[Castellum Mattiacorum] Taberna "Tertius Gaudens"

  • Es waren einige Tage seit der Abendgesellschaft in der Domus Fabricia vergangen, als Curio eine Nachricht erhalten hatte, in der der alte Fabricius ihn in den Vicus Castellum Mattiacorum bestellt hatte. Der Helvetier hatte daher seinen Dienst ein wenig umgestellt, sodass er am Nachmittag auf die andere Rhenusseite reiten und sich dort mit dem Fabricius treffen konnte. Mit dem Pferd war der Weg schnell zurückgelegt und nun galt es nur noch die Taberna "Tertius Gaudens" zu finden, die der Fabricier in dem Schreiben erwähnt hatte. Das wiederum war die größere Herausforderung und Curio musste den ganzen Vicus durchsuchen, bevor er das Gasthaus in einem versteckten Hinterhof fand. Davor wartete bereits der Fabricier, der Curio zeigte, vor er sein Pferd anbinden konnte und wartete dann, bis das Tier versorgt war.


    Du kommst spät, Curio.


    kommentierte er seine lange Wartezeit dem Helvetier gegenüber trocken.


    Im Gegensatz zu dir musste ich die Taberna erst suchen, Tullus Maior.


    antwortete Curio schulterzuckend und warf nun einen ersten Blick auf das Gebäude. Es sah heruntergekommen aus, die Außenfassade verdreckt und fleckig, die steinernen beiden Stufen des Eingangs abgenutzt und die Fenster mit löchrigen Latten vernagelt. Außerdem roch, nein stank es bestialisch in diesem Innehof, als ob irgendwo ein Tierkadaver vor sich hinweste, was den jungen Helvetier in dieser Umgebung aber kaum überrascht hätte. Curio runzelte die Stirn. Wo war er hier denn gelandet? Doch lange konnte er über diese ekelerregende Umgebung nicht nachdenken, da der Fabricier seine Abneigung längst bemerkt hatte.


    Stell dich nicht so an, Junge. Da siehst du erst, wie gut es uns geht.


    Wieder schimmerte der trockene Humor des ehemaligen Soldaten durch, den Curio von seinem Vater und seinem Bruder schon gewohnt war. Verstehen konnte er derweil gut, denn sie waren hier ja nicht auf der Suche nach irgendeinem zwielichtigen Verbrecher, sondern nach einem ehemaligen Verteidiger der römischen Grenze.


    So, bevor wir reingehen, ein paar Verhaltensregeln. Du redest nur, wenn du angesprochen wirst. Ansonsten hältst du dich zurück, machst dich am besten unsichtbar. Verstanden?


    riss ihn der Fabricius den jungen Helvetier erneut aus seinen Gedanken. Curio blickte ihn zweifelnd an und wollte schon etwas erwidern, als der Fabricier mit einer schnellen Hanbewegung den Widerspruch unterdrückte.


    Du hast keine Ahnung, wo wir hier sind, Curio. Das hier ist nicht das pulsierende Stadtzentrum. Ich habe keine Ahnung, wer gleich alles dort drin sitzt, doch ich kann dir versichern, dass keiner lange zögern würde, dir den Hals durchzuschneiden, wenn du jemanden nur schräg anschaust. Also: Verstanden?


    Das Gesicht des Helvetiers verdunkelte sich noch mehr. Nein, er hatte noch keine Ahnung von den dunklen, zwielichtigen Orten der Stadt, auch wenn er sich damit spätestens als Aedil noch würde beschäftigen müssen. Auch hatte der Fabricier nicht erwähnt, dass sich Curio wohl besser hätte bewaffnen sollen. Doch blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als zu gehorchen, wenn er diesen Bestia alias Roderiq kennenlernen wollte. Also nickte er und betrat mit dem Fabricier danach die Taberna.

