen kommen zu lassen. Es war sicher besser so, ihre Aussage so erst einmal stehen zu lassen. Zum Glück ging Axilla auch gar nicht weiter darauf ein. Stattdessen stürzte sie sich förmlich auf das Thema Hochzeit und begann auch sofort laut darüber nachzudenken, was nötig und was unnötig war.
    Ein Ehevertrag sollte also her. Sibel sollte es recht sein. Auch Avianus sprach sich dafür aus. Sie wusste ja, wie sehr die Römer auf schriftliche Dokumente versessen waren. Ein Stück Papyrus, auf dem geschrieben stand, was oder wer wem gehörte oder wer mit wem eine Vereinbarung einging. Ein Wort oder ein Handschlag genügte da einfach nicht. Bisher hatte sie bei solchen Verträgen immer nur den Kürzeren gezogen. Doch damit sollte jetzt Schluss sein. Nicht nur weil sie jetzt lesen konnte. Nein, weil sie ihrem ‚Vertragspartner‘ diesmal ganz und gar vertrauen konnte.


    Alles klang wunderbar einfach aus Axillas Mund, bis sie ihnen dann doch einen kleinen Dämpfer versetzte und Avianus‘ Praefectus mit ins Spiel brachte, der dem Ganzen erst seine Zustimmung geben musste. An ihm hing es letztlich. Sie sah kurz zu ihrem Verlobten, da sie gar nicht einschätzen konnte, wie einfach oder eben wie schwierig es war, eine solche Zustimmung zu erhalten. Vielleicht aber war gerade dann ein Opfer an die Götter erst recht angebracht. Und den Laren des Hauses zu opfern, in welches sie einzog, konnte auf jeden Fall nicht schaden.
    „Daran hatte ich auch schon gedacht. An ein Opfer für Iuno.“ Wieder sah sie zu ihrem Verlobten und lächelte aber diesmal. Bisher hatte die Religion keine große Rolle in Sibels Leben gespielt, zumal die Götter ihr ziemlich übel mitgespielt hatten. Vielleicht war nun endlich die Zeit gekommen, sich mit ihnen zu versöhnen. Denn in der Tat hatten sie es in der letzten Zeit sehr gut mit ihnen gemeint. Hoffentlich hielt dieses Glück noch lange an. Im Augenblick jedoch fühlte es sich gut an, so dass nun wirklich all ihre Zweifel verschwunden waren. Axilla war ihr wohlgesonnen und akzeptierte sie. Und Sibel würde alles tun, dass es auch so blieb. Eine sinnvolle Beschäftigung war dabei sicher hilfreich. Aber Avianus hatte natürlich auch recht. Je weiter die Schwangerschaft voran schritt, umso beschwerlicher würde es für sie werden.

  • Mit einem Mal gab es so viel zu tun, so viel zu organisieren. Avianus war froh, Axilla und Sibel dabei an seiner Seite zu haben, denn allein wäre er wohl heillos überfordert. So konnte er zumindest sicher sein, gröbere Fehler zu vermeiden, falls es die überhaupt gab. Obwohl ihm manches immer noch nicht klar war. Etwa, was genau in einen Ehevertrag gehörte, vor allem, da ihre Heirat ja nicht einmal eine gewöhnliche sein würde. Bei den Göttern, das würde noch was werden. Vorerst blieb aber sein Glück davon unbehelligt. Irgendwo in seinem Hinterkopf, ganz am Rande, bekam er diese im Grunde ohnehin kleinen Sorgen mit, alles andere in ihm war erfüllt von dieser Euphorie. Endlich hatte er das gewagt, was er selbst wollte, anstatt das zu tun, was der Rest der Welt für akzeptabel hielt, und fühlte sich in seinem Handeln bestätigt und unterstützt durch Sibel und seine Verwandtschaft. Und irgendwie würde alles gut werden, davon war er jetzt überzeugt.
    Da weder Axilla noch Sibel erneut das Wort ergriffen, atmete er lautstark aus, ließ all die Dinge sacken, die soeben gesagt worden waren, und blickte noch einmal in die Runde.
    "Wie wäre es, wenn ich dir eben die Domus und mein … dein …" Unser?, dachte er sich noch. Kam wohl darauf an, ob die Kammer für ein größeres Bett genug Platz bot. "… zukünftiges Zimmer zeige …", wandte er sich an Sibel, "… und wir dieses Gespräch nachher bei der Cena fortsetzen?" Dabei sah er wieder zu Axilla. Spät genug war es dafür und wo ließ sich ein entspanntes, lockeres Gespräch besser führen, als bei Tisch liegend mit Speisen und Getränken. Und gerade weil er Sibel den Antrag vor Axillas Augen gemacht hatte, wäre er froh wenigstens ein paar Minuten mit ihr allein zu haben.

