Der Legat und seine Bildungsministerin

  • Es war das Atrium, in welchem Statthalter des Kaisers die Frau erwartete, mit der er größere Pläne verband. Anders als bei seiner eigenen Frau, die eher in politisch-überprovinzialer Liga spielte, war das Projekt, dass er mit der Decima verband durch und durch auf die Provinz bezogen. Dennoch konnte man ohne Übertreibung sagen, dass die Decima in seinen Vorstellungen von der Entwicklung der Provinz eine zentrale Rolle spielte.. und dementsprechend kein Spieler der zweiten Reihe war.


    Es war eine kleinere Gesandtschaft der Civitas Borbetomagus, die ihn mal wieder daran erinnerte, dass er seine Statthalterschaft im gesamtem Raum der Provinz sehen wollte und nicht auf Mogontiacum beschränkt. Dazu allerdings gab es hier einen ganzen Haufen Dinge zu regeln. Unter anderem eben das mit der Decima.


    "Danke für dein Kommen, Decima." , grüßte Vala die Frau, die er schon seit so verdammt langer Zeit kannte, dass ihm die Dauer unwirklich vorkommen wollte, "Ich hoffe, du musstest nicht zu lange warten? Wäre ich nicht Konsul gewesen, hätte ich wohl geglaubt die Leute rennen einem Statthalter die Bude ein... die zwei Sekunden zwischen den Terminen sind allerdings schon recht erfrischend. Man könnte fast glauben, es wäre Zeit für Urlaub." , schmunzelte der Statthalter schief und ließ seinem Gast von einem Sklaven das von ihr gewünschte Getränk bringen.

  • Ein bisschen Zeit war inzwischen vergangen seit ihrer Ankunft in Mogontiacum – wenn auch nicht genug, als dass Seiana hätte sagen können, sie hätte sich schon eingelebt. Zum Teil lag das daran, dass sie noch im Praetorium wohnte, weil es naturgemäß etwas dauerte, bis sie etwas anderes gefunden hatten, zum Teil aber auch schlicht daran, dass diese Provinz so... so anders war als alles, was sie gewohnt war. Und so sehr sie sich bemühte offen zu sein, so sehr ihr dabei zupass kam, dass sie Roms Größe und Glanz kein bisschen vermisste, war sie doch kein Mensch, der sich freudig in so etwas hinein stürzte. Sie war jemand, der Zeit brauchte, um sich einzugewöhnen. Vor allem an eine Umgebung, in der es kaum Römer gab, die in südlicheren Provinzen sozialisiert worden waren – etwas, das beispielsweise in Alexandria anders gewesen war, wenn sie sich daran richtig erinnerte.


    „Danke für die Einladung, Legatus“, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln, als sie herein gebeten worden war zu dem Duccius und dieser sie begrüßte. „Nein, keine Sorge. In Rom ist man ganz andere Wartezeiten gewohnt.“ Ein Sklave fragte sie nach ihren Wünschen, und Seiana ließ sich eine leichte Weinschorle bringen. „Das ist das Problem an der Spitze. Irgendjemand wartet immer auf einen. Wie war dein Einstand hier?“

  • "Bisher hat noch niemand gewagt, seine Irritation darüber zu zeigen, dass die Duccii nun auch ganz offiziell die Spitze der Provinz bekleiden.", legte Vala vor, was er eigentlich erwartet hatte. Natürlich hatten gewisse Klienten und andere Afilii der Familie sich überschwänglich erfreut und ehrerbietig ob der tatsächlich oder eingebildet gestiegenen Aufstiegschancen gezeigt, die meisten allerdings hatten nicht durchblicken lassen ob sie es nun gut oder schlecht fanden einem Sohn Wolfriks als gegenüberzustehen. Die Decima hatte dieses Problem nicht, immerhin war sie auf Einladung eben dieses Sohn Wolfriks nach Germania gekommen.


    "Und solange das so ist, wollen wir einige Projekte in Angriff nehmen und die Gunst der neutralen Stunde nutzen...",, bog Vala auf das Thema der decimischen Präsenz in Mogontiacum, "Wie du vielleicht mitbekommen hast, ist die von Callistus und mir geschaffene Lex Provincialis durch die Unterstützung des Kaisers durch den Senat gekommen. Ohne zu Murren. Wäre der Cornelier früher gestorben, wäre mir wohl so einiger Ärger erspart geblieben. Aber genug dessen: in der Lex Provincialis ließ ich festhalten, dass die Aufgabe der Provinzverwaltung eben auch die Verbreitung und Förderung römischer Kultur in der Provinz sei. Hier kommst du ins Spiel... ich möchte, dass du eine Institution aus dem Boden stampfst, die eben diese Aufgabe übernimmt."

