Lucias Briefwechsel...

  • In Lucias Zimmer steht ein Schrank mit dutzenden von kleinen Schubladen. Früher hatte er wohl das übliche Allerlei einer Frau enthalten. Jetzt wird er von Lucia allein für die ordentliche Lagerung ihrer Korrespondenz mit ihren Freunden in Rom genutzt.


    Neben dem Schrank steht ein kleiner Tisch mit einem verzierten Schemel. An diesem nimmt der Schreiber Platz, sofern sich Lucia nicht dazu entschließt selbst den Stift zu führen.

  • Noch enthielt dieses Fach keinen einzigen Brief, aber Lucia hatte sich die letzten Tage die Mühe gemacht ein Schreiben an die Augusta persönlich zu verfassen. Sie hatte über die eine oder andere Formulierung ewig nachgedacht, wollte jetzt aber auch nichts mehr ändern. Jetzt fehlte nur noch die Adresse und Arsinoe konnte die Nachricht abschicken.


    Verehrte Augusta,


    ich schreibe dir aus einem Land, das aktuell wie unter einer weißen Decke schläft. So viel Schnee hab ich noch nie in meinem Leben auf einmal gesehen. Aber alles der Reihe nach.


    Für deine irgendwann ausstehende Reise in den Norden möchte ich dir von der Route, die wir gewählt haben abraten. Ich kann mir nur ausmalen, welche Ungemach einem bei der Benützung eines Schiffes für einen Abschnitt der Reise bereitet. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es unangenehmer sein kann, als auf Wochen in einem Reisewagen unterwegs zu sein. Ich bin froh darum gewesen Decima Seiana und die junge Esquilina – Marcus Iulius Licinus‘ Mündel - als Gesellschaft dabei gehabt zu haben und auch die Musik und verschiedene Lesungen haben mir die Zeit vertrieben, aber irgendwann wird selbst der unsterbliche Ovid öde. Ich konnte es selbst kaum glauben!


    Germania Superior ist ein Land gespalten zwischen zwei Welten. Die Menschen erscheinen mir sehr herzlich, aber im Gegensatz dazu, was ich von anderen Provinzen gehört habe, nehmen sie von der römischen Lebensart nur das Nötigste an und legen übermäßigen Wert auf ihre Kultur, die scheinbar viele als überlegen betrachten. Natürlich gibt es hier auch viele echte Römer und auch Soldaten im Ruhestand aus den verschiedensten Regionen des Reiches. Aber die Germanen stechen allein schon durch ihren Kleidungsstil hervor.
    Es gibt hier wunderbare römische Anlagen, Bäder, Tempel, natürlich kommt nichts an den Glanze Roms heran, aber man kann ihnen auch keinen großen Mangel nachsagen. Nein, man kann den Planern und Bauern Mogontiacums wahrlich keinen Vorwurf machen. Es ist das Wetter, der frühe Untergang und späte Aufgang der Sonne und die Lebensart einiger Einheimischen, die dem Ort einiges an Reiz nehmen. Es ist wirklich erstaunlich: Wenn man sich mit de Sonnenaufgang erhebt und seiner alltäglichen Morgentoilette nachgeht ist es, wenn man fertig ist, schon fast Mittag! Vier Stunden später senkt sich die Sonne dann schon wieder über den Horizont, um in das unglaublich lange dauernde Dämmerlicht überzugehen, ehe es wieder dunkel wird. Auch brauchst du unbedingt ein, nein eher mehrere Felle und warme Mäntel, wenn du den Norden besuchst! Vor zwei Tagen hat es begonnen zu schneien und es wirkt nicht so, als ob es irgendwann bald aufhören mag. Die Kälte kriecht durch jede Ritze und damit meine ich nicht die aus Rom bekannte Kühle, die mit dem Winter kommt, ich meine eine beißende Kälte, die in Nase, Wangen und jedes freie Zipfelchen Haut sticht.
    Mir wurde versichert, dass es wie um die Dunkelheit des Winters auszugleichen im Sommer dafür umso länger hell ist und warm, ohne die unangenehme Hitze die man aus Rom kennt. Ich gebe dir diese Worte weiter, ohne eine eigene Meinung dazu zu äußern, denn noch habe ich diese Seite des Nordens noch nicht kennenlernen dürfen. Bona dea, ich hoffe es ist wahr!


    Die Stadtverwaltung scheint, auch ohne die ständige strenge Hand eines gesunden Stadthalters, in den letzten Monaten effektiv weitergearbeitet zu haben. Es gab keine großen Mängel hinter denen mein Mann direkt nach seiner Ankunft aufräumen musste, nur die Regia ist kaum repräsentativ und scheint mir in den letzten Monaten nur wenig bis gar nicht gepflegt worden sein. Aber dessen werde ich mich persönlich annehmen, sobald der Frühling irgendeine Art der Arbeit außerhalb der beheizten vier Wände zulässt. Überhaupt scheint das Leben der Stadt es hier den Tieren des nahen Waldes im Winter gleich zu tun und schlafen zu gehen, um auf den Frühling zu warten. Mein Gatte lässt sich dadurch aber nicht davon abbringen die Provinz auf dem Pferd zu bereisen. Er regelt Angelegenheiten lieber vor Ort, als alle Beteiligten zu ihm kommen zu lassen.


    Zu guter Letzt möchte ich dir von meiner kleinen Aquilina berichten. Sie ist Valas Augenstern und macht sich prächtig. Ich fürchte es dauert nicht mehr lange und sie ist deiner Wiege entwachsen. Das kalte Wetter scheint sie kaum zu beeinflussen und, den Göttern sei Dank, hat sie eine scheinbar unzerstörbare Gesundheit. Nachdem meine Kleine bei unserem Treffen so begeistert von den bunten Bändern gewesen ist, hat sie nun auch hier welche über ihrem Platz hängen. Ihr Anblick zaubert mir jedes Mal aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht.


