[Cubiculum] Decima Seiana

  • Das Gespräch mit Lucia und Menelaos war schon einige Stunden her und Seneca hatte ob der Einmischung seiner Frau tunlichst vermieden ihr über den Weg zu laufen, schließlich hatte sie ihn doch recht heftig auflaufen lassen und entgegen seiner Vorstellungen für ein geeignetes Theaterstück in diesen unruhigen Zeiten zu Menelaos gehalten, und das obwohl sie scheinbar mitbekommen hatte, dass Seneca durchaus seine Bedenken hatte was die Geschichte anging.
    Am Abend kam er doch nicht mehr drumherum ihr aus dem Weg zu gehen. Alle Gäste waren fort und die Sklaven gingen ihren eigenen Angelegenheiten nach, sodass Seneca die private Situation nutzte um... Naja im Grunde nur dafür um seinem Ärger den er seit dem Nachmittag mit sich herumtrug rauszulassen, was er aber natürlich nicht so plump und offenkundig zur Schau stellen würde. Wie das auch in den allerbesten Ehen vorkam, kam der Iunier nämlich nicht umher auch andere störende Umstände mit in diesen scharfen Eintopf der Emotionen einfließen zu lassen.
    Er fand seine schwangere Frau wie so oft lesend in einem Sessel in ihrem Zimmer, seufzend wandte er sich ihr zu, etwas genervt ob ihres ganzen.. ihres ganzen da sitzen und lesen! Irrational, total egal, Seneca war sauer, dass sie ihn nicht unterstützt hatte!
    "So, hier bist du also. Ich hatte schon gehofft, dass du etwas Zeit mit unserer Tochter verbringst bevor sie anfängt Roxana aus der Küche als Mama zu bezeichnen. Ich hoffe, die Geschichte ist wenigstens interessant? Entspricht sie deinen Erwartungen?" fragte Seneca etwas schnippisch und schwankte schon im Moment des Aussprechens zwischen Bereuen und seinen Mann stehen.

  • Wie so oft war Seiana abends in ihrem Zimmer und las ein wenig. Was sonst sollte sie auch tun, wo sie von so ziemlich allem, was auch nur im Entferntesten nach Arbeit aussah, fern gehalten wurde. Und heute war sie tatsächlich ganz froh, ein wenig Ruhe zu haben. Lucia nach längerer Zeit wieder zu sehen hatte sie zwar gefreut, aber es war eben doch etwas mehr als nur ein Besuch gewesen – und die Diskussion mit Menelaos und ihrem Mann hatte Seiana irgendwann als anstrengend empfunden. Sie wusste ja, dass Bedenken er hatte. Sie wusste warum, und sie wusste welche es waren. Sie fand sie nur übertrieben. Und die Alternative wäre gewesen, dass Menelaos absprang.
    So oder so: Seiana war froh, als die Besucher wieder gegangen waren und sie sich guten Gewissens hatte zurückziehen können, was allein schon eine Abwechslung in diesen Tagen für sie darstellte. Als dann noch die Tür aufging und sie beim Hochsehen sah, dass Seneca hereinkam, huschte die Andeutung eines Lächelns über ihr Gesicht. Sie freute sich, dass er vorbeischaute – es war noch recht früh, das hieß in der Regel, dass er nicht einfach nur Gute Nacht sagen wollte, sondern den Abend hier verbringen würde.
    Die angenehme Stimmung, in der Seiana sich befunden hatte, verflog allerdings kaum dass Seneca seinen Mund aufmachte. Stirnrunzelnd ließ sie sinken, was sie gerade las, und warf ihm einen teils irritierten, teils verletzten Blick zu. Er wusste, wie schwer sie sich nach wie vor mit ihrer Rolle als Mutter tat. Es hatte Zeiten gegeben, da war sie eifersüchtig auf ihr eigenes Kind gewesen, eifersüchtig weil sie Senecas Aufmerksamkeit mit Silana teilen musste. Das mochte vorbei sein, und genauso wie die Zeiten, in denen sie ihrer Tochter selbst kaum Aufmerksamkeit oder gar Zuwendung geschenkt hatte... Aber das änderte nichts daran, dass sie sich bis heute schwer damit tat. Fremd vorkam in dieser Rolle. Sie war nicht die zärtliche und fürsorgliche Mutter, die sich über alle Maßen kümmerte, und bis heute machte sie sich selbst manchmal Vorwürfe deswegen, ohne wirklich an diesen Gefühlen etwas ändern zu können. Dass Seneca ihr jetzt aus dem Nichts heraus einen solchen Vorwurf auftischte, traf sie. Und sie reagierte wie immer, wenn sie etwas traf: sie zog sich in sich selbst zurück. Würde kühl und distanziert. „Ich glaube kaum, dass die Gefahr besteht, Silana könnte vergessen wer ihre Mutter ist.“ Seneca hatte sie noch nicht adoptiert, aber das war nur eine Frage der Zeit, und da sie nun ohnehin schon so lange als Zieheltern der Kleinen auftraten, waren sie schon längst dazu übergegangen sich auch so zu bezeichnen. „Ich habe jedenfalls noch keine Anzeichen des Vergessens bei ihr gesehen. Du etwa?“ Obwohl sie getroffen war, meinte sie die Frage durchaus ernst. Wenn etwas mit Silana war, wollte sie es wissen.

