Turma I Stube Vexillarius Matinius Ocella

  • Nachdem der Tiro weg war inspizierte er noch seine Lorica Hamata. Genau an der Verschlussstelle war der Speer eingedrungen. Kopfschüttelt meinte er zu sich...Bei den Eiern von Mars,...da hab´ich wohl einfach nur Glück gehabt... Er reinigte die verbluteten Kettenglieder und ölte sie dann gut ein. Nachdenklich hängte er die Hamata auf den Rüstungsständer und nahm sich seine weitere Ausrüstung vor. Der Helm hatte eine ordentliche Beule, die sich auch an seinem Schädel als Beule nachvollziehen liess.

    Er fragte sich wann er denn den Schlag...?!

    Schulterzuckend überprüfte er Spatha und Puggio, befand sie jedoch als in Ordnung. Dann nahm er den Helm unter dem Arm, brach beim heraus gehen noch ein Stück Kuchen ab und ging kauend rüber zur Fabrica,...er konnte ja wohl kaum mit einem verbeulten Helm herumlaufen.

  • Natürlich fehlte das eine oder andere Teil an seiner Paraderüstung, so war seine Gesichtsmaske unauffindbar. Doch das war eher kein Problem, denn sie sollten vor dem Caesar ja ohne Maske antreten. Sie waren ja unter sich. Die ganze Woche hatte er seinen Brustpanzer poliert und aus den Roststellen waren dunkle Punkte geworden. Patina die im spiegelnden Eisen fast schon gewollt aussah. Einer der Kameraden zog die Riemen fest und half beim Anlegen der Waffen und des Mantels. Er trug eine der neuen Tunicae und seine Gedanken gingen zu seinem Bruder Sabo. Seit dem Valetudinarium hatten sie sich nicht mehr gesehen. Ob es der Hass auf Varro war? Ocella seufzte und wartete auf den erhobenen Daumen seines Kameraden. Alles saß, alles gut. Er griff sich seinen Helm und stiefelte in die Hände klatschend nach draußen wo die Calones die geschmückten Pferde angebunden hatten.

    Ihm folgten die übrigen Equites. Alles senkten vor den leeren Pferden der Gefallenen ihr Haupt und stiegen dann mit ernstem Gesicht in die Sättel.

    Der Decurio hob und senkte den Arm und es ging los.

  • Die Urne mit der Asche des Aemiliers stand, abgedeckt von einem wenig würdevollen Lappen in einer Ecke seiner Unterkunft, wo Ocella sie aufbewahrte bis er sie Varro übergeben konnte. Diese verfluchte Ding bereitete ihm Unbehagen, verfolgte ihn bis in seine Träume, wo ein Geist ihn heimsuchte.

    Als die Nachricht von Varro´s Rückkehr zu ihm drang, nahm er den Lappen von der kostbaren Urne und wischte damit über die schimmernd rötliche Oberfläche. So Aemilius, jetzt bringe ich dich zu Varro, dann geht es zu deinem Vater und dann sicherlich nach Hause, da kannst du dann mit deinen Ahnen plauschen und dir ein schönes Dasein machen. Hauptsache er ließ ihn in Frieden, er brauchte seinen Schlaf. Etwas fahrig nahm er die Urne und der Deckel, fehlerhaft angebracht löste sich. Beim Versuch ihn abzufangen geriet die Urne ins Wanken und ein Teil der Asche entkam seinem Gefäß. Unter Ocellas ungläubigem Starren bedeckte sie auf dem Weg zum Tisch seinen Unterarm und staubte ihm ins Gesicht. So eine Sch...verdammter Mist, verflixter!

    Voller Panik griff er die Urne mit beiden Händen und schob die Asche vom Tisch wieder hinein. Diesmal prüfte er die Festigkeit des Verschlusses bevor er sie wieder abstellte.

    Ungläubig starrte er auf seinen Unterarm, der grau vor Asche war. Der Versuch sie abzuklopfen misslang leidlich und er beschloss sie abzuwaschen. Im Stabulum fand er einen Kübel Wasser, versenkte beide Arme darin und rubbelte sich frei von der Asche.

    Doch vergaß er sein Gesicht und den Ärmel seiner Tunica.

