[Wiesen, Wald und Felder vor der Stadt] Pflanzenheilkunde für Kaeso Teil 2 "Schwangerschaft"

  • Sie hatten die Stadtmauern noch nicht lang hinter sich gelassen, als Alpina bereits die erste Pflanze auf einer Wiese entdeckte. Sie marschierte querfeldein und blieb vor einem zunächst unscheinbaren Pflänzchen stehen. Die knapp bis zur Mitte ihres Unterschenkels reichende Pflanze hatte teils kleinere, teils größere markant geformte Blätter. Sie waren um die fünf bis neun Blatadern herum gefaltet. An den Außenrändern gerundet und mit kleinen Zähnchen versehen. Das Auffälligste aber waren die kleinen Tautropfen, die sich an den Zacken der Blätter und in der Mitte, des tief eingekerbten Blattes sammelten. Die Blüten waren sehr unauffällig gelbgrün und in kleinen Dolden zusammenstehend.
    "Das hier ist der Frauenmantel, Kaeso. Eine der wichtigsten Frauenheilpflanzen. Siehst du, wenn du das Blatt pflückst und umdrehst, sieht es aus wie ein Umhang. Du kennst doch diese keltischen Umhänge, Cucullatus genannt. Ein wenig wie diese."


    Sie pflückte ein Blatt ab und gab es ihm, damit er es selbst überprüfen konnte.
    "Die Germanen nennen den Frauenmantel "Friggas Blume", die Römer manchmal "Venusmantel", sonst hört man auch Mantelkraut, Neunlappkraut oder Weiberkittel."


    Alpina zeigte auf ein Blatt, an dem man die Tropfen besonders schön sehen konnte. "Weil sich in diesem hübsch gefalteten Blatt der Tau sammelt, heißt man es auch Himmelstau, Taubecher, Taufänger Taumantel, Taurose, Tauschüsselchen oder Tränenschön. Manche Menschen glauben, dass es zu Kränzen gebunden gegen Blitzschlag hilft und nennen es "Gewittergras". Sie hängen die Kränze an Fenster und Türen oder den Dachfirst. Da wo ich her komme, also in Raetia, wo die hohen Almweiden der Alpes genannten Berge sind, gibt es einen besonders aussehenden Frauenmantel, der an den Rändern weiß ist. Auf der Unterseite ist dieser silbrig schimmernd und ein wenig behaart. Die Blätter sind schmaler, eher sternförmig. Man nennt ihn "Silbermantel" und sagt ihm noch stärkere Heilkräfte nach."
    Die Kräuterfrau sah ihrem Schüler ins Gesicht. Konnte er ihren Erklärungen folgen?





    Sim-Off:

    Bildquelle: eigene Fotos

  • Unendlich stolz schritt ich neben Alpina her, in dem sicheren Gefühl, dass jeder denken würde, der Junge hat eine neue Tunika an.
    Draußen vor der Stadt versuchte ich darauf zu achten wohin sich der Blick von ihr wandte, denn bestimmt gäbe es dort eine für ihn wichtige neue Pflanze zu sehen.


    Seltsam bei meiner lange Reise von Rom nach Germania hatte er all die verschiedenen Gerüche gar nicht wahrgenommen. Ob es einen langen eisig kalten brauchte, damit sich mein Geruchssinn dahin entwickeln konnte. Zumal der Moloch Rom bestimmt kein Ort der Wohlgerüche war. Wie es hier wohl erst in der Sommerzeit und später duften würde.