  • Natürlich wusste Seneca, dass der Vorwurf bezüglich Silana unfair und unpassend war, und das Seiana sich einfach schwertat die Mutterrolle im klassischen Sinne anzunehmen. Dennoch, Seneca war verstimmt und hatte es ihr einfach an den Kopf geworfen, doch eigentlich hatte sich nichts geändert: Silana wusste natürlich wer ihre Mutter war, sie liebte Seiana, denn sie kannte es ja auch nicht anders. Doch konnte er sich jetzt kein wirkliches Zurücktreten erlauben, sodass er schnell auf ein anderes Thema wechseln musste um seine Position nicht zu schwächen und sich der Lächerlichkeit preiszugeben...
    "Ich bin meistens im Kastellum, wer weiß schon was in ihr vorgeht, sie ist sowieso eher still." wiegelte Seneca ab um auf sein eigentliches Anliegen zu kommen, schließlich wusste er, dass er selbst nicht unbedingt der Mustervater war angesichts seiner langen Zeiten die er im Lager oder eben auf etwaigen Missionen verbrachte, gegenwärtig und in der Vergangenheit.
    "Du weißt doch ganz genau weshalb ich so erbost bin oder nicht?" fragte Seneca nun rhetorisch, er erwartete keine Antwort "Ich gebe mir Mühe dieses Stück auf die Beine zu stellen, etwas Kultur in diese Einöde zu bringen, für dich und für die anderen römischen Familien hier. Ich bezahle diesen Träumer, diesen Taugenichts, und er behandelt mich wie den örtlichen Dorftrottel! Ignoriert meine Einwürfe, provoziert mich, während ich nur nicken und bezahlen soll." echauffierte sich Seneca während er auf und ab tigerte "Und dann habe ich Lucia endlich soweit, dass sie mich unterstützt und meine Argumente aufgreift, auf sie scheint er ja zu achten. Und dann.. Und dann! Dann kommst du einfach vorbei und stellst dich auf seine Seite?! Hast du denn nicht mitbekommen was die letzte Zeit hier los war mit all den Stämmen und Überfällen? Ich versuche die Balance herzustellen... Aber was weiß ich schon?" fragte er nun etwas resignierend. Manchmal hatte er noch immer das Gefühl, dass er der kleine Soldat aus der Provinz war und sie die Frau mit all der Macht, Bildung und dem Geld im Rücken. Es waren seltene Momente, aber Momente wie dieser machten ihm trotz seines Werdegangs zu schaffen, "Wie stehe ich denn nun da vor den beiden? Ohne Rückgrat."

  • Seiana machte den Mund auf, und wieder zu. Er hatte ja Recht, dass Silana eher still war. Mussten sie sich deswegen Sorgen machen? Vernachlässigte sie sie zu sehr? Das war durchaus ein Vorwurf, der stach, auch wenn Seiana es nicht wirklich wahrhaben wollte. Bevor sie allerdings etwas darauf hätte sagen können, wechselte Seneca schon das Thema, und Seiana begriff, weswegen er wirklich sauer war. Vielleicht machte er sich tatsäclich Sorgen um Silana, aber das war nicht der Grund, warum er jetzt so schlecht gelaunt war. Sondern die Sache mit dem Theaterstück.
    Was Seiana aus vor allem aus einem Grund nun selbst wütend werden ließ. Nicht weil sie es nach wie vor übertrieben fand, welche Sorgen er sich machte. Sondern weil er Silana und ihr Verhalten ihr gegenüber vorgeschoben hatte. Er wusste, dass sie sich darüber selbst Gedanken machte – und trotzdem hatte er das nun als Munition gegen sie verwendet. „Er ist kein Taugenichts, Aulus“, erwiderte sie scharf. „Und was für Probleme soll ein solches Stück machen? Glaubst du wirklich, dass der gängige Theaterbesucher zu denen gehört, die für die Überfälle verantwortlich sind? Oder er auf eine solche Idee kommen könnte, durch ein Stück, das am Ende nicht mehr als eine Liebesgeschichte ist?“ Sie legte den Papyrus zur Seite und hätte sich am liebsten aus dem Sessel gehievt, um umher zu gehen, aber so sehr regte sie sich noch nicht auf. So starrte sie ihn einfach nur an. „Oder dass ausgerechnet die Barbaren der Stämme jenseits des Limes, die sowieso gegen uns sind, plötzlich auf die Idee kommen sich ein römisches Theaterstück anzusehen – und davon dann auch noch aufstacheln lassen? Ich verstehe ja dass du dir Gedanken machst nach dem, was in letzter Zeit passiert ist, aber das ist übertrieben, Aulus!“

  • Genau in die Wunde! Es war nur logisch, dass Seiana seine Bedenken als übertrieben ansah und eventuell hatte sie auch recht, doch sie war nicht hinter dem Limes gewesen. Sie hatte nicht den Hass der Germanen auf die Römer zu spüren bekommen und sie hatte auch nicht die Tumulte bei den Kreuzigungen erlebt. Erlebt wie sich die germanische Bevölkerung offen an die Seite der Barbaren gestellt hatte. Wie es zu Auseinandersetzungen zwischen aufrichtigen Römern und denen kam, die sich noch nicht an die Vorzüge der römischen Herrschaft gewöhnt hatten oder gewöhnen wollten.
    Er merkte, dass er Seiana wohl mit seinen Aussagen zu Silana getroffen hatte und wäre er nicht so wütend, dann würde er sich dafür auch mit ganzem Herzen entschuldigen. Doch er war wütend, und Seiana tat, unbewusst, auch nicht gerade etwas dafür um seine Gemüt zu beruhigen...
    "Natürlich sitzen keine wilden Barbaren im Theater! Aber diese Menschen hier, auch die Oberschicht, sind noch immer tief mit den Stämmen verbunden! Der Name Arminius sagt dir was oder? Im Kopf mögen hier viele Römer sein, doch im Herzen da sind sie immer noch Germanen!" gab er ihr mehr oder weniger bewusst zu bedenken und fuhr fort "Als Praefectus Alae der mit der Sicherheit dieser Gegend betraut ist, habe ich eben bedenken. Ich wünschte wirklich, dass ich auf dich hätte zählen können!" ein wenig schlechtes Gewissen konnte nie schaden.
    "Was denkt Lucia denn nun? Und Menelaos? Ich stehe da wie ein Narr, weil mich die große Decima Seiana mit ihrem kulturellen Hintergrund mit einem Satz aus dem Konzept bringen konnte." befand er und wandte seinen Blick von ihr ab damit sie nicht direkt sehen konnte wie sehr ihn diese Situation grämte. Er wusste, dass Seiana manchmal das Gefühl hatte, dass sie ihn nicht verdiente. Doch unter all den Witzen und den Komplimenten war auch Seneca ab und an nicht so ganz sicher wie er an der Seite dieser Frau gelandet ist die trotz ihrer eher zierlichen Statur ziemlich große Fußstapfen hatte.

