Ein Steinbruch bei Patavium

  • Den Winter über war das Geschäft von Priscus erwartungsgemäß etwas abgeflaut. Es wurde halt weniger gebaut, also brauchte man auch weniger Steine. Priscus war das aber durchaus recht gewesen. So hatte er in Ruhe seinen Wohnsitz endgültig von Mantua nach Patavium verlegen können. Seinen Leuten blieb außerdem ein wenig Zeit, selber den einen oder anderen Ausbau am Steinbruch zu machen, um die Werkzeugschmiede oder die Unterstände und Lagerplätze etwas auszubauen. Das alles kostete Zeit, Material und auch Geld. Davon hatte Priscus jetzt zwar mal wieder kaum noch etwas in der Tasche, aber dafür war nun alles hervorragend eingerichtet. Und was noch wichtiger war: Das Lager war voll mit Steinen, die nur auf ihre Auslieferung warteten. Das Frühjahr konnte also kommen und seine Kasse wieder füllen.

  • Noch hatte sich die erhoffte steigende Nachfrage nicht eingestellt, aber ebensowenig machte sich Priscus jetzt bereits Sorgen darüber. Stattdessen hielt er sein Personal und damit auch seine Kosten auf ein Minimum beschränkt und nutzte stattdessen die Zeit, in der näheren Umgebung herum zu reisen, um sich als Lieferant bekannt zu machen. Seine Kontakte hier in Patavium waren schließlich deutlich schlechter als in Manuta, wo er aus seiner Armeezeit viel mehr Leute kannte. Hier war er dagegen neu und daher unbekannt, aber selber auch neugierig, was Patavium und das Umland zu bieten hatte.

  • Mit den zunehmend längeren Tagen schien auch die Bautätigkeit wieder zuzunehmen und Priscus hatte zumindest eine kleine Wagenladung Steine zu einem guten Preis verkaufen können. Die Flaute hatte Priscus wie geplant genutzt, die Umgebung zu erkunden und festzustellen, dass es hier in der näheren Umgebung keine Lieferanten gab, die ihm Holz und Eisen zu besseren Preisen liefern konnten, als seine bisherigen Lieferanten. Gänzlich überrascht hatte ihn diese Erkenntnis nicht, denn sein Holz kam ohnehin schon aus Norditalien und das Eisen aus Singidunum würde ja auch nicht einfach dadurch billiger, dass es jemand anderes lieferte. Und andere Eisenbergwerke waren eher noch weiter weg und verursachten damit eben mehr Transportkosten. Einen Teil seiner Einnahmen investierte Priscus daher gleich wieder in Lieferungen von seinen gewohnten Lieferanten, um die Lagerbestände für die Schmiede seines Steinbruchs ein wenig aufzustocken. Noch brauchte er dort zwar keine Produktion beginnen zu lassen, aber er hatte lieber vorgesorgt.

  • Wie erwartet hatte dann doch irgendwann der Boom zugeschlagen. Wagenladung um Wagenladung verließ das Lager des Steinbruchs, um die Nachfrage der Kunden zu befriedigen. Innerhalb von wenigen Wochen hatte sich der Lagerbestand um mehr als die Hälfte reduziert und die Kasse gut gefüllt. Aber Priscus hatte ja genau dafür vorgesorgt, und so konnte auch rasch die neue Produktion anlaufen. Schon bald kamen also die nächsten frisch gebrochenen und behauenen Blöcke in allen denkbaren Größen aus dem Steinbruch und begannen, die leer gewordenen Lagerplätze wieder zu füllen. Und so, wie dabei Werkzeug zu Bruch ging, strömten auch Eisen und Holz aus dem Lager in die Schmiede des Steinbruchs, um für raschen Nachschub zu sorgen. Und noch lief nicht einmal alles auf voller Produktion, sondern Priscus hatte noch Kapazitäten frei.

  • Die Tage wurden länger und wärmer und Priscus' Geschäft lief immer besser. Freie Kapazitäten hatte er nun keine mehr. Alle Arbeitskräfte, die er bekommen konnte, waren im Einsatz. Und trotzdem war das Lager inzwischen zeitweise leer und Kunden mussten warten, bis neue Steine ausgeliefert werden konnten. Priscus spielte schon mit dem Gedanken, noch die letzten Möglichkeiten der Erweiterung seines Steinbruchs zu nutzen, um noch mehr Steine gleichzeitig brechen zu können, aber noch scheute er die dazu nötigen Investitionen. Schließlich konnte keiner vorhersagen, wie lange die Nachfrage anhalten würden. Außerdem hatte er kaum Zeit, über so etwas nachzudenken, denn er musste sich ja erst einmal um den laufenden Betrieb kümmern. Er musste mit Kunden reden, den Wareneingang für Holz und Eisen prüfen, die Arbeiter beaufsichtigen, Arbeitsergebnisse prüfen, Lieferungen abrechnen und vieles mehr. Auch wenn er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang aktiv war, blieb da kaum Zeit für anderes.

