Das Officium des Aulus Iunius Seneca lag direkt am Atrium und war somit zumindest in den Mittagsstunden recht hell. Die Wände waren verdeckt von schweren, aus dunklem Holz gefertigten Regalen in welchen allerlei Rollen lagerten welche, um bei der Wahrheit zu bleiben, äußerst selten bewegt wurden. Darüber hinaus befand sich ein großer Schreibtisch mit Stühlen an beiden Seiten im Zimmer, sowie eine Karte der Provinz, eine kleinere Kopie der Karte auf dem Kastell. Das Familienwappen der Iunier zierte die Wand, an welcher auch ein Zierteppich hing um eine kahle Stelle nahe der Porta zu verbergen. In den Abendstunden erhellten Öllampen den Raum und schafften somit die Möglichkeit auch am Tage noch zu arbeiten.
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Seneca regelte gerade die Angelegenheiten des Schneedienstes in der Stadt als ein Sklave mit einem Brief anklopfte. Als dieser ihm mitteilte wer ihm da geschrieben hatte, griff er hastig nach der Schriftrolle und öffnete diese im Handumdrehen,
Ad
Aulus Iunius Seneca
Domus Iunia
Mogontiacum, Germania superior
Aulus Avianus Senecae suo s.p.d.
Seneca, verdammte Axt, du glaubst gar nicht, was mir in den letzten Wochen und Monaten alles passiert ist! Gar nicht mal so schlimm also, dass dein letzter Brief ewig und drei Tage auf sich hat warten lassen, sonst hätte ich jetzt nur halb so viel zu berichten, obwohl ich natürlich gerne öfter von dir hören würde. Jedenfalls: Es gibt ausschließlich gute Neuigkeiten und davon jede Menge.
Wie ist es dir lieber? In chronologischer Reihenfolge oder sortiert von der kleinen, guten Nachricht bis hin zum allerbesten Ereignis überhaupt? Letzteres? Gut, das Beste immer zum Schluss, nicht wahr?
Du solltest definitiv Rom mal wieder einen Besuch abstatten, denn die Domus ist ein klein wenig voller geworden. Einer unserer Cousins, Vitulus, ist nach Rom gekommen, um sich nützlich zu machen. Er ist der Sohn von einem deiner Onkel, Iunius Victorius, sagte er, glaube ich. Er will den Cohortes Urbanae beitreten. Eine blendende Idee, meiner Meinung nach. Dort kann ich zumindest ein Auge auf ihn haben. Wer weiß, vielleicht schreibt er dir ja mal.
Axilla und ihre Söhne sind noch immer hier in der Domus. Den dreien geht es gut und Axilla verhält sich zudem recht ruhig in letzter Zeit. Ich weiß nicht, ob sie noch immer etwas im Schilde führt oder ob die Moralpredigt, die ich ihr gehalten habe, entgegen aller Erwartungen doch etwas gebracht hat, was ich natürlich hoffe.
Wie gesagt, hier in Rom wird mir nicht langweilig, und ich bin wirklich froh, dass ich regelmäßig zu Hause sein kann. Irgendwer muss ja für Ordnung sorgen und Sibel kann in nächster Zeit keinen unnötigen Stress vertragen. Da wären wir auch schon bei den Neuigkeiten Nummer Zwei und Drei. Aber eins nach dem anderen.
Ja, du hast richtig gelesen. Ich bin inzwischen regelmäßig daheim. Warum? Ich gebe dir ein paar Hinweise: Ich musste mir ein paar neue Tuniken besorgen, lauf jetzt höchstens mit einem dieser polierten, dekorativen Brustpanzer herum und durfte mir einen Ring an den Finger stecken. Schweres Rätsel, nicht wahr? Überraschung! Der Praefectus Urbi hat dafür gesorgt, dass ich zum Eques und Tribunus ernannt werde. Der hat nicht nur mit dem Kaiser gesprochen, nein, ein Grundstück habe ich auch noch erhalten! Ich hätte mich beinahe angesabbert, so perplex war ich, als er es mir erzählt hat! Ich wusste von nichts, und plötzlich sagt der Decimus: "Du wirst Ritter. Ach ja, und ein Stück Land habe ich auch für dich."