  • „Du willst doch nicht etwa behaupten, dass hier ein zweiter Arminius lebt! Das war vor über hundert Jahren!“ entgegnete Seiana durch zusammengepresste Zähne hinaus. Natürlich war ihr Arminius ein Begriff. Und natürlich wusste sie, dass nicht alle hier so römisch waren und dachten, wie sie sich nach außen hin geben mochten. Trotzdem war sie Überzeugung, dass ein Stück, wie Menelaos es vorgestellt hatte – wenn es denn ein versöhnliches Ende hatte – eher Gutes bewirken konnte. Und dass er ihr nun vorwarf, nicht auf sie zählen zu können... das saß. Sie hatte sich mit ihrem Bruder zerstritten wegen ihm. Sie war ihm nach Germanien gefolgt. Sie bemühte sich wirklich, die Frau zu sein, die jemand wie er verdient hatte. Aber das hier... das hatte damit doch nichts zu tun. Aber er warf es ihr trotzdem vor, und das obwohl sie nur fand, dass er es mit seinen Bedenken schlicht übertrieb. Aber zusätzlich war offenbar noch sein Ego angekratzt, und das war etwas, was sie nun gar nicht nachvollziehen konnte. „Die... bitte was? Was redest du da für einen Blödsinn?“ fauchte sie zurück. Wie ernst ihm das war, wie nahe ihm das ging, bemerkte sie in diesem Moment nicht wirklich. „Was sollen Lucia und Menelaos schon denken? Darf ich nicht mehr anderer Meinung sein als du was ein Theaterstück angeht? Davon abgesehen kenne ich diesen Typ Mensch! Menelaos würde hinwerfen, wenn er seine Ideen nicht umsetzen kann wie er möchte, fällt dir das nicht auf?“

  • "Natürlich darfst du anderer Meinung sein!" antwortete Seneca mit einer abwiegelnden Handbewegung, es war klar, dass sie seinen Punkt nicht begriff und er hier gegen eine Wand sprach.
    "Er behandelt mich wie einen Narren Seiana!" sprach er nun noch einmal eindringlich "Ich weiß nicht wie viel du von unserem Gespräch mitbekommen hast aber er nahm mich beinahe nicht wahr! Aber mein Geld, dafür hat er immer ein Auge." regte er sich und fuhr sich dann mit der Hand durch die Haare "Ich hab zu viel investiert und zu viel Zeit vergeudet um ihn zu ersetzen. Doch er lässt mich stets auflaufen, während er der Tiberia schöne Augen macht und dich auf Händen trägt. Vielleicht umgarnt er dich einfach zu geschickt und verhindert damit einen klaren Blick." äußerte sich Seneca etwas unbedacht setzte aber natürlich noch unbedachter einen drauf "Vielleicht sind es auch die Strapazen der Schwangerschaft. Doch ich sitze jetzt hier und zahle und stehe mit meinem Namen für ein Stück welches mir Kopfzerbrechen bereitet. Das hat man wohl von seiner Wohltätigkeit." resignierend setzte sich Seneca aufs Bett und zuckte mit den Schultern. Es war eigentlich grotesk, dass er sich so viele Gedanken über ein vermeintlich kleines Stück machte, doch die Sicherheitsbedenken hatten sich längst mit persönlichen Vorbehalten vermengt und waren zu einer Art Blockade geworden welche es ihm nur schwer möglich machten von seinem Punkt abzurücken.

  • „Das klingt aber irgendwie nicht so“, entgegnete Seiana. Wenn sie anderer Meinung sein durfte, warum war es dann ein Problem, dass sie das auch gesagt hatte?
    Bei Senecas nächsten Worten stockte sie allerdings kurz. Behandelte Menelaos ihn wie einen Narren? Das war ihr so noch nie aufgefallen – allerdings hatte sie auch noch nie wirklich mitbekommen, wie der Grieche mit ihrem Mann umging. Aber das wurde zweitrangig, als Seneca weiter sprach. „Bitte was?“ machte sie schon wieder, diesmal noch fassungsloser, und jetzt war der Moment gekommen, wo sie sich mühsam aus dem Sessel stemmte, weil sie es nicht mehr aushielt sich nicht zu bewegen. „Oh nein. Oh nein! Du weißt, was ich von Komplimenten halte, und dass ich mich von so was nicht einwickeln lasse! Und du schiebst das jetzt auch nicht auf die Schwangerschaft! Ich bin einfach anderer Meinung, das hat damit nicht das Geringste zu tun!“ Was fiel Männern eigentlich immer ein? Warum fanden sie immer irgendwelche Ausreden, wenn Frauen ihnen nicht zustimmten, anstatt einfach mal zu akzeptieren, dass sie anderer Meinung waren? „Verhindert einen klaren Blick, von wegen! Wenn mein Blick dadurch getrübt ist, ist es deiner genauso, durch die Unruhen, die du erlebt hast!“
    Seiana war ein paar Schritte hin und her gegangen, blieb aber nun in der Mitte des Raums stehen. „Ich weiß, wie viel du schon investierst hast. Genau deswegen will ich verhindern, dass Menelaos jetzt noch abspringt. Aber davon mal abgesehen: ich glaube nicht, dass es Probleme machen wird, nicht nach dem was er beschrieben hat! Sag ihm halt noch mal, dass er strikt darauf zu achten hat, dass die Probleme nicht überzeichnet werden und das Ende auch wirklich versöhnlich ist! Er wird dich schon nicht auflaufen lassen, warum sollte er das tun?“

