Atrium | A. Tiberius Verus

  • Diesen Gast brachte Marco höchstpersönlich zum Atrium. Er schien eine gewisse Wichtigkeit zu besitzen, aber außerdem auch eine erhöhte Portion Forderungskapital in die Waagschale zu werfen, was Marco misstrauisch machte.

  • Die geschäftliche Arbeit begann. Es war Dienst und somit trat Verus mit gewisser kalter Würde ein. Er leistete sich keine hektischen Bewegungen, schien fast geräuschlos mit seinen Männern ins Atirum zu gelangen und dabei zeigte er keinerlei Gefühlsregung im Gesicht. Seine Augen wirkten erstarrt, während er in Gedanken mögliche Ereignisse durchspielte. Verus lebte davon, mögliche Entwicklungen zu erahnen und somit war es wichtig Charaktermerkmale, die man über den Senator Claudius kannte, einzuordnen. Die Maschine, die Verus nun mal im Dienst war, arbeitete reibungslos und mechanisch. Seine Männer sicherten die Umgebung, indem sie sich still an die Wände zurückzogen, um die beiden Hauptzugänge zu beobachten, während Verus in der Mitte des Atriums, kurz vor dem Wasserbecken, seine ruhige Position bezog.

  • Als Menecrates sein Atrium betrat, konnte er nicht umhin, wieder einmal die Belagerung des eigenen Heimes durch Prätorianer als unangenehm zu empfinden. Würden sie seinem Schutz dienen, sähe es anders aus. Er plante, seinem Personal für zukünftige Besuche eine andere Reihenfolge anzuordnen. Sie würden zuerst ihn holen und er danach entscheiden, wohin der Einlass erfolgen sollte - falls er erfolgen sollte.
    Nichtsdestotrotz erwartete er Nachrichten und somit neue Informationen aus der Castra, was ihn wiederum versöhnlich stimmte. Eine gewisse Distanz wahrte er trotzdem.


    Er machte den Kommandieren aus und ließ sich Zeit auf dem Weg Richtung Wasserbecken. Dann verhielt er den Schritt - in dessen Nähe - und grüßte.
    "Salve, was ist der Grund für den Besuch?" Ein Druck in der Magengegend ließ ihn daran zweifeln, dass erhoffte Informationen eintrafen, und er ließ ihn nicht unbedingt gastfreundlich erscheinen.

  • Verus wandte sich um und begrüßte den Senator würdevoll mit einem Kopfnicken. "Salve," sagte der Geheimdienstkommandant nüchtern und versuchte den Ausdruck seines Gegenübers zu deuten. "Ich entschuldige mich für diesen ungebetenen Besuch," begann Verus mit der Arbeit und ließ dem Senator kaum eine Wahl. Denn Verus war hier, um sein Geschäft zu erledigen und würde sich nicht fortbitten lassen. "Ich bin im Auftrage des Kaisers hier und möchte dir eine Bitte der Prätorianer unterbreiten," versuchte er seine Aussage vorsichtig zu formulieren. "Wir haben ein Problem. Ein kleines Problem," tat er bestürzt und blickte sich mit einer ausschweifenden Geste um. Ein Maskenspiel, damit Menecrates die wahre Intention in seinem Gesicht nicht ablesen konnte. "Wir haben eine Gefangene in unserem Kerker, die bald unter Strafe erneut versklavt wird," wurde er nun deutlicher und fixierte den Senator mit seinem Blick. "Diese einstige Sklavin, vorübergehend noch Libertina, ist Morrigan. Nach meinen Informationen war sie einmal in deinem Besitz?"- fragte er gespielt schüchtern und schob die Wörter brüchig über seine Lippen, um seine Informationen als ungewiss erscheinen zu lassen. "Wir werden sie leider im Zuge ihrer Taten erneut und dieses mal unter Poena versklaven. Das ist beschlossen. Die Frage ist, ob du sie als fähiger und anerkannter Mann in Rom als Verwahrungsobjekt entgegen nehmen möchtest? Immerhin scheinst du einen Umgang mit ihr zu beherrschen," kam es nun deutlich über seine Lippen mit einem zynischen Lippenspiel.

