[Officium] Praefectus Urbi Herius Claudius Menecrates

  • Der Tag versprach, ruhiger als andere zu werden, daher nutzte Menecrates die Gelegenheit, um sich einen Überblick über die noch offenen Aufgaben zu verschaffen. Er griff zu Wachstafeln und setzte sich an den Tisch. Gefühlt kam er nirgends weiter, wollte sich aber die einzelnen Bereichen vor Augen führen, um sicherzugehen. Die jeweiligen Hinderungsgründe hielt er für jeden Bereich fest, um dort, wo es ging, nachhaken zu können. Er begann die Liste wahllos, die Reihenfolge der Prioritäten konnte er später festlegen.


    1. Statio I - noch keine explizite Freigabe seitens des Kaisers und der Priesterschaft
    2. Kombistation - ausstehende Rede des Kaisers vor dem Senat/ausstehende Weihe durch Priesterschaft
    3. Prozess Optio Furius Cerretanus - die Überstellung des Offiziers erfolgte noch nicht
    4. Klärung Fisch I - Kapazität beim Tresvir fehlt/Rückmeldung erste Befragung fehlt
    5. Klärung Fisch II - Klärung I steht noch aus/Einheiten noch nicht zusammengestellt


    Eine ähnliche Tabula würde er für die Praefectura Urbis anlegen können, bei der es allerdings bis auf den kränkelnden Curator Aquarum zum zügigen Abarbeiten der Punkte kommen sollte. Im militärischen Bereich sah die Situation trüber aus. Hinter jedem der aufgeführten Notwendigkeiten notierte er einen Hinderungsgrund. Die abschließende Betrachtung ergab, dass er keinen aus eigener Kraft beiseite schieben konnte. Personen, Institutionen banden ihm die Hände.

    Er seufzte, lehnte sich zurück und dachte nach.

  • Tabulae lagen vor dem Preafectus ausgebreitet, aber es handelte sich weder um Aufgabenlisten noch um Ermittlungsberichte. Derzeit durften alle Soldaten und Offiziere der Corhortes Urbanae Vorschläge für das Signum der zur ersten Station zugehörigen Abteilung einreichen, das der Praefectus Urbi dieses Mal nicht erst bei Bezug des Gebäudes übergeben wollte. Beim Wiederaufbau sollte alles anders laufen. Noch vor dem ersten Spatenstich und dem Setzen des ersten Steins würde das Zeichen an den Verdientesten unter den später hier stationierten Milites übergeben werden, der es bis zur Aufnahme in das Fahnenheiligtum je nach Bedarf schützen, verwahren oder präsentieren sollte.

    Unter den bereits eingereichten Vorschlägen kristallisierten sich einige heraus, die entweder mehrfach genannt wurden oder inhaltlich besonders wohlgefällig erschienen. Obwohl Menecrates mit seinem Stab die finale Entscheidung treffen würde, reifte bereits ein Plan, wie er den zwangsläufig Zweit- und Drittplatzierten anderweitig verwenden konnte. Wenn der Senat dem Kaiser folgen würde, wovon Menecrates ausging, gab es auch Truppenteile, die in einer neu zu erbauenden Castra Einzug halten würden. In Bezug auf die Doppelstation bliebe zu klären, ob es ein gemeinsames Signum mit den Vigiles geben sollte, oder ob die beiden Centrurien Urbaner ein separates Zeichen bekämen.

    Aktuell trat der Preafectus Urbi mit besonderer Vorfreude seinen Dienst an, weil jeder Tag weitere Vorschläge brachte.

  • Die Tabula des Tribun hatte Octavius auf den Schreibtisch des Praefecten abgelegt, nun stand er ein wenig unschlüssig herum. „Praefectus Claudius,“ begann er zögernd. „ Zu einer Idee für einen Namensvorschlag bin ich nicht gekommen. Je mehr ich hier las um so schwieriger wurde es. Mir persönlich gefällt der Vorschlag mit dem Falken, nicht weil er von dir ist sondern weil ich persönlich sie schon immer mochte. Sie sind vortreffliche Jäger.“

  • Menecrates bedankte sich mit einem Nicken für die Tabula. Er wollte sich bereits dem Fragenkatalog der Architekten für den Wiederaufbau der Statio zuwenden, als er das Zögern seines Cornicularius bemerkte. Er sah auf, wartete ab und hörte anschließend zu, während er verständnisvoll nickte. Die Tatsache, dass nicht jedem Urbaner eine Idee für ein Signum einfiel, erstaunte ihn nicht. Allein, dass sich die meisten Gedanken machten, freute ihn.

