Rotkäppchen und der Wolf - Teil II

  • Gemeinsam mit Nela, die sich bei ihm untergehakt hatte, lief Hadamar durch die Straßen Mogontiacums zur Taberna Silva Nigra und alberte mit ihr weiter ein bisschen herum. Der Weg war ihm noch gut vertraut... auch wenn er die ein oder andere Veränderung bemerkte. Flüchtig fragte er sich, ob es eine so gute Idee war ausgerechnet zu der Taberna zu gehen, die im Besitz seiner Familie war – immerhin hatte er nicht vor, seiner Begleitung zu verraten, wer er war. Er wollte sie ins Bett kriegen, mehr nicht, und wenn sie seinen Namen erfuhr, wäre es ein Leichtes für sie, ihn in der nächsten Zeit aufzuspüren und Stress zu machen. Aber eigentlich dürfte ihn in der Taberna keiner kennen... er war lange genug weg gewesen, und die Bediensteten wechselten ja auch durch. So lange er also nicht das Pech hatte, irgendwen von früher zu treffen, der ihn besser kannte, sollte das kein Problem sein.
    Trotzdem suchte er sich, als sie angekommen waren, einen Tisch in einer Nische, die nicht so leicht einsehbar war. „Mia...“ er überlegte kurz, als die Bedienung am Tisch auftauchte, und sah Nela an. „Was moanst – nemma oafach a Platte mit verschiednem Zeug? Oda magst wos bstimmtes?“

  • Seine Aussage, dass die Mutter wohl sämtliche schrecklichen Geschenke aufbewahrte, die ihr Sohn bisher so vermacht hatte, ließ sie auflachen. Dieser Gedanke war so komisch. Sie hatte wirklich das Gefühl ihn vor einem großen Fehler bewahrt zu haben und ihm nun die Möglichkeit verschafft zu haben mit einem wirklich tollen Geschenk zu glänzen. Sie hatten etwas gefunden, das die Mutter würde tragen können und ihr womöglich auch gut gefallen würde. Geschmack war ja eben etwas dass jedem eigen war und nur eine Beschreibung, war kein absoluter Garant dafür ihn getroffen zu haben. Mit dem guten Gefühl ausgefüllt, hatte sie sich also sehr gern einladen lassen und nur wenig später waren sie durch die Türen der Taberna getreten, die ihrer Mutter gehörte. Ein kleines mulmiges Gefühl blieb.


    Sie suchten sich einen etwas abgelegenen Platz und das war ihr mehr als nur recht. So würde sie nicht jeder, der sie vielleicht kannte auch sofort erkennen und als jene verraten, die sie nun mal eben war. Es war so schön für eine einfache Germanin gehalten zu werden ohne die ganzen Konventionen, denen sie unterlag wenn sie eben als Sevilla durch die Gegend ging. So ein abgeschirmter Bereich war da wirklich zu bevorzugen. Als er fragte was sie essen wollte, überlegte sie kurz. “Eene jemischte Platte passt janz jut. Da haben wa Auswahl und man kann essen wat man will.“ Nela freute sich außerdem, dass Hadamar diese gewählt hatte. Sie hatte ihrer Mutter den Vorschlag gemacht. In Hispania hatte sie so etwas mal gesehen und fand es gar nicht so schlecht. Eine Auswahl der Spezialitäten des Hauses. Die Bedienung verschwand wieder. “Wat machste denn wenn nich jerade aufm Markt unterwechs bist?“ Ihr war sein Gürtel aufgefallen und sie hatte eine Ahnung wohin sie den einordnen durfte, aber das wollte sie bestätigt wissen.

  • Überraschenderweise beschwerte Nela sich nicht, dass er sich eine abgeschiedene Nische für sie suchte... er hätte eher damit gerechnet, dass es ihr lieber wäre weiter vorne zu sitzen. Lief ja noch besser als gedacht, wenn sie auch mit ihm allein sein wollte, dachte er mit einem leichten Schmunzeln und ließ ihr die Wahl, wo sie sich am Tisch hinsetzen wollte, bevor er sich ihr gegenüber niederließ. Der Tisch war für zwei, was hieß dass sie sich trotzdem recht nah waren. Nah genug für die ein oder andere Berührung, die ganz zufällig wirkte. Nah genug um seinen Charme mit hoffentlich ungebremster Wucht spielen lassen zu können. „Dann nemma de Plattn“, sagte er zu der Bedienung, lächelte dabei aber Nela an. „Oh, und bringst bitte an Krug mit Met und zwoa Becha.“ Met war gut. Ihm stand zwar mehr der Sinn nach Bier, aber auf Met hatte er jahrelang verzichten müssen... und davon abgesehen war Met besser dazu geeignet, eine Frau flachzulegen. Met war süß, Frauen mochten das, was wiederum die Chance steigerte, dass sie was davon trank und sich nicht womöglich irgendwas nicht Alkoholisches bestellte... und dass sie was davon trank und sich eben nicht irgendwas nicht Alkoholisches bestellte, steigerte wiederum seine Chance, bei ihr zu landen.


