Der Verführer

  • Nun sprudelte es nur so aus Kaeso heraus. Die gesamte Beichte. Wie er Phryne kennengelernt hatte, wie sie ihn verführt und ihm den Kopf verdreht hatte. Ganz offensichtlich hatte Cupido so sehr von ihm Besitz ergriffen, dass der junge Mann nicht mehr, zwischen der Venusdienerin Phryne und seiner Lehrerin und Freundin Alpina unterschieden hatte.


    Was dann folgte war eine Räubergeschichte ohne Gleichen. Irgendein Kerl hatte wohl die wohlhabende Phryne entführt und auch ihre Sklaven unschädlich gemacht. Kaeso hatte schließlich von Glaucus eine hanebüchene Geschichte aufgetischt bekommen, von der Alpina zunächst nur die Hälfte glaubte. Was deutlich zu sehen war - die Misshandlung des Jungen. Sollte der Rest der Geschichte auch wahr sein. Es klang so abenteuerlich, dass die Hebamme es kaum glauben konnte.
    "Du sagst der brutale Kerl, der dich so zugerichtet hat oder zurichten ließ, halte Phryne in ihrem Haus gefangen? Und du willst da nochmal hin? Sag, Kaeso, bist du verrückt? Du wirst einen weiteren Besuch dort nicht überleben!"


    Alpina ließ sich auf der Bettkante nieder. Gedankenverloren streichelte sie über Kaesos staubige Lockenpracht. "Wir werden Hilfe brauchen, Kaeso. Alleine können wir da nichts ausrichten. Wen könnten wir fragen? Nachdem Curio mit Runa auf dem Landgut ist, könnten wir seinen Rat nur schriftlich einholen. Das hilft uns nicht. Wir brauchen bald Hilfe. Denn wenn es so ist, wie du sagst, ist Phryne in großer Gefahr."


    Eigentlich tat die Schauspielerin Alpina überhaupt nicht leid. Mit ihrer unverschämten und frechen Art und ihrer offen zur Schau getragenen Promiskuität, hatte sie es sich schon lange verscherzt bei Alpina. Doch ein Verbrechen zu dulden, wenn man davon Kenntnis hatte, soweit würde die Hebamme nie gehen. Nicht einmal bei Phryne!

  • So schlimm es war, so war ich gerade froh, dass ich Alpina nicht anschauen konnte. So wie sie gerade los legte hatte ich sie noch nie erlebt. Im Grunde wusste ich sie hatte ja recht, es glich fast einem Selbstmord, nur um einiges schlimmer, die Casa noch einmal auf zu suchen. Trotzdem jemanden um Hilfe bitten, alles noch jemanden erzählen, das kam im Augenblick auch nicht für mich in Frage, schließlich hatte ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
    Seufzend meinte ich dann,"ich glaube zur Zeit kann ich nur ein paar Schritte gehen. Hinzu kommt, ich schaffe es bestimmt nicht, alles noch jemanden zu erzählen. Bei einem wird es dann bestimmt auch nicht bleiben können. Auch wenn du mich jetzt für feige hältst. Es ist bestimmt besser wir schlafen zuerst einmal und sehen dann weiter."
    Mein Bedürfnis nach Schlaf war in der Tat sehr groß.

  • Alpina nickte als Kaeso zu bedenken gab, dass er zunächst kaum würde laufen können. Auch seine Scham anderen von den Misshandlungen erzählen zu können konnte sie verstehen. Sie würde jedoch sicherlich nicht tatenlos zusehen, dass quasi vor ihren Augen ein Verbrechen geschah. Nun aber wollte sie Kaesos Entscheidung erst einmal repektieren und darüber schlafen. Womöglich gab es einen anderen Weg.
    "Nun gut. Lass uns darüber schlafen. Ruf mich, wenn es dir nicht gut gehen sollte. Ich bin jederzeit für dich da. Das weißt du hoffentlich, oder?"


    Sie streichelte sanft über den Lockenkopf ihres Schülers.
    "Schlaf gut, Kaeso! Und gute Besserung!"