    "Auch Rückmeldungen ohne eigenen Vorschlag sind hilfreich", beruhigte er Frugi. Jene Männer zeigten eine Identifikation mit der Einheit. Nominierten sie ein bereits genanntes Motiv, zählte ihre Stimme wie die jedes anderen, ob nun mit oder ohne eigenen Vorschlag.

    "Ich notiere deine Wahl", sagte er, nahm den Griffel zur Hand und ritzte einen Strich auf die Tafel des Turmfalken. Anschließend richtete er sich auf und betrachtete Octavius einen Moment, bevor er gestand: "Um ehrlich zu sein, bin ich eher ein Freund von Singvögeln als von Greifern." Er zuckte mit einer Schulter, dann fuhr er fort. "Allerdings wäre ein Rotkehlchen oder eine Meise nicht als Motiv für ein Signum geeignet. Wer fühlte sich von so einem harmlosen Wesen beschützt?" Er lachte. Eine Einheit, die dem Schutz Roms dienen sollte, würde niemand ernst nehmen, wenn ein Singvogel auf dem Signum prangte und auch die Truppe konnte aus einem solchen Signum keine Kraft ziehen.

    "Schön sehen sie aus, die gefiederten Greifer. Ich betrachte sie auch sehr gern." Hierin stimmte er vielen, auch Frugi zu. "Das Gute am Turmfalken ist, dass er kaum Singvögel fängt, dafür aber die Schadnager am Boden. Mir erschien das trefflich für die Subura geeignet. Die Turmfalken stehen in den Lüften auf Wacht. Sie halten sich flatternd an einer Stelle, während sie den Boden beäugen. Traut sich ein Nager aus einem Loch hervor, stürzen sie hinab. Ein Biss ins Genick und die Beute ist tot. Gut", er wiegte den Kopf, "dieses Verhalten sollten wir nicht übernehmen, aber den erfolgreichen Zugriff nach unermüdlicher Beobachtung den schreiben wir uns auf die Fahne. Außerdem, Turmfalken leben in städtischen Gebieten, während andere Greifer die Natur bevorzugen."

    Der Praefectus hatte sich Gedanken gemacht, lange bevor er seinen Vorschlag äußerte.

    Ebenfalls im Vorfeld wollte sich Menecrates im Fall Furius orientieren.

    "Wenn du einmal hier bist… Nimm doch Platz, Octavius." Er wies auf einen der Stühle. "Du hast doch sicherlich schon die Befragung in der Casa Furia durchgeführt. Mir geht es nicht um den Bericht." Er winkte beruhigend ab. "Gibt es Details, die du mir vorab mitteilen kannst?"

  • Nach der Aufforderung seines Vorgesetzten setzte der Cornicularius sich langsam mit einem unguten Gefühl. Der Praefectus wusste doch, wie überladen sein Schreibtisch aussah. Mit dem Bericht hatte er doch noch gar nicht angefangen, geschweige denn ihn fertig. Er räusperte sich kurz. „Nach meiner Untersuchungen in der
    Casa Furia, ist diese Sklavin, mit der sich Cerentius, nach meiner Meinung, wohl ganz schön verkauft hat, gleich in der ersten Nacht geflüchtet. Sie hat anscheinend schon am Tag Schwierigkeiten gemacht. Zum Beispiel hat sie sich geweigert ein Bad zu nehmen. Die Keltische Sklavin Eirann, war ihr Name, hat dann angeblich die Dienstes eines Mannes benutzt. Dessen Name war Kyriakos, ein Erwachsener exoletus. Dieser ist wohl in der Casa Furia aufgetaucht und wollte diese von Cerretanus bezahlt bekommen. Der Furier hat sich natürlich geweigert. Später kam dieser exoletus nochmal. Das Lupanar in dem er arbeitete oder dessen Beitzer er war, war abgebrannt und nun wollte er den Schaden von Cerretanus bezahlt beklommen.“

    Frugi machte eine Pause und schaute den Claudier an. „Um ehrlich zu sein Praefectus Claudius, ich könnte verstehen, wenn die Gens Furia mit Rom und den Göttern hadern würde."

  • "Was?" Die Skepsis, gepaart mit Überraschung, ließ ihn gleich bei Octavius' erstem Satz herausplatzen. "Moment", unterbrach er sofort, musste sich aber zunächst sammeln, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, dass die Sklavin bis zum Brand anscheinend nicht im Besitz des Furiers, wohl aber in dessen Eigentum stand. Er würde die Akten nochmals studieren müssen, fragte aber zur Sicherheit nach.