    Verunsichert, aber zufrieden ging er zurück zur Unterkunft und redete sich aus, daß er von nun an regelmäßigen Besuch vom Geist des unglücklichen Aemiliers bekommen würde.

    Er griff die Urne und stiefelte heraus. Sollte Varro das Ding verwahren.

  • Das Fenster und die Tür waren verschlossen, sperrten die Außenwelt aus. Dunkelheit und Stille. Sabaco war allein mit seinen Erinnerungen an Ocella. Jemand hatte in dem Quartier gelüftet und Staub gewischt, doch Sabaco wünschte, es wäre nicht so. Er wollte diese sterile Sauberkeit und Ordnung nicht. Er wollte, dass die Decke zerwühlt war, dass ein paar Schuhe kreuz und quer herumlagen, ein halbvoller Teller auf dem Tisch stand und ein Krug mit einem Becher dazu. Auf dem kleinen Wandschrein entzündete Sabaco eine Öllampe, blickte in die ruhige Flamme.


    Komm zurück nach Hause.


    Er dachte fest an seinen kleinen Bruder. Eine uralte Emotion aus den frühesten Tagen seiner Kindheit bahnte sich ihren Weg, blieb in Sabacos Hals stecken. Er erinnerte sich dumpf, was das war.


    Doch er durfte nicht.


    Er durfte nicht.

  • Das Zimmer war zum Tempel geworden. Wenn Sabaco in der Castra war, kam er täglich hierher, wechselte Brot und Wein und entfachte ein Licht. So viele Götter hatte er angerufen ... Opfer gebracht. Aber noch immer war der Bruder nicht heimgekehrt. Ihm brannten die Augen vom Staub des Sommers. Die Ala verhielt sich träge und von der Legio hörte man kaum etwas. Nur einer wünschte keine Sommerpause, fand nicht Rast noch Ruh. Auch jetzt, körperlich erschöpft von den Pflichten des Tages, brachte er seinen Geist nicht unter Kontrolle, ging er langsam im Kreis, nicht bereit, die völlige Hilflosigkeit zu akzeptieren. Vielleicht brauchte es ein größeres Opfer.

  • Es hieß: "Do ut des. Ich gebe, damit du gibst."


    Noch immer kehrte Sabaco regelmäßig in die leere Stube von Ocella zurück, um nach dem Rechten zu sehen, durchzulüften, ein Licht zu entzünden und am Lararium Räucherwerk, Brot und Wein zu opfern. Dann saß er lange in der stillen Kammer, wartend, bis das Rauchopfer und das Licht heruntergebrannt waren, seinen finsteren Gedanken nachhängend.


    Do ut des schien für ihn keine Gültigkeit zu besitzen. Er gab alles, was er geben konnte, Opfergaben, sein schwarzes Herz, er behielt nichts für sich. Trotzdem wurde ihm beständig genommen. Was hatte er falsch gemacht, dass jeder Mensch, den er liebte, nacheinander aus seinem Leben verschwand? Warum war er dazu verflucht, allein auf Erden zu wandeln? Er gab doch sein Bestes, er kämpfte, er opferte, er nahm an, was das Leben ihm aufbürdete.


    Doch die Laren schwiegen und auch die Götter hatten keine Antwort für ihn.


    Er zog die Schuhe aus und legte sich in Ocellas Bett. Traurig drückte er seinen Kopf in das Kissen und wartete, bis das Licht erlosch.

  • Dunkelheit lag über dem Raum, als Sabaco aufschreckte. War er doch tatsächlich eingeschlafen! Die Anstrengung zehrte stärker an ihm, als er sich eingestehen wollte. Er setzte sich auf und wartete eine Weile, bis er richtig munter war, ehe er aufstand. Sorgsam brachte er das Bett in Ordnung, als sei es ein zweiter Schrein, ehe er noch einmal lüftete und das Lararium in Ordnung brachte. Langsam und sorgfältig waren seine Handgriffe. Auch Ocellas Schuhe entstaubte er und stellte sie ordentlich nebeneinander hin. Der Raum war so sauber und ordentlich, als wäre Ocella nie fort gewesen, und auch die heutigen Opfergaben und der Geruch des Räucherwerks erweckten den Eindruck.


