Es war eine lange Nacht gewesen. Regen hatte gegen die einfachen Steinhütten innerhalb der befestigten Wehranlage geschlagen. Moose waren aufgesprungen und wuchsen in sattem Grün in der Nähe des morastigen Bodens hinauf, so dass die Mauern mit einfachem Mörtel gehalten, nun eine unedle Bordüre erhielten. Die kleine Anlage umfasste zwei Wachtürme, die in den Limes eingelassen waren und eine quadratische Mauer, die zu ihrer Nordseite Teil des Limes war. Zur Mauer hinauf führten zwei Treppen, welche den Wehrgang, welcher nördlich gelegen war, begehbar machte. Die Zinnen waren groß, jedoch grausam abgesprengt und bereits zersplittert. Die Zeit hatten ihren Tribut von der Anlage gefordert, die mehr Zollstation, denn wirkliche Festung war. Die beiden Tore, eines gegen Süden und eines in den wilden Norden waren frisch gezimmert und mit schweren Bolzen beschwert. Zwei Balken verschlossen jeweils gegen Nacht die Tore und machten einen schnellen Sturm unmöglich, so denn die Angreifer kein schweres Gerät besaßen. Die restliche Mauer besaß keinen Wehrgang, da das Lager in Richtung Süden lag und man wohl von einem Angriff aus dem Norden ausgegangen war. Auch war die Besatzung zu klein, um alle Mauern bemannen zu können. Insofern fiel die Ästhetik der Wehranlage deutlich zu anderen römischen Bauten ab. Nur die beiden Wachtürme aus festem Stein errichtet wirkten trotzig und fest, während ihre Portale am Fuße der beiden Haupthütten, die jeweils einige Conternubia beherbergten, offen standen, damit man die Türme schnell besteigen konnte. Sie waren einige Fuß hoch, mit einem Ziegeldach geschützt und besaßen sogar einen geringen Komfort in ihren vier Etagen. Große, mit Holzläden verschließbare Fenster, erlaubten es weit zu blicken; über jene Schneise hinweig, die vor den Limes geschlagen war und auch zu anderen Türmen, die weniger umschlossen in die Grenze eingelassen waren. Ein Angreifer konnte bei Gefahr erkannt werden und mit Speeren und Lanzen am Eindringen gehindert werden. Bogenschützen fehlten wohl, da sich keine Köcher oder Körbe innerhalb der Türme fanden. Nur zwei große Feuertrichter, die mit einer Fackel schnell entfacht werden konnten. Es war die Fernkommunikation dieser Wachstation, neben den beiden Reitern, die im behelfsmäßigen Stall ihre Pferde untergebracht hatten. In der Mitte des befestigten Lagers befand sich ein Weg aus Kies, welcher die beiden Tore miteinander verband und jeweiligen aus dem wilden Germanien Einreisenden zeigte, welche Route sie zu nehmen hatten. Ein kreisrundes Vorratssilo mit einem schweren Schloss befand sich hinter den Haupthütten, die rechteckig den Weg flankierten. Lederwürfe verdeckten die Fenster, so dass kein Regen eindringen konnte. Der Lagerbrunnen lag unweit des Weges und war mit einer Holzplatte verdeckt, die mit einer Klappe zu öffnen war. Ja, dieses Lager hatte keinen großen Komfort und war sichtlich nicht für römische Bürger konzipiert worden aber es erfüllte seinen Zweck als Zoll- und Durchgangsmöglichkeit im Limes. Über diese kleine Station wurde gelegentlich Handel abgewickelt und die Zölle für das Imperium erhoben. In ruhigen Zeiten waren beide Tore geöffnet, Soldaten standen Wache und der Centurio oder ein entsprechender Stellvertreter erhob vor Ort die Zölle, indem er die Waren prüfte. Auch waren unter Umständen römische Bürger daran zu erinnern, dass sie nun das Licht Roms verließen oder gar aufzuhalten, da sich viele Kriminelle ins wilde Germanien absetzen wollten. Insofern hatten die Wachmannschaften im ein waches Auge auf Waffen oder verdächtige Gegenstände. Waffeneinfuhr oder auch Ausfuhr war nur unter strengen Auflagen möglich.