    "Soll das heißen, die Sklavin lebte durchweg in diesem Lupanar? Sie lebte dort nicht auf Befehl von Optio Furius, sondern weil sie fortlief und anschließend nicht ausgeliefert wurde? Oder lebte sie wo anders?"


    Er rieb sich die Stirn. "Also, noch mal. Der Optio hat die Sklavin gekauft, wo auch immer, und hat sie dann in die Casa Furia gebracht, richtig? Oder wurde sie angeliefert? Konntest du erfragen, ob der Optio an diesem Tag länger mit ihr Kontakt hatte, oder ist er zum Dienst gegangen?" Die Angelegenheit wurde immer seltsamer. Wie eine willige Sklavin wurde diese Eireann nicht beschrieben, von keiner Seite. Dass die Sklavin bei der Brandstiftung auf Befehl ihres Eigentümers gehandelt habe, schien immer unwahrscheinlicher.


    "Konntest du erfragen, wie der Verkauf vonstatten ging? Hatte der Optio irgendwann wieder diese Sklavin und wann war das?"

    Auf alles andere Berichtete würde Menecrates später eingehen.

  • Der Octavier sah wieder einmal, wie der Claudier über seine Leute zu wachen? Er würde alles für sie tun und sich schützend vor sie stellen. Vermutliches Fehlverhalten wollte er sofort aufgeklärt haben, genauso wie widersprüchliche Angaben und Aussagen. Deshalb verwunderte es ihn nicht wirklich, als der Praefectus sich
    so aufregte.

    Frugi atmete einmal durch und begann. „Also der Vorbesitzer von Eireann war Iulius Caesoninus. Cerentius
    kaufte sie auf dem Mercatus von einem Sklavenhändler, der sich Tuff Tuff nennt. Er brachte sie dann in die Casa Furia und ging anschließend gleich zum Dienst. Nachdem Eireann sich in der Nacht aus der Casa entfernt hatte, ging sie in das Lupanar und nahm die Dienste dieses Kyriakos in Anspruch. Dieser hielt sie dort fest und versuchte Cerentius zu erpressen. Der Optio hatte nach dem Fortlaufen der Sklavin keinerlei Kontakt mehr mit ihr. Er war auch in der Casa Furia nie alleine mit ihr. Die Vorwürfe der Anstiftung zur Brandstiftung sind frei erfunden.

    Meine Meinung ist, wenn du erlaubst, man sieht daran wie so ein übles Subjekt, wie dieser Kyriakos, aber auch so eine verdorbene Sklavin, den Ruf einer ehrbaren Familie zerstören kann“. Jetzt im nach hinein, regte Frugi sich erneut über das Verhalten von Eireann und Kyriakos auf.

  • Die Angelegenheit bekam mehr Licht, was eine genauere Betrachtungsweise erlaubte. Gleichzeitig kostete es Menecrates seit Wochen erhebliche Konzentration und viel Mühe, sich durch den Fall Cerretanus in Verbindung mit den Brandanschlägen zu kämpfen. Kein Detail schien einfach erklärt, nicht einmal die Angelegenheit Eireann als Bindeglied zwischen dem Optio und dem Lupanar, das später brannte.


    Menecrates seufzte, bevor er sich samt Stuhl vom Tisch wegrückte. "Moment, ich komme gleich wieder." Er stand auf, holte die Akte der Sklavin aus dem Archiv und setzte sich wieder. Er hätte Frugi schicken können, aber der Präfekt besaß auch zwei Beine und Bewegung tat zuweilen gut.

    "Die Anstiftung zur Brandlegung wurde Optio Furius nicht direkt vorgeworfen", räumte Menecrates auf Frugis Aussage hin ein. "Er stand aber automatisch unter Verdacht, weil er als Eigentümer der Sklavin im fraglichen Zeitraum des Lupanarbrandes gilt. Besitzer von Sklaven haften für deren Tun, allerdings…" Aus dem Handgelenk konnte Menecrates die Rechtslage nicht schütteln, denn hier ging es um eine hieb- und stichfeste Beurteilung und nicht um eine Alltagsbewertung.

    "Ich muss die Gesetzeslage prüfen. Spontan würde ich behaupten, wenn sich die Sklavin nicht im Einflussbereich ihres Herrn befindet, unabhängig davon, ob sie entlaufen ist oder festgehalten wird, haftet nicht der Eigentümer."

    Er rieb sich die Stirn, als würde dies den Gedankenfluss beschleunigen. "Unabhängig davon müssen wir aufklären, ob Optio Furius trotz allem seine Sklavin angestiftet oder instruiert haben könnte." Menecrates sah Octavius an, hob die Bauen und schlussfolgerte: "Eher unwahrscheinlich, oder? Er gibt sie in der Casa Furia ab, geht zum Dienst und sieht sie nicht wieder. Jeder, der sie erlebte, berichtet von einem aufsässigen Verhalten. Ein williges Werkzeug verhält sich anders."


