Arsinoes Herzschlag war von der kleinen Aktion am Tor noch immer beschleunigt, aber ihre Stimmung hatte das Geschehene schon gehoben. Hoffentlich würde es Lucia genau so gehen! Die führte den angeblichen Verwandten ihrer Herrin zum Domus Legati Augusti und gab dort dem Sklaven an der Tür die Arznei für Sekunda und Anweisungen für Gäste vorzubereiten. Lucia wollte sie lieber selbst von dem Cousin berichten.
Jetzt sprach sie jedoch erstmal an den Sklaven des Tiberius gewandt: "Ich werde euch gleich jemanden herausschicken, der euch ins Artium führt. Dort solltet ihr sogleich was zu trinken und eine Waschschüssel bekommen. Ich bin mir sicher ihr hattet eine lange Reise und wollt euch zumindest etwas frisch machen. Ihr Blick fiel vielsagend auf den Wagen des Tiberius. "Ich gebe meiner Herrin Bescheid, dass Besuch angekommen ist. Es könnte jedoch ein bisschen dauern, sie tritt Gästen nur immer perfekt gegenüber und Perfektion benötigt ihre Zeit." Damit verschwand Arsinoe im Haus. Wenig später tauchte auch schon der angekündigte Sklave auf, um die Gäste hinein zu geleiten.
Verwandte!
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http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Während Merula aus dem Wagen ausstieg redete Diogenes noch mit der jungen Sklavin und ließ sich instruieren. Man würde sie hier abholen und alsbald ins Atrium geleiten. "Wir werden gleich ins Atrium geleitet, woraufhin du dich waschen kannst, bevor du deiner Verwandten gegenüber trittst, dominus." erklärte er Merula und half ihm, seine Kleidung zurecht zu ziehen. Er sprach von 'Wir', auch wenn es natürlich um seinen dominus ging, allerdings folgte er diesem auf Schritt und Tritt, wobei ihm seine Stellung jederzeit bewusst war. "Gut." entgegnete Merula knapp und überprüfte, ob seine Kleidung auch wirklich keine Falte mehr warf.
http://www.imperiumromanum.net…isc/ava_galerie/Kelte.jpg Danach richtete er sich an seinen Custos Corporis. "Connell, beim Wagen warten, Gepäck bewachen." Der Kelte, dem Merula auf seiner Bildungsreise während einer Versteigerung in Hispania gekauft hatte, verstand noch nicht viel, eher einzelne Wörter. Diogenes würde ihm im Laufe der Zeit versuchen so viel Latein beizubringen, dass die Anweisungen auch detaillierter ausfallen konnten. Mit Gesten und Handzeichen unterstützte der Tiberier dem Hünen das, was er zu tun hatte. Diogenes hätte das genau so gut machen können, allerdings war Merula der Meinung, dass Sklaven von Anfang an wissen sollten, wer ihr dominus war und von wem sie ausschließlich ihre Anweisungen erhielten. Zudem schien der Mann nicht besonders helle zu sein, somit würde ihn das bestimmt sonst auch nur verwirren. "Warten, bewachen, dominus." wiederholte der Hüne prompt und hatte verstanden. 'Bewachen' war eigentlich das falsche Wort, er sollte lediglich das Gepäck beaufsichtigen, bis irgendwelche Sklaven das Gepäck in das Domus seiner Cousine schaffen würden, immerhin ging er schon davon aus, dass sie beabsichtigte, ihn dort zu beherbergen. Allerdings kannte der Hüne bislang nur das Wort 'Bewachen' und so nahm er auch eine relativ ernste und abschreckende Haltung ein, was Diogenes innerlich den Kopf schütteln ließ. Für den gebildeten Griechen würde der Lateinunterricht mit Connell eine beachtliche Herausforderung werden. Immerhin hatte er schon viel über diese Barbaren gelesen, weshalb er nicht ganz so pessimistisch gestimmt war.
