Insula des Spinther

  • Kurz nach dem Verlassen des Stadttors hatte Casca die Hauptstraße hinter sich gelassen und war in das einst gewohnte Gewühl des Mons Aventinus eingetaucht. Augenblicklich kehrte seine antrainierte innere Abwehrhaltung zurück. Bettler ignorieren und zwielichtigen Händlern ausweichen. Wobei er aktuell sowieso nicht wie der beste Kunde wirken musste.


    Je weiter er ging, desto mehr kamen ihm die Häuser bekannt vor. Noch eine Ecke weiter stand das Haus, das er zusammen mit Spinther gekauft hatte. Gut, eigentlich hatte es zum Großteil Spinther gekauft, aber auch Casca hatte einen nicht unerheblichen Teil dazu beigesteuert. Dadurch war er Eigentümer einer Wohnung im ersten Stock und eines der Ladenlokale der Insula geworden. Der griechische Barbier Xanthus, der Pächter darin geworden war, war schon immer ein nervender Schwätzer gewesen.


    Nach einer eleganten Drehung nach rechts, zumindest empfand Casca das so, entging er einer Kollision mit einem dicklichen Säufer. Und da war seine Insula.


    Als aller erstes entdeckte er die Trinkerfurche aus der der feiste Trunkenbold gekommen sein musste. Dem windschiefen Schild nach zu schließen die "Caupona Flora". Im Grunde keine weltbewegende Erkenntnis. Aber das Lokal befand sich in seiner Ladennische. Vielleicht hatte ein entnervter Kunde den alten Xanthus nach einer stundenlangen verbalen Folter erdolcht. Dies würde er später herausfinden müssen. Zunächst trat er durch den Hauseingang und ging die enge Treppe hinauf. Rechts des Aufgangs lag seine Wohnung.


    Erneut überkam ihn das leicht betäubende Gefühl, das ihn beim Anblick der Caupona überkommen hatte. Quer über seiner Wohnungstür hatte jemand eingeritzt ... Hier wohnt Bassius. Spätestens jetzt wurde Casca klar, dass sich in seiner Abwesenheit wohl so einiges geändert hatte. Nachdenklich strich er sich über das stoppelige Kinn. Er würde Flora wohl früher als erwartet kennen lernen.

  • Kurz darauf hatte es sich Casca in einer Ecke der Caupona bequem gemacht. Die Einrichtung erschien ihm sogar vergleichsweise gepflegt. Das Klientel an Kunden sah noch eher nach Tag- als nach Nachtschicht aus. Der Marmortresen war noch da, jedoch für die neuen Bedürfnisse des Lokals angepasst worden. Der Einfluss einer Frau war klar zu erkennen. Die Becher auf dem Regal waren nur sehr begrenzt angeschlagen und die Kotze des gestrigen Abends hatte ganz klar nicht genug Zeit bekommen den Laden zu durchdringen.


    Eine Matrone, die wohl etwas älter als er war, sich dafür aber ausgesprochen gut gehalten hatte, kam auf seinen kleinen Tisch zugelaufen.


    “Salve mein Freund, neue Kunden begrüße ich … zumindest zu dieser Tageszeit … gerne persönlich, denn ein guter Kundenstamm will gepflegt sein.“


    Casca setzte ein unverbindliches Lächeln auf.


    “Salve. Das freut mich zu hören, dass der Kontakt zum Kunden hier großgeschrieben wird. Einer der Stammkunden muss mir eben begegnet sein. Er schien mit dem Angebot jedenfalls sehr zufrieden gewesen zu sein.“


    Auch die Matrone lächelte zurück.


    “Ja. Der Kerl lässt sich hier quasi jeden Tag volllaufen. Und es wird auch täglich früher … aber ich bin schließlich nicht seine Mutter. Was darfs sein?“


    Casca kratzte sich über die Bartstoppeln und lächelte erneut breit.


    “Eigentlich war ich für eine gute Rasur hergekommen …. aber einen Becher Wein als Ersatz nehme ich gerne. Ein ertragbarer Sabiner würde es tun, wenn ihr den habt.“


    Casca schaute gedankenverloren auf die Straße hinaus und versuchte möglichst gleichgültig zu klingen.