    Er wartete, ob Frugi dazu eine Meinung äußerte, dann fuhr er fort. "Nicht ganz unwichtig in dieser Sache ist die Klärung, ob Eireann den Brand im Lupanar gelegt hat oder nicht." Menecrates kratzte sich am Ohr. Zeitweise war er versucht, den ganzen Krempel zu nehmen und in einer Feuerschale dem Universum zu übergeben. Übergeben stellte zudem ein passendes Stichwort dar. Die Angelegenheit hing ihm zum Hals raus. Immer wenn er dachte, er sähe Land und hätte etwas aufgeklärt, tauchten weitere Ungereimtheiten auf. Er atmete einmal tief durch, zog sich die Akte Eireann heran und begann zu lesen.


    "Diese Sklavin erscheint mir genauso wirr wie der gesamte Fall. Die ist so unberechenbar, dass sie als Werkzeug unseres Optios ausscheidet." Menecrates knallte die flache Hand auf den Tisch und blickte Frugi an. Er saß zwar nicht auf dem Richterstuhl, aber seine Aussage klang wie ein Urteilsspruch. "Ein Glück, dass mir diese Sklavin erspart bleibt." Er atmete wieder durch und las weiter. Dann stutzte er.

    "Sieh dir das an. Im Bericht steht folgende Anmerkung: Wie wir wissen, ist Eireann keine Bettlerin oder Diebin, sondern eine Brandstifterin und in diesem Zusammenhang eine Mörderin." Menecrates breitete beide Hände aus, um sein Unverständnis auszudrücken. "Also ICH weiß das nicht. Du? Im Gegenteil: Wir müssen uns dringend mit dieser Frage auseinandersetzen. Octavius, die nächsten Akten holst du." Er grinste - weniger aus Schadenfreude, sondern vielmehr aus wachsender Verzweiflung.


    "Kommen wir erst einmal zurück zum Anfang deiner Ausführungen. Konntest du in Erfahrung bringen bzw. wurde dir berichtet, warum dieser Kyriakos annimmt, dass die Sklavin Eireann den Brand gelegt hat? Wieso überhaupt geht eine Sklavin als Kundin in ein Lupanar? Das ist doch absurd! Nächste Frage: Wieso behält man eine Kundin dort? Wurde sie zwangsprostituiert?"

  • Verwundert sah Frugi dem Praefectus hinterher und fragte sich wo er so schnell hin wollte. Ach die Akte, eigentlich bin ich froh, dass ich mir vor dem Besuch der Casa Furia keine Akten zu dem Fall angesehen habe. So kam ich bestimmt zu einer objektiveren Ansicht. Noch rechtzeitig merkte er, dass seine Gedanken abwischen, was nicht so gut war. Es war schon so alles verworren genug.

    Kurz nickte er, „sehr unwahrscheinlich“ pflichtete er bei. In seinen Augen wäre, dass nicht gerecht, ein entlaufener Sklave stellte was an und der Besitzer haftete. Da musste das Gesetz wohl eindeutig werden, wenn es so geschrieben stand.

    „Und ich erst“, rutschte Octavius raus. „Entschuldigung, aber es ist doch wahr, so ein durchtriebenes Weibsbild würde und doch den letzten Nerv rauben. Ich finde wenn sie eine Brandstifterin ist, was noch zu beweisen wäre, dadurch auch eine Mörderin kann doch nur sie dem entsprechend bestraft werden. Man kann Cerretanus doch dann nicht ihre Strafe aufbürden.“

    Bei den letzten Fragen kaute Frugi auf seiner Unterlippe herum. „Da habe ich mich glaube ich, dann nicht deutlich ausgedrückt. In jenem Lupanar Ganymed arbeiteten ausschließlich Männer, Lustknaben, eromenos eben. Eireann wurde aber von dem Besitzer, Kyreakos selber bedient. Dieser hielt sie da auch fest. Aischylos
    bezeichnete ihn, wie ich fand, als Sklavendieb und Erpresser.“

  • Menecrates wiegte den Kopf, bevor er antwortete: "Es geht nicht nur um die Haftung eines Dominus, Octavius. Wir mussten den Fall auch dahingehend beleuchten, um sicher beurteilen zu können, ob Optio Furius als Auftraggeber einer möglichen Brandstifterin gelten kann oder nicht. Für mich schließt sich das nach deinen Ermittlungen aus, denn es gibt nicht einmal Indizien, geschweige denn Beweise." Er dachte kurz nach, dann fuhr er fort. "Die Gesetzeslage wegen der Haftung des Eigentümers werde ich noch einmal gründlich studieren, gehe aber davon aus, dass bei anhaltender Abwesenheit diese nicht greift."