    Als die Bedienung verschwunden war, lehnte Hadamar sich ein bisschen nach vorn und stützte sich locker mit den Unterarmen auf dem Tisch auf. „I bin bei da Legio. Und grad erst zruck versetzt worn hiahea. War scho lang nimma do, i hobs echt vermisst... Deswegn hob i mein erstn frein Abnd gnutzt um, naja, oafach zerscht amoi umanand zum Laffa. A bisserl umschaung. De Stadt spiarn“, erzählte er, und was er in dem Moment ausstrahlte, war zur Abwechslung nicht darauf gemünzt, sie zu beeindrucken oder rumzukriegen, sondern absolut ehrlich: die Freude endlich wieder hier zu sein. Daheim. Was ihm fast ein wenig peinlich war, als ihm aufging was er zuletzt gesagt hatte. Die Stadt spüren... wer bitte sagte so was? „Oiso, de Stimmung hoid, de Leit, de Luft...“ Er hatte das Gefühl sich nur noch mehr zu verstricken – und lachte schließlich einfach. „Ah, i woaß net obs so vaständli is wos i moan. I war oafach zlang weg. Was is mit dia?“

  • Er folgte ihrer Empfehlung und bestellte die Platte für sie beide. Nela kam nicht umhin sich darüber zu freuen, dass er sich ihrer Meinung fügte. Und dann lächelte er sie auch noch an. Sein Lächeln... Es war eindeutig gefährlich. Da würde sie tierisch aufpassen müssen. Als er dann noch Met bestellte, wusste sie nicht mehr ob es so eine gute Idee gewesen war mit ihm hierher zu kommen. Met war eindeutig ihre Schwachstelle und er hatte gerade für sie beide einen ganzen Krug bestellt. Einen Becher würde sie trinken und darauf achten, dass dieser nicht nachgefüllt wurde. Dann überstand sie diesen Abend auch. Um nicht zu zeigen, dass sie sich Gedanken machte, lächelte sie ihn an. “Dat muss ick dir lassen, eine wirchlich jute Wahl.“ Nachdem sie nun wieder allein waren, bestätigte er ihre Vermutung. Ein Legionär saß mit ihr am Tisch. Dann gab es also auch noch andere Familien mit germanischen Wurzeln, die sich so mit den Traditionen verbunden fühlten. Das war wirklich schön zu sehen. “Und wat sachst. Hat sich ville verändert? Wie lang warst denn nimma da?“ Sie musste Schmunzeln als er versuchte ihr klar zu machen was er meinte. “Ick denk, ick weeß watte meenst. Dat ist hier eenfach eenmalich und dat findest nirjends anders.“ Wieder lächelte sie. Die Bedienung kam zurück und brachte schon mal den Met. Sie stellte die Becher vor den beiden Gästen ab und füllte sie auch schon mal. Sie griff nach ihrem Becher und hob ihn. “Auf deene Rückkehr in de Heemat.“ Dann trank sie einen winzig kleinen Schluck und tat so als wäre es ein größerer, in dem sie einfach den Becher länger vor ihren Lippen hielt.


    “Dann hoff ick ma, dat deen Mudda nicht den Händler kennt. Ick denke mal, dat sie ja lieber wat hätt haben wollen von da wo du herkommst.“ Diese Spitze hatte sie sich einfach nicht verkneifen können und ihr kleines Grinsen verriet es auch ziemlich genau. Dann fragte er nach ihrer Familie und sie musste sich was überlegen wie sie nicht lügen musste, aber auch nicht in Verlegenheit kam, die Wahrheit zu sagen. “Meen Famille lebt in de Näh der Stadt. Bisserl abseits. Ick helf da viel und jeh manchmal in de Stadt um wat zu koofen. Janz normal eegentlich.“ Nela hoffte, dass es so langweilig war, dass er sie nicht weiter fragen würde. “Wo warst denn vor de Lejio Zwee? Warste weit wech?“ Da war sie wieder. Nelas Neugierde und Abenteuerlust.