  • Ich nickte zur Bestätigung, "ja ich weiß es und glaube mir, du kannst gar nicht ermessen wie dankbar ich dir bin". Wenn auch meine Liebe zu meiner Göttin unermesslich war, so gab es keinen Menschen den ich mehr bewunderte, achtete und liebte, wenn dies auch eine ganz andere Art von Liebe war, als Alpina. Nur wusste ich nicht, wie ich ihr nach meinem Verhalten, erklären und
    glaubend machen konnte.
    „ Ich wünsche auch dir eine gute Nacht und danke, es wird schon wieder.“ Erwiderte ich auf Alpinas Wünsche.
    Obwohl eine bleierne Müdigkeit auf mir lastete, hinderten mich meine Verletzungen mich daran, mich unruhig hin und her zu wälzen, aus Sorge um Phryne. Ich fand einfach keine Lösung für das Problem, wie ihr geholfen werden konnte. So faste ich in meiner Hilflosigkeit den Entschluss, den nächsten Tag ab zu warten und bei geeigneter Gelegenheit, alleine zur Casa Acilia zu gehen; denn auf keinen Fall durfte ich Alpina einer Gefahr aussetzen. Es blieb dann nur noch zu hoffen, ich könne alleine mit meiner Göttin sprechen.

  • In einer nicht so schnell einsehbaren Ecke, ganz in der Nähe der Taberna Medica stand ich und beobachtete diese. Ich wollte nur sicher sein, das Alpina sich alleine dort befand, denn ich war schon etwas nervös vor unseren ersten Begegnung nach dem bösen Zusammentreffen mit ihr.
    Die Casa Acilia hatte ich verlassen da sich dort gerade dieser Mistkerl von Gurox aufhielt und meine Göttin ihn ablenkte, damit ich das Haus unbemerkt verlassen konnte.


    Alpina war alleine und der Eintritt in ihre Taberna brauchte von meiner Seite nicht unnötig verzögert zu werden. Dies würde es auch nicht leichter machen. „Salve Alpina“, kam es kleinlaut von mir. „Denkst du wir könnten noch einmal miteinander sprechen?“ Verlegen strich ich mir meine schweißnasse Hände an
    meiner Tunika ab.

  • Wie üblich war Alpina in der Taberna Medica vollauf beschäftig. Da gerade kein Kunde anwesend war, hatte sich die Kräuterfrau die Bestandslisten der Salben vorgenommen und machte Inventur.
    Da betrat Kaeso den Verkaufsraum. Alpina sah ihn fragend an. Die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen verriet, dass sie seinen letzten Auftritt nicht vergessen hatte.
    "Salve Kaseo", antwortete sie schmallippig seinen Gruß.
    Sein verlegener Gesichtsausdruck ließ ihr Mutterherz schmelzen. Sie atmete tief durch.
    "Natürlich können wir sprechen. Was hast du auf dem Herzen?"

