Einige Male war der Karren zum Stehen gekommen, um kurz darauf seine holprige Fahrt wieder aufzunehmen. Irgendwann traute sich die Chattin, sich vorsichtig unter dem Tuch zu bewegen. Noch vorsichtiger versuchte sie sich freie Sicht zu verschaffen, um herauszufinden, wo sie überhaupt war und wohin der Karren fuhr.
Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass sie inzwischen außerhalb des Lagers sein musste. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt und es waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Der Karren, der von einem Ochsen gezogen wurde, rollte krachend langsam über das Pflaster der Stadt, hin zu seinem Bestimmungsort jenseits der Stadtmauer, um sich dort seiner Ladung zu entledigen.
Sollte Ygrid wirklich das Risiko eingehen, noch länger auf dem Wagen zu bleiben oder sich innerhalb der Mauern vom Wagen zu stehlen? Beides konnte gefährlich sein. Doch die Stadt bot gewiss mehr Versteckmöglichkeiten. So entschied sie sich für das Letztere.
Der Wagen fuhr nicht schnell, sie konnte es also riskieren, sich einfach vom Wagen fallen zu lassen. Keiner würde etwas davon bemerken. Am wenigsten der Kerl, der den Karren lenkte und der auch kaum damit rechnete, dass seine „Passagiere“ noch irgendetwas taten.
Ygrid wand sich vorsichtig aus dem Tuch und rutschte immer weiter auf den Rand der Ladefläche zu. Nun sah sie auch endlich, worauf sie gelegen hatte. Es hatten noch zwei weitere leblose Körper, die ebenso in Tragetücher eingewickelt waren, auf dem Wagen gelegen. Schließlich ließ sie sich einfach vom Karren fallen, so dass sie mit ihren Knien auf das harte Straßenpflaster aufschlug. Sie vermied es, auch nur einen Mucks von sich zu geben, denn am liebsten hätte sie vor Schmerz laut aufgeschrien. Wenigstens hatte sie sich gerade noch rechtzeitig mit ihren Händen abstützen können, um schlimmere Verletzungen zu vermeiden.
Ihre Knie waren blutig und die Handgelenke schmerzten. Schnell versuchte sie auf allen vieren von der Straße zu kommen. Die Kette, die sich immer noch an ihrem Fußgelenk befand, klimperte dabei verräterisch. Sie schleppte sich in eine dunkle Gasse, wo sie vorerst hoffentlich niemand entdeckte und blieb zusammengerollt liegen. Sie fror, sie war hungrig und ihr ganzer Körper schmerzte. So fühlte sich also ihre neugewonnene Freiheit an…