    Während Menecrates gedanklich die bekannten Fakten über den Brandtag zusammenrief, bemerkte er nicht, wie sein Cornucularius herumdruckste. Dessen Ankündigung, sich nicht deutlich ausgedrückt zu haben, weckte die Neugier des Präfekten, der mit hochgezogenen Brauen abwartend lauschte. Die Eröffnung machte ihn zunächst sprachlos, weil er ohne jeden Zweifel von einem Lupanar ausgegangen war, in dem Frauen arbeiten.

    "Männer?", fragte er sicherheitshalber nach, und weil die Sklavin Eireann als Kundin dargestellt wurde, folgte sogleich die nächste Frage. "Männer, die Frauen...", er suchte nach Worten, fand aber kaum Brauchbares, "...bedienen? Und überhaupt, wie kann sich eine Sklavin derartige Luxusdienste leisten. Hat sie bei der Flucht aus der Casa Furia Wertgegenstände oder Geld mitgenommen? Obwohl..., du sagtest ja, sie hat nicht bezahlt." Die ganze Angelegenheit wurde undurchsichtig statt klarer.

  • Octavius hörte den Erläuterungen des Claudiers über der Gesetzeslage zu. Nickte verstehend, was auch sonst, denn was wusste er schon über solche Dinge. Er war ein Befehlsempfänger und Ausführender, kein Richter.


    Nachdem Frugi das mit dem eromenos herausgebracht hatte, amüsierte er sich im Geheimen über die Wirkung beim Praefecten. Fast hätte er dabei sein eigenes Erstaunen vergessen. „Nun es gibt ja Menschen und auch Frauen“, begann er. „Die solche Bedienungen brauchen wie ihr täglich Brot. Ob die Sklavin dazugehörte, kann ich nicht sagen. Es kann aber auch nur eine List von den Beiden, Kyreakos und Eireann, gewesen sein. um bei den Furia Geld her auszuleiern, genauso das mit der Brandstiftung. Es könnte auch sein, dass sie einen Auftrag hatte der Gens zu schaden. Oder einer der Familie hatte sie verärgert und sie wollte sich rächen. Mittlerweile traue ich denen alles zu. Eigentlich musste es Kyreakos merkwürdig vorgekommen sein, dass dort eine Frau auftauchte und er schon bei ihrem aussehen hätte merken müssen, dass diese sich seine Dienste nicht leisten konnte. Deshalb denke ich die Geschichten waren einfach gelogen.“

    Der Cornicularius hatte nun versucht, die aus seiner Sicht, verschiedenen Möglichkeiten, warum das geschehen war, darzustellen. Ansonsten konnte er sich einfach keinen Reim darauf machen.

  • So, wie Ocatvius Frauen separat von Menschen erwähnte, klang es für Menecrates, als wären Frauen eine eigene Spezies. Des Öfteren teile er sogar diesen Eindruck, aber gleichzeitig wusste er, dass Frugi die Aussage anders gemeint hatte.

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Geschäft über Wasser halten kann, dessen Kundschaft aus Sklavinnen besteht. Sklaven werden doch meist durch Kost und Logis für ihre Dienste entschädigt, wenn man überhaupt von Entschädigung sprechen kann, jedenfalls erhalten sie in der Regel keinen Lohn. Wovon sollen Sklaven denn regelmäßige Dienste bezahlen? Da muss ein Irrtum vorliegen."

    Er überlegte, wo der Denkfehler lag. "Und Römerinnen, Octavius, nutzen sicherlich die eigenen Sklaven und besuchen kein Etablissement." Er wusste es nicht sicher, weil er sich nie mit derlei Fragen auseinandergesetzt hatte, hoffte aber, dass er richtig in der Annahme lag. "Oder?" Zweifel kamen auf.

    Auf die Idee, dass sich Männer für Männer anboten, kam er nicht auf Anhieb, aber er spürte den bisherigen Denkfehler. Das Schlüssige fehlte, daher rief er sich Frugis Aussage noch einmal ins Gedächtnis.

    "Meinst du mit Menschen Männer? Also gehen dort auch Männer hin? Überwiegend oder nur zuweilen? Männer werden dann sicher auch Römer sein." Er schlussfolgerte, dass die Einkommenslage des Geschäftes doch nicht so übel aussehen musste wie anfangs gedacht.


