Neuer Praetor, neue Helfer

  • Unsicher stand ich vor der Türe des Amtszimmers des neuen Amtsinhabers. Ich hatte gehört ein neuer Praetor Urbanus habe sein Amt angetreten und ich rechnete mir eine Chance aus, dass dieser ein Stellenangebot für mich habe. Gerade in der Anfangsphase brauchten diese Herren doch Hilfe, zumindest schien dies für mich logisch zu sein.
    Da ich nicht wusste, ob dieser Amtsraum noch einen Neben- oder Hinterausgang hatte, befürchtete ich umsonst hier zu warten. Einfach ein zu treten hielt ich aber auch für unangebracht, da ich von drinnen mehrere Stimmen hörte. Noch hatte ich die Hoffnung, dass ein Gehilfe, Scriba oder dergleichen auftauchte, den ich um einen Termin beim Praetor Urbanus bitten konnte. Was für mich noch interessant war, der Amtsinhaber war
    Herius Claudius Menecrates. Selbst für einen Landbewohner war dieser Name ein Begriff.

  • Aus Sicherheitsgründen weilte Menecrates Leibwächter Marco bei Verhandlungen und strittigen Klärungen in der Nähe seines Herrn. So auch am heutigen Tag, als ein für den Kläger sicherlich unbefriedigender Abschluss seiner Angelegenheit zu erwarten war.
    Als der Entscheid des Praetors im Raum stand und nichts mehr zu erwirken war, brachte Marco die beiden Römer zur Tür. Er entließ sie in den Gang und fasste anschließend den dort Wartenden ins Auge.


    "Salve, was ist dein Anliegen?" Obwohl er in der Villa Claudia nur im Notfall den Türöffner mimte, kam er in der Basilica nicht oft um diese Tätigkeit herum. Hier bemühte er sich um einen neutralen, weniger grimmigen Gesichtsausdruck. Sein Herr stellte diese Forderung an ihn.

  • Salve ich hätte gerne einen Gesprächstermin mit dem Praetor Urbanus Claudius Menecrates,
    antwortete ich dem Sklaven. Ob ich ihm den Grund für den Gesprächswunsch nennen soll, überlegte ich. Ich kam zu dem Ergebnis, nein es ist besser zuerst dem Praetor Urbanus gegenüber zustehen. Ein persönliches Bild sollte er sich schon von mir machen. Ablehnen kann er dann noch immer.

  • "Moment", sagte Marco und verschwand. Er benachrichtigte den Praetor, der noch in seinem Amtsstuhl saß, aber noch keinen neuen Vorgang bearbeitete, von dem neuen Besucher und kam kurz darauf wieder heraus.


    "Der Praetor Urbanus empfängt dich." Er trat zur Seite und schloss hinter dem Besucher die Tür. Hier verharrte er und wartete auf Anweisungen.

  • Ich der es gewohnt war, einen Betrieb zu führen, mit Sklaven und sonstigen Personal um zugehen, sah mich plötzlich in der Rolle eines Untergebenen. Jetzt wo mich nur noch wenige Schritte von einem möglichen Arbeitgeber trennten, trat ich zögerlich ein.
    Salve Praetor Claudius Menecrates, wenn auch verspätet möchte ich dir zu deinem neuen Amt gratulieren.
    Hoffentlich war das jetzt nicht zu übertrieben, denn einschleimen möchte ich mich auch nicht, dies ist nicht meine Art, überlegte ich kurz und wartete die Reaktion des praetors ab.

  • Der Dienst erforderte die Fähigkeit, von einem Moment auf den anderen ein Thema abzuschließen und sich einem neuen konzentriert zuzuwenden. Das strengte natürlich auf Dauer an, aber der Tag währte erst wenige Stunden, sodass sich Menecrates noch frisch und aufnahmefähig fühlte. Die Einleitung des neuen Besuchers fiel anders als üblich aus. Allerdings hatte sich Menecrates längst abgewöhnt, Mutmaßungen über die Hintergründe des Besuchs anzustellen. Er fragte stets direkt nach.


    "Salve. Ich danke dir", erwiderte er. "Wie kann ich dir weiterhelfen?" Der Name des Besuchers spielte zunächst eine nachrangige Rolle, es sei denn, die Nicht-Bürgerliche Abstammung wäre offensichtlich gewesen. Dann hätte er ihn an den Kollegen verweisen müssen.