Es dauerte nicht lange, dann wurde Merula gefolgt von Diogenes ins Atrium geführt, wo man, wie angekündigt, etwas zu trinken und eine Waschschüssel bereit stand. Der Tiberier reinigte zunächst seine Hände und Unterarme in der Schüssel, bevor er seine Hände erneut in die in die Schüssel tauchte, sie zu einer Schale formte und sich anschließend das Gesicht, seinen Hals und seinen Nacken benetzte. Eine Sklavin reichte ihm ein Handtuch, welches er kommentarlos entgegennahm und sich abtrocknete. Sie nahm das Handtuch wieder entgegen und ein Sklave reichte ihm etwas verdünnten Wein. Merula nahm den Becher, schwenkte ihn ein paar Mal und trank dann einen Schluck daraus, bevor er daraufhin die Augenschloss und tief ein und ausatmete. Er war endlich angekommen, hier würde er Gewissheit hinsichtlich der Gerüchte über die angebliche Katastrophe erfahren, die seine Familie in Rom erlitten hatte. Mit einem Handzeichen wies er den Sklaven an, auch Diogenes mit etwas zu trinken zu versorgen.
Nun galt es zu warten. Wie würde seine Cousine wohl nach all den Jahren aussehen? Ob er sie noch erkannte? Wann hatten sie sich das letzte Mal eigentlich gesehen? Das muss auf einer der Familienfeiern in Rom gewesen sein, als sie noch Kinder waren. In Rom... in der Villa Tiberia... und schon war er mit seinen Gedanken wieder bei den Gerüchten. Ungeduldig ging er auf und ab, ihm entwich sogar ein genervtes Stöhnen. Perfekt. Wie unwichtig ihre Aufmachung in diesem Moment doch ist... dachte er sich dabei nur. Klar, er konnte schon verstehen, dass die römische Frau von hohem Stand stets modisch gekleidet, frisiert und geschminkt sein wollte bzw. musste. Aber er war doch kein normaler Gast und es gab doch gerade wirklich wichtigeres, als Locken und Farbe im Gesicht. Diogenes konnte auch nicht mehr für seinen Dominus tun, als mit schiefem Mund einfach nur dazustehen und abzuwarten. "Sie wird sicher gleich hier sein, dominus." versuchte er dann doch Merula etwas zu beruhigen. "Die Frauenwelt wird mir immer ein Mysterium bleiben." Dass sich das 'immer' weit über Merulas sowie das Leben vieler anderer Männer über Generationen, Epochen und Jahrhunderte bis ins Heute ausdehnen würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal erahnen.
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Arsinoe betrat Lucias Zimmer leise wie immer und konnte dadurch noch beobachten, wie ihre Herrin einen Brief wutentbrannt in die Ecke pfefferte. „Verdammte Axt!“, fluchte Lucia und stampfte frustriert auf. „Warum bei Hades Arsch denken alle sie müssten mir die Einzelheiten ersparen!?“ Sie warf ihre Hände in die Luft und gab ein entnervtes Geräusch von sich, da am besten mit „Wraaarg!“ beschrieben werden kann. „Diese miesen Sklaven zünden unsere Villa an, enthaupten irgendwen, machen sonst irgendwelche unaussprechlichen Dinge und kein Schwein verrät mir was genau passiert ist!“, knurrte sie in Richtung einer extrem bleichen Sekunda, die aber noch tapfer aufrecht auf ihrem Stuhl saß. „Was glauben die denn, wie ich hier reagieren soll?“, fuhr sie fort und sprach übertrieben dämlich betonend. „Oh, dann ist das wohl so. Ich werde mich dann weiter meinen Stickereien widmen und abwarten, ob“ Ab hier wurde ihr Ton wieder aggressiv. „irgendjemand die verdammte Güte hat mir mehr von dem Untergang meines einzigen Zuhause zu erzählen!“ Ohne ein passendes Ziel für ihre Wut stapfte Lucia in ihrem Zimmer auf und ab, wie ein ausgehungerter Löwe im viel zu kleinen Käfig. Sekunda schien etwas sagen zu wollen, schloss den Mund dann jedoch wieder und schüttelte traurig den Kopf. Wie Arsinoe bangte die alte Sklavin um ihre Freunde in der Villa, doch natürlich hatte keiner die Güte die Hausklaven in nur einem Wort zu erwähnen. Im Gegensatz zu ihrer Herrin konnten sie deshalb aber nicht so einen Aufstand machen.