    Aquilina und ich senden dir die besten Grüße,
    Tiberia Lucia

  • Der erste Brief, den Lucia in Germanien bekommen hat, befindet sich in diesem Fach.


    Roma, KAL OCT DCCCLXV A.U.C.

    Ad
    Tiberia Lucia
    Domus Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior



    Iulius Dives Tiberiae Luciae s.d.


    Ich danke dir, selbstredend auch im Namen meiner Frau, für deinen Brief. Denn in der Tat ist es mir nicht entgangen, dass dein Ehemann, mein Mitklient Duccius Vala, mit der Statthalterschaft über die Provinz Germania Superior betraut wurde. Dies ohne jeden Zweifel ist eine überaus ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe, zu der ich ihn nur beglückwünschen kann.
    Jedoch, so muss ich gestehen, rechnete ich nur mit einer nicht ganz so zeitigen Abreise eurerseits, sodass ich mich hiermit entschuldigen möchte, nicht noch einmal die Gelegenheit genutzt zu haben, euch alle zum Abschied in die Domus Iulia einzuladen.


    Ferner möchte ich deine Erwähnung der Factio Veneta aufgreifen und verspreche dir sehr gerne, dich über alle diesbezüglichen Aktivitäten und Ergebnisse stets auf dem Laufenden zu halten. Bei diesen Zeilen denke ich gerade lächelnd zurück an die Qualifikationsrennen zu den Ludi Funebres zu Ehren des Cornelius. In Begleitung des adretten Duccius Callistus und seines wohlgenährten Freundes warst du da und zu viert verfolgten wir gemeinsam das zweite und entscheidende Rennen - ein wundervoller Tag!
    Da ich seither nicht wieder etwas von den beiden gehört habe und folglich davon ausgehe, dass sie wohl mit euch nach Mogontiacum reisten, richte ihnen doch bei Gelegenheit einfach ein paar Grüße aus.


    Ja, und bei dieser Gelegenheit möchte ich selbstverständlich auch deinem Gatten für seine Amtszeit den Segen und Beistand der Götter wünschen, wie sich hoffentlich auch eure Tochter bereits über ein paar schriftliche Grüße zu freuen vermag. Aquilina, das sei zudem gesagt, ist ein überaus schöner Name.
    Meine herzlichen Glückwünsche zu der Kleinen, die ganz ihre Mutter gewiss einmal zu einer ganz tadellosen Dame heranwachsen wird.


    Mögen die Unsterblichen stets wachen über dich und eure Familia. Vale bene!


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    MARCUS IULIUS DIVES
    QUAESTORIUS


    Inzwischen ist das Schreiben etwas abgegriffen, da Lucia es so häufig herausgenommen hat, nicht nur um eine Antwort darauf zu verfassen.

  • Natürlich hat auch Lucias Lieblingsfreundin ein Fach in dem Schrank erhalten.




    SERGIA FAUSTA



    Ad
    Tiberiam Luciam

    Domus Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum - Germania Superior



    Sergia Tiberiae s.d.


    Wie habe ich mich über deinen Brief gefreut. Wie haben wir uns alle hier gefreut. Ich hoffe, deine Tochter und du, ihr seid gut angekommen im kalten, provinziellen Norden.
    Uns hier im warmen, pulsierenden Süden geht es jedenfalls ganz ausgezeichnet! Wir waren zu Gast in der Domus Augustana und haben einen ganzen Abend lang in intimer Runde mit dem Kaiser, seiner Frau und dem jungen Caesar gespeist. Es war ein ganz köstliches und exquisites Essen! (Ich hoffe, ich mache dich damit nicht neidisch. Denn in so einem kleinen Provinznest ist die Auswahl ja wahrscheinlich nicht ganz so groß.. und das nicht nur beim Essen.)


    Aber wir haben uns alle wirklich gut unterhalten an dem Abend. So gut, dass mein lieber Dives jetzt im Senat sitzt, während ich nun jeden Tag auf den Palatin darf - als Procuratrix a memoria. Ist das nicht toll?
    Mein. Lieber. Dives. Da fällt mir ein, dass ich dich leider darum bitten muss, diese Formulierung nicht mehr zu verwenden in deinen Briefen. Denn mir macht sowas ja nichts aus. Du weißt, dass ich nicht zimperlich bin. Aber du musst auch Rücksicht nehmen auf die restliche Familie. Iulia Torquata, die süße kleine Vestalinnentochter meines Mannes, sie ist vor Schreck auf der Stelle tot umgefallen.


    Tja. Ihre Beisetzung findet jetzt in ein paar Tagen statt. Aber keine Sorge, ich hege keinen Groll gegen dich deswegen. Mein Babybauch sagt mir nämlich, dass ich den Verlust meines Mannes schon bald kompensieren werde.
    Viele Grüße aus dem Zentrum der Welt an die Grenze zum wilden, germanischen Busch! Grüß die [strike]Barbar[/strike] Götter, wenn du sie siehst. Vale bene!


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    Sergia Fausta
    PRIDIE ID NOV DCCCLXV A.U.C.
    Casa Iulia | Rom | Italia


    Ihre Briefe stellten doch gerne ein nette Herausforderung für eine passende Antwort dar. Da nahm sich Lucia lieber ein bisschen länger Zeit, um auch jede Formulierung passend zu wählen.

