[Cubiculum] Krankenlager des Cossus Malleus

  • Wieder einmal stellte Malleus schmunzelnd fest, dass er Alpina nichts vormachen konnte. Allein schon deshalb, weil er es im Grunde auch gar nicht wollte. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er ein unverbesserlicher Granitschädel war, der seine Grenzen erst erkannte, wenn er sie überschritten hatte. Eines Tages würde ihn seine Sturheit umbringen und vermutlich wusste sie das ebensogut wie er. Einstweilen aber hielten sich beide an ihre unausgesprochene Übereinkunft: Er bemühte sich, es nicht zu übertreiben und sie hielt sich mit Tadel zurück, so gut es ging.


    Viel zu tadeln gab es an diesem Tag ohnehin nicht. Der Anblick seiner Narbe fand ganz offensichtlich Alpina’s Wohlgefallen, und da sie sich darüber zu freuen schien, freute er sich einfach mit. Obwohl er von Anfang an nicht den geringsten Zweifel an der Wundheilung gehegt hatte. Damals in Moesia war es ihm weit schlimmer ergangen, zumindest was die Verletzung selbst betraf. Verglichen mit jener langen klaffenden Halswunde war der geschlossene Schlitz an seiner Flanke nicht viel mehr als ein lästiges Andenken. Da war ihn der eingefallene Lungenflügel schon weit härter angekommen. Trotzdem hatte Alpina natürlich recht damit, den Zustand der Naht als Glück zu bezeichnen. Schließlich wurde er nicht jünger und wie viele Wunden sich sein in die Jahre gekommener Körper noch ungestraft würde zufügen lassen, wussten allein die Götter. Aber wer wollte schon ewig leben? Er jedenfalls nicht. Was nützte schon alle Zeit der Welt, wenn man sie unnütz vertat. So weit würde er es ganz gewiss nicht kommen lassen.


    Alpina redete von Geduld. Auch damit hatte sie recht. Nur musste man sich solche Kleinodien wie Geduld eben auch leisten können. Immerhin hatte er schon zehn Tage verloren und es war wohl kaum zu vermeiden, noch ein paar weitere zu verlieren. Sie durchschaute ihn. Sie musste wissen, wie ihn das quälte. Und tatsächlich, als hätte sie seine Gedanken erraten, sprach sie es dann auch aus. „So ist es, Alpina. Genau das will ich.“ nickte er ernst. Er wollte es nicht nur, er würde es verdammt nochmal auch tun. Die Schuldigen ausmachen, sie aufspüren und ihnen ein für alle mal die Faxen austreiben; dem Attentäter, dem Drahtzieher und jedem anderen in irgendeiner Weise beteiligten Arschloch. Selbst wenn er noch nicht gänzlich wiederhergestellt sein sollte und obgleich er jetzt schon wusste, dass seine Vorstellung von angemessener Vergeltung eine grundlegend andere war als die des Aedilen.


    Als kultivierter Römer, der die Gesetzte in Ehren hielt, würde Curio diesen Ratten sicher den Prozess machen wollen wollen. Malleus’ Standpunkt war da deutlich pragmatischer. Subversiven Elementen, die sich in aller Öffentlichkeit an Magistraten vergriffen, gab man kein Forum. Die nagelte man kopfunter an eine Stalltür und ließ sie dort hängen bis ihnen die Maden aus den Ohren krochen. Zur Erbauung der gesamten aufrührerischen Sippe. Was sich in den Dörfern und Gehöften an der pannonische Grenze bewährt hatte, würde auch hier seine Wirkung nicht verfehlen.


    Seine Stirn umwölkte sich. Seine Kiefer pressten sich aufeinander. Vier, fünf Atemzüge lang versank er in trübseligen Erinnerungen, gewahrte dann Alpina’s offenen Blick und begann ihn mit einem leisen Lächeln zu erwidern. „Naja, ich fürchte, ein paar Tage werd’ ich mir wohl noch Zeit nehmen müssen, oder? Und das, obwohl du mich sicher längst über hast.“

  • "Du solltest mir über sein? Wie kannst du so denken?" Alpina erschrak über die Aussage des Leibwächters. Hatte sie ihm diesen Eindruck vermittelt? Ihre Pupillen wanderten vom seiner linken blauen Iris zur rechten. Es schien wohl eher seine Sorge zu sein. "Sei dir sicher, für mich ist nichts wichtiger, als dass du deine Leistungsfähigkeit wiedergewinnst. Aber nicht um dich loszuwerden, sondern damit du noch einige Jahre für die Sicherheit Curios und seiner Familie sorgen kannst. Ich werde mich also freuen, deinen vernarbten Körper und dein Gesicht regelmäßig zu sehen."


    Sie ergriff die Pinzette und das Sichelmesserchen. "Aber pass auf, vermutlich hast du mich gleich über!" Alpina grinste. Beherzt packte sie den ersten Faden, zog ein wenig an, bis sich eine Lücke zwischen Haut und Knoten bildete und schnitt den Faden dort mit dem Sichelmesser ab. Es war bestimmt nur ein Ziepen und nicht sehr schmerzhaft, aber es würden noch weitere folgen.


    Als sie damit fertig war, sah sie auf. "Was hast du vor? Wie willst du die Sache angehen, wenn du wieder bei Kräften bist?"