  • Das Innere der Taberna unterschied sich deutlich von jenenTaberna, die Curio sonst kannte, doch passte es sich genau zu dem Bild, das sie von außen machte. Trotz der Kälte draußen hing in dem großen Hauptraum eine unangenehme Schwüle gemischt mit dem Geruch schalen Bieres und und Schweiß. Curio konnte nicht anders und rümpfte die Nase, hielt sich aber unbeirrt einen Schritt hinter dem Fabricier, der sich mittlerweile die Kapuze seines Mantels vom Kopf gezogen hatte. Auffallend war, dass von dem Hauptraum mehrere kleine Nieschen abgingen, in denen Tische und Stühle standen. Liegen waren nirgendwo zusehen. Stattdessen konnte jede Niesche mit einem schweren Vorhang abgetrennt werden, sodass dort auch unbeobachtet Gespräche stattfinden konnten - und "Gespräche" jener Art, die man normalerweile in einem Lupanar antreffen würde, wobei die Tische und Stühle nicht grade bequem aussahen. Auch im Hauptraum standen Tische und Stühle. Einige davon waren besetzt und Curio musste sich zusammenreißen, die dort sitzenden Gestalten nicht näher zu mustern, aber aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie an dem einen Tisch ein Geldbeutel den Besitzer wechselte und an einem anderen jemand seinen Dolch wetzte oder reinigte - da war er sich nicht so sicher. In der Tat, alleine wäre er hier nicht hingegangen, es war ja überhaupt schon eine Kunst gewesen, hierher zu finden, sodass er wohl auch gut daran tat, sich an den Fabricier ranzuhängen.


    Dieser blieb plötzlich stehen, besah sich einen mittelalten Mann mit schmutzig-blonden Haaren, der mit leeren Augen in seinen ebenso leeren Bierkrug starrte. Der alte Fabricius zögerte einen Moment, ging dann aber direkt auf den Tisch zu, setzte sich dem Mann gegenüber und gab Curio zu verstehen, sich ebenfalls zu setzen. Auch hier folgte Curio ohne ein Wort zu sagen, allerdings wagte er es nun, den Mann näher zu mustern. Das musster er also sein:


    [Blockierte Grafik: http://abload.de/img/custosjzy4v.jpg]| Galeo Vedius Bestia (Roderiq)


    Es entstand eine kurze Pause, in der buchstäblich nichts passierte. Der Fabricius hielt sich zurück, während Bestia weiterhin stumpf in seinen Bierkrug starrte. Ob er hoffte, dass er sich von alleine auffülte? Er konnte doch einfach was bestellen. Oder konnte er das eben nicht? Curios Blick wanderte zum Fabricius und endlich schien er, die Initative ergreifen zu wollen.


    Grüß dich, Bestia. Lange nicht mehr gesehen.


    Die Stimme des Fabricier war ruhig, aber Curio entging nicht die leichte Entspannung des Händlers. Der Fremde hingegen reagierte nicht, oder doch, denn irgendwann ertönte ein leises Grunzen aus seiner Kehle.


    Kein Interesse, Aremend. Verpiss dich.


    Bestia zog seinen Krug zu sich heran, während der Fabricier leicht schnaufte. Curio wusste zwar, dass der Alte auch einen keltischen Namen hatte, doch hatte er ihn, solange Curio ihn mittlerweile kannte, nicht einmal benutzt. Erst jetzt wurde dem jungen Helvetier bewusst, dass er diesen Namen vielleicht gar nicht mehr mochte, sondern komplett in seiner römischen Bürgerschaft aufging. Im Gegensatz zu den Ducciern, die ja alle noch ihre germanischen Namen trugen und sich in der Familie auch mit diesen ansprachen. Dem jungen Helvetier, der ja Teil einer urrömischen Familie war, war dieses Spannungsfeld unbekannt. So beobachtete er nur, wie sich der Fabricier kurz abwandte, aber gleich wieder die Initiative ergriff. Von ihrem Gegenüber hatten sie nämlich wohl kaum irgendein Entgegenkommen zu erwarten.


    Charmant wie eh und je, alter Freund. Aber sag, arbeitest du noch für diesen Ogulnius?


    Der junge Helvetier hatte den Namen Ogulnius schonmal gehört. Irgendwie brachte er ihn aber mit irgendeinem halb-legalen Geschäftszweig in Verbindung. Kein Wunder, in dieser Umgebung. Erneut entstand eine längere Pause, doch als Bestia merkte, dass sich sein Glas immer noch nicht füllte, blickte er schließlich auf.


    Nicht mehr. Als ihm irgendjemand fein säuberlich Augen und Zunge rausgeschnitten hat, hat er sein Geschäft aufgegeben.


    Er blickte den Fabricier nun offensiv und provokativ in die Augen und warf auch kurz dem jungen Helvetier einen Seitenblick zu. Der Fabricius blieb aber ungerührt. Curio wusste, dass der alte als Soldat einiges gesehen hatte, sodass nur dem jungen Helvetier ein kalter Schauer den Rücken hinablief.


    Nun, dann ist es bestimmt nicht mehr einfach, dein Zimmer hier zu bezahlen. Sieht ja eigentlich ganz gemütlich aus. Wenn die Zimmer auch so aussehen...