    Schon wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, denn Alpina hatte etwas entdeckt. Angesträngt schaute ich in die Richtung die sie einschlug, entdeckte aber nichts besonders. Alpina schritt aber geradewegs auf ein Ziel los und ich folgte ihr. Schon hatte ich, während sie eifrig ihre Erklärungen abgab ein Blatt in der Hand. Eine Vielfalt von Namen schlug sie nach meiner Meinung um die Ohren. Verwirrt schaute ich von dem Blatt zu ihr und wieder zurück. Wieder war es so, für eine einzige Pflanze eine Vielzahl an Namen die ich wohl alle behalten musste. Dazu kamen die Erklärungen, über Wuchs , Standort, Besonderheit und bestimmt noch das Anwendungsgebiet der Pflanze.
    Was machte sie eigentlich so sicher, das dies zu lernen meine Bestimmung war? Ich gab einem plötzlichen Impuls nach, was sie bestimmt nicht verstehen würde, doch ich musste es einfach wissen, ehe ich mir weiter den Kopf mit all dem Wissen voll stopfte.
    Völlig unvermittelt platzte ich heraus. „Hältst du mich eigentlich für einen Schwächling?“

  • Als Kaeso den Mund aufmachte um ihr zu antworten erwartete Alpina bestimmt nicht die Frage, die ihr entgegenschallte. Fast ein wenig trotzig klang sie. „Hältst du mich eigentlich für einen Schwächling?“


    Die Raeterin sah dem jungen Mann direkt in die Augen. Was ging in ihm vor? Was brachte ihn zu dieser Vermutung?
    "Nein, Kaeso. Mit Sicherheit nicht! Wie kommst du darauf?" fragte sie in einer Mischung aus Unglauben und Entrüstung.
    Hatte sie ihm dieses Gefühl vermittelt? Sie bemerkte wieder, dass Kaeso voller Selbstzweifel war. Es fehlte ihm an einem gesunden Selbstbewußtsein. Und dabei bemühten sie und Runa sich nach Kräften, ihm dieses Selbstbewußtsein zu geben, indem sie ihn förderten und forderten. Was hatte sie falsch gemacht?

  • Als ich Alpinas Reaktion auf meine frage sah, erschrak ich dann doch.
    Wie konnte ich die Frage auch so unvermittelt stellen, was soll sie jetzt von mir denken, schallt ich mich selber. Beschämt senkte ich den Kopf. „Entschuldigung, das kam jetzt anders an wie es gemeint habe. “ Leise fast flehend kamen meine Worte, während ich nervös einen Grashalm abriss und daran herumzupfte.
    „Ich möchte dir erklären wie ich dazu kam, dir aber vorher versichern, dass hat nichts mit dir oder den Helvetiern zu tun. Im Gegenteil ich freue mich auf jede Stunde die ich mit dir verbringen darf.“ Nun suchten meine Augen einen Punkt am Horizont und hielten diesen im Blick, um dann leise weiter zu sprechen. „Ich habe nur an meine Freunde in Rom gedacht, an unsere gemeinsame Spiele und Träume. Du musst wissen drei von uns wollten zu den Urbanern gehen. Und nun laufe ich hier über die Wiesen und pflücke Blumen.“ Schnell schaute ich Alpina an, bitte versteh mich nicht falsch es ist eine gute und sehr wichtige Arbeit und ich weiß auch was man alles damit bewirken kann. Doch stellte ich mir meine Freunde vor, was sie jetzt denken und einige auch sagen würden.“ Wie sollte ich nun jemanden beweisen, das ich kein Schwächling, kein Feigling, sondern auch ein richtiger Mann war.

  • Alpina sah Kaeso nachdenklich an. Natürlich dachte er so. Wie alle jungen Männer träumte er davon seine Kraft und Tapferkeit zu zeigen und ein echter Held zu werden. Was war das für ein Held, der Blümchen und Blättchen zupfte und sich um schwangere Frauen und Kranke kümmerte?


    Mit einem Seufzen griff sie nach Kaesos Hand. Sie ließ sich im Gras nieder und zog ihn hinunter, damit er an ihrer Seite sitzen konnte. Dann sah sie ihm fest in die Augen.
    "Ich verstehe dich, Kaeso. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das hier nicht das ist, was du dir unter einer gloreichen Zukunft vorstellst. Ich habe mir auch bereits Gedanken gemacht, wie es mit dir weitergehen soll. Denn so sehr ich deine Gegenwart und deine Hilfe in der Taberna Medica schätze, ich weiß, dass deine Aufgabe langfristig eine andere sein wird."