  • Der Chirurgicus schien seine Arbeit tatsächlich recht gewissenhaft erledigt zu haben. Mit dem Zwirn hatte er jedenfalls nicht gespart. Es dauerte ein Weilchen, bis Alpina den letzten Faden aus dem pochenden Fleischwulst gezupft hatte. Malleus war’s zufrieden. Er hatte Alpina wirklich gerne um sich, und dass sie ihn nach eigenen Worten auch noch länger würde ertragen können, wärmte sein Herz mehr als er je zugegeben hätte. Nicht zum ersten Mal brachte ihn ihre Gegenwart auf die Frage, ob sich unter seinen Hinterlassenschaften wohl auch die eine oder andere Tochter befand. Ein paar seiner Sprösslinge hatte er natürlich kennen gelernt, die in Rom zum Beispiel, aber das waren allesamt Söhne, soweit er sich erinnern konnte. Vielleicht hätte es seinem ruhelosen Gemüt ja ganz gut getan, wenigstens eine seiner Leibesfrüchte heranwachsen zu sehen. Überhaupt hatte der erzwungene Müßiggang der vergangenen zehn Tage – oder besser gesagt, der endlosen Nächte – mitunter die eigentümlichsten Erinnerungsfetzen zutage gefördert. So war ihm auch Ferun wieder in den Sinn gekommen, die einstige Centurionengeliebte, deretwegen er von Castra Bonnensia an den Arsch des Imperiums versetzt worden war. Seines Wissens war das die erste Frau gewesen, die er geschwängert hatte. Was mochte aus ihr und ihrem Bastard geworden sein? Das war nun mehr als dreissig Jahre her, also war jener Spross, sofern er die Zeiten überlebt hatte, heute älter als Alpina. Bei Frîja’s erschlafften Brüsten, er wurde wirklich alt! Besser, er dachte gar nicht erst darüber nach, ob seine Empfindungen für Alpina tatsächlich rein väterlicher Natur waren. Dafür war dies weder der rechte Ort noch die rechte Zeit und sehr wahrscheinlich auch nicht das rechte Leben.


    „Hm .. naja ..“ brummte er einigermaßen erleichtert darüber, dass sie ihn mit ihrer Frage nach seinen Plänen von weiteren Grübeleien abhielt. „Ich würde ja verflucht gerne auf die rustikale Weise vorgehen. Mir einen Verdächtigen nach dem anderen schnappen und dann sehen, was sich da so alles rausquetschen lässt. In dem Fall müsste ich danach aber für eine ganze Weile aus der Stadt verschwinden. Mal ganz davon abgesehen, dass Curio von dieser Vorgehensweise wenig angetan wäre. Dein Schwager ist eben ein sehr anständiger Kerl.“ Manchmal etwas zu anständig, fand Malleus, aber schließlich war der Aedil auch nie im Krieg gewesen. Für den Helvetius zählten Recht und Ordnung gewiss weit mehr als die bloße Vergeltung.


    „Also brauchen wir Beweise oder wenigstens ein paar taugliche Indizien. Gleichzeitig muss den in Frage kommenden Säcken mit Nachdruck auf die Füße getreten werden, so lange, bis sie sich zu einer Reaktion genötigt sehen oder irgendwelche Fehler machen. Tatsache ist, dass ich außer zwei Verdächtigen noch nichts Brauchbares habe. Deswegen ist der Kerl, den ich getötet habe, auch so kostbar. Zumindest so lange sein Leichnam noch greifbar ist und nicht in die falschen Hände gerät. Nicht nur der Gerüchte wegen. Ich muss wissen, was er bei sich hatte, wo er sich vor dem Anschlag zugesoffen hat, wie und wo er seinem Auftraggeber über den Weg gelaufen ist und so weiter. Kurz: Wir müssen rausfinden, wer der Bursche eigentlich war.“


    Vor allem anderen jedoch stand die Sicherheit des Aedilen weiterhin an erster Stelle. Wie er dessen Bewachung mit den nötigen Nachforschungen und Einschüchterungen unter eine Kappe bringen sollte, war ihm momentan noch nicht ganz klar. Alleine würde er das alles nur schwerlich bewältigen können. Da mussten Acanthos, Kaeso und vor allem Bolanus ihren Teil beitragen, und nicht nur die. „Je mehr aufgesperrte Ohren wir da draußen haben, desto besser.“ lächelte er Alpina verschmitzt zu. „Zumal, wenn sie so anmutig und wohlgeformt sind wie die deinen.“

  • Es wurde Zeit. Fast eine Woche hatte sich Curio von Silvana und Alpina ans Bett fesseln lassen, hatte sich vor allem im gemeinsamen Familiencubiculum aufgehalten und auch angefangen, dort Fäste zu empfangen. Es ging ihm zwar deutlich gegen den Strich, dass er einige Amtskollegen dort empfangen musste, aber wenn er sich mit den energischen Blicken der starken Frau des Hauses konfrontiert sah, hätte er es einen Streit anlegen müssen - und dafür war er längst noch nicht ausreichend gewappnet. Stattdessen hatte er sich eingeredet, dass der medizinische Sachverstand Alpinas im Moment das Maß der Dinge war und hielt sich entspechend daran. Bis heute. Heute war sein dicker helvetischer Widderkopf sturer gewesen, als seine Frau und daher klopfte er nun an die Tür des Cubiculums an. Alleine war er jedoch nicht unterwegs. Auf dem erstaunlich langen Weg von seinem Schlafzimmer zum Gästecubiculum wurde er von Acanthos gestützt und der Helvetier musste sich eingestehen, dass er den Weg wahrscheinlich nicht alleine geschafft hätte. Immer noch machten ihm Schwindelattacken zu schaffen, weswegen er noch recht unsicher auf den Beinen war. Dennoch ließ er sich nicht nehmen, Malleus aufzusuchen. Er hätte es gerne viel früher getan, aber er hatte gehört, dass sich auch der Cohortenveteran erholen musste, und daher hatte Curio halt gewartet, bis heute.