  • 'Das hätte ich mal besser nicht sagen sollen' geisterte es Seneca praktisch umgehend durch den Kopf als er bemerkte, dass es zu spät war um die Worte bezüglich ihrer Schwangerschaft wieder einzufangen. Kurz hoffte er, dass Seiana seine unbedachten Sprüche einfach ignorieren würde, doch weit gefehlt: Sie erhob sich sogar aus ihrem Sessel, und Seneca wusste, dass es nun noch etwas ernster werden würde.
    "Natürlich ist mein Blick getrübt! Aber es ist die richtige Art von Trübung! Es ist die Vorsicht und der Wille, keine noch so kleinen Risiken einzugehen. Aber das ist natürlich gänzlich absurd!" er unterstrich seine Worte mit erhobenen Augenbrauen und einem Schulterzucken "Wie soll ich es ihm vermitteln?" fragte Seneca und seufzte, während er etwas ernüchtert durch den Raum blickte "Er hält mich für einen Dummkopf. Einen Dummkopf mit Geld zwar aber er nimmt sich seine Freiheiten auch die die er nicht hat weil er weiß, dass ich sowieso keine andere Wahl hab jetzt, wo sich die Planung dieses Stücks herumgesprochen haben." erklärte er ihr und blickte sie nun an "Ich hätte die Kultur ganz einfach dir überlassen sollen. Ich kann mit solchen Menschen nicht umgehen, und sie offensichtlich auch nicht mit mir." schob er noch nach und dachte zurück an die Leute aus diesem Bereich die er bereits getroffen hatte. Damals, in Ostia, hatte er ebenfalls Probleme sich den Schauspielern verständlich zu machen. Seianas Bruder war auch von der Sorte und nicht unbedingt ein riesen Freund des Iuniers.

  • „Ach“, machte Seiana. „Dein Blick hat also die richtige Trübung, ja? Und bei mir sind es nur Umgarnereien eines griechischen Künstlers, auf dessen Worte ich reinfalle? Das ist das einzige, was hier absurd ist!“ Sie schnaubte, ein ziemlich undamenhaftes Geräusch, das eher selten von ihr zu hören war. „Wenn es dir zu riskant ist, dann zieh die Konsequenzen. Sag Menelaos, dass das Stück so nicht stattfinden kann und wird, und er es entweder ändern muss oder gehen kann! Ich kann dir nur jetzt schon sagen: dann wird er gehen. Glaubst du wirklich, dass das Risiko so groß ist, um das in Kauf zu nehmen?“ Sie fand die Argumentation lächerlich. Ja, es gab ein Risiko, und ja, sie konnte verstehen, dass Seneca das minimieren wollte. Aber wenn er gar keins eingehen wollte, durfte er so was halt nicht tun. Dann dürfte er eigentlich herzlich wenig tun, außer mit seinen Männern ständig zu patroullieren.
    Seiana stemmte eine Hand in die Hüfte, um ihren Rücken etwas abzustützen, und sah ihren Mann an. „Tut er das wirklich? Dich für einen Dummkopf halten?“ Dann natürlich konnte sie verstehen, dass er gereizt war. So was ließ sie sich auch nicht gern gefallen. Genauer gesagt ließ sie es sich gar nicht gefallen, wenn sie den Eindruck hatte jemand würde sie wie einen Dummkopf behandeln. „Solche Menschen sind einfach ein eigener Schlag. Du musst nur wissen, wie du sie zu nehmen hast.“ Seiana seufzte. „Was willst du jetzt tun?“

  • "Es geht nicht um den Inhalt des Stücks sondern um die Art und Weise wie hier damit umgegangen wird!" entgegnete Seneca patzig, und in Wahrheit ging es mittlerweile eigentlich nur noch darum wie mit ihm umgegangen wurde, längst hatte sich der Fokus vom Inhalt des Stückes hin auf seinen persönlichen Groll gegen Menelaos und seine Behandlung durch diesen Peregrinus übertragen.
    Je häufiger Seiana seine Argumentation aufgriff und ihn vor Augen führte, desto weniger wahrscheinlich erschienen ihm auch etwaige Aufstände wegen eines simplen Theaterstücks und dennoch, er hatte noch guten Grund um angefressen zu sein, vielleicht sogar noch mehr als vorher, schließlich hatte Seiana ja nun gewissermaßen Partei für jemanden ergriffen der ihren Mann als Dummkopf darstellen ließ, doch das ließ er sie nicht wissen.
    "Sag du es mir. Er grüßt mich allenfalls ungebührlich. Er ignoriert meine Einwürfe und schafft es mit jedem aufmerksam zu sprechen während er meine Worte nur mit diversen Blicken quittiert." regte sich Seneca über den Mann auf "Es ist völlig klar: Er hat etwas gegen Soldaten, oder gegen römische Soldaten. Er denkt, dass ich nichts für seine Arbeit übrig habe..." was natürlich zum Teil stimmte "...und er selbst denkt selbiges über mein schaffen." erklärte er sich selbst die für ihn naheliegende Theorie, diese Künstler waren doch immer von der Sorte 'Feder mächtiger als das Schwert' also war es doch nur konsequent, dass er einen Militärkommandanten verabscheute. Er blickte Seiana an, und sah ihr zu wie sie sich den Rücken stützte...
    "Setz dich lieber hin." sagte er knapp, er wollte nicht, dass sich Seiana allzu sehr überanstrengte, hegte jedoch immer noch einen kleinen Groll "Sag du mir was ich tun soll. Ich kann ihn nicht entlassen, wie sähe das aus? Doch kann und will ich mich von ihm auch nicht so behandeln lassen."

