Cubiculum - Lucius Iunius Lucullus

  • Vorbei war der erste dies natalis und wie sich herausgestellt hatte, auch gar nicht so spektakulär gewesen. Ein kleines Opfer, einige einfache Geschenke, denn was sollte man einem Einjährigen auch groß schenken, und, wie gewohnt bei fast allen Festen, ein Essen, bei dem der Sohnemann ohnehin auf halber Strecke eingenickt war. Dafür war er jetzt wieder umso wacher. Ein wahrer Segen also, dass der Bengel seit einiger Zeit sein eigenes Zimmer hatte. Da konnte man notfalls eine Sklavin oder sogar das neue Kindermädchen ins Cubiculum schicken und hatte seine Ruhe. Ob Sibel das gefallen hätte, ließ Avianus getrost außen vor. Die war nicht da und er konnte sich schließlich nicht um alles selbst kümmern. Eine kleine Idee war ihm zwischenzeitlich aber gekommen, nun da er Fusca zu seinem Besitz zählte, und er hatte sich fest vorgenommen, das neue Kindermädchen für einen kleinen Besuch bei seiner Frau zum Landgut hinunter zu schicken. Sonst hieß es noch, wenn Sibel irgendwann nach Rom zurückkehrte, sie habe die gesamte Kindheit ihres Sohnes verpasst, und er wäre daran schuld, da er sie überhaupt erst aufs Land geschickt hatte. Gut, auch so verpasste sie fast alles, damit musste er leben, aber zumindest nicht ganz alles.
    Avianus trat ins Kinderzimmer. Ein kleines Bettchen, ein bequemer Sessel, ein hübscher Teppich, eine Truhe für die Spielsachen und eine für den ganzen anderen Kram, der ihn nichts anging – hauptsächlich Windeln und zwergenhafte Tuniken, waren bisher die einzigen Einrichtungsgegenstände. Fusca wünschte sich noch eine Liege, wozu auch immer. Zum Schlafen vermutlich, ohne dass es jemand bemerkte.
    Lucius quietschte bereits und machte Anstalten, aus seinem Bett zu klettern, da hob ihn sein Vater bereits heraus.
    "Ksch! Ich hab eine Überraschung für dich, ja? Aber dann musst du auch brav sein." Sein Sohn gurgelte noch immer leise vor sich hin und kaute auf seinen Lippen herum. Das stellte seinen Vater zufrieden. Avianus setzte ihn auf dem Sessel ab und ging ein wenig in die Knie. "Eine Freundin hat mir verraten, dass du vielleicht etwas möchtest, dass dich an deine Mutter erinnert. Aber dir einfach ein Kleidungsstück von ihr zu geben oder so … nein, hm? Nein. Deshalb dachte ich … also, ich weiß was viel Besseres." Lucius beobachtete abwartend, wie sein Vater ein kleines Schmuckstück hervorzog. Es war der kleine Anhänger, den Avianus jahrelang getragen hatte, der ihn immer wieder zu seiner Liebsten zurückgeführt hatte, vom ersten Tag an, und von dem er sich auch jetzt nur schweren Herzens löste. "Das hier hab ich von deiner Mama bekommen, vor einer halben Ewigkeit, damit wir uns treffen konnten, ohne dass es jemand bemerkte. Da war Soldat bei der Garde … lange Geschichte. Naja … du kannst es haben. Wenn du gut darauf aufpasst. Denn weißt du, solange du das hier hast, wirst du sie immer irgendwann wieder treffen. Ehrenwort. Ich hab's selbst erlebt."
    "Mama ...?"
    "Ganz genau." Avianus legte seinem kleinen Sohn das Amulett um den Hals, band die Lederschnur eng genug, sodass er Junge es nicht einfach abstreifen konnte, doch so locker, dass es ihn nicht stören würde und betrachtete noch einmal den Anhänger. Ein Lorbeerkranz war darauf zu sehen und in seiner Mitte ein A, für Aureus. Lucius tat es ihm gleich. Das glänzende Amulett zog seine Aufmerksamkeit förmlich an sich.
    "Gefällt's dir? Will ich doch hoffen. Aber es wird Zeit fürs Bett. Also, komm schon." Avianus hob den Zwerg vom Sessel und setzte ihn wieder in sein Bettchen. Und zum Schluss, bevor er ging steckte er den Anhänger noch unter die Kindertunika. Musste ja nicht gleich jedem ins Auge springen, was sein Sohn da für ein eigenartiges Kettchen trug.

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