  • Nach einem weiteren schweißtreibenden Tag zwischen Tisch, Tür und Bett kam Malleus zu dem Schluss, dass es nun reichte. Elf Schritte pro Runde. Zehn Dutzend Runden pro Durchgang. Machte sechseinhalb Meilen. Ein Durchgang bis Meridies, zwei danach. Machte knapp zwanzig Meilen pro Tag. Da konnte man nicht meckern. Das kam schon an das durchschnittliche Tagespensum eine Infanteristen heran, auch wenn der Vergleich natürlich hinkte, denn Malleus war dabei weder über Stock und Stein gestapft, noch hatte er Marschgepäck und Ausrüstung mitgeschleppt. Trotzdem – das gesetzte Ziel, zumindest dem Anschein nach wieder ganz der Alte zu sein, hatte er wohl erreicht. Sein Schritt war stramm und federnd wie eh und je, seine Atemzüge hatten sich weiter vertieft und auch die Wunde juckte mittlerweile mehr als sie schmerzte. In diesem Zustand konnte er Curio unter die Augen treten. Ein augenscheinlich hinfälliger Custos dagegen, hätte bei dem angeschlagenen Aedilen und dessen Untergebenen sicher einen zutiefst deprimierenden Eindruck hinterlassen.


    Zufrieden brummend wusch er sich den Schweiß ab, zog anschließend die Tunika über, schlüpfte in die Feminalia und schnürte sich zu guter Letzt die Calcei. Mantel, Cingulum und Pugio würde er für die dreissig, vierzig Schritte durch’s Haus gewiss nicht brauchen. Frisch gewaschen und gewandet gönnte er sich noch einen Becher verdünnten Weines und horchte still in sich hinein. War er so zuversichtlich wie er wirken wollte? War er darauf gefasst, Curio in weit schlechterer Verfassung vorzufinden als man ihn glauben machen wollte? War er bereit, wofür auch immer? Malleus ließ diese Fragen eine Weile auf sich wirken, bejahte sie dann allesamt und trank aus. Noch ehe er den Becher abgestellt hatte, klopfte es an der Tür. Vermutlich Alpina. Oder auch Caeso. Wobei – den Jungen sah er nicht mehr so oft in letzter Zeit, und wenn er mal vorbeischaute, war er trotzdem nie ganz da. Entweder bekam der Kleine zu wenig Schlaf oder er befingerte sich zu oft. Schwieriges Alter.


    Als Malleus schließlich öffnete, stand dann aber weder Alpina noch Caeso vor ihm, sondern Iullus Helvetius Curio nebst Scriba. „Bei Ymir’s Klöten! Aedilis!“ Fast hätte er dem jungen Helvetier aus schierer Erleichterung die Pranke auf die Schulter geklatscht. Curio sah weit besser aus, als Malleus insgeheim befürchtet hatte. Zwar wirkte der Aedil noch etwas schwach und verhärmt, aber er stand wieder auf seinen Beinen. Sie beide standen wieder auf ihren Beinen. Das war alles, was für den Moment zählte.


    „Tja, Helvetius Curio ..“ grinste Malleus über’s ganze Gesicht, „ .. so ein Tag auf dem Forum kann ganz schön auf die Knochen gehn'. Hab’ ich recht?“ Ohne eine Entgegnung abzuwarten trat der erfreute Veteran ein paar Schritte zurück und zog den Stuhl heran. „Gerade wollte ich .. aber bitte .. setz dich erstmal, Aedilis.“ Flink goss er noch etwas Wein und Wasser für seinen Dienstherren in den Becher und wandte sich dann wieder Curio zu. „Wie fühlst du dich?“

  • Um einiges länger dauerte der Heimweg von der Casa Acilia, nicht nur wegen meines deutlich verringertem Tempos. Unterwegs blieb ich immer wieder stehen um über meine Zukunft nachzudenken. Eines hatten mir die letzten Tage bewusst gemacht, ich musste dringend mit Malleus und Alpina sprechen. So wie es jetzt war konnte es nicht weiter gehen.


    Sichtlich nervös betrat ich die Casa Helvetia und ging gleich weiter zum Cubiculum wo sich Malleus Krankenlager befand.
    Leise trat ich ein und betrachtete den Custos Corporis. Ich war mir nicht sicher, ob er wirklich schlief oder sich in einem Halbschlaf ähnlichem Dämmerzustand befand, in dem sich Kranke häufig befinden.
    Wie schon so oft in den letzten Tagen hockte ich mich ihm gegen über und wartete ab.