  • Dass es in Rom Irritationen – und mehr als das – ob der Berufung des Ducciers zum Statthalter gab, war Seiana bewusst, aber die politische Lage in seiner Heimat konnte sie nicht beurteilen... von daher wusste sie nicht, was da zu erwarten gewesen war. Allerdings schien es doch reibungsloser zu laufen, als zumindest er geglaubt zu haben schien.
    Dann kam der Duccius schon auf das Projekt zu sprechen, das er bereits in Rom zumindest ansatzweise vorgestellt hatte. Worüber sie mittlerweile lange genug Zeit gehabt hatte nachzudenken – und es war wohl nicht falsch, langsam wieder etwas zu haben womit sie sich beschäftigen konnte. Natürlich könnte sie sich auch hier so weit es ging zurückziehen... aber auf Dauer war das auch nicht das, was ihr gut tat. Dass sie nun hier in Germanien war hatte den Vorteil, dass sie vielleicht einen Mittelweg finden konnte, der in Rom kaum möglich war. „Noch mal... danke für dein Angebot. Und dein Vertrauen. Ich übernehme die Aufgabe gern“, erwiderte sie. „Hast du ungefähre Vorstellungen davon, was diese Institution leisten soll? Sollen Lehrer beschäftigt werden, die unterrichten, wie in der Schola? Oder sollen eher freie Lehrer und Schulen gefördert werden?“

  • "Es würde seltsam anmuten, hätten wir die Schola Atheniensis eingestampft nur um eine Schola Provincialis aus der Taufe zu heben.", antwortete Vala im besten Bewusstsein um die damaligen Querelen. Zumindest musste er sich nicht vorwerfen lassen das Bildungswesen zugrunde gerichtet zu haben... das hatten andere übernommen, als die ersten Schritte im Senat getan waren.
    "Eine indirekte Förderung wäre also wünschenswert. Bevor ich jedoch mit meinen Ideen zu dem Projekt aufwarte, würde ich lieber zuerst deine hören. Ich bin mir sicher, du hast dir deine Gedanken dazu gemacht."

  • Seiana nickte leicht. Es hätte sie auch gewundert, wenn der Duccius etwas ähnliches wie die ehemalige Schola hier hätte aufziehen wollen – trotzdem hatte sie sich vergewissern wollen. Bei seinen nächsten Worten lehnte sie sich leicht zurück und wusste nicht so recht, ob sie schmunzeln oder das Gesicht verziehen sollte... Freilich tat sie keins von beidem, aber wäre sie an seiner Stelle gewesen, sie wäre genauso vorgegangen. Sie war so vorgegangen, als sie noch Acta und Schola vorgestanden hatte. Es war fast immer besser, sich erst mal anzuhören was andere zu sagen hatte. „Ich würde zunächst damit beginnen in Erfahrung zu bringen, welche öffentlichen Schulen es hier bereits gibt und welcher Art sie sind. Du hattest in Rom gesagt, dass es damit hier nicht sonderlich gut bestellt ist, aber ich gehe davon aus, dass es trotzdem die ein oder andere geben wird. Je genauer wir den aktuellen Status kennen, desto besser, um die richtigen Maßnahmen festzulegen“, antwortete sie. „Eine Möglichkeit dabei ist immer, Anreize zu schaffen, um mehr Lehrende hierher zu locken. Sie könnten einen finanziellen Zuschuss bekommen, wenn sie Kinder mit unterrichten, deren Eltern sich den Unterricht nicht selbst leisten können. Wer Unterstützung braucht, um geeignete Räumlichkeiten zu finden, könnte diese bekommen. Sie könnten anderweitige Zuwendungen bekommen – bessere Plätze im Theater und Feierlichkeiten, solche Dinge, das würde auch ihr Ansehen steigern. Um das Thema generell ein wenig ins Gespräch zu bringen, sollten wir versuchen namhafte Gelehrte wenigstens auf einen Besuch hierher zu bekommen – der Einladung eines Statthalters folgt der ein oder andere sicher.“ Spätestens wenn auch das verbunden wurde mit zusätzlichen Anreizen... „Und es sollte eine Bibliothek geben. Die Schola hatte hier einen gewissen Grundbestand, ich weiß nicht, was aus diesem geworden ist nach der Schließung, und auch nicht was aus dem Grundstück wurde... wenn das in Besitz der Stadt übergegangen ist, könnte das als Ausgangspunkt verwendet werden. In jedem Fall sollte es einen Ort geben, an dem Schriften gesammelt werden, die den Lehrenden und Schülern zugänglich gemacht werden.“

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