  • Oooohweh! Ohweh, ohweh, ohweh!
    Da war ein wichtiger Brief doch tatsächlich beim Einzug untergegangen.
    Das ist nicht gut, gar nicht gut!
    Wer auch immer das Schreiben wiedergefunden hatte, hatte es nicht gewagt es persönlich zu übergeben, es tauchte eines Tages einfach auf Lucias Schreibtisch auf.



    Roma, ANTE DIEM III NON OCT DCCCLXV A.U.C.

    Ad
    Tiberia Lucia
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania

    ____________________________________________________________


    Wir wollen nicht klagen, dass sie gegangen sind,
    sondern dankbar sein, dass wir sie hatten.


    In diesem Sinne wünsche ich dir in diesen schweren Stunden den Trost deiner Verwandten und Freunde, nach der Zeit der Trauer jedoch auch wieder einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Sei dir meines Beileids ob des Verlustes deines Großonkels Tiberius Telophanes bewusst.


    Vom hohen Senat zum Vigintivir gewählt ist es meine Pflicht, dem Praetor Urbanus in Erbschaftsprozessen zur Hand zu gehen, was nun speziell auch diesen Fall betrifft. So ist es meine Aufgabe, dir mitzuteilen, dass du nach Intestatrecht als rechtmäßiger Erbe der folgenden Vermögenswerte festgestellt wurdest: Geld, Waren.


    Dir steht es nun frei, ob du dieses an keinerlei weitere Verpflichtungen geknüpfte Erbe annimmst oder nicht. Solltest du dich gegen eine Annahme des Nachlasses entscheiden, wird dein Erbanteil auf die übrigen Erbberechtigten aufgeteilt respektive der Res Publica zugeführt.


    Ich bitte dich, mir möglichst zeitnah, spätestens jedoch bis zum ANTE DIEM XIII KAL DEC DCCCLXV A.U.C. (19.11.2015/112 n.Chr.) mitzuteilen, ob du dieses Erbe anzutreten gewillt bist. Denn sollte ich bis dahin keine Antwort in mein Officium von dir erhalten haben, bin ich gezwungen dies als Ablehnung der Erbschaft anzusehen.


    Mögen die Unsterblichen deinen Verwandten sicher ins Elysium geleiten, dir und den Deinen aber ein langes und erfülltes Leben schenken.


    Vale bene!


    [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png]


    Caius Flavius Scato


  • Mein guter Dives,
    du glaubst ja nicht wie es die Seele freut ein paar Zeilen aus der Heimat zu bekommen, noch dazu von einem so liebgewonnenen Freund.
    Auch ich hätte mich über ein letztes Mahl in deinem gastfreundlichen Zuhause gefreut doch die Umstände ließen es leider nicht zu. Ich möchte nicht in das müßige „was wäre wenn“ versinken und wechsele deshalb bewusst das Thema.


    Mein Aquilina nahm deine Grüße mit einem Trommelfell-malträtierendem, fröhlichen Quietschen auf, was ich als Zeichen ihrer Zuneigung dir gegenüber werte und dass sie dir herzliche Grüße zurücksenden möchte.


    Von Callistus kann ich dir keine Grüße schicken, vielmehr wollte ich gerne über dich welche an ihn vermitteln. Ich habe schon eine Weile nichts von ihm gehört und vielleicht könntest du ihn überzeugen doch mal seinen Verwandten und Freunden in Germania zu schreiben. Er ist in Rom geblieben. Es verwundert mich ehrlich gesagt, dass du davon ausgehst er wäre mit uns gezogen. Aber es heißt ja auch, dass er nicht negativ auf sich aufmerksam gemacht hat. Dafür möchte ich dankbar sein.


    Das Wetter in Germanien ist noch ungastlicher, als es immer beschrieben wird. Hier liegt so viel Schnee, das kannst du dir nicht vorstellen. Alles ist weiß und kalt. Die Kälte kriecht durch jede Ritze. So kalt hab ich es noch nie erlebt! Zwar wird mir immer wieder versichert, dass es sich bei dem Wetter auch in Germanien um eine Ausnahme handelt, aber glauben kann ich es nicht wirklich. So warte ich ungeduldig auf den Frühling und hoffe, dass es dann angenehmer wird.


    Ich sende dir nur die besten Wünsche nach Rom! Wenn die Rennen wieder beginnen, feuere Veneta für mich mit an!
    Vale bene
    Lucia




    Es hatte eine Weile gedauert, Lucia hatte auch Zeit gelassen, aber jetzt war der Brief an Dives fertig. Es fehlte nur noch die Adresse und Arsinoe konnte gleich auch diesen Brief abgeben. Eigentlich sollte sie besser noch warten mit dem Abschicken, bis auch Sergias Antwort fertig war... eigentlich. Aber warum eigentlich? Lucia würde sich einfach heute Abend entscheiden. Wenn sie da den Brief noch ncith fertig hatte, würde sie einfach erstmal das Schreiben an die Augusta und den Brief hier abschicken lassen.

  • Es war mal wieder Zeit sich bei ihrem Vetter zu melden. Familie war wichtig, auch wenn ihr eigener Bruder nicht der Meinung zu sein schien, so konnte sie doch selbst diese Fahne hochhalten.


    Lieber Verus,


    ich hoffe du hast den Winter gut überstanden. Ich werde mich nie an diese eklige Kälte und den vielen Schnee gewöhnen. Egal wie lange ich schon in diesem Land lebe. Aber die Germanen haben schon ganz ihre eigenen Wege gefunden mit der Kälte und der Dunkelheit fertig zu werden, findest du nicht? Zum Beispiel die Herstellung des Mets. Ich war erst letztens wieder mit einer


    Lucia zögerte. Wie wollte sie die Duccia nennen? Eine Bekannte? Eine Verwandte? Nein, das benötigte alles viel zu viele Erklärungen. Lieber wollte sie es einfach belassen.