  • Vieles schwirrte nun in Sibels Kopf herum. Die scheinbar größte Hürde, die Akzeptanz seiner Familie, war genommen. Nun würden sehr viele Veränderungen auf sie zukommen. Und dabei war die Änderung ihres Namens sicher nur die kleinste Veränderung. Es würde noch Tage brauchen, bis sie endlich wirklich realisiert hatte, welche Bahn ihr Leben soeben eingeschlagen hatte. Jener Alptraum, der vor so vielen Jahren begonnen hatte, der ihr ihre Kindheit und Jugend geraubt hatte und aus ihr nichts weiter als einen Gegenstand gemacht hatte, würde nun endlich ein Ende nehmen. Und diesmal würde sie niemand aufs Kreuz legen, erpressen oder ausnutzen.


    Nein, die Götter schienen nun endlich auch einmal ihr Augenmerk auf sie geworfen zu haben, um sie mit ihrer Gunst zu beglücken. Ein Grund mehr, um ihnen zu danken. Dabei ging ihr auf, dass sie eigentlich noch nie selbst den Göttern in einem Tempel geopfert hatte. Doch auch dafür würde sie sicher tatkräftige Unterstützung finden. Sie konnte also ganz gelassen sein, so dass sie ihrem Verlobten lächelnd zunickte, als er ihr anbot, ihr das Haus und ihrer beider Zimmer zeigen wollte. „Ja, gerne.“ Dabei warf sie noch einmal einen Blick auf Axilla, der sie für ihre Aufgeschlossenheit in diesem Moment unglaublich dankbar war.
    Sibel erhob sich von ihrem Platz. Später noch war genug Zeit, noch gewisse Einzelheiten zu besprechen. Nun aber war sie zunächst einmal gespannt darauf, ihr neues Zuhause näher kennenzulernen.

  • Damit schien ja alles geregelt zu sein. Auch wenn der Bräutigam in spe doch noch sehr verwirrt wirkte und die Braut auch relativ still blieb. Während die beiden also ein Opfer für Iuno planten, ging Axilla im Kopf schon einmal durch, was bei einer Feier wohl angemessen wäre und was eher nicht. Und ob Avianus wohl seine halbe Centurie einladen wollen würde, oder doch mit seinem Optio vorlieb nehmen würde. Für die Vertragsunterzeichnung brauchten sie wohl die üblichen fünf Zeugen... was zur Not auch größtenteils interfamiliär ging, aber um ein paar Gäste kamen sie wohl so oder so nicht drumherum. Aber die frage, wen man einladen musste, musste letztendlich wohl doch das Brautpaar treffen.
    “Hm? Oh, ja, natürlich“, meinte Axilla, aus ihren Gedanken hochgeschreckt, auf Avianus' Vorschlag, Sibel das Haus zu zeigen. So viel zu zeigen gab es dabei zwar nicht, aber Axilla dachte sowieso, dass das mehr eine Ausrede war, um mal ein paar Minuten für sich wieder zu sein. “Wenn Sibel aber heute schon hier einziehen soll, macht als erstes einen Gang zu den Kaninchenställen und sucht ein schönes als Opfer für die Laren aus. Dann gibt’s zur Cena heute Karnickel. Aber das muss dann ja ausbluten, und natürlich müssen wir es erst opfern.“

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