  • Hadamar hatte keine Ahnung warum, aber Nela schien sich darüber zu freuen, dass er die Platte bestellte – mehr als normal war. Fand er jedenfalls... also, selbst wenn sie das Zeug richtig lecker fand, hätte sie ja immer noch was eigenes bestellen können für sich allein, was lecker war, selbst wenn er was anderes genommen hätte. Aber das warum war ihm nicht so wichtig, wichtig war nur, dass sie sich freute. Noch ein Pluspunkt für ihn, noch dazu einer, den er sich ziemlich simpel verdient hatte, auch wenn er nicht wusste wie.
    Als er sich dann ein bisschen verhaspelte, darüber wie es sich anfühlte wieder hier zu sein, zeigte Nela Verständnis, auf eine Art, die ziemlich angenehm war. Hadamar war trotzdem immer noch ein bisschen verlegen, weil souverän einfach anders aussah... aber sie reagierte nicht negativ darauf. „Oh ja“, pflichtete er ihr aus vollstem Herzen zu. „Hia is einmalig. Auf dahoam“, stieß er mit ihr an. „Und mei, verändat... i woaß no net so gnau. Hob no net so vui oschaung kenna. Aufm Markt is scho einiges anderst gworn. Aba des Gfui is des gleiche.“ Jetzt, wo er wusste dass sie das verstand, oder zumindest behauptet zu wissen was er meinte, konnte er bei diesem Kommentar grinsen.
    Der nächste Satz war da schon deutlich kniffliger. Ja, warum hätte er seiner Mutter nichts aus Rom und Carthago mitbringen sollen? Gute Frage, nächste Frage... darauf hatte er nämlich nicht wirklich eine Antwort. „Naja...“ versuchte er sich zu retten, „mei Versetzung hob i recht spontan kriagt. Da war net gnua Zeit zum Eikaffa. Des hoaßt, i hob dann nimma dran denkt... Aber i hob ihr scho amoi wos gschickt ghabt.“ Was auch nicht gelogen war. Trotzdem grinste er schief bei dem falschen Geständnis, angeblich aus einer Mischung aus Zeitmangel und Vergesslichkeit heraus nichts mehr für seine Mutter gekauft zu haben kurz vor seiner Abreise. Was ihm dabei half war, dass es gar nicht mal so unwahrscheinlich war, dass ihm so was passierte... und zumindest in Rom hatte er dann ja tatsächlich nichts mehr extra gekauft. Was er dabei hatte, waren die Sachen aus Carthago, die er von Rom aus hatte schicken wollen.
    Danach hatte er erst mal eine Verschnaufpause, was Ausreden einfallen lassen anging. Aber was Nela von sich erzählte, klang ziemlich alltäglich, musste er sagen, nichts Besonderes. Umso besser, sonst hätte er sich das vielleicht noch mal überlegen müssen, wie er den Abend zu beenden gedachte. „Afs gelegentliche Eikaffa“, grinste er und hob seinen Becher, um wieder mit ihr anzustoßen – irgendwie musste er sie ja dazu kriegen, weiter zu trinken, denn dass sie den Becher eher selten zu den Lippen führte, fiel ihm schon auf. „Cohortes Urbanae“, beantwortete er dann ihre Frage. „A Zeitlang war i in Rom stationiert, dann a paar Jahr in Carthago. Dann gings nach Rom zruck und von da ziemlich schnei hiaher. Aba jetzt sag amoi... du schaugst net so aus als obsd a reine Germanin wärst. Woher kimmst denn? Oder dei Familie?“