    Er schloss das Fenster wieder, warf einen letzten langen Blick in die Finsternis, und verließ die Unterkunft. Auch in Zukunft würde er immer wieder hierher zurückkehren, bis Ocella entweder heimkehrte oder Sabaco seinen Leichnam gefunden hatte. So lange es Hoffnung gab, hielt er daran fest.

  • Am Tor war niemand mehr.


    Die Heimkehrenden hatten sich bereits im Lager verstreut. Ein Militärlager war gigantisch und jemanden zu suchen, ohne dessen Aufenthaltsort zu kennen, glich der berüchtigten Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. So begab Sabaco sich an einen Ort, von dem er wusste, dass Ocella ihn früher oder später aufsuchen würde. Er wusste, dass sein kleiner Bruder lebte und aus eigener Kraft geritten war, sie hatten es ihm gesagt.


    Sabaco strich die dreckigen Füße ab und trat in Ocellas Unterkunft ein. Ehrfürchtig blickte er den Schrein hinauf. Neben den Laren waren auch Bildnisse anderer Schutzgötter aufgestellt. Außerdem wurden im Lararium häufig die Ahnenbilder aufbewahrt. Dieses Lararium hier mit seinen Statuetten gehörte Ocella, doch Sabaco hatte es für ihn gepflegt und geopfert: Opferbrot, hiniggesüßten Wein, Kuchen, Weihrauch. Auch jetzt lagen die Opfer vom Vortag in den Schalen. Die Geister und Götter hatten Sabaco trotz seiner zahllosen Verfehlungen nicht verlassen, sie hatten ihn erhört und ihre schützenden Hände über den kleinen Bruder gehalten.


    Wie ein nervöses Raubtier im Käfig strich er durch den Raum, der so sauber und gepflegt war, als wäre Ocella nie fort gewesen. Täglich hatte Sabaco gelüftet, Staub gewischt, das Bett geschüttelt. Als er Ocellas Schuhe, die vor dem Bett standen, ansah, musste er sich über die Augen streichen.


    Zu aufgeregt, um sich zu setzen, stellte er sich wartend vor das Fenster, den Blick in Richtung Tür gerichtet.

  • Ocella hatte nach dem Seinen auch Varros Pferd versorgt und schleppte seine verschlissene Ausrüstung zu seiner Unterkunft. Umständlich öffnete er sie, weil er nichts von seinem Gepäck ablegen wollte, mit der Hüfte. Die Türe öffnete sich und trotz aller Mühen entglitt ihm der Bogen, samt Köcher und die kurzen Wurfspeere. Sie schepperten zu Boden und im Versuch die Türe und die fallenden Waffen irgendwie zu halten fiel ihm auch noch der Rest aus den Händen.

    Müde starrte Ocella auf den Haufen am Boden und murmelte Verwünschungen vor sich hin.

    Er stieg über den Haufen am Boden um seinen Helm und das Schwert auf das Bett zu legen als er im Halbdunkel eine Gestalt wahrnahm.

    Eiskalt zog sich sein Nacken zusammen und seine Hand zeitgleich die Spatha...Was machst du in meinem Raum? fragte er, die Spitze der Spatha in Richtung der Gestalt gerichtet zog er zusätzlich den Puggio,...verdammt! War ihm einer gefolgt? Ocella blinzelte um etwas zu erkennen Waffenstarrend auf die Gestalt.

  • Ruhig beobachtete Sabaco das Treiben. Das wenige Licht, das durch die Tür drang, genügte, während er selbst in den Schatten lauerte. Er sagte keinen Ton, bis der Kleine ihn anfuhr und fragte, was er hier machen würde. Verdreckt, bärtig und ziemlich durch den Wind schien Ocella zu sein. Da konnte Sabaco froh sein, dass er nicht gerade in dessen Bett gepennt hatte.


    "Warten, Ocella. Warten."

  • Die Stimme...Ocella ließ die Waffen sinken, ebenso den Kopf und atmete tief ein und aus. Dann schob er die Waffen zurück in die Scheiden und begann seine Ausrüstung aufzuklauben. Sabo,...worauf wartest du denn in meinem Raum?