„Vielleicht kann der Gast, der eben angekommen ist Licht ins Dunkle bringen“, schaltete sich Arsinoe ein. Lucia fuhr zu ihr herum und schnappte: „Was!? Arsinoe lächelte tapfer und sprach: „Eben ist ein gewissen Tiberius Merula angekommen. Er wünscht dich… weiter kam sie nicht. „Tiberius Merula?“, unterbrach Lucia und Arsinoe nickte nur. „Warum sagst du das nicht früher?! Bei den Göttern, er wird mehr wissen! Steht nicht so dumm herum! So kann ich ihm nicht unter die Augen treten!“ Lucia ließ sich unelegant auf ihren Hocker plumpsen und wedelte ungeduldig mit den Händen. „Arsinoe Haare, nichts außergewöhnliches, aber so können sie nicht bleiben! Sekunda… nein, bleib wo du bist und überwach was die Gänse hier tun. Flora, Gesicht. Mach dass ich nicht ganz so abgespannt aussehe, das reicht, aber beeil dich! Ich brauch noch ein Schultertuch und ordentliche Schuhe. Holt mir meine Perlen und bei Bachus gebt mir etwas zu trinken! Hop, hop, hop!“ Alle Sklaven die sich bis dato scheu im Hintergrund gehalten hatten stoben auseinander, nur um kurz darauf Lucia wie die Bienen ihre Königin zu umschwärmen.In Rekordzeit war Lucia fertig. Ihre Haare waren zu einem schlichten Kranz geflochten, ihr Gesicht wirkte einigermaßen frisch und nicht, als ob sie sich seit zwei Tagen nur aufregte und kaum schlief. Doch wer genau hinsah konnte erkennen, wie abgespannt sie war. Sie trug ihre Perlenohrringe und die dazu passende Kette und hatte ein extravagantes Schultertuch zu ihrer eher schlichten Tunika umgelegt. Nie und nimmer hätte irgendjemand, der Lucia kannte erwartet, dass sie sich so schnell für einen Gast bereit machen konnte. Aber eigentlich war der Mann ja Familie, auch wenn Lucia dem Namen nicht wirklich ein Gesicht zuordnen konnte. Sie wusste, sie hatte einen Merula schon einmal getroffen, mehr jedoch nicht. Egal. Er war ein Verwandter, also konnte sie ihm schlichter gegenübertreten… vor allem unter diesen Umständen.
Lucia eilte die Treppe hinunter, was man sicher im Atrium hören konnte, und bremste erst kurz bevor man sie sehen konnte etwas ab, um ihrem Verwandten in zumindest beinahe angemessener Geschwindigkeit gegenüber zu treten. Mit zum Willkommen ausgebreiteten Armen ging sie auf ihren Verwandten zu und sprach dabei: „Merula! Was für eine Überraschung, aber der Zeitpunkt deines Besuches hätte nicht besser gewählt werden können!“ Sie hatte sichtlich Mühe die Regeln des Anstandes zu wahren, wollte es doch schier aus ihr herausplatzen was denn nun genau in Rom passiert war. Doch sie hielt sich zurück, noch… „Ich sehe, du bist schon mit Wein versorgt worden. Sehr schön. Lass uns ins Triclinium gehen, dort lässt es sich bequemer reden.“ Sie winkte einem Sklaven. „Bring Speisen und mehr Getränke.“ Ihre Nerven brauchten eindeutig etwas Stärkeres als verdünnten Wein.
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Merula stand mit dem Rücken zu der Richtung, aus der seine Verwandte kam, und schaute Diogenes müde an, welcher ihm mit schmal geformten Lippen zunickte. Die Reise war lang gewesen und sie hatten nur gerastet, wenn es eben nicht anders ging.
"Merula!" hieß es dann endlich und der Tiberier drehte sich schnell um 180 Grad und blickte in die Augen seiner Cousine, die sich im Laufe der Jahre zu einer wunderschönen Frau entwickelt hatte. Doch Merula blieb keine Zeit für derartige Gedanken, deswegen ließ er sie gar nicht erst aufkommen und beschränkte sich dabei auf ein kurzes Kompliment, wie man das eben in ihren Kreisen so machte, wenn man ein Gespräch begann. Etwas irritiert war er dann aber doch, als Lucia von 'Überraschung' sprach. Diogenes hatte ihm erzählt, dass die Sklavin erzählt hatte, sie seien bereits erwartet worden. Er schob dieses vorerst unwichtige Detail zur Seite und erwiderte die Begrüßung.