    “Der alte Spinther hatte früher meinen Liebling-Graeculus hier untergebracht, aber ich war einige Zeit nicht in der Stadt. Und …. tempus fugit.“


    Das Lächeln der Matrone wurde zwar nur minimal schmaler, sah aber etwas mehr nach Fassade aus, als zuvor. Kunden, die zu viel fragten, waren nirgends gern gesehen.
    “Ich habe den Laden schon gut zwei Jahre lang übernommen. Das muss ja eine längere Reise gewesen sein. Der Wein ist gleich da.“


    Nachdem ein Lappen kurz die Oberfläche des Tisches gestreichelt hatte, ging sein Gegenüber zum Tresen zurück. Kurz darauf erschien ein Becher auf selbigem Tisch.


    “Das macht einen As, der mittlere Krug wäre für einen Sesterz zu haben.“


    Casca kramte in seinen Beutel herum und förderte eine Münze hervor, die nickend entgegengenommen wurde. Die Frau wandte sich bereits mit einem gemurmelten Dank ab, als Casca noch einmal wagte nachzuhaken.


    “Flora, eine kleine Frage noch. Wohnt mein Freund Spinther noch immer in seinem windschiefen Haus von früher? Vielleicht besuche ich ihn bald mal.“


    Nun war das Lächeln bereits nicht mehr messbar.


    “Das weiß ich nicht. Er kommt zu mir, nicht ich zu ihm.“


    Damit drehte sie sich um und ging zu einem anderen Tisch.


    Casca sah ihr nach und trank von seinem Wein. Es war weder ein Sabiner, noch war er ertragbar. Aber er hatte erst einmal genug erfahren. Sie war Flora. Und Spinther bekam das Geld, war also noch im Geschäft. Was diese Zecke Bassius in seiner Wohnung machte, würde sich finden. Als nächstes würde er eine der beste Lüfte der Stadt genießen …. den staubigen Brodem einer Amtsstube.

  • Es roch nach Pisse. Durchdringend. Casca hatte es sich gar nicht mal so weit von seiner, wenn auch derzeit okkupierten, Wohnung am Straßenrand -bequem- gemacht. Es ging leider kein Lüftchen, was den Dunst hätte wegblasen können. Als Alternative blieb ihm nur einen tiefen Zug unter seinem Mantel zu nehmen. Will heißen den Geruch gegen den von altem Schweiß zu tauschen. Der echte Bettelbruder, dem er den Mantel abgekauft hatte, hatte jetzt sicher mehr Freude als er. Aber zur Tarnung seiner Kleidung und seiner Tasche war der grobe Wollumhang unerlässlich gewesen. Der Mond stand hoch und brachte ein wenig Licht in die Gasse. Der Circus Maximus war nicht weit weg. Den Göttern sei Dank aber zumindest weit genug weg, um den ganzen Freier-Huren-Konflikten dort aus dem Weg zu gehen.


    Vor ihm die Straße runter lag eine kleinere Stadtvilla. Mittelhohe Mauer. Kleines Atrium und kleiner Garten. Hatte schon bessere Tage gesehen. Rauchige Fackeln an der Türe. Viel hatte sich offensichtlich nicht geändert. Vor rund einer Stunde war der Torwächter herausgekommen und hatte die Fackeln angezündet. Auch er hatte sicher bessere Tage erlebt. Es war also kein muskelbepackter Nubier am Tor, sondern nur diese halbe Portion. Langsam setzte sich das Mosaik an Informationen zusammen. Sehr erfolgreich war Spinther in den Jahren von Cascas Abwesenheit also nicht gewesen.


    Quintus Obsidius Spinther. Casca und er kannten sich seit Kindheitstagen. Beide hatten einiges gemeinsam. Fortuna hatte ihre beider Leben nicht unbedingt mit ihrer immer währenden Anwesenheit beglückt. Doch im Vergleich zu Spinther hatte sich dies Casca wohl deutlich mehr selbst zuzuschreiben. Spinther hatte nicht die Gens Iulia im Rücken gehabt, er hatte immer um alles kämpfen müssen. Er war als Händler stets eher schlecht als recht über die Runden gekommen. Daran hatte sich wohl nichts geändert.