  • Langsam neigte sich der Somme der Ende entgegen und die Tage wurden kürzer. Ob das auch schon eine deutliche Reduzierung der Bautätigkeit bedeutete, wusste Priscus nicht, aber er kam zumindest ab und zu wieder etwas mehr zum Durchatmen. Die geplante letzte Erweiterung seines Steinbruchs hatte er tatsächlich noch durchgeführt und sie hatte viel Arbeit bedeutet. Jetzt konnte er die Produktion wieder ein klein wenig reduzieren, denn langsam füllte sich das Lager wieder und alle Bestellungen konnten prompt beliefert werden. Die Schmiede arbeitete trotzdem noch mit aller Kraft, denn auch das Werkzeuglager wollte Priscus gefüllt wissen, bevor er im Winter die Belegschaft deutlich reduzierte. Immerhin gingen ihm inzwischen auch die kaufmännischen Tätigkeiten etwas leichter von der Hand, da er sich an viele Aufgaben inzwischen gewöhnt hatte. So kam es dann auch vor, dass er manchmal ein nur ein paar Augenblicke warmer Sommersonne genießen konnte, wenn er sich auf einen frisch gehauenen Felsblock setzte.

  • Von wegen Durchatmen! Kaum hatte sich Priscus darauf eingestellt, dass es wohl wirklich etwas ruhiger werden würde, da lief die Nachfrage wieder wie im Sommer. Dank gefüllter Lager war das zwar kein Problem, aber an ein ruhiges weiteres Aufstocken der Lagerbestände war so trotzdem nicht zu denken. Was rein ging, ging auch gleich wieder raus. Für die Kasse war das sicher nicht schlecht, aber plötzlich tat sich dann sogar das Problem auf, dass der Nachschub etwas hakte. Die Werkzeugschmiede brauchte Eisen und das wurde plötzlich knapp, wie Priscus erstaunt feststellen musste. Zähneknirschend griff er etwas tiefer in die Tasche, um die gewünschte Menge an Barren kaufen zu können, aber er hoffte inständig, dass sich die Lage wieder besserte. Etwas Gutes hatte die Sache aber trotzdem: Auf der Suche nach Eisen schaute er sich etwas genauer als sonst auf dem Markt um und konnte so noch das eine oder andere lukrative Nebengeschäft abschließen, indem er hier was kaufte, was dort jemand brauchte. Der kleine Gewinn, der dabei heraus kam, glich die Kosten für das teurere Eisen dann erst einmal doch ganz gut aus.

  • Ein weiterer Winter und Frühling war verhältnismäßig geräuschlos ins Land gegangen. Natürlich nur bildlich, denn tatsächlich erfüllte die ganze Zeit Hämmern und Klopfen den Steinbruch. Das Geschäft lief die ganze Zeit hindurch einfach blendend und Priscus konnte sehr zufrieden sein. Sein Betrieb war wirklich etabliert inwischen, hatte seine Stammkunden und zwischendurch auch immer mal den einen oder anderen Zusatzverdienst durch weitere Großaufträge. Selbst die größte Nachfrage konnte er inzwischen problemlos sofort erfüllen, denn er hatte in weitere Lagerkapazität investiert und das Grundstück um den Steinbruch erweitert. Steinblöcke verschiedener größen lagerten dort, so dass praktisch immer etwas passendes dabei war, wenn ein Kunde anfragte. Und auch die Arbeiter waren inzwischen alle ein eingespieltes Team, so dass es Priscus immer weniger Arbeit machte, den Betrieb zu führen und die regelmäßig anfallenden Aufgaben zu erledigen. Das gab ihm die Gelegenheit, sich nach anderen Betätigungen und Verdienstmöglichkeiten umzusehen oder dann doch endlich mal ein wenig Freizeit und den wohlverdienten Ruhestand zu genießen.