"Lucia! Lass dich anschauen!" er ergriff ihre Hände sanft zur Begrüßung "Deine schönen Augen verraten mir, dass du tatsächlich meine kleine Cousine bist. Du siehst hinreißend aus." Das letzte Mal hatten sie sich auf einer Familienfeierlichkeit gesehen, als sie noch Kinder waren. An ihre Augen konnte er sich aber noch sehr gut erinnern, waren sie doch so blau und so tief wie das Mittelmeer, dass er mit dem Schiff überquert hatte, bevor er in Hispania seine Bildungsreise nach einem Aufenthalt bei seiner Tante Maximilla gestartet hatte. "Ich bin wahrlich gut versorgt." signalisierte er mit einer beschwichtigenden Handbewegung in Richtung der Sklaven. Er war natürlich sehr hungrig und müde, aber er musste jetzt einfach die Gewissheit haben, was die Gerüchte anbelangte. Bevor er also seiner Cousine ins Triclinium folgte, fragte er sie direkt heraus "Lucia, nun sprich doch, sind die Gerüchte wahr?" Worum es ging bedurfte keiner weiteren Erklärung. Die Frage im Zusammenhang mit dem Wort 'Gerüchte' sollten seiner Cousine eigentlich verständlich machen, dass er keinen Brief aus Rom erhalten hatte - vermutlich wurde dieser nach Achaia in die Heimat geschickt, wo er sich ja seit Monaten nicht mehr aufgehalten hatte.
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Das standardmäßige Kompliment nahm Lucia nur mit halbem Ohr wahr. Sie war dabei die nächsten Schritte zu planen: Sie würde Merula ins Triclinium führen, etwas nette Plauderei – worüber auch immer, aktuell wollte ihr kein akzeptable Thema einfallen – veranstalten, bis die Sklaven das Essen brachten und sobald er einigermaßen gesättigt war, würde sie ihn auf die Villa ansprechen. Das war der Plan nach den guten Sitten. Aber das würde so lange dauern! Vielleicht konnte sie ihn schon während er aß… oder während sie auf das Essen warteten fragen. Ja, das wäre zwar etwas unhöflich, aber das sollte gehen. Es waren immerhin herausragende Umstände, bei allen Göttern! Aber sie wollte zeigen, dass ihre Erziehung hier im Norden nicht gelitten hatte, sie würde sich wappnen und gedulden und…
"Lucia, nun sprich doch, sind die Gerüchte wahr?"
In ihrem Gedankenfluss unterbrochen blinzelte Lucia ihren Cousin zunächst an wie eine Eule. Nach ein, zwei Sekunden begann ihr Kopf zu verstehen, was ihre Ohren gehört hatten und ihre Gesichtszüge entglitten ihr. „Gerüchte“, echote sie tonlos. „Willst du mir sagen, dass du…“, ihre Stimme überschlug sich und sie brach mühsam beherrscht ab. Mit geballten Fäusten versuchte sie es nach einem angestrengten Räuspern noch einmal: „Möchtest du damit ausdrücken, dass du auch nichts genaues weißt?“ Ihre Stimme war in ein gerade so noch gezügeltes Knurren übergegangen. Ihre angespannte Haltung erinnerte an eine Bogensehne kurz vor dem Abschuss. Nur eine kleine Bewegung und all die angespannte Kraft würde losbrechen. Die ach so schönen Augen warnten Merula jetzt ja nicht zu bestätigen, dass er nichts wusste. Denn wenn das passierte würde Lucia die Beherrschung verlieren, wie ein kleines Kind aufstampfen und die Besten von ihrem Mann gelernten Schimpfworte – „Verdammte Axt!“ war als harmlosere Variante ganz vorne mit dabei – gen Himmel loslassen. -