  • Es ging gar nicht um den Inhalt? Seiana starrte ihren Mann an, als er das sagte. Wo war dann überhaupt das Problem, wenn es ihm nicht um den Inhalt ging? Wenn er sich Sorgen machte, dass es zu Unruhen kommen könnte deswegen, ging es ihm natürlich um den Inhalt! Nicht nur, offenbar, aber zumindest auch. Sie sagte dazu aber im Moment nichts, weil Seneca schon weiter sprach, und es spätestens jetzt offensichtlich wurde, was ihm zusätzlich noch auf dem Herzen lag. Menelaos ging also ungebührlich mit ihm um. Obwohl Seiana sauer auf ihn war, glaubte sie ihm trotzdem, dass es tatsächlich so war, wie er beschrieb, und dass er sich das nicht nur einbildete. Warum er sich das allerdings gefallen ließ, war ihr ein Rätsel. Aber das war wohl wieder einfach er. Er war mittlerweile Praefectus Alae – und dennoch nach wie vor der Mann, den sie kennen gelernt hatte. Der zwar seinen Soldaten gegenüber entsprechend auftreten mochte, wie es nötig war, der aber sonst zurückhaltend und freundlich war.
    Sie unterdrückte ein Seufzen, als Seneca sie nun fragte, was er tun sollte. Sie war gerade nicht sonderlich erpicht darauf, ihm nun zu helfen, nicht nach den unschönen Dingen, die er ihr – noch dazu grundlos, wie sie meinte – an den Kopf geworfen hatte. Sie hatte auch keine Lust sich hinzusetzen, einfach nur, weil er es war, der ihr das gesagt hatte. Aber das war nur Trotz, sie wusste es, und sie wusste, dass er Recht hatte. Also setzte sie sich wieder hin, ein wenig mühsam. „Ich weiß auch nicht, was du tun sollst. Mit Entlassung kannst du ihm nur drohen, wenn du es im Fall des Falles auch durchziehen würdest. Aber das ist das beste Druckmittel, das du hast, von daher... nutz es wenigstens dafür, dass er sich anständig benimmt dir gegenüber. Darauf wird er sich zumindest leichter einlassen als darauf, sein Stück zu ändern.“ Sie könnte vielleicht auch noch mit ihm reden und versuchen auf ihn einzuwirken... aber das sagte sie nicht laut. Sie glaubte nicht, dass Seneca das wollen würde. Es hatte zu sehr den Beigeschmack davon, dass er seine Frau vorschickte, um den ihm zustehenden Respekt einzufordern. Keiner machte das gern. Kein Mann jedenfalls, und zumindest in dieser Hinsicht war Seiana ganz genauso und konnte das daher sehr gut nachvollziehen. „Ansonsten... gängel ihn. Lass dir die einzelnen Schritte seiner Arbeit vorlegen, lass dir beschreiben was in dem Stück vorkommt und wie er vorhat es zu inszenieren. Wenn er etwas gegen Soldaten hat, solltest du das auch, am Ende hast du sonst keine Unruhen von den Barbaren zu befürchten, sondern von deinen eigenen Milites, weil sie zu schlecht wegkommen.“

  • "Nun... Vielleicht sollte ich mich aus den direkten Planungen einfach raushalten um dem Unheil seinen Lauf lassen. Wer weiß? Vielleicht kommt ja ein Meisterstück raus und am Ende darf ich mich von der Gemeinde feiern lassen." versuchte der Iunier die angespannte Situation etwas aufzulockern. Er war froh, dass Seiana sich immerhin hingesetzt hatte und sich nicht mehr allzu sehr aufzuregen schien, auch wenn seine Frau keine Person war die Dinge schnell vergessen konnte oder würde, so war Seneca zumindest froh die fletschenden Zähne und überlauten Töne aus dem Raum genommen zu haben, denn seine Wut wich immer mehr seiner Ratlosigkeit bezüglich dieser Sache, was fast noch schlimmer war schließlich hatte sich diese Sache für ihn von einer angenehmen Lappalie zu einem handfesten persönlichen Problem hochgeschaukelt, und er dachte mehr darüber nach als es ihm eigentlich lieb war.
    "Eventuell hast du recht." entgegnete Seneca ob Seianas Vorschlag ihm zumindest zu drohen sofern sich sein Verhalten nicht ändern sollte "Er ist sicher nicht wegen des Rufes der kulturellen Hochburg nach Mogontiacum gekommen. Er folgte meinem Geldbeutel und er lebt hier nicht schlecht. Vielleicht sollte ich ihn daran erinnern, dass das alles seinen Preis hat und es diesen zu bezahlen gilt." dachte er laut nach und blickte dann seine Frau an "Ich werde ein Auge auf die Proben dieses Stückes werfen müssen, eventuell kann mir Caerellia oder Maahes da behilflich sein." an seine Frau dachte er natürlich gar nicht, so schwanger wie sie war und mit der nahenden Geburt, würde sie auch anschließend sicher einige Zeit brauchen um wieder 'unter den normalen Menschen' zu sein.
    Seneca presste die Lippen ein wenig zusammen und ließ seinen Kopf kurz hängen bevor er seufzte, dieser Moment fiel ihm immer am schwersten.
    Er hob seinen Kopf wieder an und blickte Seiana an...
    "Verzeih... Was ich dir an den Kopf geworfen hab, vor allem bezüglich Silana..." begann er etwas zaghaft und kleinlaut "Es war ungerecht und unnötig." fuhr er fort und blickte dann etwas beschämt auf den Boden "Ich weiß, dass du dein bestes gibst."