  • Zitat

    Original von Cossus Malleus
    „Tja, Helvetius Curio ..“ grinste Malleus über’s ganze Gesicht, „ .. so ein Tag auf dem Forum kann ganz schön auf die Knochen gehn'. Hab’ ich recht?“ Ohne eine Entgegnung abzuwarten trat der erfreute Veteran ein paar Schritte zurück und zog den Stuhl heran. „Gerade wollte ich .. aber bitte .. setz dich erstmal, Aedilis.“ Flink goss er noch etwas Wein und Wasser für seinen Dienstherren in den Becher und wandte sich dann wieder Curio zu. „Wie fühlst du dich?“


    Am auffälligsten an Curio, der ja ein wenig kleiner war, als Malleus, war wohl der weiße Verband, der immer noch an seinem Kopf befestigt war, damit die Kopfwunde dort gut heilen konnte und von äußeren Einflüssen - vor allem den neugierigen, noch etwas ungeschickten Händen seines Sohnes, den Curio mittlerweise wieder jeden Tag sah - zu schützen. Der Helvetier hatte eine einfach, wie unscheinbare naturbraune Tunika übergeworfen. Er wirkte sicherlich nicht sonderlich fit, wie er hier von seinem Leibsklaven gestützt das Cubiculum trat, dessen Tür grade von Malleus geöffnet worden war. Der massige germanische Hüne stand vor ihm und auch Curio hatte ein deutlich schlimmeres Bild erwartet. Malleus konnte bereits wieder laufen, er wirkte wieder gesund genug, um selbst die Tür zu öffnen. Das war doch alles schonmal gute Zeichen für die Erholung und dafür, dass ihr Leben nach diesem Angriff natürlich weiterging.


    Im Zimmer angekommen, setzte er sich aber gleich auf den im angebotenen Stuhl. Denn dann konnte sich Acanthos wieder an die Arbeit machen und die beiden Männer alleine lassen.


    Ich befürchte ja, dass mich meine... Frau gar nicht mehr aufs Forum lassen wird und mich am liebsten für den... Rest meines Lebens in unserem Schlafzimmer einsperren würde. Allerdings muss das... Leben ja weitergehen, nicht wahr?


    sagte Curio mit einem Lachen. Es war mehr als offensichtlich, dass Curio immer noch Probleme mit dem Sprechen hatte, auch wenn diese zunehmend besser geworden waren. Dennoch haderte Curio immer noch mit seinen regelmäßigen Wortfindungsstörungen und er konnte nur hoffen, dass diese nach und nach seltener werden würden.


    Na ja... wie du hörst, habe ich noch Probleme... beim Sprechen und weil mich meine Frau in den letzten.... Tagen regelrecht ans Bett gekettet hat, bin ich noch ein wenig... unsicher auf den Beinen. Von den.. gelegentlichen Kopfschmerzen ganz zu schweigen. Aber ich lebe, Malleus, und das habe ich, wie mir... Acanthos berichtete, vor allem dir zu verdanken.

  • Nachdem sein Dienstherr Platz genommen hatte, reichte Malleus ihm den Becher und setzte sich dann auf’s Bett. In seine anfängliche Freude über die unerwartet fortgeschrittene Genesung des Aedilen mischte sich nun doch ein gerüttelt Maß an Besorgnis. Rein körperlich schien der Helvetier den Angriff zwar relativ gut überstanden zu haben, seine schleppende Sprechweise aber und die augenscheinliche Mühe, sich zu artikulieren, gefielen Malleus ganz und gar nicht. Anmerken ließ er sich das freilich nicht, hörte stattdessen lächelnd zu, wie Curio von den Bedenken seiner Gattin berichtete. Durchaus nachvollziehbar, dass Silvana ihren Mann vor jeglicher Gefahr beschützen wollte, das wollte der Custos natürlich auch. Nur hatte die Flucht vor der Gefahr noch keinen großen Mann hervorgebracht. Letztlich war es genau wie der Aedil sagte: Das Leben musste weitergehen.


    Als seine eigene Rolle bei Curio’s Überleben zur Sprache kam, trübte sich Malleus’ Stimmung etwas ein. Alle im Haus, bei Silvana angefangen über Alpina, Acanthos und Kaeso bis zur Dienerschaft, schienen der Überzeugung zu sein, er habe dem Aedilen das Leben gerettet. Möglicherweise traf das auch zu, ganz sicher war er sich da aber nicht. Fest stand nur das eine: Er hatte seinen Schützling nicht davor bewahren können, angegriffen und schwer verletzt zu werden.


    „Das hast du wohl in erster Linie den Göttern zu verdanken. Gleichviel, ob nun deinen oder meinen.“ tat er Curios’ Bemerkung zunächst mit einem gezwungenen Schmunzeln ab, beugte sich dann aber seufzend nach vorn und blickte den Aedilen nachdenklich an.