  • Eine stabile Auftragslage, zuverlässige Angestellte und ein gut gefülltes Konto - es gab wirklich nicht viel, über das sich Priscus beklagen konnte. Der Betrieb lief inzwischen nahezu von selbst und weil Priscus Wert auf eine gute Lagerhaltung legte und selber auch weiterhin den eher sparsamen Lebenswandel eines Veteranen führte, war immer genug von allem da, selbst wenn sich in der Nachfrage oder in der Produktion die natürlichen Schwankungen einstellten, die es eben gab. Immerhin konnte man nicht ständig die gleiche Menge Steine klopfen, sondern manchmal musste man auch erst einen neuen Abschnitt im Steinbruch beginnen, was zu mehr unbrauchbarem Geröll und mehr Zeitaufwand für den Umbau von Gerüsten und Transportwegen führte und damit die Menge an brauchbarem Stein reduzierte.


    Wirklich Sorge bereitete Priscus dagegen die Tatsache, dass ein Steinbruch irgendwann abgebaut sein konnte und sich ausweiten musste. Und das bedeutete den Zukauf von Grundstücken, was alles andere als einfach war. Immerhin war das Land drumherum auch in Nutzung und konnte nicht so einfach gegen anderes, ehemaliges zum Steinabbau benutzte Land getauscht werden. Priscus stellte sich auf lange, schwierige Verhandlungen ein, mit denen er lieber früher als später begann.

  • Priscus hatte es getan. Recht kurzentschlossen hatte er noch im Herbst eine Menge Geld in die Hand genommen, um sein Gelände erheblich zu erweitern. Und weil man das neue Gelände natürlich erproben musste, hatte er auch dort schon begonnen, Stein abzubauen. Folglich ging er mit einem gut gefüllten Lager in den Winter, in dem es üblicherweise etwas weniger Nachfrage gab. Der Betrieb im Steinbruch lief daher nun deutlich langsamer und nach dem ersten Test blieb die neue Abbaufläche erst einmal ungenutzt.


    Die freie Zeit nutzte Priscus wieder vermehrt, um die nähere und weitere Umgebung zu bereisen. So konnte er seine Kontakte zu Händlern und Baumeistern pflegen, die dann im Sommer wieder seine Steine kaufen würden. Schließlich wurde oft schon im Winter geplant, was dann ab dem Frühjahr umgesetzt werden sollte. Außerdem konnte er sich unterwegs durch den geschickten Kauf und Verkauf von allerlei Waren etwas hinzuverdienen und so die geringeren Umsätze des Steinbruchs ausgleichen.

  • Die Tage zogen ins Land und Priscus ließ sich die Frühlingssonne auf den Bauch scheinen. Zumindest konnte man die Tage so zusammenfassen, denn hektisch war es im Steinbruch gerade nicht. Noch hatte sich nicht die große Nachfrage eingestellt, die für den Sommer zu erwarten war. Priscus hatte leise Zweifel, ob sie denn noch kommen würde oder ob dieses Jahr einfach etwas weniger gebaut wurde. Sorgen bereiteten ihm diese Zweifel aber nicht. Es war jeden Monat mehr als genug Geld in der Truhe, um die Arbeiter zu bezahlen, die Gebäude und Geräte in Schuss zu halten, Essen zu kaufen und etwas beiseite zu legen. Und auch seinen Steuerpflichten konnte Priscus immer nachkommen, was er sogar gerne tat, denn davon wurden schließlich die Soldaten bezahlt, wie er früher einer war. Das gemütliche Geschäft erlaubte es sogar, dass er auf seinen Reisen ins Umland immer mal wieder einen Abstecher machen konnte, um Kameraden zu besuchen, die irgendwo eine Straße oder Wasserleitung reparierten. Solche Kontakte waren nicht nur eine Erinnerung an alte Zeiten, sondern auch gut fürts Geschäft, denn zum Bauen braucht man Steine.

  • Tatsächlich hatte Priscus mit seinen Zweifeln recht behalten. Auch im Sommer kam das Geschäft nicht in Schwung und es gab keine nennenswerte Steigerung der Nachfrage zu verzeichnen. Die Arbeiter im Steinbruch störte es sicher nicht, bei der sommerlichen Hitze etwas langsamer machen zu können, aber viele hatte Priscus auch einfach nach Hause geschickt, um Kosten zu sparen. Für die vielen ungelernten Helfer, die einfach nur Steinblöcke schleppten, Werkzeug und Wasser anreichten oder beim Beladen von Karren halfen war es ein reines Tagesgeschäft. Manche kamen ohnehin nur als Tagelöhner und zogen bald weiter und andere wussten zumindest, dass sie kein Geld mehr bekamen, wenn es keine Arbeit mehr gab. Nur die Verwalter und Fachleute, die genau wussten, wo und wie man den Stein brechen muss, blieben Priscus erhalten, damit die Arbeit jederzeit weitergehen konnte, wenn doch wieder größere Mengen benötigt wurden.

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