    Freundin unterwegs und wir haben warmen Met gegen die Kälte getrunken. Wunderbar! Nur fühle ich beinahe noch immer den Rausch der mit diesem Getränk unweigerlich einhergeht.


    Meine kleine Aquilina ist noch immer mein Augenstern und eine der wenigen ungetrübten Freuden in diesem Land. Sie wächst und wächst und lernt jeden Tag etwas neues. Du musst uns bald besuchen kommen, ansonsten lernst du nie das Baby Aquilina kennen, sondern nur die kleine Dame!


    Hier stoppte Lucia mit einem warmen Lächeln und sah sich nach ihrem Schatz um. Die bunten Bänder, die früher über ihrer Wiege hingen, hatten inzwischen den Weg in ihre Haare gefunden. Ihre kleine liebte es Bänder in ihren Zöpfen zu haben, dabei konnten es gar nicht genug verschiedene Farben sein.


    Jetzt wo bald der Frühling seine volle Kraft entfaltet, möchte ich mich einem ehrgeizigen Projekt zuwenden: Ich will die Regia


    “…wieder ansehnlich machen.“, murmelte Lucia und stoppte. Naja, das Wort „wieder“ würde implizieren, dass sie jemals ansehnlich war. Nein, das würde sie lieber weglassen.


    ansehnlich machen. Leider ist meine Finanzierung beschränkt und seid Lepidus mein Grundstück vereinnahmt hat habe ich kaum eigenes Geld, aber das werde ich schon irgendwie hinbekommen. Zunächst einmal werde ich die Front von Grünzeug befreien lassen müssen, dass wir überhaupt sehen, womit wir es zu tun haben. Dann kann ich dir gerne genaueres berichten.


    Ich freu mich auf eine Antwort von dir!
    Alles Liebe
    Lucia


    Lucia las den Brief nochmal durch und nickte zu sich selbst. Das konnte sie so lassen. Aber irgendwie tendierte sie zu immer herzlicheren und persönlicheren Anreden und Formulierungen. Sie seufzte. Wen wunderte das schon, wenn sie mit all ihren Lieben nur per Brief Kontakt haben konnte. Jetzt fehlte nur noch die Adresse und der Brief konnte auf seinen Weg gehen.

  • Wie jeden Tag fragte Lucia Arsinoe nach ihrer Korrespondenz. Leider war die Antwort darauf, vorallem im Winter, eine sehr nette Umschreibung von "kein einziger Brief" gewesen. Auch an diesem Morgen stellte Lucia die gleiche Frage wie jeden Morgen und diesmal bekam sie von der glücklich lächelnden Sklavin tatsächlich einen Brief in die Hand gedrückt. Der Brief alleine verschönerte Lucias Morgen ungemein, als sie dann las von wem er war, lächelte Lucia warm. "Wollen wir doch mal sehen, was Verus so zu berichten hat! Und Sekunda, heute würde ich meine Haare gerne aus dem Gesicht und vom Hals weg haben. Die ganzen Felle und Tücher scheinen sich immer mit diesen zu verfangen." Die alte Sklavin nickte, gab ihrerseits Anweisungen und machte sich mit zwei anderen an die Aufgabe Lucia herzurichten. Diese vertiefte sich derweil in den Brief ihres Verwandten.




    Tiberia Lucia
    Regia Legati Augusti
    Domus


    Liebe Lucia,


    der Winter war überaus hart. Mehr als das. Wir haben uns hier den Hintern abgefroren und furchtbar gelitten, weil unsere Vorräte zwar ausreichend waren aber sehr einfach. Getreide und ständig getrockneter Schinken sind auf Dauer doch recht langweilig. Scheinbar vergisst das Imperium uns an dieser Grenze. Die Limesbefestigungen sind in einem verlassenen Zustand, obwohl ich dich bitte dies nicht weiter zu geben. Ich versuche mit örtlichem Material zumindest die mir unterstellten Befestigungen zu erhalten. Ich habe das Gefühl, dass es niemanden interessiert und man uns wirklich vergessen hat. Ich diene hier als Offizier aber jegliche Anforderungen wurden bisher abgeschmettert. Es mag auch sein, dass meine Nachrichten nicht ankommen.


    Ich hoffe auf die weiteren Monate und habe schon einen Lichtblick erlebt, als die ansässigen Anwohner uns halfen, die Mauerkrone unseres Kastells neu zu bedecken. Sie haben uns Steine geliefert, in wessen Auftrag auch immer. Scheinbar haben wir einige Gönner in der Region. Ich werde mit der Dunkelheit ebenso wenig fertig. Weißt du, wie dunkel das Barbaricum ist? Ich schon. Ich hasse diesen Ort. Wirklich. Die Götter scheinen mich mit diesem Dienst zu bestrafen. Kommandant eines Abschnittes zu sein, ist doch härter als ich erwartet habe. Auch die Männer leiden mit mir, da sie das selbe durchmachen. Und immer noch keine Sicht auf einen Wachwechsel. Seit Monaten warten wir auf eine Nachricht aus Mogontiacum!


    Könntest du mir auch etwas Met schicken lassen? Er schmeckt wirklich köstlich. Er hilft die Tage hier Oben zu überstehen. Neben den üblichen Angriffen von Freischärlern, dem Schmuggel und den Zollkontrollen passiert hier nicht viel.