  • „Nun ich glaube ich muss dir noch mal erklären, was mit mir geschah und warum ich reagierte wie ich es für richtig hielt. Vor allem aber möchte ich dir noch mal versichern, ich habe nur einmal gelogen und dies noch nicht mal direkt, es war als ich in der Nacht diese Casa verließ ohne dir etwas vorher davon zu sagen. Das machte ich weil ich wusste, du würdest mich aus Angst um meine Gesundheit und mein Wohlergehen nicht gehen lassen.“
    Immer wieder hatte ich mir auf dem Weg zur Casa Helvetia überlegt was ich Alpina sagen sollte. Manches hatte ich mir zurecht gelegt aber immer wieder verworfen, Jetzt wunderte ich mich, dass meine Worte doch fließend über meine Lippen kamen.
    Ich schaute Alpina fest an, „ich weiß du bist über vieles oder gar alles was ich tat enttäuscht. Doch glaube mir, dich wollte ich am allerwenigsten verletzen. Vielleicht war das es was alles so schwierig für mich und verlogen für dich machte. Du musst wissen neben meiner Hochachtung, dem Respekt und der Freundschaft ist da noch etwas anderes was ich für dich empfinde. Einige würden sagen, ich würde so etwas wie die Liebe zu einer großen Schwester zu dir empfinden, doch ich sage es ist weit mehr. Viel mehr“, ergänzte ich nach einem kurzen stocken.
    „Mit Phryne ist es etwas ganz anderes, ich verehre sie und nenne sie meine Göttin, meine Liebesgöttin. Sie zeigte mir etwas oder sagen wir eine Welt, die mir sonst so bestimmt nie einer gezeigt hätte. Es ist auch Liebe was ich für sie empfinde. Ich brauche sie wie die Luft zum atmen. Ob mich einer verstehen wird kann ich nicht sagen. Ich liebe zwei Frauen die nicht unterschiedlicher sein können.“
    Jetzt machte ich eine längere Pause, der Teil der jetzt kam war anderer Art und ich musst mich kurz sammeln. „Glaub mir als ich mein Cubiculum heimlich verließ, geschah es aus Sorge um sie. Du hast gesehen wie er mich zugerichtet hat. So oder ähnlich brutal geht jener Gurox mit jedem um der nicht so handelt wie er es möchte. Sie steht unter seiner Beobachtung und Bewachung, nur weil es gelang der Wache einen Schlaftrunk zu geben, konnten wir aus dem Haus und den Tempel der Isis und Mater Magna aufsuchen. Wir beteten dort um den Beistand der großen Mutter. Alles ist ja so unglaublich, dass uns niemand glaubt. …. Heute Morgen war plötzlich wieder da und ich konnte nur mit heiler Haut entkommen, weil Phryne ihn weglockte.
    Das wollte ich nur noch einmal klar gestellt haben. Wenn du es möchtest verlasse ich so schnell wie möglich die Casa. Es tut mir wirklich Leid, dass ich dich so enttäuscht habe.“

    Meine Hoffnung war, dass Alpina mir wenigstens glaubte, dann würde es mir schon ein wenig besser gehen.

  • Je mehr und je länger Kaeso sprach, desto mehr glättete sich die steile Falte zwischen Alpinas Augenbrauen. Ihr wurde bewusst, dass der junge Mann genau so ein lieber Kerl war, wie sie es immer vermutet hatte. Liebesbedürftig und nach Liebe suchend. Auf dem Pfad der Erkenntnis, dass es verschiedene Arten der Liebe gab. Eine davon verkörperte Alpina für ihn. Das war die mütterliche Seite, die besorgt um ihn war, ihn behütete und nur sein Bestes wollte. Und es verwunderte sie nicht, dass die Hinwendung auch andere Gefühle in Kaeso geweckt hatte. Jung und unerfahren wie er war. Die andere Seite wurde von Phryne bedient. Die leidenschaftliche, erotische Liebe. Bei ihr konnte er sein Mann-sein erproben. Und auch diese Seite bekam all seine Aufmerksamkeit und seine Fürsorge.
    Alpina lächelte zärtlich, als Kaeso offenbarte, dass er beide Frauen liebte. Sie ergriff seine Hand und hielt sie.
    "Das ist schon gut, Kaeso. Ich konkurriere nicht mir Phryne. Wir könnten unterschiedlicher nicht sein, wie du selbst festgestellt hast. Sie gibt dir etwas, das ich dir nicht geben kann. Genieß es! Aber sei vorsichtig. Frauen wie Phryne ziehen die Motten an wie das Licht. Und diese Motten sind beileibe nicht immer harmlos."


    Genau das, was Alpina befürchtet hatte, traf zu. Dieser Mann, mit dem Phryne sich eingelassen hatte, war ein Ungeheuer. Wie auch immer - wie genau, das wollte Alpina gar nicht wissen - er war der Freigelassenen offensichtlich entglitten. Er beherrschte sie mit Gewalt und alle in ihrem Umfeld. Kaeso war dazwischengeraten in seiner blinden Leidenschaft und Liebe zu "seiner Göttin". Wie herzzerreißend naiv von beiden, sich an die Mysteriengöttin Kybele zu wenden, anstatt sich den brutalen Kerl von bezahlten Leibwächtern vom Leib zu halten. Oder wollte es Phryne so? War sie am Ende eine Frau, die beherrscht werden wollte? So hatte Alpina sie nicht eingeschätzt. Doch man konnte sich täuschen.