    Eine blöde Frage, aber ihm fiel im Moment nichts intelligenteres ein. Er wußte um die brüderliche Liebe seine älteren Bruders, er wußte um dessen selbstauferlegten Auftrag sich Sorgen um ihn zu machen, und das obwohl er ihn nie darum gebeten hatte. Sie hatten ihre Zeit und die hatte Sabo gänzlich verbockt. Niemals wieder würde er sein kleiner Bruder sein, niemals wieder von ihm abhängig sein wollen. Doch Sabo tauchte immer wieder in seinem Leben auf, sorgte für Unruhe.

    Ocella wußte, daß er es im Grunde seines schwarzen Herzens gut mit ihm meinte, doch es war klar, daß dies nicht uneigennützig war.

  • Die Frage meinte Ocella unmöglich ernst. So ließ Sabaco einen Moment des Schweigens verstreichen, hin- und hergerissen zwischen der Freude, den kleinen Bruder gesund wiederzusehen und dem Ärger ob der kalten Begrüßung. Er verstand nicht, was in Ocella vorging, warum er ihm einerseits geholfen hatte, eine Offizierskarriere bei der Classis einzufädeln und ihm warme Winterkleidung schenkte, nur um ihn ein Jahr später nach langer Trennung mit solch einer Kälte abzustrafen. Was auch immer Ocella während der Missio erlebt haben mochte, konnte keine Rechtfertigung sein.


    In stummer Verzweiflung beobachtete Sabaco, wie Ocella seine Aufrüstung auflas. Er wollte ihm dabei helfen, doch er konnte nicht. Irgendetwas stand unsichtbar im Raum und verhinderte, dass die Brüder einander begegnen konnten wie früher. Eine Macht, die wie Gift durch Ocellas Herz kroch und ihn verdarb. "Ist es diese Eila", platzte Sabaco heraus. "Hast du mit ihr in Germania eine Familie gegründet?"


    Sabaco verschränkte die Arme und blickte den Schrein hinauf, damit Ocella nicht seine geballten Fäuste sah und nicht den Hass in seinem Blick, als er an Eilas schäbiges Grinsen dachte, während sie seinem kleinen Bruder vor Sabacos Augen ihre Hand auf die Schulter legte, als würde Ocella ihr gehören, und der Kleine zu ihr hinaufhimmelte, nicht merkend, dass seine Eier gerade unter der Tunika hervorgeplumpst und unter den nächsten Schrank gekullert waren.


    Sabacos Nasenflügel blähten sich, während er versuchte, ruhig zu bleiben, als er auf Ocellas Antwort wartete.

  • Ocella kramte in aller Ruhe seine Waffen und schälte sich danach umständlich aus seiner Lorica hamata. Sein Bruder stand weiter im Halbdunkel. Plötzlich stellte er ihm eine Frage,...eine Frage die ihn ins Mark traf.

    Er wandte sich um und sah seinen Bruder leeren Blickes an.

    Varro hatte ihm von Eila´s Tod berichtet und was danach geschehen war. Langsam näherte er sich seinem Bruder und blieb kurz vor ihm stehen. Sabo war etwas kleiner aber breiter. Ocella durch die Entbehrungen der letzten Wochen und Monate hatte kaum noch Fettreserven, wirkte in seiner Tunika hager und drahtig. Seine Wangenmuskeln mahlten kurz.

    Dann besann er sich eines Besseren und wandte sich ab.

    Eine Familie?...hier in Germania? er stieß einen höhnischen Grunzlaut aus.

    Die Ala ist meine Familie,...du bist meine Familie,...ich würde hier niemals eine Familie gründen Sabo, denn hier verliert man alles was man liebt,...traurig sah er seinen Bruder an. ...früher oder später.

    Ein Gefühl der Trauer überwältigte ihn. Trauer über den Verlust seiner Kameraden für die er verantwortlich gewesen war, über den Verlust von Eila, die er als Freundin betrachtete. Er senkte seinen Kopf und ein Zucken schüttelte seine Schultern.

    Doch er fing sich schnell wieder,...er befürchtete Sabo würde die Situation für sich nutzen und irgend etwas machen.

    Mit tränennassen Augen sah er seinen Bruder an. Eila ist tot, Sabo,...erschlagen von irgendwelchen Barbaren,...sie ist tot...