    Er beendete seinen Satz nicht, sondern hielt den Blickkontakt zu seinem Gegenüber aufrecht, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Beide taten sich nichts, als ehemalige Soldaten Druck gewöhnt, auch wenn die Zeit des eigenhändigen Kampfes bei dem Fabricier länger vorbei war.


    Das ist hier nicht das verfickte Silva Nigra, Aremend. Also halts Maul, oder sag mir endlich, was du von mir willst. Und wer ist überhaupt dieser Grünschnabel, der so tut, als wäre er gar nicht da?


    Der Fabricius schmunzelte, blickte zum Tresen und gab dem bärtigen Wirt zu verstehen, dass er drei Biere bestellen wollte. Der Wirt nickte und schnell standen drei Krüge auf dem Tisch.


    Dieser Grünschnabel ist Iullus Helvetius Curio, vielleicht sagt dir der Name was. Er hat vielleicht Arbeit für dich, nicht wahr Curio.


    Curio nickte, brachte aber noch kein Wort heraus, da der kritische Blick Bestias auf seinem Gesicht ruhte und der junge Helvetier fand diesen Blick nicht grade angenehm.


    Helvetius Curio, hm? Der kleine Streber, der glaubt, er wäre der neue aufgehende Stern in Mogontiacum, hm? Hast du dir nicht mit dieser Masche auch eine kleine Wolfriksdotter geschnappt? Aber gut, von mir aus, hm? Was willst DU?


    Curio schluckte. Der Kerl war verdammt gut informiert dafür, dass er offenbar in diesem Loch hier hauste. Jetzt oder nie, auch wenn der erste Eindrucknicht grade positiv war. Doch der Empfehlung des alten Fabricius wollte er wenigstens einmal auf den Zahn fühlen.

  • Curio brauchte einige Augenblicke, um seine Gedanken zu sammeln. Bestia hatte mit seinen Kommentaren nicht nur gezeigt, dass seine Informationslage besser war, als es seine Umgebung vermuten ließ, sondern hatte auch den finger in eine immer noch offene Wunde des jungen Helvetiers gelegt. Dabei überraschte es ihn vor allem, mit welcher Offenheit und Zigelgenauigkeit diesen Punkt getroffen hatte. Auch konnte ihm der Fabricier nicht mehr helfen, denn wenn er als Gesprächspartner ernst genommen werden wollte, musste Curio nun Mumm beweisen und den Mund aufkriegen.


    Ich möchte dir ein Angebot machen... für eine Anstellung.


    Langsam musste Curio reinkommen, doch durfte er auch nicht allzu lange warten. Immer dieses Balancieren auf einem schmalen Grat...


    Du weißt wer ich bin, das heißt, du weißt auch was ich noch vorhabe und du weißt auch, dass Personen, die aufsteigen wollen, nicht nur Freunde haben. Ich benötige daher jemanden, der mich und meine Familie beschützt, jemanden mit Kampferfahrung. Er soll außerhalb meiner politischen Amtszeiten vor allem für die Sicherheit meiner Frau, meiner Schwägerin und meiner Nichte sorgen und während meiner Amtszeiten als Apparitor meine Arbeit unterstützen. Es versteht sich, dass gegenseitiges Vertrauen, Loyalität und Respekt dabei für mich besonders wichtig sind.


    Erneut stockte Curio. Hoffentlich wurde seinem Gegenüber klar, dass er ihn aus diesem Loch hier rausholen und gleichzeitig die Aussicht auf regelmäßige städtische Anstellung eröffnete. Was auch immer er jetzt tat - Curio hatte da so eine dunkle Ahnung - er könnte die Seiten wechseln.


    Dafür biete ich dir freie Kost und Logis in meinem Haus an. Du erhältst eine der Angestelltenkammern und nimmst die Mahlzeiten mit meiner Familie ein. Außerdem können wir uns auf eine Entlohnung verständigen, die darüber hinausgeht. Als Apparitor würdest du natürlich den üblichen städtischen Lohn erhalten.


    Mit jedem Satz war Curio etwas sicherer geworden, auch wenn das versteinerte Gesicht Bestias keinen Rückschluss darauf zuließ, was er von diesem Angebot hielt.