    Sie hielt inne. "Wenn deine schwierige Vorgeschichte nicht wäre, dann würde ich ja sagen, du könntest zur Ala gehen. Mein Lebensgefährte Corvinus könnte sicher ein gutes Wort dort für dich einlegen. Doch ist er nicht da und wenn man dich nach dem Namen deines Vaters fragt, könnte es sein, dass alles auffliegt, was wir geheim halten wollen, Kaeso. Aber ich habe schon an andere Alternativen gedacht..."


    Alpinas Blick ging zunächst in die Ferne und fand dann den Weg zurück in die dunklen Augen des jungen Mannes. "Wie wäre es mit einer kaufmännischen Karriere? Oder einem Amt in der Verwaltung? Ich werde dich mitnehmen, wenn ich das nächste Mal Kräuter, Öle und Zutaten kaufe, die aus den fernen Provinzen kommen. Dann kannst du lernen, wie man mit den Händlern feilscht, um einen guten Preis zu bekommen. Das nächste Mal könntest du es dann selbst übernehmen und für mich die Geschäfte tätigen. Wenn du damit Erfahrung hast, könnten wir versuchen bei einem der ansässigen Händler eine Anstellung für dich zu bekommen. Sei es bei einem Wein-, Stoff- oder Gewürzhändler. Wie wäre das für dich? Oder würdest du einen Handwerksberuf lernen wollen? Dann könnten wir die Duccier fragen, ob du in einer der Werkstätten in die Lehre gehen könntest. Sie haben einen hervorragenden Schreiner, Schmiede und Töpfer. Dazu ein großes Handelsimperium. Wie wäre es, wenn wir Runa bitten würden, da etwas für dich anzuleiern?"

  • Jetzt gab es wieder das typische Chaos in meinem Kopf, alles schien auf mich einzustürzen, Fragen über Fragen kamen auf. Zum Teil fühlte ich mich von Alpina verstanden, gleichzeitig hatte ich aber auch das Gefühl sie plante zu viel vor, sah vielleicht etwas in mir, was nicht da war.
    Worin ich mir aber absolut sicher war, sie versuchte alles möglich um mir zu helfen.
    Nachdenklich saß ich neben ihr auf dem Boden, fuhr immer wieder mit der Hand darüber, zupfte von Zeit zu Zeit an einem Halm herum und dachte über das was sie gesagt hatte nach. Noch mehr aber über meine Antwort, ob ich ihr verdeutlichen konnte wozu ich jetzt fähig war und was ich gerne machen würde?
    „Ob es mir wirklich um eine glorreiche Zukunft geht weiß ich nicht, was mich an den Eintritt in die Cohorte reizte, war mit meinen Freunden zusammen zu sein und dem Zuhause zu entkommen. Vielleicht, wenn ich der CU beigetreten wäre, hätte dies meinem Vater Respekt abgezollt und er hätte meine Familie in Ruhe gelassen.“


    Es dauerte eine Weile ehe ich fortfuhr. „Ich würde mich freuen dich zu den Händlern zu begleiten und dabei zu lernen. Ich glaube aber nicht, dass mir irgend einer deiner vielen guten Vorschläge gefallen würde.“
    Nun schaute ich Alpina fest an, „sag, gibt es auch Männer die so etwas wie du machen?“ Hastig fügte ich hinzu, „natürlich, nicht die Geburtshilfe. Aber alles andere und wenn wo? Wer sind sie kann ich sie kennen lernen? Zuerst aber möchte ich alles lernen was du weißt.“ Verlegen sprang ich auf, „ich möchte noch nicht von dir und den anderen weg.“

  • Kaeso schien noch nicht wirklich zu wissen, wohin er beruflich tendieren sollte. Woher auch? Er war ja noch viel zu jung dazu. Alpina hörte seiner Erklärung zu, warum er sich den Cohortes Urbanae hatte anschließen wollen. Sie glaubte zwar nicht, dass seinen brutalen Vater davon abgehalten hätte, die Familie zu tyrannisieren, aber das tat ja nichts zur Sache. Er hatte etwas aus sich machen wollen und das alleine zählte.