Da dachte ich früher, alles, was ich anfasse, geht einfach aus Prinzip schief, und jetzt tut mir vor lauter Glück schon das Gesicht weh, weil ich das Grinsen nicht loswerde, denn:
Am Abend des Tages, an dem ich von meiner Erhebung erfahren habe, das war vor drei Tagen, ist dazu noch mein erster Sohn gesund zur Welt gekommen. Wirklich, ich verstehe jetzt, warum du immer so ein dümmliches Grinsen im Gesicht hast, wenn du von Silana erzählst. Mir geht es gerade genauso. Dieses Grinsen. Es kommt einfach. Er ist gesund und Sibel hat die Geburt auch gut überstanden. Was in aller Welt könnte besser sein? Ich weiß, es kann noch immer alles Mögliche schief gehen und schon jetzt merke ich, dass Kinder haben nicht immer lustig ist, aber in diesem Moment fühlt sich trotzdem alles perfekt an. Übrigens: Bis zum dies lustricus sind es zwar noch ein paar Tage hin, aber er wird Lucius Lucullus heißen. Kein Silanus.
Spaß beiseite … ich wünschte, ich könnte euch einander vorstellen, aber jetzt können wir dir und Seiana in Germania natürlich erst recht keinen Besuch abstatten, so gern ich euer neues Heim auch begutachten und auch Silana einmal kennenlernen würde. Wir holen das nach, ja? Und wie geht es deinen werten Damen? Beide wohlauf? Richte ihnen liebe Grüße von mir aus.
Jedenfalls wünsche ich dir alles erdenkliche Gute. Der viele Schnee hat dich in der Zwischenzeit doch hoffentlich nicht verschüttet?
Pass wie immer gut auf dich auf und schreib bald zurück.
Aulus Iunius Avianus
TRIBVNVS · COHORS XII VRBANA
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PS: Tut mir leid, das musste einfach sein. Ich konnte nicht anders.
PPS: Ist eigentlich dein Lararium schon angekommen? Vermutlich nicht. Ich habe es jedenfalls letztens mal losgeschickt. Selbst wenn es aber jetzt noch nicht da ist, bestimmt bekommst du es noch, bevor dieser Brief dich erreicht.
Seneca legte den Brief beiseite, stand auf, ging hinaus ins Atrium, atmete tief ein und aus, ging wieder ins Officium, und hob den Brief wieder auf nur um ihn nochmals zu lesen. Avianus! Du alter Schlingel! Er stand wieder auf, ging hinaus ins Atrium und kniete sich vor den Familienschrein. In Ermangelung passender Worte hielt er einfach nur einen Moment inne während er breit grinste. Als er sich wieder erhob schnappte er sich den nächstbesten Sklaven, "Schickt nach meiner Frau, und besorge uns den besten Wein aus dem Vorratslager." wies er ihn an und marschierte dann schnurstracks zurück ins Officium, nur um hastig nach einer Rolle zu greifen und ebenfalls zu schreiben.
Ad Aulus Iunius Avianus
Domus Iunia
Roma, Italia
Bei den Göttern Avianus! Wenn du wüsstest wie dein Brief hier in Germanien aufgenommen wurde, ich sage dir, die Ahnen der Iunii schauen breit grinsend auf dich und die deinen herab, und ich? Ich bin unglaublich stolz auf dich.
Aber um der Flut an Informationen gerecht zu werden werde auch ich mich deiner Chronologie anpassen, und dir zunächst einmal mitteilen dass ich noch immer gefühlt der einzige Iunius im verdammten Germanien bin. Doch es freut mich dass die Familie in Rom verstärkt präsent ist, und ich hoffe dass auch unser Vetter einen ähnlich erfolgreichen Weg bei den Urbanern beschreiten kann, wie wir es bereits taten.
