Bankett zu Ehren der Augusta und des neuen Statthalters Decimus Livianus

  • Venia hatte die ganze Zeit abseits gestanden und gewartet. Sie war es gewohnt, zu warten. So lange, bis man ihre Dienste benötigte. Sie sah darin kein böse Absicht oder ein Mittel zum Zweck, um sie an ihren Platz zu erinnern. Venia wusste, sehr wohl wo ihr Platz war und sie war zufrieden damit. Schließlich kannte sie es ja auch nicht anders. Sie war stolz darauf, dass ihr Besitzer, bei dem sie aufgewachsen war, so viel Vertrauen und Hoffnung in sie gesetzt hatte, als er ihren Geist mit Wissen füllen ließ. Und die junge Keltin hatte ihn nicht enttäuscht. Sie hatte großen Ehrgeiz entwickelt und lernte mit Freude, da dies ihren Dominus erfreute.
    Der Tag, an dem er starb, war zugleich auch für sie der schlimmste Tag in ihrem Leben. Sie trauerte um ihn, wie eine Tochter um ihren Vater. Ja, das war er in der Tat für sie gewesen. Obgleich ihr richtiger Vater ein einfacher Sklave gewesen war. Ein einfacher Mann, dessen Vorfahren schon immer hier gelebt hatten. Er hatte über keinerlei Bildung verfügt und hatte bis zu seinem letzten Tag sein karges Leben auf den Feldern einer Villa rustica zugebracht.


    Venia wartete dort, wo man sie „abgestellt“ hatte. Ihr ausdrucksloses Gesicht beobachtete aufmerksam, was um sie herum geschah. Erst wenige Tage zuvor war sie in den Besitz des Procurator Rationis Privatae gelangt. Doch nach einem klärenden Gespräch war ihr bewusst geworden, dass dies nur übergangsweise so bleiben sollte, da er sie als Geschenk für den neu eingetroffenen Statthalter der Provinz vorgesehen hatte. Dieser Umstand beunruhigte sie keineswegs. Ebenso wenig rief er eine gesteigerte Nervosität bei ihr hervor. Sie nahm ihr Dasein so, wie es kam. Etwas anderes war nicht vorgesehen. So hatte man es ihr beigebracht.
    Selbst jetzt wirkte sie ganz ruhig. Ihre wachen Augen nahmen sofort den Wink des Procurators wahr und sie zögerte auch keinen Moment, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
    Geschwind fand sie sich neben dem Duccier wieder, der sie sogleich vorstellte und nun damit begann, ihre Fähigkeiten anzupreisen. Keinerlei Regung fand sich in ihrer Mimik, jedoch fanden ihre blauen Augen die des neuen Stadthalters. Für eine kurze Zeit hielt sie dem Blick stand und nickte ihm zu. „Dominus!“ Ihre Stimme klang klar und deutlich. In ihren Augenwinkeln nahm sie auch die beiden Damen wahr, die der Duccier zuvor begrüßt hatte.

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