    Er hob die Hand und nickte, ...wie kommst du darauf, daß ich mit ihr eine Familie gründen würde?

  • Kurz rechnete Sabaco damit, dass der kleine Bruder ihn schlagen würde. Ruhig blieb er stehen, auf den Einschlag wartend, obgleich er wusste, wie hart Ocella zulangen konnte. Er selbst hatte es ihn gelehrt. Er würde nie die Hand gegen den eigenen Bruder erheben, und wenn der Kleine noch so tobte. Entgegen Sabacos Erwartung wandte sein Bruder sich jedoch wieder ab. Üblich war, einander aus der Ausrüstung zu helfen. Doch Ocella machte deutlich, dass er das gerade nicht wollte.


    "Ich bin deine Familie?" Sabacos Frage klang höchst erstaunt, dann wiederholte er froh: "Ich bin deine Familie." Der Satz brannte sich in sein Herz, eine glühende Lava-Ader in erkaltetem Basalt.


    "Mich wirst du niemals verlieren, Ocella." Sabacos Blick war voll tiefer, unauslöschlicher Liebe, doch er sah Ocella dabei nicht an, sondern blickte wieder auf den Schrein, der im Halbdunkel lag. Zu diesem Zeitpunkt wusste Sabaco noch nicht, welche schreckliche Wahrheit in Ocellas Worten lag, als dieser mahnte, man würde alles, was man liebte, früher oder später in Germania verlieren. "Wenn ich fallen sollte, bleibe ich als Mane bei dir. Kein Gott und kein Priester wird mich besänftigen können. Ich werde diese Welt erst mit dir gemeinsam verlassen."


    Bestürzt sah er dann, wie in Ocella eine Wandlung vorging, als er diesen wieder ansah. Etwas stimmte nicht, etwas stimmte ganz und gar nicht. Aber Ocella wollte nach wie vor nicht berührt werden. Selbst eine Hand auf der Schulter wäre nun zu viel. So blieb Sabaco auf Distanz, doch er änderte seine Haltung, löste die Verschränkung seiner Arme und wandte sich dem kleinen Bruder zu.


    Dann kam die Erkenntnis: Eila war tot.


    Der Attentäter war nicht mit dem Geld durchgebrannt - er hatte Wort gehalten. "Wie ist das denn passiert", fragte Sabaco vorsichtig. Entgegen dem, womit er selbst gerechnet hatte, erfreute ihn diese Nachricht nicht mit Schadenfreude, sondern mit einer merkwürdigen Leere. "Ich dachte ... nun ... du wirktest ihr sehr zugetan."


    Selbst jetzt spürte Sabaco noch immer die verzehrende Eifersucht, weil Eila seinem Bruder näher zu sein schien als er selbst. Doch in seiner Stimme lag keinerlei Häme. Dürr war der Kleine geworden und der dichte schwarze Bart verfremdete sein Gesicht. Er sah nun älter aus als Sabaco. Aus dem hübschen Jüngling, den Sabaco gegen allerlei Geschmeiß abschirmen musste, war ein verbitterter, tieftrauriger Mann geworden.

  • Ocella hatte sich bereits wieder gefangen. Er wischte sich die Augen und schniefte kurz. Ernst sah er seinen Bruder an. Eila war eine Freundin,...ja fast schon eine große Schwester,...sie hatte nur Augen für Varro,...aber Varro sah nichts weiter in ihr als ein bekanntes Gesicht.

    Eine Welle der Trauer wallte in Gedanken an die gemeinsame Zeit wieder in ihm auf, doch er verdrängte sie.

    Wir haben sie damals vor einer Horde Barbaren gerettet,...sie wollte hier in Mogo ihre Barschaft für die Weiterreise ein wenig erhöhen,...sie war immer so,...er schluckte und starrte aus dem Fenster. ...so wie Mutter,...sie erinnerte mich immer an Mutter.