Natürlich hatte Merula gemerkt, dass sein Kompliment mehr oder weniger an Lucia vorbeiging - was er ihrer Reaktion und ihrem Blick entnommen hatte -, allerdings war es auch nicht mehr als eine höfliche Floskel der Manierlichkeit, wie man sie in seinen Kreisen - selbst unter Verwandten! - pflegte. Die Frage nach den Geschehnissen in Rom bis nach dem Essen aufzuschieben zugunsten der gleichen Konventionen, wäre für ihn undenkbar gewesen. Dafür war er nämlich viel zu pragmatisch. Gerade heraus wollte er die Wahrheit wissen. Die Reaktion seiner Cousine verriet ihm aber schon nach wenigen Sekunden, dass sie anscheinend ebenfalls mangelhaft bis vielleicht sogar ungenügend informiert war. Ihre Anspannung bemerkte er natürlich, was ihn aber nicht daran hinderte, direkt ohne Rücksicht auf Verluste nachzufragen. Hätte er Augen im Hinterkopf, sähe er einen Zähne knirschenden Griechen, der ihm mit einer wedelnden Bewegung seiner Hände signalisieren wollte, jetzt besser vorsichtig zu sein - auch wenn er noch nie verheiratet gewesen war, hatte er doch genug Zeit gehabt, die Frauen objektiv zu studieren. "Auch nichts?" fragte Merula verwundert, um dann sachlich zu erklären, was er denn "wusste". "Ich vernahm in meinem Dunstkreis lediglich Gerüchte von einem Aufstand in der urbs aeterna. Die Villa sei wohl von marodierenden Aufständischen zerstört worden. Ich habe meine Bildungsreise unterbrochen und erhoffte mir hier bei dir und Aulus Gewissheit zu finden." Erwartungsvoll wartete er auf eine sachliche Antwort seiner Cousine mit hoffentlich mehr Fakten - er ging jedenfalls davon aus, dass sie, wie vermutlich Aulus auch, irgendwelche Kunde aus Rom per Brief erhalten haben musste -, währenddessen Diogenes langsam die Augen schloss, langsam ausatmete und die noch herrschende Ruhe vor der vermutlich explosionsartigen Antwort der Tiberia genoss - sein dominus hatte noch viel zu lernen.
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„Verdammte Axt!“, brach es zornig aus Lucia hervor. Hätte sie jetzt irgendwas in der Hand gehabt, sie hätte es frustriert auf den Boden geworfen. Ihr Arm machte trotz der leeren Hand die aggressive „Ich möchte grade etwas zerdeppern“-Wurfbewegung irgendwo in die Richtung schräg hinter Merula. Stampfend drehte sie sich von ihrem Verwandten weg. „Verdammt! Kann dieser verdammte Mercurius mal seinen Scheiß zusammenbekommen?“, knurrte sie gen Decke und fuhr dann aggressiv fort: „Bei Austers Arsch, können nicht mal irgendwelche... irgendwas... arg!!“ Sie warf ihre Hände frustriert in die Luft und stürmte ins Triclinium. Schon halb verschwunden brüllte sie noch über die Schulter: „Met! Jetzt!“
Aus dem Triclinium konnte man lautes Knarren und Kratzen hören, als ob Möbel über den Boden geschoben würden, dann ein blechernes Scheppern und ein frustrierter unartikulierter Ausruf. Es folgte ein Geklapper und nicht verständliches Grummeln und dann wurde es unheimlich still.Keiner der Sklaven hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch nur mit einer Wimper gezuckt. Erst die Stille schien sie aus ihrer Starre zu reißen und fast alle Anwesenden stoben davon, mindestens drei in Richtung Küche, um die Aufträge ihrer Herrin, vor allem den letzten, möglichst schnell zu erfüllen. Lediglich Arsinoe – die unbemerkt hinter Lucia heruntergekommen war – wirkte von dem Ausbruch ihrer Herrin relativ unbeeindruckt. Sie atmete tief durch, suchte den Blick den Griechen. Sie wollte eindeutig nicht das Wort direkt an Merula richten und sprach deshalb an dessen Sklaven gewandt: „Ich denke dein Herr kann nun ebenfalls ins Triclinium gehen. Zwischen ihren Worten schwang ein „sie sollte sich inzwischen wieder einigermaßen im Griff haben“ durch.