    Alpina drückte Kaesos Hand fest. "Nein, du musst das Haus nicht verlassen. Wir müssen für dich eine Lösung finden und offenbar für Phryne auch. Ich hatte sie nicht so hilflos eingeschätzt. Sie wirkt so gerissen und hat ein derart loses Mundwerk, dass ich nie geglaubt hätte, dass sie sich von einem dahergelaufenen Verbrecher so demütigen lässt. Aber vermutlich liegt es daran, dass sie lange Zeit Sklavin war."
    Es sollte nicht herablassend klingen, doch Alpina ertappte sich dabei, dass sie Phryne nach all den Beleidigungen und Demütigungen, die diese der Raeterin zugefügt hatte, wenig Mitleid für die Freigelassene empfand. Alpina sah ihren Schützling ratlos an.
    "Die Casa Helvetia wird immer dein Zuhause sein, komme was wolle. Hier wird dir nicht die Tür gewiesen, wie töricht du dich auch in deinem jugendlichen Leichtsinn manchmal gebärdest. Du kannst jederzeit zu mir kommen."


    Nun machte sie einen Schritt auf ihn zu und nahm Kaeso in den Arm. Sie spürte sein Herz klopfen und wusste, dass es das Leben nicht immer nur gut mit ihm meinte. Deshalb wollte sie ihm die Sicherheit geben, die er brauchte.
    "Was sollen wir machen? Was schlägst du vor? Wie kann ich dir helfen?"

  • Die Umarmung von Alpina tat gut, ich nahm sie an, etwas hölzern zwar, aus Angst es käme zu stärkeren Regungen bei mir aber ich fühlte mich verstanden und gut aufgehoben.
    Nachdenklich kratzte ich mir den Hinterkopf. „Ja du hast recht, es ist kaum zu glauben, dass sie auch Hilfe braucht. Wie du uns helfen kannst, weiß ich noch nicht, ich muss in Ruhe darüber nach denken.
    Es muss etwas in dieser Nacht geschehen sein, dass Phryne einschüchterte. Nach dem was sie und Glaucus erzählten, muss dieser Gurox über eine große Schar von Männern verfügen und bestimmen. Sie vermutet bestimmt, sie müsste schon eine Söldnerschar in ihren Dienst nehmen um gegen ihn an zu kommen. Ich habe den Verdacht, das er der Anführer einer großen Bande ist. Vielleicht sogar der Räuberbanden, die vermehrt die Händler überfielen. Er hat in der Stadt bestimmt Mittelsmänner und Informanten eingeschleust. Man müsste ihn genau beobachten. Nur für mich dürfte es schwer werden, mich kennt er.“

    Ich wollte mich gerne zuerst einmal in mein Cubiculum zurück ziehen, um in Ruhe nach zu denken, doch da hatte ich plötzlich ein Bedürfnis nach frischer Luft. Zögernd schaute ich Alpina an. „Dir mag es bestimmt merkwürdig erscheinen aber sag, benötigst du jetzt keine frischen Pflanzen? Ich würde sie dir gerne holen, dabei kann ich gut entspannen und nachdenken.“
    Verlegen und abwartend schaute ich Alpina an.

  • Alpina hörte zu. Es klang durchaus einleuchtend. Phryne hatte sich mit dem letzten Abschaum eingelassen und jetzt musste sie dafür büßen. War das nicht irgendwie gerecht?
    "Wer könnte sie denn beobachten, diese Bande?", überlegte die Raeterin laut. Sie dachte an Babilus und verwarf es gleich wieder. Er war Soldat, musste in der Legio dienen.
    "Ich denke darüber nach, ob ich jemanden kenne, der uns helfen könnte."
    Dann bat sie Kaeso um eine Beschäftigung. Er wollte eine Aufgabe haben. Alpina lächelte.


    "Nun gut, Hagebutten kannst du sammeln. Hier ist eine Korb. Es freut mich, dass du mich unterstützen willst. Vielleicht hilft die Bewegung an der frischen Luft eine Lösung zu finden."

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