  • Den Vorschlag für diese besondere Darreichungsform der Speisenauswahl hatte sie zwar ihrer Mutter gemacht und danach ein Mal probiert, aber danach war sie nicht mehr in Verlegenheit gekommen noch mal von zu essen. Daher war sie nun gespannt ob es noch immer so schmeckte wie sie es in Erinnerung hatte und ob es auch bei anderen Verkostern gut ankam. Das würde sie nun bald erleben können. Nachdem sie dann auf das Zuhause angestoßen hatten, führten sie die Unterhaltung weiter. "Ja, dat is wohl wahr. Det Gefühl ändert sich nicht. Dit bleebt." Nela lächelte. Sie konnte es gut nachvollziehen. An einigen Orten hatte sie nun schon gelebt, aber hier war es einfach besonders. Vielleicht lag es auch besonders an den Freunden und der Familie, dass sie sich hier am Wohlsten fühlte und eben auch zu Hause. Außerdem war ja nun auch eine Verwandte aus Roma hier und sie hoffte, dass Seiana sich bald an die etwas andere Lebensweise hier gewöhnen konnte. Mehr denn je versuchte sie sich gerade im Spagat zwischen römischer und germanischer Lebensweise. Die hatte gemerkt, dass ihre Verwandte eine ganze Menge ziemlich befremdlich fand. Dinge, die für sie ganz normal waren, schienen Seiana hier und da ziemlich zu irritieren. Ihre Mutter hatte ihr versucht ihr drei Lebensphilosophien näher zu bringen und in denen versuchte sie sich eben so sicher zu bewegen wie es ihr möglich war wenn sie auf die entsprechenden Vertreter traf. Am Wohlsten fühlte sie sich jedoch wenn sie, gerade so wie jetzt, einfach eine ganz normale junge Frau sein durfte, die machen konnte was sie gern wollte. "Wenn de noch nich allet jesehen hast, dann musste dit aba janz schnell nachholen. Sonst isset doch keen richtiges Ankommen hier." So ging es ja schließlich auch nicht. Für einen Soldaten war es vermutlich schwerer sich mal so einfach umzusehen, aber nach Hause kommen und sich nicht so schnell wie möglich umsehen ob noch alles so war wie früher? Eine fast schon unmögliche Vorstellung. Also eine recht spontane Versetzung. Gut, dann konnte es wirklich schwierig sein noch an die Mutter zu denken und sich an den Kauf von Geschenken zu machen. "Dit is ja wat. Dann hoffen wa ma, dat deen Mutta nich so oft uffn Markt geht oder de Kette noch nich jesehen hat." Am Ende bekam er noch Ärger weil sie genau diese Kette auch schon auf dem Markt gesehen hatte und nun hielt ihr Sohn ihr diese vor die Nase.


    Und schon wieder erhob Hadamar den Becher. Ob er mit Absicht ihr Vorhaben nicht zu viel zu trinken torpedieren wollte? Wahrscheinlich aber freute er sich einfach über die Heimkehr und wollte das eben ein bisschen feiern. Vielleicht sollte sie es dann mal nicht ganz so streng sehen und sich statt einem Becher mal zwei Becher genehmigen. Außerdem gab es ja gleich auch noch etwas zu Essen und das neutralisierte ja auch wieder etwas. "Afs gelegentliche Eikaffa," nahm sie seinen Trinkspruch auf und versuchte diesen in seinem Dialekt zu wiederholen. Der Schluck fiel auch ein wenig größer aus als die vorherigen. Als Hadamar die Cohortes ansprach, musste Nela aufpassen, dass ihr der Unterkiefer nicht herunterklappte. Dann kannte er am Ende ihren Onkel? Danach würde sie ihn aber nun nicht fragen. Dann wäre es sofort zu Ende mit der Anonymität, mit der sie sich gerade so gern umgeben wollte. "In Carthago warst auch? Wie isset denn da so?" An ihre Zeit in Alexandria konnte sie sich nicht mehr erinnern. Sie war noch zu klein gewesen als sie die Stadt verlassen hatten. Dann war das Gespräch aber wieder bei ihr angekommen. "Meen Mutta ist von hier. Sie is eene Germanin. Meen Vata ist ausm Süden. Deswejen denken ville, dass ich nich von hier bin." Was ja nicht falsch war. "Manche sajen, dat ich viel von meenem Vata jeerbt habe." Auch das war keine Lüge. Das südländische Temperament musste einfach aus dieser Linie kommen. Dass ihre Mutter auch schon eher ein dunkler Typ war, das musste sie hier jetzt nicht anbringen. "Ick bin een Mischling," erklärte sie weiter und lächelte breit dabei. Ehe sie aber noch etwas hinzusetzen konnte, wurde sie Platte mit den verschiedenen Speisen gebracht. Sie dankte der Bedienung und artete bis diese dann wieder gegangen war. Was für ein Glück, dass sie hier keiner an diesem Tag kannte. Ihre kleine Scharade wäre ja sonst aufgeflogen.