Tatsächlich würde Merula, wenn er nun ins Triclinium folgte, eine absolut stille Lucia vorfinden. Die Tische waren eindeutig verrückt worden, ein Serviertablett lag verbogen auf dem Boden und die Kissen der Klinen waren ebenfalls nicht mehr an ihrem Platz. Das Schultertuch lag vergessen auf dem Boden und die Klinenw irkten, als ob Lucia ebenfalls versucht hätte sie zu verscheieben, dabei jedoch gescheitert war. Auf einer der Klinen lag sie nun auf dem Rücken, den Arm über den Augen und bis auf ihren schweren Atem unheimlich still.
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Völlig naiv hatte er auf die sachliche Antwort seiner Base gewartet. Oh wie töricht er doch war. Wie es Diogenes vorhergesehen hatte, brach die Tiberia völlig aus sich heraus, explodierte nahezu. Der Grieche hielt die Augen geschlossen und tat so, als wäre er nicht anwesend – in stoischer Ruhe versunken wartete er einfach ab, bis das Getöse vorbei sein würde. Sein dominus hingegen trat als erste Reaktion einen Schritt zurück und zog die Augenbauen hoch. "Wie meinen?" entgegnete er erstaunt von der Wortwahl seiner Cousine. Als Antwort, die eigentlich keine an ihn gerichtete war, erklangen weitere Flüche, wie er sie noch von niemandem gehört hatte. Was war denn in Lucia gefahren? Das hiesige Klima und ihre Zeit mit ihrem germanischstämmigen Gatten und dessen Familie war ihr wohl nicht gut bekommen.
Als sie andeutete, etwas in seine Richtung zu werfen, machte er einen weiteren Schritt zurück und duckte sich kurz. Irritiert schaute er zu seinem treuen Begleiter und bewunderte schon fast dessen stoische Ruhe – wie eine Säule, als gehöre er zum Inventar des Hauses, stand er da. Merulas Cousine verschwand in Richtung Triclinium, welcher er mittlerweile nur noch mit einer hochgezogenen Augenbraue und halb offenem Mund hinterher sah. Ob der Geräusche bzw. des Lärms, welche aus dieser Richtung an sein Ohr drangen, wartete er vorerst damit, ihr zu folgen – sicher war sicher.
Einige Momente später trat die Sklavin heran, der er wohl laut Diogenes seine unproblematische Einlassgewähr zu verdanken hatte. Er könnte wohl nun seiner Base in das Triclium folgen, sagte sie dem Griechen, der mittlerweile seine Augen geöffnet hatte, aber immer noch regungslos mit verschränkten Händen vor dem Körper wartete. Jetzt amtete er allerdings laut aus, als hätte er die ganze Zeit die Luft angehalten, und schritt an seinen dominus heran. "Dominus, du darfst deiner Cousine nun folgen." Natürlich hatte Merula die Worte der Sklaven ebenfalls vernommen, aber die Etikette verlangte es eben, dass er nicht direkt angesprochen wurde.
http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg "Sollte ich?" fragte er seinen Sklaven, ohne den Blick in Richtung Triclinium zu brechen. "Nunja. Einerseits wäre es unhöflich, es nicht zu tun, anderereits möchtest du ja deine Familienangelegenheiten klären, also ja, solltest du." legte Diogenes seinem dominus logisch dar. Mit einem strafenden Blick alla 'Ich sollte dich vorschicken, um zu überprüfen, ob es wirklich sicher ist.' ob dieses belehrenden Tonfalls gab er dem Griechen zu verstehen, dass diese Antwort überflüssig war.