  • Seiana unterdrückte ein neuerliches Seufzen. Einfach das andere Extrem zu nehmen war doch auch keine Lösung, fand sie. Dass Seneca das nur gesagt hatte um die Situation aufzulockern, fiel ihr in diesem Moment nicht wirklich auf. „Natürlich solltest du ein Auge darauf haben. Nach wie vor gilt: wenn dir das Risiko zu groß ist, solltest du Konsequenzen ziehen. Aber du musst halt abwägen, für wie groß du das Risiko wirklich hältst. Ich finde...“ Sie zögerte einen Augenblick und formulierte ihre Ansicht dann ein bisschen zurückhaltender, als sie es zuvor getan hatte. „Mir erscheint das Risiko einfach nicht groß genug, um das Theaterstück abzusagen. Aber das ist nur meine Meinung.“
    Sie war ein wenig erleichtert, als sie wieder saß, was ihr einmal mehr verdeutlichte, wie eingeschränkt sie derzeit war. Wie sehr ihr die Schwangerschaft auf die Nerven ging. „Dann nutz das“, erwiderte sie. „Zumindest um den Respekt einzufordern, den du verdienst. Die meisten Menschen haben irgendetwas, woran man sie packen kann, da machen Künstler keine Ausnahme. Du musst nur herausfinden was es ist. Bei manchen ist es das Geld. Bei manchen ihre künstlerische Integrität.“ Sie veränderte noch mal ihre Sitzhaltung und rückte ein Kissen in ihrem Rücken zurecht, damit sie mehr Stütze dort hatte – allein schon das Kreuzweh, dass man bekam... so sehr sie die Geburt fürchtete, sie konnte es wirklich nicht erwarten, bis es endlich vorbei war. „Ich werde bei den Proben nicht anwesend sein können, aber wenn Menelaos das Stück fertig hat, kannst du mir eine Abschrift zum Lesen geben. Dann kann ich zumindest darauf auch ein Auge werfen. Und wir können gemeinsam schauen, welche Dinge auf jeden Fall geändert werden sollten.“
    Als Seneca sich dann dafür entschuldigte, womit er in dieses Gespräch – diesen Streit – eingestiegen war, sah Seiana zur Seite und presste die Lippen aufeinander. Sie machte sich selbst immer wieder mal zu viele Gedanken um genau dieses Thema, wusste selbst zu genau, dass er nicht Unrecht gehabt hatte, als dass sie sich nun hätte freuen können, dass er sich für seine Worte entschuldigte. „Machst du dir wirklich Sorgen um sie?“ fragte sie leise.

  • "Künstlerische Integrität?" fragte Seneca kurz nach, weil er nicht wirklich wusste, was er damit anfangen sollte, doch er beließ es dabei und beschloss, sich erst einmal auf den finanziellen Aspekt zu konzentrieren, welcher ihm recht vielversprechend erschien, weshalb er seine kurze und impulsive auch schnell zu überspielen versuchte, weshalb er Seiana dabei half das Kissen zurechtzurücken und ihr kurz über den Rücken strich.
    "Geht's?" fragte er etwas besorgt und fuhr fort "Willst du dich hinlegen?" schob er nach, schließlich war es ja bereits Abend und Seiana war an diesem Tag für ihre aktuellen Umstände recht umtriebig gewesen.
    Ihren nachfolgenden Vorschlag quittierte Seneca indes mit einem Lächeln, die Aussicht, dass sie sich mit ihm zusammen die Abschrift anschauen würde freute ihn irgendwie, schließlich kam es bei ihm nicht allzu oft vor, dass er überhaupt die Gelegenheit hatte irgendetwas "berufliches" mit Seiana zusammen zu machen. Sicher, sie entstammte einer Soldatenfamilie wie seine es auch war und wusste deshalb sicher was er den ganzen Tag so trieb, aber wirklich zusammen gearbeitet hatten die beiden noch nie, eine neuen Erfahrung also...
    "Es würde mich freuen wenn wir das tun würden. Auch wenn du dabei sicherlich die mit dem Durchblick bist." sagte er, halb ernst halb scherzhaft, schließlich hatte Seiana einen Sinn für sowas, während er in diesen Tagen eher zu einer gewissen Paranoia neigte.
    Während sich seine Stimmung zusehends verbesserte, klar zu erkennen an der Entschuldigung welche er sich ungern aber unbestritten abgerungen hatte, schienen seine anfänglichen Aussagen Seiana noch immer zu belasten. Es kam nicht oft vor, dass sie ihre Bedenken und Sorgen bezüglich ihrer Tochter offen kommunizierte, doch ähnlich wie Seiana war auch Seneca nicht blind und unbekümmert wenn es um Silanas Zukunft ging...
    "So viele Sorgen wie sich ein Vater machen sollte denke ich." entgegnete Seneca auf ihre Frage und kratzte sich am Hinterkopf "Sie ist sehr still aber in ihr scheint es ständig zu arbeiten. Ich wünschte, dass sie ein wenig unbekümmerter wäre, so wie andere Kinder. Aber da kommt sie scheinbar nach ihrer Mutter." merkte Seneca an und fuhr fort "Aber das ist eventuell auch mein Fehler, viel zu lange habe ich ihre Adoption schon auf die lange Bank geschoben. Und jetzt mit der Schwangerschaft, und meinen Aufgaben..." Seneca stockte kurz um eine Formulierung zu finden "Ihre Eltern haben wenig Zeit für sie und ich denke, dass sie so langsam versteht, dass sie anders ist als das Kind welches gerade in dir heranwächst. Sie ist ja kein Kleinkind mehr. Das neue Kind wird direkt einen klaren Status haben, während es noch immer Seiana und Silana sind... Und eben Iunius Seneca."