  • Bestia ließ Curio zappeln. Schweigend sah er den jungen Helvetier an, der sich, je länger die Pause andauerte, fragte, ob der ehemalige Soldat überhaupt Interesse daran hatte, hier rauszukommen. Die "Anstellungen", die er hier sonst bekam, dürften wohl deutlich einträglicher sein, schließlich konnte Curio auch nicht allzu viel zahlen und auch das städtische Salär war längst nicht so hoch, um mit einem "Auftrag" der zwielichten oder semi-legalen Sorte mithalten zu können. Jedenfalls hatte Curio ernsthafte Zweifel daran, ob sich Bestia nicht lieber mit einem letzten großen Coup in den Ruhestand verabschieden wollte, anstatt sich um die Sicherheit der Familie eines jungen Lokalpolitikers zu kümmern. So vergingen Sekunden und Minuten und Curio versuchte den Blickkontakt gegen einen Soldaten zu halten, der wohl nicht nur in der physischen, sondern auch der psychischen Kriegsführung geschult war. Curio indes wäre kein Helvetier, wenn er hier klein beigeben würde. Schon aus Prinzip hatte er Stand zu halten. Als Enkel, Sohn und Bruder von Soldaten gehörte das praktisch zum guten Ton. Irgendwann, für Curio ganz unvermittelt, fing Bestia zu grinsen an. Curio war verwirrt, runzelte die Stirn und verlor, denn kurz wanderte sein Blick hinüber zum Fabricius, der entspannt zurückgelehnt in seinem Stuhl saß und das Schauspiel, das sich ihm da geboten hatte, interessiert verfolgt hatte.


    Noch unvermittelter, zumindest für Curio, erhob Bestia plötzlich seinen Bierkrug, prostete zuerst dem Fabricius, dann Curio zu und nahm einen großen Schluck, mit dem er den Becher etwa um ein Viertel leerte.


    Ich kann mir vorstellen, warum du den Jungen unterstützt, Aremend. Er hat Mumm, sieht man dem Hänfling zwar nicht an, aber er hat Mumm. Schade nur, dass er ihn in Politik und Religion verbrät.


    Bestia lachte laut auf und schlug dabei zweimal kräftig mit der Faust auf den Tisch. Auch der Fabricier musste schmunzeln. So waren sie nunmal, die Veteranen, zumindest schob Curio diese unvermittelte Ausgelassenheit auf diesen Charakterzug, der, wie der junge Helvetier aus seiner Familie wusste, bei den ehemaligen Soldaten weitverbreitet war. Dennoch war das keine Antwort auf sein Angebot. Immer noch in euphorischer Stimmung


    Weißt du was, Aremend? Du unterstützt den Jungen. Du unterstützt nur Leute, die anständig sind, na ja, oder zumindest meistens. Natürlich hast du auch hier deine Finger im Spiel, damit ich mal wieder was anständiges mache, du verdammter alter Dreckssack.


    Erneut lachte Bestia auf und der Fabricier stimmte dieses Mal auch ein. Curio hingegen wusste noch immer nicht, wie er das alles zu deuten hatte, bis sich der Veteran nun wieder ihm zuwandte.


    Also gut, Junge. Wenn mein Freund Aremend, oder Manius Fabricius Tullus Maior, wie er sich selbst mittlerweile lieber nennen lässt, glaubt, dass ich hier raus muss, ist es wohl wirklich Zeit. Also wann kann ich anfangen?


    Curio war perplex. So schnell, so einfach sollte das gehen? Erneut brauchte er einige Augenblicke, um seine Sprache wiederzufinden. Auch er nahm nun einen großen Schluck Bier, wobei ihm mal wieder bewusst wurde, dass er eigentlich lieber Wein und mittlerweile auch Met lieber trank, als dieses Hopfenzeug.


    Nun... ähm... ich würde vorschlagen, dass du in drei Tagen in die Casa Helvetia kommst. Bis dahin kann ich mit meinen Verwandten sprechen und dich ankündigen.


    Nein, er hatte noch nicht mit ihnen gesprochen. Allerdings nahm er sich bei diesem Thema einfach mal heraus, für sie alle mitzuentscheiden, denn er kannte Silvana und Alpina gut genug, um ihre Eigensinnigkeit, ja Sturheit beim Thema Sicherheit zu kennen. Spätestens seit der Geschichte mit dem - nach Curios festen Überzeugung - falschen Helvetiers, wusste er aber, wie gefährlich auch diese Stadt sein konnte. Erst recht, je weiter man die Karriereleiter hinaufstieg und sich dabei auch reichlich Feinde machen konnte.


    Nach der Zusage saßen die drei noch einige Zeit zusammen. Die beiden Veteranen erzählten sich die alten Geschichten ihrer Dienstzeit, während Curio ein wenig von seiner Familie erzählte. Irgendwann gingen sie auseinander und während der Fabricier einen Rundumbesuch seiner Kunden begann, machte sich Curio zurück auf den Weg zum Tempel, wo er nochmal nach dem Rechten sehen wollte, bevor er nach Hause reiten würde.

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