  • Hadamar stellte fest, dass er Nelas Lächeln mochte. Sie war hübsch und nett, aber das war noch nicht gleichzusetzen damit, ob jemand auch sympathisch war... oder man ihn sympathisch fand. Nela allerdings hatte eine Art, die es ihm recht leichte machte mit ihr umzugehen. Er musste selten nach Worten suchen, musste sich kaum anstrengen, es war... es lief einfach wie von selbst, weil sie einfach liebenswürdig war. War nicht immer so.
    Trotzdem gab er sich natürlich Mühe, auch wenn sie es ihm leicht machte freundlich und zuvorkommend zu sein. „Des werd i, garantiert. I muss nur schaung wann i amoi tagsüba frei kriag. Is net gar a so oafach...“ Er grinste freimütig. Selbst als Centurio ging das nicht so einfach, und in den niederen Rängen, in die sie ihn hoffentlich einordnete, erst recht. Was ihn flüchtig dazu brachte zu hoffen, dass sie ihn nicht nach seinem Rang fragte. Rundheraus lügen... konnte er zwar, machte es auch, vermied es aber trotzdem, wenn es ging. War insgesamt einfach angenehmer so, und es hatte den Vorteil, dass man sich nicht so leicht verhedderte.
    Seine Trinksprüche machte Nela mit, wie er schmunzelnd feststellte, noch so ein gutes Zeichen. „Hoaß. Sakrisch hoaß. I hob ja denkt Rom is scho schlimm, aber Carthago...“ Er schüttelte den Kopf und trank einen weiteren Schluck. „Legt no a Schippn drauf. Un sonst... mei, anderst hoid, gell? De Leit san... vui aufdrahter ois wia hia. Schneia. Lauda. Sie redn mehra, un es klingt fast imma wiara Streit. Un handln! Da is da Markt hia nix dagegn.“ Er grinste breit, hörte zu, was sie von ihrer Familie erzählte, und grinste noch ein bisschen breiter, als sie sich selbst als Mischling bezeichnete. „Hod was, de Mischung“, erwiderte er. „Host imma scho hia glebt, oder woaßt selbst wie hoaß des woanders sei ko?“ Er lehnte sich etwas zurück, als die Bedienung die Platte brachte, und machte eine einladende Geste zu Nela hin, zum Zeichen dass sie anfangen sollte. „Bitte“, lächelte er sie an.

  • „Aba uff jeden Fall ne notwendije Sache. Nen Tach frei musste bald ma machen.“ Hadamar grinste und es verleitete sie dazu auch wieder zu lächeln. Es fiel ihr in seiner Gegenwart so einfach das zu tun. Sie war ein fröhlicher Mensch, manchmal etwas aufbrausend, aber Lächeln war etwas, das ihr nie schwer fiel. In diesem Moment war es noch einfacher als sonst. Auch das Herumscherzen passierte ohne Zwang oder wirkte gekünstelt. Von beiden Seiten nicht. Die junge Frau lachte als Hadamar ihr erzählte wie heiß es in Carthago war. Sie lachte nicht darüber, dass es so heiß war sondern darüber wie er es beschrieb. Vom Handeln hatte sie auch schon gehört. Also dass die Menschen es fast als Beleidigung verstanden wenn man nicht mit Nachdruck versuchte den preis zu reduzieren. „Hast es jeschafft ordentlich zu handeln oda musstest etwa uffjeben?“ In Roma hatte sie mal ein Gespräch belauscht und ein Mann hatte erzählt, dass er irgendwann die Segel gestrichen hatte, weil er nicht mehr handeln wollte. In einem Moment war des dem Händler zu viel gewesen und im nächsten Augenblick hatte er gejammert ob an seine Familie hungern lassen wolle. Irgendwann hatte der Mann dann aufgegeben und das Kaufobjekt nicht erworben. Der andere Mann hatte es bestätigt. Dieses Bild hatte sich nun in Nelas Kopf festgesetzt. “De Menschn im Südn haben halt ne andere Mentalität,“ bestätigte sie dann Hadamars Aussagen.