    Bis zu ihrem Tod war Ocella, das Nesthäkchen, der Liebling der Mutter. Er war so anders als seine Brüder, so anders als Sabo. Er war ein Sonnenschein, erfreute jeden mit seiner Anwesenheit, dann kam die Pubertät. Seine fatale Schwäche für den Rabauken Sabo, er sah zu ihm auf, suchte in seiner ruchlosen amoralischen Art seinen Platz. Bis er seine Makel erkannte, keinen Platz fand in der Schablone die Sabo ihm vorlebte. Sie waren wie Feuer und Wasser, als er das erkannte lies er los und wandte sich ab,...zu spät für seine Mutter. Sie war zwischenzeitlich verstorben, mit gebrochenem Herzen hieß es. In seiner Trauer und seinem Frust traf er Varro. Er war für ihn war er das was er brauchte, das was er immer gesucht hatte, etwas was Sabo niemals ausfüllen konnte. Vorwürfe machte er ihm deswegen nicht, besonders nicht jetzt,...wo er offenbar endlich Fuss gefasst hatte.

  • Nun, da war Varro klüger gewesen als Ocella ... der Kleine hatte in Eila Dinge gesehen, die nicht vorhanden waren: mütterliche Liebe oder die Liebe einer Schwester. Nichts davon hatte der Realität entsprochen, doch was hätte es genützt, das Ocella zu erklären? Wo die Liebe hinfiel, welche Art Liebe es auch sein mochte, hatte die Ratio oft nicht mehr viel zu melden.


    "Mutter. Hm. Findest du, dass es da eine Ähnlichkeit gab? Das würde erklären, warum ich Eila von Anfang an nicht mochte."


    Sabaco seinerseits fiel es schwer, Ocellas Trauer über den Tod der Eltern zu verstehen. Ihm selbst waren diese tragischen Ereignisse, zu denen er etliche Beileidsbekundungen erhalten hatte, herzlich gleichgültig gewesen. Er hatte seine Brüder, er hatte seine Freunde. Eltern starben, das war der Lauf der Dinge. Sie hatten ihre Zeit gehabt und der Kreis hatte sich geschlossen. Schrecklicher war es für Sabaco, immer wieder Kameraden zu Grabe tragen zu müssen. Das ging ihm nahe, das zehrte an ihm, und selbst mancher Barbar hatte einen Funken Mitleid in ihm erweckt, doch nichts hatte den Trennungsschmerz erreicht, den er während Ocellas Abwesenheit hatte durchleben müssen.


    Nun war alles wieder gut. Ocella würde sich beruhigen, seinen Dienst fortsetzen und Eilas Gesicht würde mit der Zeit verblassen. Die beiden Brüder aber würde nichts und niemand trennen, auch wenn es dabei manchmal etwas Nachhilfe bedarf, wie im Falle Eilas. Sabaco machte sich daran, Ocellas abgelegte Rüstung mit einer Bürste, Fett und einem Lederlappen zu putzen. Er wusste ja, wo das Zubehör aufbewahrt wurde.


    "Geh in die Therme, Oella. Ruh dich ein wenig aus. Ich kümmere mich derweil um deine Ausrüstung. Wenn du morgen aufwachst, wirst du sehen, dass alles seine Ordnung hat. Übrigens wurde ich vor geraumer Zeit zum Decurio befördert. Man hat mir das Kommando über die Turma Secunda anvertraut. Ich bin damit beauftragt worden, euren Verbleib in Erfahrung zu bringen."

  • Ocella hielt inne und starrte seinen düsteren Bruder leer an. Decurio? Was zum Hades ist in den Praefecten gefahren als er diese Idee ausgeschissen hat? Kopfschüttelnd entgegnete er, Nein danke, ich habe ein System, ich krame mir meine Klamotten lieber selber.

    Während er nach seinem Helm griff Decurio, hm?...gratuliere,...die Secunda?...gute Männer, versau sie nicht!

    Ein schiefes Grinsen folgte. Sicher würde die Secunda unter Sabos Fuchtel das eine oder andere Verbrechen begehen, ...kleinere Delikte, nichts auffälliges. Ocella beschloß es Varro zu stecken, der würde sicher wenig amüsiert sein.

    Apropos Therme,...ich werde mich nur waschen,...kommst du auch ins Pulchra,...nach Dienst?

  • "Jetzt sind in der Secunda gute Männer ... ich habe sie zum Großteil ausgetauscht. Gegen Männer, die ich schon kenne, zum Teil selbst ausgebildet habe. Gute Männer. Und ich habe euren Fango unter die Fittiche genommen. Er kann nichts außer schießen und Kuchen backen. Er ist einfach zu winzig. Den im Nahkampf gegen einen Zwei-Meter-Germanen, das würde schiefgehen." Aber das wusste Ocella wohl selber. "Schießen und backen aber kann er sehr gut."