Merula amtete einmal lange aus, um dann gefolgt von Diogenes in das Triclinium "vorzudringen", als sei er an vorderster Front einer Schlacht. Was er vorfand war ein für die Verhältnisse der Kraft seiner Cousine relativ verwüsteter Raum. Langsam näherte er sich einer der freien, etwas verrückten Klinen und legte sich langsam auf jene nieder, bevor er vorsichtig das Wort an seine Cousine richtete. "Deiner... Reaktion entnehme ich, dass uns die Gewissheit wohl entbehrt bleibt." Es war ja nicht so, als dass er sich nicht mit Frauen auskannte, aber mit einer derartigen Reaktion war er sichtlich überfordert. Pragmatisch wie er war, versuchte er weitestgehend nicht mehr darauf einzugehen, sondern lieber die nächsten Schritte zu planen. "Nun, dann bleibt es wohl an mir, Gewissheit für uns in Rom zu finden. Ich wollte lediglich auf dem Wege von Belgica aus in Mogontiacum rasten und nach meiner... " nach dieser Reaktion war er sich nicht mehr so sicher, ob das folgende Adjektiv noch wirklich zu seiner Base passte "lieben Cousine sowie meinem Bruder sehen. Außerdem liegt es wohl im Interesse unserer Familie, wie wir weiter vorgehen zu gedenken. " er verzichtete lieber auf den belehrenden Zeigefinger, welchen er halb ausgeklappt dann doch wieder zurückzog. Jetzt hatte er erst einmal genug gesagt. Mal sehen, wie Lucia reagieren würde. Eines war ihm allerdings klar. Seinen Bruder würde er am besten heute noch in der Castra Legionis aufsuchen. Von diesem war – auch wenn er der deutlich sensiblere und emotionalerer unter den Geschwistern war – definitiv nicht eine derart explosionsartige Reaktion zu erwarten, wie von ihrer Cousine... und er war sogar Soldat!
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Auf seine ersten Worte bekam Merula nur ein unverständliches, aber eindeutig verstimmtes Gebrumm zur Antwort. Als er jedoch in aller Ruhe, gerade so als ob nichts geschehen wäre, weitersprach und sein Auftauchen in Mogontiacum erklärte nahm Lucia zumindest mal den Arm vom Gesicht. Ihre Augen funkelten ihn an, abwartend, ob er sie jetzt gleich in den nächsten Worten zurechtweisen wollte. Etwas Energie für eine entsprechende Antwort würde Lucia dann gewiss finden. Doch auch dies blieb aus. Lucia holte tief Luft und versuchte anschließend ihre Atmung ruhig zu halten.
„Ich weiß mehr als bloße Gerüchte. Nicht viel mehr, aber mehr“, sprach sie entnervt Richtung Decke. „Da ich eine so zarte und zerbrechliche Frau bin, haben es bisher all meine Freunde für nötig erachtet mir zwar von der Zerstörung der Villa zu berichten, aber die Details... oh nein, die kann man mir nicht zumuten.“ Zischend stieß sie die Luft aus, machte eine rüde Geste in die Richtung, in der sie Rom vermutete und schüttelte dann den Kopf. Sie schloss die Augen für einen Moment und sprach: „Hol alle Briefe, die ich bezüglich der Villa erhalten habe!“ Arsinoe löste sich aus den Schatten und eilte zu Lucias Zimmer. Diese stemmte sich indes unelegant auf die Ellenbogen hoch und wandte sich ihrem Cousin zu. „Seit Tagen warte ich auf einen Brief oder einen Besuch... eigentlich von Verus... und dann kommst du und weißt sogar nur von Gerüchten!“ Sie stieß ein humorlose „Ha!“ aus. „Die Götter haben gerade ihren Spaß mit mir und das nachdem die ganze Zeit...“
Mehrere Sklaven traten mit vollen Tabletts ein. Obwohl sie kaum zu hören waren, unterbrach ihr Auftauchen Lucia in ihren Worten. Das schien ihr ganz recht zu sein, denn ihre Lippen pressten sich fest aufeinander und sie schluckte den verbleibenden Satz herunter. Sie richtete sich ordentlich auf, rückte ihre etwas verrutschte Tunika zurecht und tastete ihre Haare ab, ob denn noch alles saß, während die Sklaven herumwuselten, das Schultertuch aufhoben, das Tablett verschwinden ließen und still und heimlich die Kissen wieder an ihren Ort verfrachteten.
Ein Sklave fragte Merula leise, ob er verdünnten Wein oder ebenfalls Met wolle, während ein anderer Lucia ein beinahe bis an den Rand gefüllten Kelch mit Met reichte. Auf dem Tisch wurden verschiedene kleine Häppchen serviert und mehr Essen angekündigt. Dann verschwanden die Sklaven wieder in die Schatten und man konnte ihre Existenz wieder vollkommen vergessen.
