Auf dem Forum vor der Rostra herrschte wie immer reger Betrieb. Träger schleppten diverse Sänften von einem Punkt zum anderen, andere Träger trugen Amphoren, Säcke oder Kisten. Dazwischen versuchte sich immer mal wieder jemand mit einer Handkarre einen Weg zu bahnen zwischen den dutzenden normalen Besuchern, die entweder hier etwas einkaufen wollten, oder einfach nur den Weg über den Platz wählten, um weiter zu kommen. Die überall vorkommenden Diebe und Beutelschneider huschten unauffällig zwischen den anderen umher, während spielende Kinder laut kreischend im Kreis rannten und einander zu fangen suchten. Dazwischen flatterte der ein oder andere Vogel in einem engen Käfig, quiekte ein noch zu schlachtendes Schwein oder kläffte ein Hund.
Sextus trat auf die Rostra und überblickte dieses bunte Gewirr an Leuten und Tieren mit einer Mischung aus Erwartung und Voraussicht. Es würde ihn wohl niemand für einen besonderen Philanthropen halten, dennoch konnte wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass seine Taten zum Vorteil des gemeinen Volkes waren. Naja, die meisten. Oder einige davon. Die öffentlich bekannten.
Er vergewisserte sich also ein letztes Mal von dem perfekten Sitz seiner Toga und ließ einen Sklaven einem Ausrufer gleich vortreten und ihn ankündigen.
“Volk von Rom! Es spricht zu euch der höchste Haruspex, der edle Senator Sextus Aurelius Lupus!“ Sein Ruf donnerte über das Forum, und die ersten Menschen blieben stehen. Dann weitere, bis sich schließlich eine kleine Traube an Zuhörern gebildet hatte, einer Insel der Ruhe gleich, um die das Meer der Geschäftigen weiter tobte.
Sextus trat vor und begab sich in die beste, souveräne Rednerpose.
“Volk von Rom! Ihr kennt mich! Mein Name ist Sextus Aurelius Lupus! Mein Großvater Aurelius Crassus war lange Zeit Princeps Senatus und ein persönlicher Freund des Divus Iulius! Ich selbst habe das Amt des Haruspex Primus inne!"
Nach jedem seiner Sätze ließ Sextus genügend Pause, so dass die vorne stehenden seine Worte an diejenigen weitergeben konnten, die weiter hinten standen. Auch wenn er laut und deutlich artikulierte, konnte wohl niemand erwarten, dass seine Worte über den ganzen Platz zu hören wären. Das Weiterflüstern des Gesprochenen hatte in Rom Jahrhunderte an Tradition.
"Als Aedil habe ich dafür gesorgt, dass eine schwammige Lex Mercatus durch eine eindeutige Lex ersetzt wurde, die zum Vorteil der einfachen Bürger ist und den Senatoren nach Jahrzehnten der Vorteilnahme strikte Regeln auferlegt, wie sie unsere Vorväter für diesen edlen Stand erdacht hatten."
Auch hier ließ Sextus eine Pause, um dem Volk die Zeit für angemessene Zustimmungsbekundungen. Alles, was den bessergestellten irgendwie Einhalt gebot, wurde üblicherweise mit Zustimmung vom Plebs aufgenommen.
"Gleiches plane ich als Praetor mit dem Codex Iuridicalis! Es kann nicht sein, dass ein einfacher Bürger für den Verkauf eines Laibes Brot ohne Konzession einen Teil seines hart erarbeiteten Vermögens verliert, ein Reicher aber für Raub, Erpressung oder Körperverletzung nur eine Strafe zu zahlen hat, die geringer ist als seine wöchentlichen Einkünfte. Wenn ich zum Praetor gewählt werde, werde ich meine Kraft und mein Ansehen dafür einsetzen, diese Ungerechtigkeit zu beenden und gerechte Strafen abhängig vom Vermögen der Person für die niederen Delikte, und angemessene, abschreckende und schwere Strafen für die schweren Delikte einzuführen. Für ein gerechtes Rom, in welchem Iustitia wirklich blind richtet."
Wahrscheinlich nicht die beste Rede, aber bevor seine Zuschauerschaft sich anfing, zu langweilen, hielt er sich lieber kurz.
“Daher gebt es weiter! Wer ein gerechtes Rom will, unterstützt die Kandidatur von Sextus Aurelius Lupus zum Praetor!“
Gut, dieser Teil der Pflicht war also erfüllt. Der Wahlkampf hatte begonnen.