    „Im Ernst, Aedilis. Ich sehe das etwas anders. Sicher, wenn dich dieser aufgeputschte Soldat mit seinem Bleirohr oder gar dem Gladius angegangen hätte, würdest du nicht mehr unter uns weilen. Trotzdem bezweifle ich mittlerweile, dass sein Auftraggeber dich unbedingt tot sehen wollte. Der Kerl, der dich niedergeschlagen hat, trug ebenfalls eine Waffe. Benutzt hat er sie aber nicht, und das, obwohl er dich im Gedränge ebenso gut hätte abstechen können. Die sollten dich nicht töten, da bin ich mir ziemlich sicher, eher dich zum Krüppel schlagen, was in meinen Augen allerdings keinen Unterschied macht. So oder so, die Schuldigen werden dafür bezahlen, als hätten sie einen Mord begangen.“

  • Nachdenklich blickte Curio seinen Leibwächter an. Es war keine Bescheidenheit, mit der er es hier zu tun hatte, das sah er problemlos, nein, da war was anderes. Hoffentlich kein Schuldbewusstsein, denn dafür gab es doch keinen Grund.


    Erstmal sind deine Götter auch die meinen, wobei ich... weiß, dass sich da einige Einwohner hier noch schwer mit diesem Gedanken tun... meine Frau übrigens eingeschlossen.


    gab er zu bedenken und blickte dann kurz auf seine Hände, die auf seinem Schoß ruhten. Der Tag war bei ihm immer noch praktisch nicht vorhanden. Er fehlte ihm einfach, war ausgeschlöscht, wie der ehemalige Text auf einer Wachstafel. Daher musste er auch schlucken, als Malleus nun von dem Bleirohr, dem Gladius und einem aufgeputschten Soldaten anfing. War er tatsächlich von einem Soldaten angegriffen worden? Und warum sollte ein aktiver Soldat so etwas tun?


    Entschuldige, wenn ich ein bisschen... unsicher bin, aber ich kann mich an den Tag nicht mehr... erinnern. War es denn wirklich ein Soldat, der uns angegriffen hat?


    Wie automatisch, begann seine linke Hand an den Fingern der rechten zu zupfen, bevor er wieder hochblickte.


    Mein Schwiegervater hat etwas... ähnliches vermutet. Wie wäre es, wenn du dich mit ihm... in Verbindung setzt, sobald dir Alpina erlaubt, das Haus zu verlassen. Er hat bereits... angekündigt, dass er seine Leute rausschicken will, um Nachforschungen anzustellen. Da du die beiden ja wohl gesehen hast... wirst du ihm ein große Hilfe sein.

  • „Entschuldige. Das war gedankenlos. Ich rede hier von Dingen, die du nicht wissen kannst.“


    Malleus hätte sich ohrfeigen können. Behutsam hatte er es angehen wollen, erst herausfinden, wieviel er seinem geschwächten Dienstherren zumuten konnte, und ihn erst dann mit den Fakten konfrontieren. Das hatte ja wunderbar geklappt. Als hätte Curio nicht schon genug zu kämpfen, um seine Gedanken wieder sortiert zu bekommen. Das Gesagte einfach so stehen zu lassen und das Thema zu wechseln war aber auch keine Option. Zumindest die Frage nach dem Angreifer musste er dem Aedilen nachvollziehbar beantworten.


    „Ja, Aedilis, der erste Angreifer war zweifelsfrei Soldat. Körperhaltung und Kampfweise nach zu urteilen ein Infanterist. Allerdings keiner aus dem aktiven Dienst. Dafür war er viel zu abgerissen. Kein Offizier des Exercitus würde seine Männer so rumlaufen lassen. Möglich, dass er desertiert ist oder wegen irgendwelcher körperlicher Gebrechen vorzeitig ausgemustert wurde. Am wahrscheinlichsten dürfte aber eine unehrenhafte Entlassung sein. Deserteure meiden für gewöhnlich die großen Garnisonsstädte und körperlich eingeschränkt war der Bursche nun wirklich nicht. Über den zweiten Angreifer, den Kerl also, der dich niedergeschlagen hat, lässt sich dagegen nur wenig Konkretes sagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir es mit einem kräftigen, groß gewachsenen Germanen zu tun. In diesem Punkt decken sich Acanthos’ Beobachtungen mit meinen eigenen. Das war’s aber auch schon. Ziemlich dünn, nicht wahr?“

    Ein bitteres Grinsens begann an seinen Mundwinkeln zu zerren. Dünn war gar kein Ausdruck. Ein großer bulliger Germane. In Mogontiacum. Wirklich fabelhaft. Der würde hier auffallen wie ein Holzpfahl in einer Grenzpalisade. An den kamen sie wohl nur über den Drahtzieher ran. Und das warf auch schon die nächste Frage auf: Sollte er Curio zu diesem Zeitpunkt mit seinem Verdacht belasten? Ihm von seiner Beobachtung in der Gasse erzählen? Nein. Heute noch nicht. Dazu würden sich noch genügend Gelegenheiten finden. Es reichte völlig aus, wenn er selbst sich den Kopf zermarterte, der Aedil musste erst genesen.


    „Wie auch immer. Das sind Dinge, mit denen du dich im Moment nicht auseinandersetzen solltest. Deine Gesundheit geht vor. Vertrau mir einfach, erhol dich und vor allem: hör auf deine Schwägerin. Du wirst wieder ganz gesund, daran hab ich nicht den geringsten Zweifel.“


    Zweifel hatte er tatsächlich nicht. Curio war schließlich kein Schwächling sondern ein zäher junger Kerl voll Energie und Ehrgeiz. Der würde ganz gewiss wieder hinkommen. Fragte sich nur wann. Dieser Frage jedoch weiter nachzugehen, erachtete Malleus als wenig sinnvoll. Stattdessen bedachte er den etwas unsicher wirkenden Helvetius mit einem aufmunternden Lächeln.