  • Der Offizier besaß Stil, so viel musste ihm Menecrates lassen. Seine Kinderstube dürfte nicht die schlechteste gewesen sein, was der Claudier gewiss nicht von allen im bekannten Prätorianern sagen konnte. Seine erste Begegnung mit einem Prätorianer lag Jahrzehnte zurück. Menecrates weilte in Mantua und versah seinen Dienst bei der Prima. Er schlug damals das Angebot aus, zu der Kaisergarde zu wechseln, alleine weil der damals vorstellige Offizier vor Überheblichkeit strotzte.
    Zeit, um in Erinnerungen zu schweifen, blieb nicht. Spätestens als der Mann vor ihm von einem Auftrag des Kaisers und einer Bitte der Prätorianer sprach, war Menecrates' Aufmerksamkeit geweckt. Er vergaß sogar die Belagerung seines Atriums und als nachfolgend die Aufklärung kam, hoben sich ein wenig seine Brauen. Die Nachricht war ungewöhnlich genug, um mehr Überraschung zu zeigen, aber das verbot seine Beherrschung. Stattdessen blickte er den Offizier für Augenblicke regungslos an. Er musste zunächst sortieren.
    Sein erster Gedanke: Dieser ganze Aufwand galt nur einer ehemaligen Sklavin seines Hauses. Wie banal, ja geradezu lächerlich, doch plötzlich überkam ihn ein Verdacht.


    "Meine ehemalige Sklavin Morrigan ist in die Unruhen verwickelt", spekulierte er. Seine Stimme klang belegt und monoton. Unruhen, die Menecrates' Familie in Schrecken und Todesangst versetzt hatten. Sein Blick wanderte zu einem imaginären Punkt im Atrium, er musste seiner Ernüchterung Herr werden. Sekunden später wurde ihm das Anliegen in Gänze klar: Mit der Rücknahme der Sklavin wäre er in der Verantwortung, sie zu kontrollieren, möglicherweise zu bessern. Auf alle Fälle erwartete man von ihm, dass von ihr zukünftig keine Gefahr mehr für Rom ausging.


    Er suchte wieder den Blickkontakt, bevor er fragte: "Besteht die Möglichkeit, vorher mit ihr zu sprechen?" Seit Morrigans Auszug waren immerhin Jahre vergangen.

  • Der Senator war klug. Er kannte mitunter die politischen Winkelzüge der Urbs. Verus war nicht überrascht, da man diesem Mann bereits ein entsprechendes Verständnis zugetraut hatte. "Ich werde dich nicht belügen," sagte der Trecenarius behutsam und nickte dann ernst. Er konnte dem Senator keine konkrete Auskunft geben aber das Nicken war eine Antwort ohne Wort. Auch war dieses Nicken ein Vertrauensbeweis, dass man ihm dieses falsche Wissen anvertrauen konnte. Ferner lag dem Kommandanten der Geheimen nichts an diesem Geheimnis, da es immer besser war diesen Glauben zu streuen, dass Morrigan tatsächlich verwickelt war. Lügen wurden durch Streuung besser. (Denn viele eine Lüge glaubten, wurde es im Narrativ eine Wahrheit.) Denn inzwischen zweifelte auch Verus daran, dass Morrigan wirklich beteiligt war. Aber man musste dieses kleine Problem nun lösen, damit es nicht dauerhaft zu seinen Lasten fiel. "Ich denke, dass wir dies einrichten können aber auch nur, weil wir deine Person sehr schätzen, Senator Claudius," war eine gewisse Schmeichlei, die sich Verus aus kalter Berechnung erlaubte. Sollte er doch seine baldige Sklavin sehen, auch wenn dies nicht ganz dem geplanten Protokoll entsprach.