  • Als Seneca etwas unbedarft, jedenfalls klang es für sie so, nachfragte, konnte sich Seiana trotz der eher getrübten Stimmung ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Künstlerische Integrität“, wiederholte sie. „Wenn sie wirklich die Kunst über alles stellen. Viele tun aber auch nur so... genau bei denen musst du aber aufpassen, weil sie erst recht beleidigt sind, wenn du das in Frage stellst.“ Sie schüttelte den Kopf, als Seneca fragte ob sie sich nicht lieber hinlegen wollte. „Zu lange liegen ist auch nichts.“ Dann musste sie nur am nächsten Morgen früher aus dem Bett. Es war fast egal, welche Haltung sie einnahm, auf Dauer war keine mehr ideal.
    „Das würde ich nicht sagen“, erwiderte sie langsam, und meinte das auch so. „Du musst wissen, wo für dich die Grenze ist.“


    Als es um ihre Tochter ging, wurde Seiana still. Er machte sich also Sorgen um sie. Und von dem was er sagte... Seiana sah zur Seite. „Ich war früher nicht so“, murmelte sie leise. Silana kam nicht nach ihrer Mutter. Als Kind war Seiana noch anders gewesen... sicher, immer schon irgendwie überlegter, das ja. Aber das hatte sie eingesetzt, um die Nachbarskinder zu übertrumpfen. Ihren kleinen Bruder zu verteidigen. Ihre Tochter schlug also nicht so sehr nach ihr, sondern nahm sie sich höchstens zum Vorbild, die Frau, zu der sie geworden war, die Frau, die sie jeden Tag erlebte. „Wenn dann... richtet sie sich nach dem heute.“ Was nichts anderes hieß als: dass ihre Tochter so in sich gekehrt war, lag an ihr. War ihre Schuld. Aber sie selbst sah sich nicht wirklich in der Lage, ihr etwas anderes vorzuleben. Was Silana fehlte, war eine Freundin... eine wie sie selbst über lange Jahre hinweg in Elena gehabt hatte. Eine Leibsklavin, die mit ihr aufgewachsen war, und die für Seiana nie wirklich Sklavin gewesen war, auch wenn die Rollen natürlich klar verteilt gewesen waren. Eine, die sich im Gegensatz zu Seiana ihre fröhliche und unkoventionelle Art all die Jahre hatte bewahren können, und die ihr stets geholfen hatte.
    Und dann war da noch der Status. Seneca hatte Recht: Silana war inzwischen alt genug, um das zu begreifen. „Das ist nicht dein Fehler, Aulus. Es hat ein Grund, dass wir so lange damit warten.“ Zumindest Seiana hatte nie das Risiko eingehen wollen, dass jemand misstrauisch wurde, wenn sie diesen Schritt zu schnell gegangen wären. Aber mittlerweile... war eigentlich genug Zeit vergangen. Selbst für sie, die so vorsichtig war, und für die weit mehr auf dem Spiel stand als für ihn. „Aber wir könnten das nun wirklich langsam angehen, denke ich.“

  • Da Seiana scheinbar selbst nicht mehr allzu viel zum Theater beizutragen hatte und nicht, wie Seneca wohl insgeheim gehofft hatte, die Initiative übernahm und dieses Stück auch wenig zu ihrem Projekt machte, entschloss sich Seneca dieses Thema innerlich erst einmal ad acta zu legen. Darüber hinaus war Silana sowieso erst einmal wichtiger für ihn, und scheinbar auch für Seiana, weshalb er seine Aufmerksamkeit erst einmal auf seine Tochter verlagerte.
    Es war nicht einmal so, dass Silana ein problematisches Kind war. Sie lachte, sie drückte ihren Vater und sie war stets höflich zu Gästen wie auch zu Sklaven, und dennoch wirkte sie für ihr Alter einfach ungemein still und nachdenklich, was dazu führte, dass auch Seneca sie immer häufiger nachdenklich beäugte.
    "Ich denke dieses Landgut ist eine Art Insel, sie kommt vielleicht zu selten hier raus. Iulius Licinus Mündel Esquilina ist zwar etwas älter, scheint sich aber gut mit ihr zu verstehen. Vielleicht sollten sie sich öfters sehen." dachte er laut nach ohne erst einmal zu bedenken, dass Esquilina ja ebenfalls ein Kind war welches einen eigenen Kopf hatte, und welches nicht selbstverständlich verfügbar war.
    "Vielleicht täte ihr auch ein Lehrer ganz gut. Ich weiß nicht so recht..." rätselte der Iunier etwas im Dunkeln, kam aber dann zum konkreteren Thema, nämlich dem rechtlichen Zustand der Schwebe in welchem sich Silana befand.
    "Ich wäre froh wenn wir es angehen. Es soll ruhig jeder hier wissen, dass sie genauso eine Iunia ist wie eine Decima. Und nun sind wir ja schon länger hier im Norden, ich denke, dass die Menschen hier sie sowieso nur als unser Kind kennen, meinst du nicht?" fragte Seneca, zugegebenermaßen etwas rhetorisch, da er die zaghafte Zustimmung seitens Seianas bereits als vollumfängliche Genehmigung ansah die Adoption endlich in die Wege leiten zu können.