  • Mein Name ist Tiberius Helvetius Faustus, ich bin der Enkel des Titus Helvetius Geminus und versuche jetzt in Rom Fuß zu fassen.
    Das mit dem Enkel hatte ich mir überlegt, könnte vielleicht eine Hilfe sein, denn vom Alter her war es schon möglich, das Großvater und der Praetor Urbanus sich kannten.
    Da du erst kurz in deinem Amt bist, vermute ich, dass du noch nicht alle Stellen besetzt hast, denn oft sieht man erst mit der Arbeit was einem fehlt. Ich will ehrlich sein, außer in der Verwaltung unseres Landgutes habe ich keine große Erfahrung, aber ich bin sehr lernfähig und hartnäckig wenn es heißt einer Sache auf den Grund zu gehen.
    Ich überlegte kurz, was konnte ich noch zu meiner Fürsprache anbringen? Schließlich hatte ich zur Zeit keinen Verwandten hier in Rom, der mein Fürsprecher sein konnte, noch war ich bisher ein Klient. Also bedeutete dies für mich, 'selbst ist der Mann'.

  • Sein Blick musterte den Besucher, während er zuhörte. Noch bevor das eigentliche Anliegen zur Sprache kam, gab es für Menecrates den ersten Paukenschlag: Vor ihm stand Geminus' Enkel. Seine Augenbrauen ruckten vor Überraschung ein Stück höher. Es gab unglaubliche Zufälle.
    Ein weiterer eher ungewöhnlicher Umstand betraf das Anliegen - keine Klage, kein Adoptionswunsch, nicht mal der Wunsch nach einer Rechtsberatung.
    "Du suchst also eine Anstellung", fasste Menecrates zusammen, während er bereits überlegte, wie er dem Ansinnen nachkommen könnte. Die zehn Liktorenstellen hatte Menecrates bereits bei seinem Amtsantritt besetzt, wenn auch mitunter nicht optimal, denn viel Zeit blieb ihm nach der erfolgreichen Wahl bis zur Vereidigung nicht. Sekretäre besaß er mit Magrus, Anaxander und Aristoteles im Grunde auch genug, wenngleich keiner so richtig zu seiner Zufriedenheit arbeitete.
    Er strich sich über das Kinn. Eine Angewohnheit seit Jahren, bei der er besonders gut nachdenken konnte. Er betrachtete und begutachtete die körperliche Verfassung des Helvetiers, schließlich fasste er einen Entschluss.


    "Lernfähig klingt gut und hartnäckig ebenfalls. Ich hätte da eine Anstellung, Helvetius Faustus." Er würde einem der Freigelassenen, die Stelle als Liktor entziehen und ihn anderweitig beschäftigen. Ein römischer Bürger brachte ihm sogar mehr als ein Peregrini. Gleichzeitig konnte er versuchen, die anspruchsvollen Aufgaben, seinen Sekretären zu entziehen und zur Probe Faustus zu übertragen. Damit bastelte er eine Kompromisslösung für sich und für Faustus. "Offiziell würde ich dich als Liktor einstellen, inoffiziell würde ich dich sowohl mit Schutzaufgaben als auch mit Verwaltungsaufgaben betrauen."
    Er machte nur eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. "Wenn du einverstanden bist, können wir gleich mit einer Probe aufs Exempel beginnen."

  • Das hörte sich wie ich fand sehr gut an, weit aus besser als ich erhofft hatte. Nicht nur Gehilfe nein sogar Liktor und das auch noch mit zusätzlichen Aufgaben. Also nicht nur hinter dem Schreibpult stehen. So richtig nach meinem Geschmack.
    Sehr gerne, ich bin zu allem bereit.
    Nun galt es nur noch die gestellte Aufgabe gut zu lösen. Ich war schon richtig gespannt.

  • Die Einstellung stimmte Menecrates zufrieden, wobei eigentlich alle seine Sekretäre eine tadellose Anfangshaltung zeigten. Das Durchhaltevermögen und die Pfiffigkeit mussten sich allerdings erst beweisen.


    "Zwei meiner Sekretäre haben jeweils eine Aufgabe erhalten, die sie bisher nicht umgesetzt haben. Sie haben dir gegenüber also einen gewissen Vorsprung, aber ich vermute, dass die Aufgaben deswegen nicht erfüllt wurden, weil sie für sie nicht zu bewältigen waren. Hierin liegt deine Chance. Ich möchte mit dem für mich Wichtigerem beginnen. Folgendes..." Menecrates legte eine Pause ein, um sich zurückzubesinnen und um Faustus die Gelegenheit zu geben, sich zu konzentrieren.


    "Ich benötige Informationen, die durch Recherche und Aktensichtungen gewonnen werden können und auch sollen. Ich möchte keine Befragungen." Die Pause sollte als Nachdruck wirken, denn Menecrates beabsichtigte nicht, irgendjemand aufzuscheuchen.
    "Ich möchte, dass du für mich in Erfahrung bringst, wer ein Jahr vor dem PRIDIE KAL IAN DCCCLXII A.U.C. (31.12.2011/108 n.Chr.) und zwei Jahre danach
    Praefectus Praetorio,
    Tribunus Cohortis Praetoriae,
    Praefectus Urbi
    und Tribunus Cohortis Urbanae war.