    Aquilina? Ich habe sie immer noch nicht kennen gelernt, obwohl wir regelmäßig schreiben. Ich wollte dich immer besuchen. Du weißt ja, dass unsere kleine Familie sehr ausgedünnt ist. Überall sind wir verteilt und scheinen langsam dem großen Namen Tiberius nicht mehr gerecht zu werden. Der Name verblasst. Ich weiß nicht, ob die Götter noch unseren Namen erhalten. Ich weiß nicht einmal mehr, ob er es überhaupt wert ist. Namen haben hier Oben keine Bedeutung. Ich bin bei meinen Männern auch nur der Centurio. Wir haben viel durchgestanden, durchgemacht, um hier zu überleben. Ich kann mir nichts mehr auf diesen Namen einbilden. Ich weiß nur, dass ich Römer in der Fremde bin. Ob mein Name Tiberius noch Bedeutung ist, ich denke nicht. Die Zeiten haben sich geändert und hier am Limes spürt man dies besonders. Rom ist hier so fern, dass all unsere Kultur nur noch Leuchtfeuer in einer Fremde ist. Weißt du was seltsam ist? Neulich besuchte mich eine germanische Seherin und sie sprach von einer Aufgabe, von einer besonderen Bedeutung meiner Person. Ich ließ sie einreisen, obwohl ich nicht wusste, was dies bedeuten sollte. Sie schenkte mir einen Anhänger. Eine Art Hammer. Seit diesem Tag achten mich die Ansässigen und sprechen nicht mehr aggressiv. Es mag auch daran liegen, dass ich mir versuche ein paar Sätze des hiesigen Stammes beizubringen. Es erleichtert die Kommunikation. Irgendwie müssen wir ja zusammenleben. Diese Seherin geht mir seit diesem Tag nicht mehr aus dem Kopf. Ich träume sogar von ihr. Merkwürdig. Mögen die Götter mir eine Erklärung schenken. Auch wenn ich nicht wirklich glaube. Mir fällt nur kein besserer Begriff für eine höhere Macht ein, Lucia.


    Umarme Aquilina! Auch in meinem Namen. Ich vermisse dich. Du warst immer die Sonne in unserer Familie, trotz des allseits machtbewussten Lepidus.


    Die Regia? Das alte Ding? Es ist ein Zweckbau. Ich weiß nicht, ob man den verschönern kann. Gib' dein Bestes! Aber ich befürchte, dass diese Nutz-Architektur von Macht und Bürokratie sich nicht mit deiner feinen Hand vereinbaren lässt.


    Alles Liebe,


    Tiberius Verus


  • Wie sollte sie den neuen Brief anfangen? Sie hatte eigentlich gehofft direkt von Avianus auf ihren letzten Brief eine Antwort zu erhalten, aber diese war ausgeblieben. Lange Zeit war sich Lucia sicher gewesen, dass ihre letzte Begegnung mit dem Centurio einfach zu schlecht verlaufen wäre und dass sie nie eine Antwort von ihm zu erwarten hätte. Seit Senecas Besuch sah die ganze Geschichte schon anders aus. Der alte, leicht mitgenommene Brief lag vor Lucia auf dem Tisch und verkündete: Er hat seit über einem Jahr nichts von dir gehört, du bist diejenige, die nicht schreibt.
    Lucia spielte mit dem Siegel am alten Brief herum. Ja, vielleicht half es ihr den alten Brief nochmal zu lesen. Sie war sich ja selbst nicht mehr sicher, was sie geschrieben hatte! Kurz darauf war den Brief entrollt und Lucia begann zu lesen:



    Salve Avianus,
    wie versprochen schreibe ich dir aus Germanien. Diesem seltsamen, rauen und kalten Land. Meine kleine Aquilina hat die Reise gut überstanden und auch ich bin recht unversehrt angekommen.


    Du hast ja keine Ahnung von den Unannehmlichkeiten dieses Landes. Reisen ist ohnehin schon keine reine Freude, doch hier wird sie zur Last. Beständig waren wir von alten, dunklen Wäldern umgeben. Gruselige Gestalten schienen nachts gerade außerhalb des Feuerscheins zu lauern. Das ganze Land ist von einer unangenehmen Energie erfüllt, grob und kalt.


    Natürlicherweise habe ich so etwas wie die führende Rolle unter uns Frauen angenommen und habe versucht durch kleine Dinge das alles angenehmer zu gestalten. Interessanterweise haben selbst die Barbaren hier im Norden in jeder Stadt mindestens ein Bad, wenn es auch nie an die Größe oder Pracht der Bäder in Rom heranreicht. Ich fühlte mich tatsächlich an meine Jugend erinnert, als ich in Mantua im Exil lebte. Aber selbst dort war es zumindest wärmer und vertrauter. Nichts destotrotz ging ich immer mit guten Vorbild voran.
    Ihr Männer denkt immer, wir würden uns nur beschweren. Lass mich dich in ein Geheimnis einweihen. Wir wissen ehr wohl den Unterschied zwischen dem Möglichen und dem nicht Machbaren. Wir fordern aber gerne das Unmögliche, um zumindest alles Mögliche zu bekommen. Mit dieser Taktik habe ich meine Damen gut durch diese triste Zeit gebracht.
    Auch habe ich meine alte Leidenschaft, die Musik wieder entdeckt. Ich glaube ich war noch nie so gewandt beim Spiel, wie aktuell. Ich habe aber auch mit meiner Tochter und einem mir lieb gewordenen Mündel begeisterte Zuhörer gefunden.


    Aber ich fürchte du hast Recht behalten: So unangenehm der Weg auch gewesen war, wirklich aufregendes, das mit deinen Soldatengeschichten mithalten kann, habe ich nicht überstehen müssen. Die größte Herausforderung stellt aktuell das äußere Erscheinungsbild der Regia. Ich werde mich im Frühjahr an ihre Renovierung machen. Jetzt heißt es zunächst aber den germanischen Winter abzuwarten. Ich kann es kaum glauben, aber das Wetter soll dabei noch unwirtlicher werden.