  • Nicht belogen zu werden, war eine feine Sache. Der Claudier schätzte Aufrichtigkeit sehr. Andererseits bekam Menecrates weder Bestätigung noch Dementi zu hören, was ihn weiterhin in Ungewissheit beließ. Er musste Morrigan sehen, sie selbst hören und in ihre Augen blicken. Diese Wahrheit wog sehr viel mehr als jede Aussage eines Dritten. Hinzukam, dass er den Offizier nicht kannte und somit nicht einzuschätzen wusste, ob er mit der Deutung von dessen Gestik und Mimik richtig lag oder nicht.
    .
    Er nickte ebenso ernst wie sein Gast. Ihre grundlegende Übereinkunft zeigte diese kurze, aber beiderseits eindeutige nonverbale Kommunikation. "Danke", erwiderte Menecrates, der es nicht für selbstverständlich hielt, dass seinem Wunsch stattgegeben wurde. Die Chance stand fünfzig zu fünfzig. "Ich wäre bereit", versicherte er, sollte eine schnelle Abwicklung im Sinne des Gardeoffiziers sein.


    Das Leben lehrte Menecrates, mit vielen und mit überraschenden Wendungen zu rechnen. Allerdings wäre ihm nie in den Sinn gekommen, je vor einer solchen Situation zu stehen. Er wusste nicht, was ihn im Kerker erwarten würde, ging aber erst einmal vom Schlimmsten aus und das eindeutig Schlimmste wäre eine hasserfüllte Morrigan, der es danach gelüstete, X-beliebige Bürger Roms zu massakrieren. Er wusste nicht, wie er dieses Problem in den Griff bekommen könnte. Marco fiel ihm ein, auf den er selbst dann allerdings rund um die Uhr würde verzichten müssen. Er ahnte nur, dass Morrigan kaum eine Alternative blieb, sollte er sich außerstande sehen, seine Familie einer latenten Gefahr auszusetzen. Es blieb abzuwarten, wie latent die Gefahr war.

  • Verus war zufrieden, da sich der Senator sehr kooperativ zeigte. Es erlaubte ihm eine schnelle Erledigung dieses Vorganges und somit wurde sein Arbeitspensum reduziert. Rom war ohnehin mit zu viel politischen Problemen angefüllt, die er kaum lösen konnte, An jeder Ecke schien Arbeit zu warten und das Geschäft wurde von Tag zu Tag anstrengender, weil es keine große Pause mehr erlaubte. Stets rannte der Trecenarius von Fall zu Fall, um die imperiale Stabilität zu erhalten, die notwendig für eine Zivilgesellschaft war, die auch jenen Senator in Amt und Würden hielt. "Wir können gleich aufbrechen," sagte Verus ohne betonte Emotion, eher sachlich. Er deutete mit einer Handbewegung zu seinen Soldaten, die den Senator abschirmen würden, damit er nicht vom Wege, den die Prätorianer vorgaben, abwich. Man nahm ihn nicht in Gewahrsam aber zeigte ihm deutlich, dass er sich nun auf den Wegen der Schattenmänner bewegte. "Folge mir, bitte," war die Höflichkeit, die Verus auf Augenhöhe formulierte und deutete in Richtung Ausgang. Der Senator war in den Händen der Prätorianer sicher und mit Sicherheit würde ihm auf dem Weg nichts passieren. Verus machte sich auf dem Weg ein paar Gedanken, wie der Senator reagieren könnte. Es war wichtig, dass man den Ausgang dieses Verfahrens einschätzen konnte.

  • Der sofortige Aufbruch war ganz in Menecrates' Interesse. Warten hätte Grübeln bedeutet, was nichts brachte. So aber rückte die Aufklärung greifbar nahe.
    Womit er sich allerdings nicht einverstanden zeigte, war die Eskortierung. Er folgte zwar dem Offizier, weil der seine Eintrittskarte darstellte, aber er nahm bis zur Castra eigenes Personal mit - unter anderem seinen Leibwächter Marco. Am Ende verbreitete sich noch die Neuigkeit, der Claudier sei abgeführt worden. Nicht, dass Menecrates viel auf die gemeine Zunge gab, aber er wusste auch, wie viel Schaden sie anrichten konnte und da er das Consulat anstrebte, konnte er üble Nachrede jetzt erst recht nicht gebrauchen.

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