    Sabaco beendete trotzdem noch seinen Arbeitsschritt. Ob Ocella das wollte oder nicht, seine Rüstung wurde geputzt. Den Rest konnte er ja dann selbst übernehmen. Sabaco wollte nicht tatenlos zusehen, wenn sein erschöpfter und trauriger Bruder hier mit seinem Krempel allein hantierte. Ratzfatz wurde der Panzer erst grob gebürstet und dann poliert.


    "Wir werden uns heut Abend dort treffen. Bin oft dort. Der Wirt Bonifacius weiß wie man kocht und die Preise sind in Ordnung." Sabaco suchte den Panzer routiniert nach Beschädigungen ab. "Hier, das Lederband solltest du ersetzen."


    Damit hängte er den Panzer über das Gestell und wanderte in Richtung Tür. Er blickte seinen kleinen Bruder noch mal intensiv an, ehe er sagte: "Bis heute abend."

  • Bei Sabo´s Einschätzung der Secunda lief es Ocella eiskalt den Rücken herunter. Er sah sich bestätigt, daß Sabo die Secunda in eine Gefolgschaft nach seinem Gusto umgeformt hatte. Was da störte war Fango. Der Kleine mit dem unerschütterlichen Willen. Der war so idealistisch und loyal gegenüber jedem die über ihm stand. Was sah Sabo in Fango? Ein williges Werkzeug? ...oder nur seine persönliche Belustigung? Ein wenig beunruhigt bestätigte er Fango´s Backkünste. Hmm,...versau ihn nicht...und sah Sabo dabei ernst an.

    Als Sabo kurz darauf seine Rüstung reinigte hatte er es aufgegeben dagegen zu intervenieren. Es hatte keinen Zweck und er war auch wirklich im Eimer. Die Anspannung der letzten Zeit verflog langsam und Müdigkeit zog in seine Knochen. Auf Sabo´s Feststellung entgegnete er, ...jaja, ich weiß, ich werde sie alle ersetzen,...war ein paar Mal im Wasser mit dem Ding.

    Er betrachtete den Panzer auf dem Gestell und folgte dann mit seinem Blick Sabo´s Abgang. Ihre Blicke trafen sich, doch Sabo´s bohrender Blick gelangte nicht mehr in Ocellas Seele, wie er es früher vermochte. Müde nickend entgegnete er nur,...ja...bis ,...bis heute Abend...und hey Sabo?! Er zeigte mit dem Daumen auf die Rüstung. ...danke Mann!

  • Sabaco blieb noch einen Moment in der halb geöffneten Tür stehen, ein Bein drin, eins schon draußen. "Fango ist der Junge von Stilo", sagte er ernst. Womit klar wurde, warum er den Winzling in die Turma Secunda geholt hatte: Sabaco konnte ihn verhätscheln und hüten. Auch wenn er menschlich auf Distanz blieb, so war er doch stets die Macht im Hintergrund, die mit Argusaugen alles beobachtete, was um Fango herum passierte. "Wenn du ihn lieber in der Prima sehen willst, werden sich Wege finden lassen." Dass der Kleine eigentlich nichts bei den Bluthunden der Secunda zu suchen hatte, war auch Sabaco bewusst, weshalb er ihn momentan lieber in den Wachdienst und Ausbildungsbetrieb einteilte, anstatt ihn mit auf Patrouillen zu nehmen. "Aber ganz woanders will ich ihn nicht haben. Secunda oder Prima. Ich möchte, dass jemand, dem ich vertraue, auf ihn ein Auge hat." Davon gab es nicht viele Menschen, nicht mal bei der Ala.


    Als Ocella sich bedankte, grinste Sabaco breit. "Man sieht sich."


    Damit schloss er hinter sich die Tür. Er wollte nach seinem Cornicularius sehen, der noch immer im Valetudinarium lag und gegen das Fieber kämpfte. Wenn die Götter im Falle von Ocella endlich ein Wunder hatten geschehen lassen, warum nicht auch bei Nero?

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