    Wie ist es dir in dieser Zeit ergangen? Gibt es neue Geschichten aus Rom?


    Vale bene,
    Lucia


    „Hm…", machte Lucia nachdenklich und tippte dich unsicher gegen das Kinn.

  • Lieber Verus,
    Es kann doch nicht sein, dass unsere tapferen Soldaten so ignoriert werden! Wer ist denn dein Vorgesetzter? Vielleicht kann ich Vala dazu bringen diesem ein wenig Feuer unter dem Allerwertesten zu machen. Denn warum sollten deine Nachrichten an mich ankommen und die Briefe mit deinen Forderungen nicht? Ich kann dir versichern, hier wurdest du nicht vergessen! Egal was du benötigen solltest, bitte sage es mir, ich werde mein Bestes geben dir irgendwie eine Hilfe zu sein.


    Lucia hielt inne, las sich das eben geschriebene noch einmal durch und nickte. Ja, die Zeilen drückten ihre Empörung in einem ausreichenden Maß aus. Es konnte doch nicht sein, dass jemand aus ihrer Familie so schlecht behandelt wurde, dass es sogar auf die Hilfe von Barbaren angewiesen war! So schön der Absatz über die Hilfe der Dorfbewohner auch gewesen sein mochte, in dem Sinne, dass Verus Hilfe bekam. Es war dennoch alles andere als angemessen. Ah, aber zu dem Wachwechsel musste sie noch etwas hinzufügen!


    Was deinen Wachwechsel anbelangt. Auch hier bitte ich dich mir den Verantwortlichen zu nennen. Vielleicht kann ich ja was bewirken.
    Ich hoffe auch, dass der mitgesandte Met angekommen ist. Ich erwähne das hier noch einmal explizit, um sicherzustellen, dass die Boten sich nicht daran gütlich getan haben und so tun, als wäre nie etwas mitgesandt worden.


    Den deprimierenden Abschnitt bezüglich ihres ehemals so großen Namens wollte Lucia lieber ignorieren. Es war ja schon schlimm genug wie es war, man musste nicht auch noch den Finger in die Wunde legen. Die Seherin war jedoch zu interessant um übergangen zu werden.


    Du musst mir unbedingt mehr von dieser Seherin erzählen! Hat die Seherin dir aus der Hand gelesen? Wie sah sie aus? Alt oder jung? Groß oder klein? Hatte sie besondere Kleidung an? Besonderen Schmuck?
    Ich weiß nicht mehr, ob ich es dir schon erzählt habe, aber ich versuche mich mit der hiesigen Religion auseinander zu setzen. Ich habe erstaunlich viele Parallelen zwischen den germanischen Göttern und unseren gefunden. Allein von der Beschreibung deines Talismans würde ich auf die Entfernung behaupten, dass die Seherin dir einen Hammer Thors geschenkt hat. Ich bin mir jedoch nicht sicher.


    Lucia nickte abermals zufrieden. Ja, das wurde ein guter Brief. Doch für den letzten Touch brauchte sie ihre Tochter. Da diese jedoch aktuell noch unterwegs war legte Lucia den Brief zunächst beiseite.

  • Lucia wollte gerne mal wieder ihren Verwandten sehen. Jetzt war er schon in der Stadt, aber wirkich treffen taten sie sich dennoch nicht. Da Briefe bisher immer ein gutes Kommunikationmittel mit Verus gewesen waren, wollte sich Lucia nun auch wieder darauf verlassen.


    Mein lieber Verus,



    begann sie zu schreiben und hielt kurz inne. Sie wollte ihren Vetter nicht einfach nur zu sich einladen. Dieses Gebäude wurde ihr langsam zu viel, sie musste raus!



    Ich lade dich hiermit zu einem Picknick im kleinsten Kreise ein. Ich habe gehört, dass es am Ufer des Rhenus schöne Orte geben soll, an denen man sich niederlassen und speisen kann. Du und ich haben viel nachzuholen!



    Es würden natürlich noch ein paar Sklaven dabei sein, aber das sollte es danna uch schon sein. Lucia wollte ein paar ruhige private Stunden mit ihrem Verwandten. Sie würden schon in der Kutsche auf dem Weg dorthin gut reden können.



    Gib mir Bescheid, wann du es frühst möglich einrichten kannst. Wir brechen dann von der Regia aus gemeinsam auf.


    Bis bald!
    deine Lucia



    Lucia überflog den Brief nocheinmal und nickte zufrieden. Ja, das klang doch nach einem Plan!
    "Arsinoe!, rief sie nach ihrer Leibsklavin. "Das hier geht an Verus" Sie überreichte Arsinoe den kurzen Brief, sie würde schon dafür sorgen, dass er gut ankam.

  • Der Briefverkehr mit Rom war leider sehr eingeschlafen. Genaugenommen war er fast nicht mehr vorhanden. Lucia wusste nicht warum und fühlte sich ziemlich alleingelassen. Zwar hatte sie sich auch immer etwas Zeit zum Schreiben gelassen, aber doch nicht so lange, dass man ihr böse hätte sein können. Es war klar, dass jeder auch sein Leben hatte und da natürlich beschäftigt war. Aber Lucia hatte sich von so manchen eine innigere Freundschaft erhofft.
    Umso mehr freute sie sich, als sie einen Brief von ihrem alten Freund Iulius Dives bekam. Was er wohl erzählen würde? Ob er eine Erklärung bieten würde? Was es in Rom wohl so Neues gab? Vorfreudig begann Lucia zu lesen.


    Roma, PR ID AUG DCCCLXVII A.U.C.

    Ad
    Tiberia Lucia
    Domus Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior



    Iulius Dives Tiberiae Luciae s.d.