    „Um den Rest kümmern wir uns schon. Dein Vorschlag mich mit dem Pontifex in Verbindung zu setzen, ist jedenfalls hervorragend. Ich werde Duccius Verus umgehend aufsuchen. Was meinst du, Aedilis - sollte ich deine Gattin mitnehmen?“

  • Schon gut, mach dir keine... Sorgen. Im Moment ist alles ein wenig schwieriger, das muss dich aber nicht weiter... kümmern.


    sagte Curio abwinkend. Der Veteran sollte sich keine Sorgen darum machen, denn es ging voran, und selbst wenn er sich gar nicht mehr an den Tag würde erinnern können, reichte es doch, dass es genug Zeugen gab, die bei den kommenden Ermittlungen helfen konnten. Curio wollte sich ohnehin ein paar Tage aufs Landgut zurückziehen und seinem Schwiegervater und nun auch seinem Leibwächter die Ermittlungen überlassen. Da konnte er sich auf beide verlassen.


    Da bin ich ja erleichtert, dass es kein aktiver... Soldat war. Du weißt ja, dass ich politischer Freund und... Unterstützer des... Exercitus bin, da wäre ein Angriff eines aktiven Soldaten ein katastrophales Zeichen.


    Das wiederum konnte er immer noch, politisches Denken und Taktieren, trotz der Einschränkung seines Kopfes und der physischen Schwäche durch die viel zu lange Bettruhe. Zu dem folgenden Worten nickte er nur dankbar, denn obwohl es für ihn irgendwie ein Ausbremsung von 100 auf 0 war, merkte er doch irgendwie, dass es ihm guttat, die Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn verbringen zu können und nur vereinzelte Termine wahrnehmen zu müssen. Dennoch durfte das nicht zur Routine werden, spätestens nach dem Rückzug aufs Landgut würde wohl die Arbeit wieder den größten Teil seines Tages ausmachen.


    Nein, nein, bitte, halt meine Frau da raus. Sie hatte schon genug zu tun und auch ihr wird ein wenig Ruhe guttun. Zudem...


    Er zögerte, ob er weiterreden sollte, blickte auf und atmete tief durch. Danach entschied er sich dafür, denn er wusste, dass Malleus darüber Stillschweigen bewahren würde.


    Zudem ist das Verhältnis meiner Frau und meines... Schwiegervaters eher schwierig. Es geht dabei vor allem um die Frage der... Erziehung meines Schwagers, denn meine Schwiegermutter ist bei dessen Geburt verstorben. Während mein Schwiegervater meine Frau noch immer als seine kleine... unerfahrene Tochter sieht, die selbst noch Erziehung bedarf, hat meiner Frau ihrer Mutter wohl ein Versprechen am... Sterbebett geben, dass sie sich um ihren Bruder kümmern würde. Es ist also... kompliziert zwischen den beiden und ich denke nicht, dass wir das weiter... anfachen sollten. Daher wird es genügen, wenn du ihn alleine aufsuchst, ihm mit Hilfe eines... Schreibens klar machst, dass deine Teilnahme an den... Ermittlungen mein expliziter Wunsch ist und wenn ihm das nicht ausreicht... solle er mich persönlich aufsuchen.

  • Was Curio ihm anvertraute, bekümmerte Malleus mehr als ihm lieb war. Er selbst war alles andere als ein Familienmensch. Sein Vater Harduin lebte seit dreizehn Jahren nicht mehr, und in den ganzen einunddreissig Jahren, die zwischen der Flucht nach Mogontiacum und Harduin’s Tod lagen, hatte Malleus vielleicht vier oder fünfmal die Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen. Um so älter er wurde, desto mehr bedauerte er das. Ein Vater war ein Vater. Die Sommer jagten dahin, die Menschen, die einem einst nahe gestanden hatten, verblassten zu Erinnerungen und ehe man sich versah, waren sie fort. Verstreut in alle Winde oder tot. Aber im Gegensatz zu ihm war Silvana noch jung. Gut möglich, dass sich über die Jahre doch noch alles zum Guten wendete und sie mit ihrem Vater in’s Reine kam. Mit einem trockenen Räuspern schluckte er die Gefühlsduseleien hinunter und nickte Curio zu.


    „Verstehe. Wenn das so ist, gehe ich natürlich alleine. Das duccische Anwesen ist ja kaum zu verfehlen. Ich werde mich gleich morgen früh auf den Weg machen. Vorher muss ich noch mit Bolanus sprechen und wir beide sollten uns wohl auch noch über das eine oder andere klar werden.“


    Noch immer war er sich nicht sicher, wie weit er Curio belasten sollte. Natürlich stand dessen Genesung an erster Stelle, andererseits hatte er ein Recht darauf, mit einbezogen zu werden, zumal es um seine Person ging. Wie konnte Malleus erwarten, dass der Aedil ihm vertraute, wenn er ihn bei seinen Überlegungen außen vor ließ, und sei es auch nur, um den Helvetius zu schonen? Eben war Curio offen zu ihm gewesen, also konnte Malleus letztlich gar nicht anders als auch seinerseits offen zu sein.