Und Axilla, nun, es tut mir leid um sie und ihren Mann, doch es ist beruhigend zu wissen dass sie und ihre Kinder bei dir in der Casa in guten Händen ist. Vielleicht ist es die raue Umgebung in Germanien, der Dienst direkt an der Grenze, oder die eigenen Familie die mich so ruhig werden lässt, doch richte ihr meine Grüße aus. Wenn tausende Meilen zwischen uns liegen ist der Familienfrieden vielleicht doch näher als man denkt.
Du ahnst gar nicht wie sehr es mich freut dass du nun auch im Stand eines Ritters bist, auch wenn du sicher ahnst dass du dir ab sofort einiges von mir anhören darfst. Wie geht's deinem Bauchumfang? Ich hoffe du hast dir bei deinen neuen Tuniken auch einige größere gekauft, schließlich weißt du ja wie sehr man hinter dem Schreibtisch auseinandergeht, ich wette die kleinen Häppchen schmecken im bequemen eigenen Haus gleich doppelt so gut nicht wahr?
Aber Spaß beiseite, es freut mich natürlich riesig dass du nun so eine Position inne hast, und wer weiß, vielleicht wirst du mich ja eines Tages einmal in meiner Position beerben wenn ich meinen alten Kadaver wieder in die Wärme des Südens schaffe. Bis dahin wünsche ich dir aber ein erfolgreiches Kommando in der Hauptstadt.
Die Nachricht über die Geburt deines Sohnes freut mich noch mehr als die Nachricht deiner Beförderung. Lucius Iunius Lucullus, welch ein passender Name für deinen Burschen. Ich würde mich freuen ihn bald kennenzulernen, doch dafür benötige ich natürlich auch einen dienstlichen Grund um nach Rom zu reisen, doch vielleicht sind uns die Götter ja wohlgesonnen und ermöglichen mir eine Reise zu euch, bei dem Schneefall aktuell könnte mir ein wenig mildes Wetter nicht schaden.
Ich würde dir gerne vieles aus Germanien berichten, doch leider hat der immense Schneefall für ein Erliegen des öffentlichen Lebens gesorgt. Selbst meine Truppen, zumindest die Tirones, müssen für Räumarbeiten herhalten. Doch sorge dich nicht, auch die Stämme jenseits des Limes sind eingeschneit, und haben momentan keinerlei Mittel uns gefährlich zu werden. Jedoch befürchte ich, und auch die alteingesessenen Bewohner der Provinz stützen mich in dieser Sicht, dass die Stämme im Frühjahr, ausgehungert und gelangweilt, aggressiver als noch in den Wochen vor dem Winter, versuchen werden Beute entlang der Grenze zu machen.
Ich werde Silana und Seiana von dir grüßen. Seianas Bildungsprogramm für die Provinz nimmt langsam formen an, auch wenn ich zu meiner eigenen Scham berichten muss dass ich noch immer nicht so ganz weiß was sie nun eigentlich tut. Doch sie genießt auch die Ruhe des Landgutes, und auch Silana gedeiht prächtig und blüht richtig auf. Vor allem die jungen Pferde auf unserem Gut haben es ihr angetan, und bald schon werde ich mich um einen Hauslehrer für sie bemühen, damit sie bestens auf ihr Leben vorbereitet wird, schließlich ist auch ihre Mutter eine tapfere Frau, welche ihren Weg alleine gefunden hat.
Ich hoffe dass der Frühling in Rom eingekehrt ist, in der Domus Iunia ist dies ja offensichtlich der Fall. Ich verbleibe mit den besten Grüßen aus Mogontiacum, mögen die Götter stets über dich und die deinen wachen. Ich hoffe dass ich dich und deinen Sohn bald in die Arme schließen kann, doch bis dahin friere ich noch ein wenig für dich mit und kümmere mich um die Truppe, schließlich werden wir bald viel zutun haben.
Aulus Iunius Seneca
PRAEFECTVS · ALA II NVMIDIA
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PS: Netter Versuch, wenn ich in Rom bin darfst du erstmal brav salutieren mein Freund.
PPS: Das hätte ich beinahe vergessen, sie sind angekommen und einfach wunderbar, ich soll dir auch von Seiana ihre Dankbarkeit ausrichten!