    Nachdem ich seit deiner Abreise aus der Urbs Aeterna leider nichts mehr von dir gehört habe, hoffe ich zunächst dennoch sehr, dass es dir, deiner Tochter und deinem Gatten, meinem Mitklienten Duccius, gut geht.


    Ich muss gestehen, dass ich etwas in Sorge war - und ehrlicherweise noch immer ein wenig in Sorge bin -, da ich auf meine letzten Briefe in den hohen Norden bis heute keine Antwort erhielt - weder von dir noch von meinem geschätzten Großonkel, dem Praefectus Castrorum Iulius Licinus. Lange habe ich gewartet, laborierte zwischenzeitlich an einem tückischen Fieber und wartete anschließend weiter auf eine Nachricht aus Germania. Doch damit ist nun Schluss.


    Er hatte nie eine Antwort erhalten?! Lucia brach entgeistert im Lesen ab. Das konnte doch nicht wahr sein! Erst der Brief an Avianus - den sie zu ihrer Schande noch immer nicht erneut abgeschickt hatte - und jezt das! Aber es schien ja nicht nur von ihr so zu sein. Licinus sollte auch nicht geantwortet haben? Das konnte sich Lucia nicht vorstellen! Da musste irgendwas schiefgelaufen sein! Die ganze Zeit hatte der arme Dives sich Sorgen gemacht! Lucia legte sich mitfühlend die Hand aufs Herz. Das durfte doch nicht wahr sein!
    Den Göttern sei Dank, dass er noch einmal geschrieben hatte! Am Ende wäre wegen irgendeiner dummen Lapalie ihre Freundschaft kaputt gegangen! Mit vor Empöhrung erhöhtem Puls las Lucia weiter.



    Die aktuellen Ereignisse zwingen mich, mein Warten zu beenden und neuerlich schreibend aktiv zu werden. Denn Tiberia Lucia, Roma wird erfüllt von Angst und Schrecken. Es sind furchtbare Szenen, die sich hier abspielen! Die Domus Iulia blieb bislang zum Glück verschont, sodass wir, ich und die Meinen, bisher unbeschadet davongekommen sind. Die kaum einen Steinwurf entfernte Villa Tiberia jedoch, der ehrwürdige Stammsitz deiner Gentilen, wurde gewaltsam mit Äxten aufgebrochen und brutal geplündert. Ein gerade von den Märkten zurückkehrender Angestellter meines Haushalts erzählte mir die grausamsten Geschichten von kaltherzig Enthaupteten, deren Köpfe absolut barbarisch einfach so den Esquilinus Mons hinunter geworfen wurden. Die ehrwürdige Villa Tiberia derweil fiel zu großen Teilen einer Feuersbrust zum Opfer.


    Die tabula entglitt Lucias Fingern und fiel klappernd auf den Tisch. Bitte was war passiert? Hektisch hob sie das Schriftstück wieder auf und las den letzten Abschnitt noch einmal. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Ihr Magen zog sich zusammen und sie schluckte krampfhaft. Ihres nun noch mehr beschleunigten Herzschlages unangenehm bewusst las Lucia weiter. Sie musste es jetzt ganz wissen. Wer? Und: Warum? Dives war nicht so geschmacklos so etwas als einen üblen Scherz zu schreiben, also musste es wahr sein.



    Ich bin noch immer ganz schockiert von der rohen Brutalität dieser marodierenden Meute; noch immer ganz mitgenommen von dem augenscheinlichen Glück, mit dem die Domus Iulia bisher davonkam; noch immer voller Anteilnahme und Mitgefühl für das Schicksal meiner tiberischen Freunde. Habe ich noch vor eine Weile sehr bedauert, dass sich dein geschätzter Bruder Lepidus aus Roma zurückzog, bin ich heuer äußerst froh, dass ihr beide nicht hier seid; dass ihr beide nicht unter den Opfern seid; dass es nicht eure Köpfe sind, die mit angsterfüllten Gesichtern den Esquilinus Mons hinunter in die Tiefe rollen. Minerva möge euch stets mit Speer und Schild verteidigen.


    Lucius war in Sicherheit. Egal wie Lucia in den letzten Jahren zu ihrem Bruder gestanden hatte, bei diesen Zeilen verspührte sie ungemeine Erleichterung. Zwar hatte Dives ihr auf die Fragen nach dem Wer und Warum noch immer keine eindeutige Antwort gegeben, aber das war jetzt kurz nebensächlich. Lucius war am Leben. Trotz ihres Fluches hatte sie nie gewollt, dass Lucius starb, er sollte nur bezahlen. Der Fluch. Lucias Magen sackte erneut nach unten. Bei den Göttern, da war doch nicht ihr Fluch daran Schuld, oder? Das hatte sie nicht gewollt! Das hatte sie nie verlangt! Das konnte einfach nicht sein. Entsetzt kramte Lucia in ihren Erinnerungen. Drei Dinge hatte sie verflucht. Seine Verbindung zu den Göttern, sein Verstand, und er sollte nie einen Erben... nein, die Zerstörung der Villa war nie... Lucia schüttelte wie betäubt den Kopf. Sie musste weiterlesen. vielleicht stand da noch etwas.. irgendetwas...



    In einem Brief an deinen Bruder versicherte ich ihm heute, dass ich ihm jederzeit meine helfende Hand reiche; dass ich zu jeder Zeit brüderlich an seiner Seite stehen werde, wenn es darum geht, die Verantwortlichen für diese abstoßenden Untaten - die neben der Villa Tiberia auch noch mehrere weitere Haushalte in Roma trafen - ihrer gerechten Strafe zuzuführen; und dass die Domus Iulia einem Freund wie ihm jederzeit offensteht. Dieselben Worte richte ich hiermit nun auch an dich - nicht weil ich denke, dass du dieses Angebot als Frau eines Consulars nötig hättest; aber weil es mir ein tief empfundenes Bedürfnis ist, auch dir gegenüber meine Solidarität auszudrücken.