    Als Kaeso äußerte, dass er lieber sie begleiten und von ihr lernen wollte als eine der anderen Berufsoptionen ins Auge zu fassen, wusste sie nicht ob sie sich freuen sollte. Sie wollte ihm nicht seine Zukunft verbauen, ihn nicht an sich binden, um ihn zu einem "Schwächling" in seinen Augen zu machen. Doch Alpina nahm sich vor, mit Curio und Runa darüber zu sprechen und Kaesos Wunsch zunächst ernst zu nehmen. Er war noch jung und hatte noch viel Zeit, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen.


    Schließlich fragte er nach Männern in ihrem Beruf. Alpina grübelte.
    "Nun, Kaeso, es gibt wenig Männer im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, wenn man von dem berühmten Soranus von Ephesus absieht, der in Rom tätig ist und wichtige Lehrwerke für Medici und Hebammen verfasst hat. Aber es gibt sehr wohl Heiler und Kräuterkundige, sowie Medici. Natürlich vor allem im Exercitus, in den Valetudinaria dort. Dann gibt es noch die, welche den Beruf eines Chirurgicus ergreifen. Der schneidet und brennt bei Abszessen, Zahnvereiterungen und diversen anderen Leiden. Auch in den Ludi, den Gladiatorenschulen gibt es solche Männer, die sich um die Verletzungen der Wettkämpfer kümmern. Was immer möglich ist, das wäre eine Art von reisender Heiler, der von Vicus zu Vicus zieht und seine Dienste anbietet. Nur in den Städten oder in der Nähe der Lager, wo es Thermenanlangen gibt, finden die Menschen eine medizinische Versorgung. Auf dem Land ist man auf reisende Heiler oder die Hilfe eines lokalen Kräuterkundigen angewiesen."


    Alpina lächelte, als Kaeso versicherte alles von ihr lernen zu wollen. "Gerne bringe ich dir bei, was ich weiß, dazu kannst du jederzeit mit auf die Märkte oder vielleicht auch mit Curio gehen, damit du siehst welche Möglichkeiten sich noch ergeben. Wenn du möchtest höre ich mich nach anderen, nichtmilitärischen Heilkundigen um. Vielleicht kannst du nach der Lehrzeit bei mir noch bei einem anderen lernen. Was meinst du? Auf jeden Fall kannst du bei mir bleiben so lange du möchtest. Wenn du aber irgendwann das Bedürfnis hast, etwas anderes zu sehen oder zu machen, so zögere nicht, es auszusprechen. Ich werde dir helfen wie immer ich es kann."

  • Eine ganze Weile saß ich da und dachte über Alpinas Worte nach, bis ich schließlich das Gefühl hatte ihre Augen würden mich durchdringen wollen, mich zu einer Reaktion auffordern wollen.
    Es dauerte wieder seine Zeit ehe ich mich zu einer Antwort aufraffte. Mir war klar geworden, ich musste mich jetzt nicht entscheiden, es waren nur Anregungen, helfende Hinweise, die mir aufzeigten, dass das Feld der Heilkunde groß war und ich die verschiedensten Möglichkeiten hätte.
    Sie würde mir weiterhelfen und ich egal wohin mein weg mich führen würde weiter unterstützen.
    Mir fiel ein Satz ein der mir besonders gefallen hatte. „Wenn du möchtest höre ich mich nach anderen, nicht militärischen Heilkundigen um“ Ja bitte, höre dich bei anderen Heilkundigen um, dies würde mich sehr interessieren. Vielleicht aber auch die Chirurgicus.“
    Schnell stand ich auf, mir war eingefallen Alpina hatte noch einen Termin. „Bitte entschuldige, du hast einen Termin und musst dich jetzt wegen mir beeilen.“ Ich reichte ihr die Hand, um ihr auf zu helfen. Warum ich das jetzt machte wusste ich selber nicht, es war mir gerade in den Sinn gekommen.

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