Diese Wachstation und einige Türme der Region kommandierte der hier dienende Centurio Tiberius Verus mit Fleiß aber auch Abnutzung seiner Person. Die Sonne erhob sich im Morgengrauen, während der Centurio die Eckwohnung des länglichen Hüttengebäudes verließ, um mit seinen Caligae im Schlamm vor seiner Tür zu versinken. Er grummelte, während das rote Tuch seiner Tunika mit geringen Tropfen benetzt wurde, welche vom Dach der Hütte rannen. Mal wieder war der Abfluss des Daches verstopft. Es war ihm inzwischen schlicht egal, da er jede Woche Männer damit beauftragen konnte und diese sicherlich Besseres zutun hatten. Verus war nicht unzufrieden aber auch nicht glücklich über den damaligen Befehl die Bewachung eines Limes-Abschnittes zu übernehmen. Natürlich war diese Aufgabe mit gewisser Verantwortung verbunden aber im Nachgang und der zwei Winter, die er hier verbracht hatte, langte die Dienstzeit sicherlich aus. Der Militärgürtel mit dem linksgebunden Schwert und dem steckenden Rebstock als Zeichen seiner Disziplinargewalt trat er ins morgendliche Lager, wo ihn bereits zwei Legionäre mit einem Nicken und dem Wort "Centurio" begrüßten, während er seine übliche Runde drehte, um die Tore und Türen des Lagers zu kontrollieren. Der Schlamm unter seinen Sohlen machte dabei bei jedem Schritt ein Geräusch. Ihm fehlte sicherlich eine Therme, auch um die verschlammten Füße ordentlich waschen zu können. Hier musste ein Eimer ausreichen, den man sich über den Kopf goss und ein wenig Öl aus dem Tonbecher. Hier dienten nur wenige Soldaten, so dass man mit allem nur auf 60 Mann kam. Die Centurie in Unterbesetzung reichte aus, um die Aufgabe zu erfüllen, auch wenn in letzter Zeit häufiger Späher der Barbaren gesehen worden waren. Überfälle waren keine Seltenheit aber niemals in der Nähe einer befestigen römischen Wehranlage. Wenn sie so mutig geworden waren, braute sich etwas zusammen. Verus war sich recht sicher, dass die Späher, welche dieses Praesidio aufsuchten, einen bestimmten Plan verfolgten, den er nicht kannte. - Und genau dies machte ihm Angst, da er als altgedienter Mann dieser nordischen Hölle wusste, dass dieses verkümmerte Kastell niemals einen großen Angriff überstehen würde. Gut, es war auch nicht seine Aufgabe. Im Angriffsfalle sollte er halten bis Entsatz käme und die weiteren Truppen informieren, entweder über die beiden Meldereiter oder über das Lichtsignal. Eine recht trostlose Aussicht, die nicht unbedingt die Motivation des Patriziers steigerte, hier zu dienen. Mit großen Schritten trat er eine der Steintreppen zum Wehrgang hinauf, um in den wilden Norden zu blicken. Vögel kreisten im faden Licht der aufgehenden Sonne und sangen dabei. Wolken bildeten schöne Bilder im großen Blau dahinter. Am Horizont lag der endlose Wald in sattem Grün. Mit beiden Händen stützte er sich auf eine der Zinnen, welche noch nass von der Nacht war. "Ein schöner Sommer...," kommentierte Verus zynisch, als sein Optio herantrat, welcher die Seitentür eines der beiden Türme verlassen hatte. "... Centurio," sagte dieser nüchtern, während er seinen Helm abnahm. Das römische Kettenhemd, welches den Unteroffizier schützte wirkte sauber und ausgebessert. Er trug nur sein Gladius, den Pugio und das Halstuch eines römischen Soldaten. Verus blickte gelassen zur Seite. "Ja," sagte der gealterte Jüngling aus dem Hause des Tiberius. "Die Nacht war ruhig, wie die letzten drei Tage. Keine Bewegungen. Ich bitte darum, dass meine Männer und ich zur Ruhe abtreten können," war der Bericht des Legionärs, den Verus nickend zur Kenntnis nahm. Er stieß sich von der Zinne ab und sagte seinem Stellvertreter: "Selbstverständlich. Genießt die Ruhe." Der Optio winkte zu beiden Türmen. Aus jenen traten nun aus den unteren Türen die Wachen und verschwanden müde in den Hütten. Aus diesen traten schließlich frisch-geruhte Legionäre in den typischen Rüstungen. Verus entließ seinen Optio und blickte dann vom Wehrgang hinab zur neuen Schicht. "Männer, dann wollen wir mal öffnen. Wie üblich. Karren kontrollieren, und bei Fragen und Zöllen mich informieren," rief Verus hinab. Die Soldaten kommentierten es nicht weiter und öffneten die beiden Tore in Richtung Norden und Süden. Man positionierte sich jeweils wachend davor, um seinen Auftrag zu erfüllen. Verus beobachtete das Schauspiel mürrisch, während zwei Legionäre neben ihm auf dem Wachgang Position bezogen; andere kletterten in die Türme hinauf, um den Blick ins Barbarenland zu richten. "Endlosigkeit kann eine Strafe sein," murmelte der gebildete aber in die Einöde verbannte Römer, als sein Blick einen Karren musterte der aus dem wilden Land über einen Trampelpfad in Richtung Tor rumpelte. "Arbeit," rief Verus müde lächelnd und deutete zum Karren, der von drei germanisch gekleideten Männern bewegt wurde. Ein alter Ochse war das Zuggespann. Die Legionäre am Tor traten einen Schritt vor, die Hasta fest in beiden Händen, während Verus eine der beiden Steintreppen herabeilte, um wenigstens etwas Ablenkung zu haben. Ein germanischer Morgen konnte sehr trist sein, wenn man nichts anderes fand als Wald und in dieses brüchige Lager.