    Keine Befragungen und auch keine Notizen deinerseits. Ich wünsche eine mündliche Übermittlung. Das ist wichtig."


    Sein Blick suchte auf den Gesichtszügen zu lesen, ob der Auftrag soweit verstanden wurde. Sicherheitshalber fragte er nach. "Du hast alles verstanden? Wenn nicht, frag ruhig nach."

  • Doch, doch sicher, ich habe alles verstanden.
    Beschämt merkte ich, meine Gedanken waren sofort zu der Aufgabe geeilt und ich hatte den Aufgabensteller, Claudius Menecrates, für ein paar Augenblicke vergessen.
    Verzeih meine Gedanken waren gerade schon ein wenig vorausgeeilt. Eine Frage habe ich noch, ich kann überall wo es mir notwendig erscheint Akten einsehen, ohne das es Probleme für mich gibt? Schließlich bin ich hier noch unbekannt und auch in Rom.
    Man kennt es doch, es gibt überall nicht nur faule Mitarbeiter aber auch übereifrige und ich wollte nicht gleich bei meiner ersten Aufgabe durch solch einen eifrigen aufgehalten werden.

  • Menecrates wiegte den Kopf.
    "Grundsätzlich ja. Wenn ich dir eine Vollmacht mitgebe, müssen dir auch staatliche Stellen Auskünfte geben. In diesem Fall gebe ich dir aber keine Vollmacht, weil ich möchte, dass du diskret recherchierst. Es gibt öffentliche Chroniken und Tabularien, die du zu diesem Zweck heranziehen kannst, ohne dass du jemand vorab fragen oder um Erlaubnis bitten müsstest. Die Tabularien dürften hilfreicher sein.
    Die Informationen nehme ich dann auch in meinem privaten Arbeitszimmer mündlich entgegen. Du findest es gleich rechts nebenan. Für alle offiziellen Angelegenheiten findest du mich auf meinem Amtsstuhl. Der Weg ist ausgeschildert und leicht zu finden."


    Menecrates nickte dem jungen Mann aufmunternd zu. "Es kommt der Tag, da wirst du nicht mehr unbekannt sein und heute kannst du dafür die Weichen stellen."

  • Praetor Claudius Menecrates ich bedanke mich dafür, dass du mir die Gelegenheit gibst mich zu beweisen und versuche die gestellte Aufgabe so schnell wie möglich und zu deiner Zufriedenheit zu lösen.
    Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und verließ den Raum.
    Jetzt begann das Vorspiel erkunden wo das oder die Archive sich befanden. Danach kam das sondieren wo befanden sich die Unterlagen die für mich wichtig wären. Da gab es die Archive mit den Ernennungsurkunden, dort schien es mir Lücken zu geben. Duplicate fehlten, waren nicht ausgestellt worden, falsch abgelegt, entwendet oder gar nicht erstellt worden. Es musste noch einem anderen Ort geben. Was hatte der Praetor Urbanus noch gesagt? Richtig, die Chroniken, lange Zeit verbrachte ich auch in diesen Archiven und durchstöberte auch diese Berge von Akten. Es sah so aus als ob alles dort zu finden wäre. Die Vielfalt an Informationen, mit denen man hier eingedeckt wurde war schon überwältigend. Doch hier heraus zu filtern was für mich wichtig war erwies sich nicht nur wegen der Lesbarkeit der vielen Handschriften als schwierig, sondern zu leicht ging mir ein Hinweis bei der Flut verloren. Dies bedeutete nach dem Tabelarium suchen. Endlich zufrieden atmete ich auf, dass hier war für mich der richtige Ort. Knappe, präzise Daten chronologisch geordnet. Hier konnte ich mir gewünschtes raussuchen, und einfach merken.

    An diesem Tag schaffte ich nicht mehr alles zu sichten und deshalb beeilte ich mich rechtzeitig zur Cena in meine Wohnung zu gelangen.
    Am nächsten Morgen schlang ich schon fast meinen Puls hinunter und eilte so schnell wie möglich los.
    Was ich mir bis dahin merkte, hatte ich immer wieder wiederholt und nun galt es sich den Rest zu merken.
    Nach getaner Arbeit, wollte ich sofort in der Basilica Ulpia den Praetor auf suchen, entschied mich aber um, denn mit entsetzen hatte ich festgestellt, die Arbeit war doch recht staubig gewesen. Also hieß es zuerst etwas für das äußere Erscheinungsbild zu unternehmen.
    Auf dem Weg zur nächsten Therme, kaufte ich mir eine neue Tunika um diese nach einem säubernden, erfrischendem Bad mit der verschmutzten auszutauschen. Für eine Rasur und Haarschnitt blieb mir auch noch Zeit und dann hieß es mit meinen Nachforschungsergebnissen zum Praetor Urbanus zu gehen.

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