    Mögen die Unsterblichen stets wachen über dich und eure Familia. Vale bene!


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    MARCUS IULIUS DIVES
    SENATOR ET ORATOR


    Das war es. Mehr stand dort nicht. Mit zitternden Händen legte Lucia die tabula auf den Tisch und versuchte tief durchzuatmen - vergeblich. Ihre Brust hob sich nur ruckhaft. Es waren noch andere betroffen... vielleicht war es also doch nicht ihre Schuld. Doch Lucia schaffte es nicht ihre Zweifel und Schuldgefühle zu beruhigen. Am Ende war es nur wieder einer dieser gräßlich verwinkelten Wege der Götter ihren Fluch wahr zu machen. Denn: Ihr Zuhause... es war weg. Ihr einziges wirkliches Zuhause gab es nicht mehr. Ihr Zimmer, ihre Sachen die sie dort gelassen hatte. Der Garten! Alles im Feuer verschwunden. Lucia fühlte sich wie betäubt. Aber wie mochte sich Lucius fühlen? War das ein Schritt für ihn auf dem Weg in den Wahnsinn? Das war es. Entsetzen erfüllte Lucia. Es war ihre Schuld.

  • So lange hatte Lucia kaum Briefe aus Rom bekommen und jetzt kamen immer mehr ins Haus geflattert. Dummerweise wollte Lucia die Nachrichten garnicht lesen. Alle hatten doch eh das gleiche Thema: "Hast du es schon mitbekommen? Die Villa Tiberia ist abgebrannt." Lucia hatte den Brief ihrer Freundin Manlia lag noch ungeöffnet auf dem Tisch liegen, als sie Post von jemandem bekam, den man nicht so einfach ignorieren konnte. Seufzend öffnete Lucia das Schreiben und wappnete sich für dessen Inhalt.



    Tiberia Lucia
    Domus Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior




    Meine liebe Freundin,


    ich wollte dir schon viel früher schreiben und muss mich dafür entschuldigen, dass ich es nicht getan habe. Der Anlass aus dem ich die heute schreibe ist auch leider kein erfreulicher.
    Marodierend Horden von Sklaven haben es gewagt sich gegen Rom zu erheben und sie haben es gewagt die Villa Tiberia und damit das Kaiserhaus selbst anzugreifen. Ich möchte dir hier nun auch die genauen grausamen Details ersparen. Es tut mir leid dir mitteilen zu müssen, dass von die einstig prächtigen Villa, der Stammsitz deiner Familie nichts weiter als verbrannte Überreste geblieben sind. Doch sei versichert mein Mann wird nicht eher ruhen bis jene die es gewagt haben zur Strecke gebracht und ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden.
    Ich weiß nicht wie ich dich in diesen schweren zeiten aus der Ferne über deinen Verlust hinweg trösten kann, doch möchte ich dir versichern, dass ich dir immer zur Seite stehe und du auf meine Hilfe zählen kannst.


    Lucia atmete zittrig tief durch. Die marodierende Meute bestand aus Sklaven... Sklaven! Der Dorn der seit Dives Brief in ihrer Brust zu stecken schien, begann erneut zu schmerzen und gab Tropfen um Tropfen Gift in Lucias Herz ab. Was glaubten diese unwürdigen Kreaturen, wer sie waren!? Wie konnte das passieren? Wer hatte diesen willenlosen Wesen dazu angestiftet? Lucia konnte nicht glauben, dass Sklaven - die nichts anderes konnten als Befehle zu befolgen- ohne Hilfe soetwas tun könnten. Ihre Mine wurde immer finsterer. Die Kaiserin versprach Aufklärung, gerechte Strafe. Aber wieder bekam Lucia keine Einzelheiten, bewusst keine der grausamen Einzelheiten erzählt. Frustriert warf sie den Brief auf den Tisch. Sie musste zurück nach Rom! Es konnte doch nicht angehen, dass sie nur wegen Vala hier festsaß. Es gab doch auch andere Paare die eine Zeit getrennt waren. Sie musste nach Rom. Sie musste einfach. Lucia sprang auf, lief zur Tür und blieb abrupt stehen. Sie konnte den Brief nicht unvollendet liegen lassen, vielleicht gab es ja doch noch wichtige Information. Mit überaus graden Rücken setzte sie sich wieder und nahm den etwas geknickten Brief in die Hand.



    Und damit dieser Brief nicht nur schreckliche Dinge enthält, füre ich mich, dir auch mitteilen zu können, dass ich nun auch stolze Mutter eines Sohnes - Tiberius Aquilius Iulianus – bin. Der Kaiser ist unglaublich stolz auf seinen Nachwuchs und ganz vernarrt in seinen kleinen Sohn.



    Mögen die Götter stets wachen über dich und deine Familie.



    Vale bene!


    Deine mit dir fühlende Freundin


    VETURIA SERENA


    Nichts mehr zur Villa oder dem Aufstand. Lucia legte den Brief diesmal etwas vorsichtiger beiseite. Sie musste mit Vala reden. "Wo ist mein Gatte?", stellte sie die Frage in den Raum. "Er ist aktuell nicht im Hause, wird heute Abend aber zurück erwartet." bekam sie eine nicht zufriedenstellend Antwort. "Na gut... Dann wollen wir doch mal sehen, ob Manlia mehr zu erzählen hat, sprach Lucia grimmig und griff nach dem zuvor vernachlässigten Brief ihrer alten Freundin.

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