    Ihre Familie war dann das Thema geworden. “Findest? Ne jute Mischung, wat meenste?“ Ihr war klar, dass die Frage nur wirklich eine Antwort zuließ wenn er noch etwas von dem Essen abbekommen wollte. Aber das war ihr egal. Der Met machte sie mutiger und sie stellte Fragen, die sie vermutlich ohne Met nicht gestellt hätte. Sie gehörten sich einfach nicht. Doch der Met, die Gesellschaft und auch irgendwie die Umgebung ließen sie gewisse Konventionen einfach ignorieren. “Ick hab mal ne Zeit im Süden jelebt, aba nich so weit, datt man ett mit Carthago oda so vergleechen könnt. Dit nicht, aba ick weeß, datt ett noch heeßer jeht als ett hier is.“ Hoffentlich reichte ihm diese Aussage und sie musste nicht noch genauer werden. Sie fand die Unterhaltung sehr nett, aber sie wollte nicht so viele Dinge verraten, die Rückschlüsse auf ihre wahre Herkunft zuließen. Sie fand es sehr angenehm eher anonym unterwegs zu sein. Dann wurde das Essen gebracht und Hadamar forderte sie auf sich zu erst zu bedienen. Sie nahm etwas vom Käse und den gebratenen Gemüsen und vom Brot. Ein paar Oliven aß sie noch bevor der Käse und das Gemüse mit dem Brot eine Chance gehabt hätten gegessen zu werden. “Danke,“ sagte sie dann breit grinsend als sie die drei Oliven gegessen hatte. “Datt musste eenfach probiern, is wirklich jut.“ Sie schob das Brett nun ein wenig zu ihm. “Haste so watt schon mal jejessen?“ Vielleicht konnte sie einem soweit gereisten Mann ja noch etwas zeigen und ihm eine Spezialität ihrer anderen Heimat näher bringen. Erwartungsfroh und sehr gespannt, sah sie ihn an und wartete auf sein Urteil.

  • „Na freili!“ erwiderte Hadamar mit Inbrunst, als Nela fragte ob er es beim Handeln geschafft hätte. „Aufgem is net moans!“ War es tatsächlich nicht, auch wenn er freilich nicht sooo erfolgreich gewesen war beim Handeln mit carthagischen Händlern. Die machten das einfach ihr Leben lang schon... und Hadamar wusste noch nicht mal, wie oft er einfach nur geglaubt hatte erfolgreich gewesen zu sein, und in Wirklichkeit hatten sich die Händler dann doch hinter seinem Rücken ins Fäustchen gelacht. Vermutlich weit öfter als ihm lieb war, argwöhnte er. Aber das war hier nicht das Thema. Das wechselte gerade wieder zu ihr, als Hadamar noch mehr von ihrer Herkunft wissen wollte. Mit einem Grinsen nickte er, während er gleichzeitig, als sie erzählte, dann auch begann zu essen von der bunten Platte. „Teils“, beantwortete er dann ihre Frage zu dem Essen. „In Rom gibt ois, da hob i vui probiert. Carthago dagegen is... echt seltsam, wos Essn ogeht.“ Und schon waren sie wieder bei dem Ort, wo er stationiert gewesen war, und während sie aßen, erzählte er mehr, von der Stadt, der Provinz, der Kultur und den Menschen dort. Und Hadamar konnte so einiges erzählen, nicht nur weil dort alles so anders war, sondern weil er auch zahlreiche Anekdoten zum Besten geben konnte. Er hatte sich zwar immer nach Mogontiacum gesehnt, aber er war trotzdem niemand, der deswegen lange Trübsal blies – und gleichzeitig war er auch jemand, der eine solche Gelegenheit nicht einfach verstreichen ließ. Wenn er schon die Möglichkeit dazu hatte, etwas anderes zu sehen und zu erleben, dann nutzte er sie auch, umso mehr wenn es fremdartig für ihn war. Er erzählte allerdings nicht nur selbst, sondern fragte auch immer wieder Nela, nach ihrer Meinung, nach Anekdoten aus ihrem Leben, nach den Orten wo sie gelebt hatte – was auch nicht gerade wenige waren –, und gleichzeitig nutzte er jede sich bietende Gelegenheit, aufmerksam zu sein. Ihr kleine Komplimente zu machen, sie anzusehen als sei sie etwas ganz Besonderes, sie wie zufällig zu berühren und dann aber jedes Mal etwas länger als nötig. Nur mit verbalen Anspielungen hielt er sich noch sehr zurück... reagierte nur, wenn sie eine Vorlage bot, die zu gut war um sie sich entgegen zu lassen.


    Irgendwann hatten sie die Platte fast leer gegessen, und der Krug Met war mittlerweile ebenfalls deutlich leerer geworden. Er hatte den größeren Teil davon intus, aber Nela hatte trotzdem genug mitgetrunken, dass sie ziemlich beschwipst sein dürfte. Hadamar grinste breit, als er ihr ein weiteres Mal nachschenkte. „Und? Hosd no Hunga?“ Er nahm eine der letzten Oliven hoch, zeigte sie ihr und hielt sie ihr dann hin – freilich in der Hoffnung, sie würde sie mit dem Mund nehmen, nicht mit den Fingern. Oder, wenn schon nicht mit dem Mund, dass sie ihm umgekehrt etwas hinhielt und er es dann mit den Lippen nehmen konnte...