    "Ich werde das alles noch einmal nachprüfen. Aufbau und Untergang des Geschäfts müssen in meiner Krankheitsphase liegen, weil ich mich nicht erinnern kann. Letztendlich bringt uns das vermutlich auch nicht weiter. Lass uns die Fakten betrachten:

    Erstens: Das Lupanar ist abgebrannt und der Besitzer ist geschädigt. Daran besteht kein Zweifel.

    Zweitens: Die Sklavin Eireann befand sich nach dem Kauf bereits die erste Nacht im Etablissement . ohne die Zustimmung ihres Eigentümers.

    Drittens: Der Eigentümer wurde zur Bezahlung der in Anspruch genommenen Dienste seiner Sklavin aufgefordert.

    Viertens: Die Sklavin kehrte nicht zu Optio Furius zurück.

    Fünftens: Die Sklavin wurde verkauft - nach dem Lupanarbrand und vor dem Statiobrand."

    Er überlegte. "Haben wir noch mehr gesicherte Fakten?"

    Sein Blick lag auf Frugis Gesicht, während er grübelte. Vor allem dachte er über die letzten Mutmaßungen seines Cornicularius' nach.


    "Egal, weiter mit dem, wovon wir ausgehen können, wo uns allerdings weder Beweise noch Geständnisse vorliegen.

    Erstens: Wenn ein Geschäft gut läuft, wovon ich jetzt ausgehe, gibt es keinen schlüssigen Grund, selbst einen Brand zu legen und Verdienstausfall in Kauf zu nehmen.

    Zweitens: Die Zeit, um einen verbrecherischen Plan mit der Sklavin Eireann zu schmieden, ist für Optio Cerretanus zu kurz. Er besaß sie nur wenige Stunden und weilte zudem in der Castra.

    So, und ab jetzt spekulieren wir nur noch:

    Erstens: Ein gewiefter Geschäftsführer könnte auf die Idee kommen, Geld aus der Anwesenheit einer Sklavin zu schlagen, aber keiner weiß, ob sie nicht doch Dienste in Anspruch genommen hat.

    Zweitens: Die Sklavin ist irre, gewieft oder doch ein Opfer?"


    Der Zeitpunkt für Frugis Laufdienste schien gekommen.

    "Jetzt bist du an der Reihe. Hole mal aus dem Archiv alle Vernehmungsprotokolle der Sklavin Eireann und die Befragung des Geschädigten Kyriakos. Wer sollte ihr wann und mit welchem Motiv den Auftrag gegeben haben, der Furia zu schaden? Ob wir Lügen aufdecken können, ist fraglich. Versuchen können wir es."

  • Octavius hörte sich die ausgesprochenen Überlegungen des Praefecten an. „Ganz bestimmt hatte das Lupanar ein gutes Einkommen. Ein Angebot wie bei ihnen gibt es nicht so oft. Eine reichliche Auswahl, an Lustknaben, ist wohl eher selten". Die aufgezählten Facten die bestätigte er immer mit einem nicken, weil er damit erfuhr, das seine Arbeit an der Stelle richtig war. „Zu der ersten Mutmaßung möchte ich noch etwas hinzufügen. Es wäre doch auch möglich, das Kyreakos mit einem geplanten Verkauf nicht so viel eingenommen hätte wie gewünscht oder gefordert. Mit der Unterstellung einer Brandstiftung, hatte er sich einen größeren Gewinn erhofft. Dies einem Optio der CU zu unterstellen, fand er bestimmt gut. Der Hintergedanke dabei wäre, der Optio und seine Familie würden einen Skandal fürchten und deshalb lieber bezahlen.“ Kaum ausgesprochen war Frugi sich selber nicht mehr sicher. „War nur so ein Gedanke, er gehört wohl eher in den Bereich Spekulation.“

    Während er noch über das Spekulieren des Praefecten nachdachte, fiel ihm noch etwas ein, was eventuell noch wichtig wäre. Da kam aber auch schon die Aufforderung zum Vernehmungsprotokolle zu holen.

    „Wenn ich vorher noch eins erwähnen kann. Im Cubiculum befand sich ein Schenkungsvertrag. Demnach verschenkte Cerretanus die Sklavin an einen gewissen Anis von Alexandria. So und nun hole ich die Protokolle.“ Damit stand der Cornicularius auf, um diese zu holen. Nach geraumer Zeit kam er mit den Unterlagen zurück und packte diese auf den Schreibtisch des Praefectus Urbi.