  • Seiana legte ihren Kopf leicht zur Seite und musterte ihn nachdenklich. „Ja... aber die Mädchen ständig hin und her zu bringen ist auf Dauer auch keine Lösung.“ Auch wenn Seiana durchaus dafür war, dass ihre Tochter Esquilina öfter sah, war es viel zu umständlich – und auch gefährlich – sie ständig durch die Gegend zu schicken. „Das einfachste wäre, wenn wir ein paar Bedienstete anstellen, die Kinder im passenden Alter haben.“ Derzeit war das bei ihnen nicht der Fall, und da sie außerhalb von Mogontiacum lebten und es nicht wirklich Nachbarn gab, hatte Silana tatsächlich nicht wirklich Spielkameraden. Sie hätte das bedenken sollen bei der Auswahl der Amme für das Ungeborene... aber dafür war es zu spät, sie würde nicht jetzt, so kurz vor der Geburt, noch nach einer anderen suchen. Aber den ein oder anderen neuen Bediensteten konnten sie durchaus anstellen. „Sie ist im richtigen Alter, um einen Lehrer zu bekommen, das ja. Aber ich denke du hast Recht – sie sollte jemanden in ihrem Alter haben.“
    Was die Adoption anging, wollte sich in Seiana immer noch etwas dagegen wehren... sie hatte immer noch die Befürchtung, dass jemand Verdacht schöpfen könnte, dass die Adoption mehr war als nur das. Aber sie wusste, dass das irrational war. Es war mittlerweile nun wirklich genug Zeit vergangen... und Silana würde es gut tun. Seneca würde es gut tun. Also nickte sie. „Dann machen wir das.“ Ein vorsichtiges Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

  • "Bedienstete mit Kindern im gleichen Alter?" wiederholte Seneca etwas verdutzt die Worte seiner Frau und verfiel dann wieder in das etwas verschmitzte Grinsen welches ihr noch aus den Tagen bekannt sein musste an denen sie sich kennenlernten "Hört hört! Der Junge vom kleinen Gehöft in Tarraco denkt an Freundinnen, aber das Mädchen aus der mächtigen Gens Decima hat da andere Mittel und Wege!" neckte er sie, was bei ihm gelegentlich auch in den unpassendsten Momenten vorkam, aber Seiana wusste ja worauf sie sich eingelassen hatte weshalb Seneca nicht einmal probierte sein Grinsen zurückzuhalten.
    "Die Idee ist gut. Ich werde sehen was sich tun lässt..." meinte er aufrichtig, begann dann jedoch wieder zu schmunzeln "...Augusta." sagte er etwas leiser, besann sich dann jedoch wieder auf die Ernsthaftigkeit des Gespräches.
    "Was den Lehrer angeht, so hat Licinus von der Frau des Helvetius Curio geschwärmt. Ich persönlich kenne sie nicht so gut, jedoch könnte man sie sicherlich einmal einladen und sich mit ihr unterhalten." schlug er vor, viel mehr Ahnung über mögliche Lehrer in dieser Provinz hatte er sowieso nicht, allerdings hatte Seiana ja eventuell noch jemanden im Sinn, Bildung war schließlich eher ihr Steckenpferd.
    Als Seiana endlich ihre Zustimmung zur Adoption von Silana gab wandelte sich Seneca leicht verschmitztes Grinsen in ein aufrichtiges Lächeln. Er fuhr mit der Hand über die Wange seiner Frau "Ich danke dir." sagte er während er ihr in die Augen blickte "Endlich wird das alles normal. Silana wird eine großartige Zukunft haben."

  • „Bitte was?“ fragte Seiana nach, zuerst ein wenig verwundert, weil sie nicht ganz begriff was Seneca meinte. Dann wölbte sich eine ihrer Augenbrauen leicht nach oben. „Ich rede auch von Freundinnen. Was glaubst du, was Elena für mich war?“ Dem Namen nach Leibsklavin, aber tatsächlich die beste Freundin, die sie je gehabt hatte. Auch wenn sie schon seit Jahren nur noch schriflichen Kontakt mit ihr hatte... und selbst mittlerweile nur noch sporadisch war. Zu der ersten Augenbraue gesellte sich die zweite. „Und du weißt genau, wie ich aufgewachsen bin. Von der mächtigen Gens habe ich als Kind wenig gemerkt.“ Ihre Mutter war streng gewesen und hatte ihre Kinder so erzogen, dass sie der Gens Decima gerecht werden würden – aber gleichzeitig hatte sie immer versucht, alles allein zu schaffen, und nur wenig Hilfe angenommen. Schon allein, weil ihr Mann, Seianas Vater, letztlich nur ein einfacher Soldat gewesen war.
    Dann war auch auf ihrem Gesicht ein Hauch von Schalk zu sehen. „Augusta...“ murrte sie gespielt. „Wenn du das ernst meinen würdest, würdest du mir nicht immer widersprechen...“


    Was einen möglichen Lehrer anging... ja, alt genug war Silana, um sich darüber Gedanken zu machen. „Die Frau des Helvetius? Das ist eine Duccia, richig?“ fragte Seiana nach, war sich aber recht sicher. „Wenn du für sie schon eine Empfehlung hast, gerne, lass uns mit ihr reden. Vielleicht würde sie Esquilina und Silana auch zusammen unterrichten, wenn sich das einrichten lässt.“
    Sie griff nach seiner Hand, als er ihr über die Wange strich, und hielt sie für einen Moment fest. Endlich wird das alles normal, echote es in ihrem Kopf. Seneca lächelte dabei, aber sie musste ein Seufzen unterdrücken. Es hätte anders laufen sollen, eigentlich. Von Anfang an. Aber daran konnten sie nichts mehr ändern. Sie zog seine Hand zu ihren Lippen und küsste sie leicht. „Danke dir“, murmelte sie.

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