Verus brauchte viele Atemzüge, bis er den Mut fand, mehrmalig an die Tür der Amtsstube zu klopfen. Römische Lager schienen ihm stets vertraut, so dass er schnell entsprechendes Zimmer gefunden hatte. Er musste nicht einmal wirklich fragen, da er wusste in welchem Bereich üblicherweise die Tribuni untergebracht waren. Mit festen Faustschlägen hämmerte er gegen das Holz, während er seinen Sack mit seiner militärischen Habe neben dem Eingang abstellte. Er würde nicht vor einen Tribun treten und dabei noch seinen Reisesack bei sich tragen, der der kleinere Bruder der Tragestange war. Innerhalb der Stadt war er deutlich bequemer und nahm die lorica hamata besser auf, die er nicht durchgehend tragen wollte. Sein Blick war leer, fast lieblos und ausdrucklos schien sein Gesicht. Er war ein guter Soldat, der keine Emotionen zeigte, sondern ausführte, was man ihm auftrug. Man hatte ihm aufgetragen, sich hier einzufinden und das tat er. Nur war er dabei nicht glücklich, sondern eher angespannt. Der militärische Drill und die Abrichtung seines Geistes verhinderte, dass er sich in diese Emotionen verlor. Verus trennte klar zwischen seiner eigenen Befindlichkeit und der aufgetragenen Pflicht. Pflicht allein bestimmte diese Person, die mehr verbarg als bloße Treue. Mühsam erschien ihm das Warten, auch wenn es im Rahmen sicherlich nur eine kleie Zeitepisode war, die er durchleiden musste. Doch vor dieser Tür zu stehen, ließ ihn erneut zweifeln. Ein Zweifel, der nicht sauber bei Seite geschoben werden konnte. Diese Welt erschien ihm achtlos und grausam. Was würde ihn erwarten, wenn er nun als Prätorianer dienen würde? Diese ungewisse Gewissheit, dass es mitunter nicht weniger brutal war, als sein altes Leben in Germanien. Dieses kannte er zumindest und war eine familiäre Hölle gewesen, die ihm nichts mehr anhaben konnte. Er hatte gelernt mit den Feuern zu spielen und den Verbrennungsschmerz zu ertragen. Etwas anderes blieb dem eigentlich sanften Verus auch nicht üblich. Andere half ein striktes Schwarz/Weiß-Denken, doch dieser Mann war nicht in der Lage dazu. Für ihn war die Welt grau, leer und trist. Er existierte für die Pflicht. Er glaubte an die Pflicht, denn sie war das letzte Ideal, welches noch Bestand hatte, in all dem Gemetzel seines Lebens. Blut schmeckte ihm nicht. Zu seiner Sicherheit trug er in einer Hand den Brief, um diesen gleich, wie es üblich war, auf den Tisch des Vorgesetzten zu legen. Es waren militärische Handlungen, die Zeitabläufe verkürzten sowie vereinfachten. Alles im Militär hatte seine Regeln, die Sicherheit in der ungewissen Unsicherheit des Soldatenlebens schufen.
Tribunus Cohortis Praetoriae Tribunus Q. Varinius Maro Centurioni A. Tiberio Vero s.d.
Auf Empfehlung deines Legatus Legionis Ti. Duccius Vala hat der Imperator Caesar Augustus entschieden, dich von der Legio II Germanica zu den Cohortes Praetoriae zu versetzen. Du hast deine Vorgesetzten über diese Versetzung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und dich nach Regelung deiner Angelegenheiten nach Rom zu begeben und bei mir zu melden.
Ich gratuliere dir zu dieser Beförderung.
Vale
Quintus Varinius Maro
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