  • In alle möglichen Richtungen zu denken, gehörte zum üblichen Vorgehen bei Ermittlungen, weil häufig genug Unklarheiten vorlagen und Beweislücken klafften. Je mehr Betrachter es gab, umso vielfältiger wurden die Richtungen, die durchdacht wurden. Interessanterweise unterschieden sich die Überlegungen zwischen Cornicularius Octavius und Cornicularius Purgitius inhaltlich extrem. Würde man Menecrates' Position zum Ausgangspunkt erklären, stünde Purgitius rechts und Octavius links neben ihm. Was sie verband, waren etliche Überlegungen auf der Grundlage von Mutmaßungen.


    "Wir können weder Kyriakos noch irgendein Krähenmitglied mehr befragen, weswegen wir keine unserer Überlegungen untermauern können, und auf der Basis von Spekulationen können wir nicht urteilen. Im Zweifel, und die haben wir, müssen wir immer zu Gunsten des Beschuldigten entscheiden, wobei wir noch nicht einmal sicher beschuldigen können." Er resümierte in Gedanken und sprach weiter. "Kyriakos gilt bislang als Zeuge." Menecrates zog die von Octavius geholten Akten heran, vertiefte sich aber noch nicht, sondern blickte zu seinem Cornicularius. "Kyriakos und die Sklavin Eireann haben im Grunde kaum noch eine Bewandtnis für den Sachverhalt um Optio Furius, weil wir festgestellt haben, dass der Optio zwar über geraume Zeit Eigentümer der Sklavin war, aber sie nur für Stunden besaß. Den Schenkungsvertrag hast du hoffentlich beschlagnahmt?"


    Menecrates suchte in den Akten nach dem bisher festgehaltenem Datum für den Eigentumswechsel und strebte den Vergleich an. "Der Verkauf liegt im Juli, also vor dem Anschlag auf die erste Station?" Er wartete die Antwort ab, bevor er weiter sprach.


    "Für die abschließenden Ermittlungen zum Brand des Lupanars möchte ich deine Überlegungen noch einmal aufgreifen. Ich kenne die Vermögensverhältnisse der Gens Furia nicht, allerdings lassen sich von einem Optiosold keine Reichtümer zusammensparen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein kluger Geschäftsmann sein florierendes Geschäft anzündet, um eine ungewisse Entschädigung einzutreiben. Das klingt für mich nicht plausibel.

    Wir haben - was den Brand betrifft - nach wie vor die Krähenbande im Blick und müssen eigentlich nur klären, ob die Sklavin Eireann ein Mitglied dieser Bande ist oder nicht. Haben wir dafür Anhaltspunkte? Was denkst du?"

  • Seine Stirn zog sich leicht in falten als Octavius über das soeben gehörte nachdachte. „Ich stimme da fast mit dir überein, mein Einwand, wenn auch vielleicht nicht wirklich begründet, mein Verdacht das Kyriakos und Eireann sich zusammentaten, um dem Optio etwas zu unterstellen.“ Nicht wirklich erschrocken, so doch verunsichert schaute Frugi den Praefectus an. „Nein habe ich nicht, da ich der Meinung war, ich solle mich freundlich verhalten und dieser Vertrag Cerretanus Eigentum ist. Den Sklaven, der bereitwillig mitarbeitet wollte ich nicht in Verlegenheit bringen. Der Optio hat somit die Gelegenheit, den Schenkungsvertrag selber vorzulegen. Ich kann, falls dieser nicht vorgelegt wird, aus welchen Gründen auch immer, jederzeit bezeugen, dass er vorlag.“ Bestimmt war der Claudier anderer Meinung und sah dies als ein Fehler an, doch dies war nun mal der Beweggrund für seine Handlungsweise. Jetzt konnte er nur noch auf die Reaktion seiner Äußerung warten.


    Auf die nächste Frage gab der Cornicularius nur ein: „Ja!?“, von sich. Er wusste nicht warum er dies noch einmal bestätigen sollte und wartet auf die bestimmt folgende Erklärung. So war es dann auch. „Nein ich habe keine Anhaltspunkte gefunden. Nach der Aussage von Aischylos angeblich nicht. Ich sage bewusst angeblich, da ich mir bei der Äußerung nicht sicher war. Ob sie ganz der Wahrheit entsprach.“
    Oh, ihr Götter mein zweiter Fehler, ich hätte strenger nachhaken müssen, ging es durch Frugis Kopf.

  • "Hmm", erwiderte Menecrates, als er hörte, dass relevante Unterlagen in der Casa Furia belassen wurden. Er hob die Brauen, um sein Erstaunen auszudrücken. "Wir sind nicht zu einem Plausch in die Casa gegangen, sondern weil ein Mitglied der Familie und gleichzeitig unserer Einheit nicht frei jeglichen Verdachts war. Alles, was diesen Verdacht erhärtet oder entkräftet, gehört in die Ermittlungsakte - Eigentum hin oder her. Deine Aussage wiegt lange nicht so viel wie das Dokument selbst. Aussagen können sehr leicht durch Gegenaussagen ausgehebelt werden."