  • Hadamar hatte wirklich viele Geschichten zu erzählen und sie hörte ihm sehr gern zu. “Du wirkst och nicht so als ob du so eenfach aufjeben würdst,“ bemerkte sie als das Handeln noch der Gesprächsinhalt war. Sie lächelte, denn es sollte ja kein Vorwurf sein sondern nur eine Einschätzung ihrerseits. Immer wieder versuchte er das Gespräch auf sie zu lenken, aber sie schaffte es auch immer wieder das Gespräch zurück auf ihn zu bringen. Doch durch das Hin und Her war dann doch zur Sprache gekommen wo sie überall schon gelebt hatte. Sie hatte es nicht erzählen wollen, aber der Met und das nette und angenehme Gespräch hatten ihr Übriges dazu getan. “Nu bist wieda Daheem und kannst essen watte jern hast,“ erklärte sie dann das wirklich recht Offensichtliche. Auch waren seine Berührungen ihr nie unangenehm worden. Ganz im Gegenteil. In ihrem inzwischen vom Met ziemlich vernebelten Hirn waren ihr auch keine argwöhnischen Gedanken gekommen. Er wirkte einfach nur sehr höflich und aufmerksam. Manchmal sogar so aufmerksam, dass sie gar rot wurde wenn er ihr ein Kompliment machte. Ein wirklich sehr netter Mann wie ihr immer klarer wurde. Sie begann sogar die ein oder andere Berührung selbst zu suchen.


    Einige Becher Met später war die Platte dann fast leer und der Krug hoffentlich bald auch. Sie merkte den Met inzwischen recht deutlich. Nela kicherte ziemlich grundlos vor sich hin und ihre Gedanken wirkten eher in Watte gepackt als so flink und frei wie sonst. Aber das interessierte sie in diesem Augenblick nicht wirklich. Aus dem Krug zauberte Hadamar zu ihrer Überraschung doch noch etwas von der Flüssigkeit und füllte es in ihren Becher. Sie führte ihn an ihre Lippen und nahm einen Schluck davon, dann stellte sie ihn wieder auf den Tisch. Er hielt ihr eine Olive hin. “Also ejentlich bin ick satt, aba ick mach ma eene Ausnahme.“ Sie grinste ihn spitzbübisch an und in ihren Augen blitzte etwas auf. Ihr saß wohl gerade der ebenfalls alkoholisierte Schalk oder auch wahlweise Loki im Nacken.Sie nahm sich ebenfalls eine Olive und betrachtete sie einen Augenblick lang und es sah so aus als würde sie Hadamars Olive verschmähen. Doch dann beugte sie sich über den Tisch und kam seinen Fingern mit einem erneuten Grinsen auf den Lippen immer näher bis sich diese dann um die Olive schlossen. Dabei musste sie natürlich seine Finger berühren, aber das störte sie gar nicht. Im Gegenteil, sie fand es sogar eigenartig interessant es zu tun. Nun hielt sie ihrerseits eine Olive hoch und ihm hin. Die Letzte. “Und wat is mit dir? Hast du och noch Hunga?“ Mit neugierigen Blicken beobachtete sie nun Hadamar.