    „Ich nehme an .. du hast dir bereits die Frage gestellt .. wer hinter all dem stecken könnte.“, begann er zögernd. „Hast du Feinde oder Widersacher, von denen ich bislang noch nichts weiß? Wer, denkst du, könnte einen derartigen Groll auf dich hegen, um eine solche Aktion zu planen? Fakt ist, dass ich bereits zwei Kandidaten im Sinn habe, aber vielleicht gehen dir da ganz andere Namen durch den Kopf.“

  • Curio nickte dankbar, als der Custos seinen Vorschlag ohne ein weiteres Wort annahm. Das Verhältnis seiner Frau und seines Schwiegervaters und Patrons war ohnehin nichts, dass er lang und breit diskutieren wollte, denn es war schon unangenehm genug, dass dieser Konflikt stumm, aber stets präsent vor sich hin schwelte und es im Moment keinen Anschein gab, dass er auf absehbare Zeit beigelegt werden konnte. Dennoch war er dankbar, dass Verus nach dem Anschlag umgehend hergekommen war und alles an sich genommen hatte, was es zu tun gab, damit das Autoritätsloch, dass er hinterlassen hatte, gefüllt wurde. Allerdings wusste Curio auch, dass das Eingreifen seines Schwiegervaters wiederum mit den Vorgaben seiner Frau kollidiert waren und erneut dazu beigetragen hatten, dass das Verhältnis der beiden litt. Curio musste dann wohl doch in Zukunft alle Eventualitäten miteinbeziehen, wenn er einen neuen Notfallplan erarbeitete.


    Hier allerdings wollte Malleus nun wohl doch noch ein paar Informationen von ihm und auf die Fragen des Veteranen hin, legte sich seine Stirn in Falten. Widersacher, Feinde, nun er war Politiker, da blieb sowas ja wahrscheinlich einfach nicht aus.


    Es gibt im... Ordo Decurionum politische Gegner, aber ich glaube nicht... dass sie eine solche Maßnahme... ergreifen würden.


    begann er und blickte wieder nachdenklich auf seine in seinem Schoß zusammengelegten Hände. Politische Gegner pinkelten einem ständig ans Bein, aber die wenigsten griffen zu Gewalt, zumal er ja durchaus auch genug Angriffsfläche bot, dass man ihm politisch und im Bilde der Öffentlichkeit schaden konnte. Allerdings wussten auch alle, dass er unter dem Schutz der Duccier stand und ein körperlicher Angriff natürlich nochmal ganz andere Konsequenzen nach sich ziehen würde.


    Dennoch gibt es sicherlich... einige Personen, die nicht gut auf mich zu... sprechen sind. Die Libertina Phryne... zum Beispiel hat schon mehrmals versucht, meinen... Ruf zu zerstören. Vielleicht noch der eine, der uns beim... Friseur auf dem Forum angegangen ist. Aber sonst?

  • Aufmerksam lauschte der Custos den Gedanken seines Dienstherren, nickte ab und an und furchte schließlich die Stirn, als Curio Phryne erwähnte. Die hatte Malleus bei seinen eigenen Überlegungen bislang nicht mit einbezogen. Politische Widersacher sehr wohl, den gespreizten Pöbler Gurox selbstverständlich ebenso, nicht aber Libertina Phryne. Wie man so hörte, war Phryne eine neureiche Schlampe, die ihren einstigen Herren um Hirn und Besitz gevögelt hatte, und sich nun mit allen Mitteln in die höhere Gesellschaft des Municipiums zu drängen versuchte. Rachsüchtige Weiber waren eine Pest. Erst recht, wenn sie über die pekuniären Mittel verfügten, ihre Spielchen entsprechend in’s Werk zu setzen. Da hatte der Helvetier ein äußerst lästiges Problem am Hals. Dass diese Phryne jedoch hinter dem Anschlag steckte, schloss Malleus nach kurzem Nachdenken aus. Der Überfall trug nicht die Handschrift eine Frau. Frauen gingen in solchen Angelegenheiten völlig anders vor. Die streuten Gerüchte, konstruierten aufwändige Intrigen oder hetzten aus sicherer Deckung heraus ihre Feinde gegenseitig aufeinander. Schlecht geplante Brachialgewalt war selten ein Produkt weiblichen Kalküls. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Attentat das denkbar ungeeignetste Mittel war, um den Ruf des jeweiligen Opfers zu ruinieren.


    Nachdem Curio den Vorfall in der Tonstrina erwähnt hatte, verstummte er wieder. Malleus ließ ein zustimmendes Brummen vernehmen. In der Tat kam dieser schmierige Gurox weit eher infrage als Phryne oder gar ein Mitglied des Ordo Decurionum. An die unschöne Szene in der Curia jedoch, an den Belgier und dessen Drohungen schien sich der Aedil nicht mehr erinnern zu können. Zweifellos ein weiteres Symptom seiner schweren Kopfverletzung. Curio quälte sich, das war nicht zu übersehen. Liebend gerne hätte Malleus dem jungen Helvetius weitere Torturen erspart und das Gespräch auf einen späteren Zeitpunkt vertagt, nur war Zeit ein Luxus, den sie sich nach all den untätig verplemperten Tagen nicht mehr leisten konnten. Der einzige Gefallen, den er Curio im Moment tun konnte, war der Versuch, seine Überlegungen so schlüssig wie nötig und so knapp wie möglich darzulegen.


