Wieder einmal stellte Malleus schmunzelnd fest, dass er Alpina nichts vormachen konnte. Allein schon deshalb, weil er es im Grunde auch gar nicht wollte. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er ein unverbesserlicher Granitschädel war, der seine Grenzen erst erkannte, wenn er sie überschritten hatte. Eines Tages würde ihn seine Sturheit umbringen und vermutlich wusste sie das ebensogut wie er. Einstweilen aber hielten sich beide an ihre unausgesprochene Übereinkunft: Er bemühte sich, es nicht zu übertreiben und sie hielt sich mit Tadel zurück, so gut es ging.
Viel zu tadeln gab es an diesem Tag ohnehin nicht. Der Anblick seiner Narbe fand ganz offensichtlich Alpina’s Wohlgefallen, und da sie sich darüber zu freuen schien, freute er sich einfach mit. Obwohl er von Anfang an nicht den geringsten Zweifel an der Wundheilung gehegt hatte. Damals in Moesia war es ihm weit schlimmer ergangen, zumindest was die Verletzung selbst betraf. Verglichen mit jener langen klaffenden Halswunde war der geschlossene Schlitz an seiner Flanke nicht viel mehr als ein lästiges Andenken. Da war ihn der eingefallene Lungenflügel schon weit härter angekommen. Trotzdem hatte Alpina natürlich recht damit, den Zustand der Naht als Glück zu bezeichnen. Schließlich wurde er nicht jünger und wie viele Wunden sich sein in die Jahre gekommener Körper noch ungestraft würde zufügen lassen, wussten allein die Götter. Aber wer wollte schon ewig leben? Er jedenfalls nicht. Was nützte schon alle Zeit der Welt, wenn man sie unnütz vertat. So weit würde er es ganz gewiss nicht kommen lassen.
Alpina redete von Geduld. Auch damit hatte sie recht. Nur musste man sich solche Kleinodien wie Geduld eben auch leisten können. Immerhin hatte er schon zehn Tage verloren und es war wohl kaum zu vermeiden, noch ein paar weitere zu verlieren. Sie durchschaute ihn. Sie musste wissen, wie ihn das quälte. Und tatsächlich, als hätte sie seine Gedanken erraten, sprach sie es dann auch aus. „So ist es, Alpina. Genau das will ich.“ nickte er ernst. Er wollte es nicht nur, er würde es verdammt nochmal auch tun. Die Schuldigen ausmachen, sie aufspüren und ihnen ein für alle mal die Faxen austreiben; dem Attentäter, dem Drahtzieher und jedem anderen in irgendeiner Weise beteiligten Arschloch. Selbst wenn er noch nicht gänzlich wiederhergestellt sein sollte und obgleich er jetzt schon wusste, dass seine Vorstellung von angemessener Vergeltung eine grundlegend andere war als die des Aedilen.
Als kultivierter Römer, der die Gesetzte in Ehren hielt, würde Curio diesen Ratten sicher den Prozess machen wollen wollen. Malleus’ Standpunkt war da deutlich pragmatischer. Subversiven Elementen, die sich in aller Öffentlichkeit an Magistraten vergriffen, gab man kein Forum. Die nagelte man kopfunter an eine Stalltür und ließ sie dort hängen bis ihnen die Maden aus den Ohren krochen. Zur Erbauung der gesamten aufrührerischen Sippe. Was sich in den Dörfern und Gehöften an der pannonische Grenze bewährt hatte, würde auch hier seine Wirkung nicht verfehlen.
Seine Stirn umwölkte sich. Seine Kiefer pressten sich aufeinander. Vier, fünf Atemzüge lang versank er in trübseligen Erinnerungen, gewahrte dann Alpina’s offenen Blick und begann ihn mit einem leisen Lächeln zu erwidern. „Naja, ich fürchte, ein paar Tage werd’ ich mir wohl noch Zeit nehmen müssen, oder? Und das, obwohl du mich sicher längst über hast.“