  • Die Sache mit der Olive war alles, was Hadamar noch brauchte. Also: es war ja bisher schon vielversprechend gelaufen, auf dem Markt schon. Und als hier in der Taberna dann noch der Met dazu gekommen war, war aus vielversprechend ein sehr vielversprechend geworden – genauer gesagt war das überproportional zu Nelas Metkonsum gestiegen. Aber die Sache mit der Olive, das war der Moment, in dem berechtigte Hoffnung zu Gewissheit wurde: Nela würde er flachlegen können, da war Hadamar sich sicher. Und genauso sicher war er sich, dass sie genauso ihren Spaß daran hatte. Zugegeben, ohne den Met wäre das wohl ganz anders gelaufen – aber die Tatsache, wie sie zuerst so tat, als würde sie sein Angebot nicht annehmen, nur um es dann doch zu tun... da wollte jemand nicht nur mit sich spielen lassen, sondern aktiv mitspielen. Hadamar war beides recht, aber letzteres machte mehr Spaß, und nach dem kurzen Moment der Enttäuschung, dass es vielleicht doch nicht klappen würde, war es umso euphorisierender, dann doch ihre Lippen an seinen Fingern zu spüren. Oh, und zu sehen, wie sie sich um die Olive schlossen.
    Hadamars Mund verzog sich zu seinem wölfischen Grinsen, nahm im Anschluss die Olive, die sie ihm hinhielt, auf die gleiche Weise – entfernte sich dann aber nicht von ihr, sondern küsste flüchtig ihre Finger. Er bestellte noch einen Krug Met, wobei er jetzt darauf zu achten begann, dass sie nicht zu viel davon trank, er umgarnte sie offensiver als zuvor, berührte sie häufiger, machte eindeutigere Anspielungen, und als er schließlich anmerkte, dass sie jetzt, so spät wie es war, unmöglich nach Hause gehen könnte, schon gar nicht allein, und vorschlug, dass er ihr in der Taberna ein Zimmer zahlen würde... da brauchte es nicht mehr viel Überredungskunst, damit sie zustimmte. Selbst in diesem Moment war Hadamar noch darauf bedacht, zumindest so zu tun als ob. Es reichte, wenn sie spürte, ahnte, worauf er aus war – er musste das nicht laut aussprechen, da verflog nur allzu schnell der Zauber. Und davon abgesehen: er war sich sicher, dass sie es schade finden würde, wenn er tatsächlich gehen sollte – wenn also nur ein Teil von ihr glaubte, dass diese Möglichkeit bestand, umso leichter würde es auch den letzten Schritt zu machen. Selbstverständlich also, da ließ er nicht mit sich reden, begleitete er sie bis zum Zimmer – und genauso selbstverständlich blieb er dann bei ihr. Ein Kuss – der erste, richtige – in der Tür, mehr brauchte es nicht, damit besagte Tür hinter und nicht vor ihm ins Schloss fiel.

  • Es machte ihr unheimlich viel Spaß mit Hadamar zu spielen und ihm zu gestatten mit ihr zu spielen. Wobei sich natürlich darüber streiten ließ wer da wirklich mit wem spielte und wer das federführend betrieb. Das mit den Oliven war für sie ein Spiel gewesen. In ihrem mettrunkenen Hirn gestaltete es sich jedenfalls so. Ihr war einfach nicht mehr bewusst, dass sie ihrem Kopf nicht mehr wirklich trauen sollte. Als Hadamar den zweiten Krug mit Met bestellte, insistierte sie schon gar nicht mehr. Gedanken an das zerschlagene Gefühl am nächsten Tag und die Kopfschmerzen, die sie ganz sicher heimsuchten, waren genauso verpufft wie sämtliche Warnungen zu Männern, die besonders nett zu ihr waren. Diese existierten gar nicht mehr in ihrem Bewusstsein. Sie trank was er ihr einschenkte und genoss die Berührungen, die er ihr schenkte und sie erwiderte sie. Was sie dann aber für einen Moment seinem Zauber entriss, war die Tatsache, dass es inzwischen so spät geworden war. Sie konnte nicht mehr nach Hause. Jedenfalls nicht mehr ohne ihre Identität preis zu geben und das war ihr um so vieles unangenehmer als eventuell am nächsten Morgen der Familie zu erklären, dass sie in der Stadt geblieben war. Also ging sie auf seine Einladung ein ihr ein Zimmer zu bezahlen. Hadamar war wirklich ein sehr aufmerksamer Mann als er sie dann auch noch auf das Zimmer brachte. Bei ihr hätte es wohl ein wenig länger dauern können, da ihr Beine nicht mehr ganz auf so verlässlich waren. Als sie dann das Zimmer erreicht hatten, ging er nicht. Er blieb und es brauchte keiner großartigen Überredungskunst, dass sie es auch zuließ. Er küsste sie und es war um sie geschehen.


    Der Morgen graute. Sie konnte es spüren als sie versuchte die Augen zu öffnen und es schnell wieder ließ. Der Kopf schmerzte. Doch dieser Umstand war schnell wieder vergessen als sie eine Bewegung neben sich wahrnahm. Eigentlich hätte sie wohl jetzt aus dem Bett springen müssen und sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen. Aber das tat sie nicht. Ganz im Gegenteil. Sie kuschelte sich an den warmen Körper neben ihr nachdem sie sich wieder umgedreht hatte. Ihre freie Hand legte sich auf die muskulöse Schulter und ohne, dass sie es wirklich bewusst beeinflussen konnte, begann sich diese freie Hand nun zu bewegen. Langsam aber sicher wurde es wohl offensichtlich, dass es noch eine weitere Runde geben würde, die nun von Nela eingeläutet worden war ehe sich dann ihre Wege trennen würden.

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