Lucia nahm einen großen Schluck, seufzte und trank gleich noch einen. So langsam schien sich ihre gesamte Haltung etwas zu entspannen und als Arsinoe mit den Briefen zurückkam, hatte sie wieder ein – zugegeben aufgesetzt wirkendes – Lächeln auf den Lippen. Lucia stellte den Kelch ab und ließ sich die Briefe reichen. Sie blätterte suchend hindurch. „Ah! Hier: Das hat mein guter Freund Marcus Iulius Dives dazu geschrieben: Die kaum einen Steinwurf entfernte Villa Tiberia jedoch, der ehrwürdige Stammsitz deiner Gentilen, wurde gewaltsam mit Äxten aufgebrochen und brutal geplündert. Ein gerade von den Märkten zurückkehrender Angestellter meines Haushalts erzählte mir die grausamsten Geschichten von kaltherzig Enthaupteten, deren Köpfe absolut barbarisch einfach so den Esquilinus Mons hinunter geworfen wurden. Die ehrwürdige Villa Tiberia derweil fiel zu großen Teilen einer Feuersbrust zum Opfer.“ Lucia senkte den Brief und blickte Merula an. „Mein Bruder ist auf dem Land in Sicherheit.“, fügte sie hinzu. „Das war der erste Brief den ich erhalten habe. Soll ich weitere vorlesen? Ich muss dich aber warnen, du wirst am Ende ähnlich frustriert sein, wie ich. -
Die anfängliche Mimik seiner Cousine kündigte etwas an, was dann doch ausblieb. So war ihre Reaktion eher ermüdend und schon etwas frustriert bis hin zu genervt und zickig. Merula hielt sich derweil erst einmal zurück und hörte Lucia zu, wie sie sich vor ihm über ihre Freunde und Kontakte in Rom beschwerte, welche ihr wohl nicht mitteilen wollten, was genau im Detail geschehen war.
Verus war auch noch nicht hier gewesen? Äußerst merkwürdig. Nicht weniger merkwürdig als verwunderlich, dass Lucia den Göttern vorwarf ihren Spaß mit ihr zu treiben. Bevor sie das aber näher ausführen konnte, brachten die Sklaven Speisen und Getränke, die der junge Tiberius sich zugegebener Weise aus äußerster Dringlichkeit einverleiben musste, da er eine lange Reise hinter sich hatte. Gespannt wartete er also auf die Briefe aus Rom, welche seine Cousine aus erreicht hatten.
Als die junge Sklavin mit einem Bündel Briefe zurückgekommen war und ihrer domina diese ausgehändigt hatte, setzte Lucia erneut mit sarkastischer Miene an, um diese vorzulesen bzw. eher auseinanderzunehmen.
Die Traube, die sich der junge Tiberius gerade in den Mund stecken wollte, bleib eine ganze Weile vor dem Mund in der Luft zwischen seinen Fingern, bevor er seine Hand wieder senkte. "Bona dea!" fuhr es aus ihm heraus. "Plünderung, Brandschatzung, Enthauptungen? Das kann nicht der Götter Ernst sein!" Merula wusste ja, dass Gerüchte immer wilder klangen, als sich die Tatsachen im Endeffekt herausstellten. Dass er aber deutlich wildere Fakten als Gerüchte hören würde, hätte er nicht erwartet. "Wie ungeheuerlich! Welch Farce, derartiges aus Rom zu hören, wo man jene Grausamkeiten doch ausschließlich jenseits des Limes wähnt." So langsam konnte er auch verstehen, welch Frustration seine Cousine empfinden musste. "Deine Kontakte scheinen es wohl nicht für nötig zu befinden, uns Namen zu nennen." konstatierte er folglich ähnlich frustriert, nein... eher erbost. Er antizipierte gedanklich schon, worauf Lucia hinauswollte bzw. wieso sie ihrem Cousin die Briefe auf derartige Weise darlegen wollte. Pragmatischer Weise kürzte er ab "Sofern jene Briefe keine Namen oder nähere Sachverhalte enthalten, kannst du uns diesen Witz ersparen." Jetzt fand endlich die Traube ihren Weg in Merulas Mund. Nachdem er diese fast schon ohne Kauen heruntergeschluckt hatte, konstatierte er "Ich muss nach Rom, Lucia. Nur die Götter wissen, was mit meiner Schwester und den anderen geschehen ist. Vorher werde ich Aulus aufsuchen."
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