    „Nun, Aedilis .. was deine politischen Gegner betrifft .. das sehe ich genauso wie du. Schließlich herrschen im Ordo Decurionum andere Sitten als beispielsweise am Hof eines östlichen Vasallenkönigs. Zudem – wer ein Problem mit deiner Gesinnung oder deiner Amtsführung hat, wartet gewiss nicht bis zum Ende des Aediliats, um dich aus dem Weg zu räumen. Das ergäbe keinerlei Sinn. Diese Phryne können wir wohl ebenfalls von der Liste der Verdächtigen streichen. Du sagst es ja selbst, sie ist vor allem darauf aus, deinen Ruf zu zerstören, und der dürfte unter dem Attentat am allerwenigsten gelitten haben. Im Gegenteil. In solchen Fällen fliegen die Sympathien immer dem Opfer zu. Es mag kein Trost für dich sein, aber du stehst momentan gewiss höher im Ansehen der Bürger als jemals zuvor.“

    Und jemals danach – hätte er noch hinzufügen können. Mitgefühl war nun mal vergänglich, Respekt war es nicht. Auf lange Sicht konnte der Ruf des Helvetius durchaus Schaden nehmen. Zumindest solange kein Täter gefunden und die Tat nicht gesühnt war. Hier ging es nicht allein um Curio’s Schädel oder Malleus’ Lungenflügel. Neben der Würde des Amtes war sowohl die Ehre des Helvetiers als auch die seines Custos Corporis angegriffen worden. Und dafür musste jemand bluten. Im Idealfall der Schuldige. Im Zweifelsfall irgendein anderer Nichtsnutz, der es nicht besser verdient hatte.


    „Dieser Gurox passt schon weit besser in’s Bild. Impulsiv. Selbstherrlich. Leichtsinnig. Eigentlich der perfekte Kandidat für sowas. Nur kann ich da beim besten Willen kein nachvollziehbares Motiv erkennen. Trotzdem hat Bolanus bereits Anweisung erhalten, den Burschen von einem meiner gelegentlichen Helfer beobachten zu lassen. Bolanus selbst habe ich allerdings auf einen Kerl angesetzt, der dir offenkundig aus dem Gedächtnis gerutscht ist. Gowin der Belgier. Erinnerst du dich an seine Drohungen in der Curia? Nun, Gowin hat sich an jenem Tag ebenfalls in der Gasse herumgedrückt. Nur ein gutes Dutzend Schritte von der Stelle entfernt, an der wir angegriffen wurden und gerade einmal eine knappe Armlänge neben dem Soldaten, den ich kurz danach töten musste. Ich hab’ die beiden Ratten mit eigenen Augen gesehen. Der Belgier ist unser Mann, Aedilis – da bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher. Wahrscheinlich hat auch Gurox jede Menge Dreck am Stecken, aber wenn Bolanus keine völlig neuen Fakten präsentieren kann, werde ich mich auf Gowin konzentrieren. Ohnehin haben wir nicht genügend Leute, um wirklich alle theoretisch infrage kommenden Gestalten zu observieren.“


    Vielleicht konnte der Pontifex da helfen. Immerhin verfügte die alteingesessene Familie der Duccier über eine Fülle an Macht und Beziehungen, von der andere Sippen Germaniens nur träumen konnten. Indes, verlassen durfte Malleus sich nicht darauf. Auch die Duccier – gerade die Duccier – konnten sich nicht über die Gesetze stellen. Ein unbedeutender alter Mattiaker, der nichts zu verlieren hatte, dagegen schon. Nachdenklich blickte Malleus seinen Dienstherren an. Gut möglich, dass sich die beiden ungleichen Männer nicht mehr wiedersehen würden.


    „Hör zu, Junge ..“ begann er in ungewohnt vertraulichem Tonfall, „.. ich werde mich darum kümmern. Verlass dich drauf. Sieh zu, dass du wieder auf die Beine kommst. Diese Arschlöcher da draußen sollen wissen, dass man einen ehrgeizigen jungen Kerl wie dich nicht mit ein paar Hieben auf die Birne von seinem Weg abbringen kann. Im Gegensatz zu mir hast du eine Zukunft. Mach einfach weiter. Vergiss diesen Anschlag.“ Ein warmes Grinsen zuckte unter Malleus’ Bart. „Wenn man bedenkt, was du sonst noch alles vergessen hast, dürfte das ja wohl kein Problem sein, oder?“


    Nach einem brummenden Lachen wurde er wieder ernst. „Und jetzt solltest du dich ausruhen, Curio. Denn .. mit Verlaub .. du siehst scheiße aus. Ich habe Liam gebeten, Bolanus nach Dienstschluss in’s Atrium zu schicken. Sicher wartet er dort bereits auf mich. Alles Weitere wird sich danach richten, was er inzwischen herausgefunden hat. Darüber, wie es mit uns nach Ende deiner Amtszeit weiter geht .. reden wir ein andermal. In Ordnung?“


    Wieder versuchte sich Malleus an einem Lächeln, doch dieses Mal gelang es ihm nur leidlich.

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