    Niemand wusste, ob Optio Furius Feinde besaß, die entlastende Beweise vernichten könnten, und sei es nur deswegen, um sich selbst aus dem Visier der Ermittler zu bringen. "Im schlimmsten aller Fälle beseitigt jemand das entlastende Dokument und die Verantwortung des Optio für die Sklavin verlängert sich bis zum Statiobrand." Menecrates' Gesichtsausdruck suggerierte die Frage: 'Und was dann?' Zwar glaubte er nicht, dass der skizzierte Fall eintrat, aber er wollte Octavius davon abhalten, zukünftig zuu vorsichtig vorzugehen.


    Auch zu der Aussage über die Zugehörigkeit der Sklavin Eireann zur Krähenbande reagierte Menecrates mit einem "Hmm." Es gab Verdachtsmomenten, aber keinerlei Beweise: manches sprach dafür, anderes dagegen. Sie fischten im Trüben. Letztendlich spielte aber die Verwicklung der Sklavin nur eine untergeordnete Rolle, denn es blieb bei der Krähenbande als Täter für beide Brände - völlig egal, ob mit oder ohne Eireann.


    "Mehr Licht wird wohl nicht in diesen Fall zu bringen sein", resümierte Menecrates. "Ich finde, wir haben das Wesentliche aufgedeckt, müssen Erkenntnisse ziehen und daraus lernen. Zu verurteilen gibt es zumindest bei der Krähenbande niemand mehr, sie sind bereits alle gerichtet."

    Alles in allem zeigte sich Menecrates zufrieden. Die Befragung des ehemaligen Optio der Cohortes Urbanae konnte kommen, es fehlte nur noch Furius.

    "Die Hinweise waren hilfreich", sagte er abschließend zu Frugi. "Fertige noch den Bericht und archiviere ihn." Er nickte, was wie das Ende der Unterredung wirkte, sollte Octavius kein Anliegen mehr vorbringen.

  • „Verstanden Praefectus Claudius“ kam von Octavius erleichtert in vorbildlicher Haltung. Er hatte befürchtet in die Casa Furia eilen zu müssen, um den Sklaven nochmals, zum Thema Krähenbande, zu verhören und auch um den Schenkungsurkunde zu requirieren.

    Ihm leuchtete ein er hätte strenger und härter sein müssen, damit solche Fehler nicht mehr geschehen würde. Wieder einmal stellte er fest, seine Weichheit würde ihm, wenn er es nicht bald änderte einmal zum Verhängnis werden. Er wusste nicht was mit ihm los war, seit seiner Verwundung im Wald von Germanien und der Behandlung der Heilerin hatte sich etwas in ihm verändert. Jetzt war aber keine Zeit um sich darüber Gedanken zu machen, der Bericht musste endlich fertig werden. Er salutierte und ging in sein Büro.

  • Hastig betrat Frugi sein Büro mit Hoffnung der Praefectus wäre noch anwesend. Entweder hatte er nicht aufgepasst oder er war schon vor der letzten Bekanntmachung hier gewesen. Er zog seine Tunika zurecht,
    gab sich einen innerlichen Ruck und klopfte an die Türe zum Officium des Praefectus Urbis. Zu ärgerlich, wie hatte ich das nur verpassen können, dachte er.

  • Menecrates saß über den Plänen für den anstehenden Sondereinsatz, als es klopfte. Er markierte eine Stelle auf der Karte, für die er den Zugriff plante, dann rief er: "Ja." Es bedeutete, der Klopfende könne eintreten, auch wenn der Praefectus noch immer den Blick auf die Karte richtete und nur zögerlich aufsah.

    "Was gibt es denn?" Seine Stimme hob sich in Neugierde, weil sein Cornicularius beunruhigt wirkte.

  • Frugi trat ein, "Praefectus Claudius, entschuldige wenn ich dich störe. Es geht um die Bekanntmachung.

    Leider habe ich die erst jetzt gesehen, aber ich wollte schon seit einiger Zeit fragen, welche Möglichkeiten ich für einen Aufstieg hätte. Da kommt mir das gerade zurecht. Ich melde ich hiermit und hoffe ich bin dafür geeignet." Für Octavius war es ein Sprung ins kalte Wasser, viel zu lange überlegte er ständig. Jetzt hatte er sofort Nägel mit Köpfen gemacht.

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