    Casca zog sich erst den Mantel enger um die Schultern und verzog dann den Mund, ob des Gestanks. Er hätte sich doch einen Schlauch Wein kaufen sollen. Die nächsten Stunden vergingen nahezu ereignislos. Mehrere Wagen rumpelten vorbei. Auch zog eine Saufgesellschaft von einigen Adligen an ihm vorbei. Deren Sklaven hatten Knüppel dabei und musterten Casca nur kurz. Eine solche Begegnung konnte fatal ausgehen. Das einzig interessante waren einige Gäste gewesen, die Spinther besuchten. In kurzen Abständen waren drei Sänften gekommen. Jeweils ein Mann und eine Frau wurden vor dem Haus abgeladen. Der Kleidung, der Sänfte und der Anzahl der Sklaven nach zu urteilen, waren alle drei Männer erfolgreicher als Spinther. Die folgenden Stunden konnte man die Abendgesellschaft hören. Nicht zu ausgelassen, aber klar und deutlich. Klang eher geschäftlich.


    Eingelullt von Hunger, Müdigkeit, Urin- und Schweißgestank dämmerte Casca beinahe in tiefen Schlaf. Geweckt wurde er erst von der Abreise der drei Edeltunicaträger inklusive Anhang. Cacsa war wieder hellwach. Er beobachtete die Abreise aller zuvor angekommenen Gäste. Der Pförtner war noch immer der selbe.


    Schon vor einiger Zeit hatte sich Casca entschieden noch diese Nacht zu handeln, denn er wollte auf keinen Fall eine weitere Nacht in dieser Cloaca verbringen müssen. In einer weiteren Gasse stand ein Wagen. Eventuell konnte er damit über die Mauer des Anwesens gelangen. Er würde den Einwohnern aber noch etwas Zeit lassen. Die Sklaven würden Küche und Triclinium aufräumen und langsam zur Nachtruhe wechseln. Nach etwas über einer halben Stunde näherte sich ihm ein Junge um die zehn Jahre. Er hielt sich für leise. Als er begann nach Cascas Umhang zu greifen, da er ihn für schlafend hielt, schlug Casca dessen Hand energisch weg.


    "Was soll das werden du kleiner Nichtsnutz?!"


    Verschreckt wollte der Junge entkommen, nun da sein Gegner eben nicht den Schlaf der Gerechten schlief. Doch Cascas Bein schnellte vor und der Kleine ging zu Boden. Bemerkenswert blitzartig war er aber wieder auf den Beinen und wollte Fersengeld geben. Noch rechtzeitig rief ihm Casca zu.


    "Interesse dir das Geld zu verdienen, das du haben wolltest?"


    Der Junge hielt in der Bewegung inne. Zögerlich und in sicherem Abstand drehte er sich wieder um.

  • Wenig später näherte sich besagter Junge der Türe des Anwesens. Er spähte von links nach rechts, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete. Als er der Türe ganz nah war, erschien Casca wie aus dem Nichts neben ihm. Auch Casca schaute sich nach weiteren lebenden Seelen im Umkreis um. Als er keine sah, zog er eine der beiden Fackeln aus der Halterung. Zusammen mit dem versprochenen Geld übergab er sie dem Jungen und zog sich wieder ins Dunkel zurück. Mehrere weitere kurze Seitenblicke später legte der Junge die Fackel direkt an den unteren Rand der Türe. Er wartete etwas, bis das Holz begann schwarz zu werden und zu rauchen. Dann hämmerte er mit aller Kraft gegen das Tor und schrie aus Leibeskräften.


    "Verreckt in den Flammen, ihr miesen Hunde! Geizige Bastarde!"


    Schon lief der Junge die Straße hinunter so schnell er nur konnte. Nur Sekunden später riss der Torhüter das Portal auf und schreckte kurz zurück. Er verpasste der Fackel einige Tritte und Stampfer und rannte dem Jungen einige Meter hinterher.


    "Du mieser kleiner Pisser! Wenn ich Dich erwische ertränke ich Dich in der Latrine!""


    Nach wenigen Schritten erkannte der portarius drei Dinge. Zum ersten, dass er den Jungen niemals würde einholen können. Zum zweiten, dass er lieber noch einmal nach den Flammen sehen sollte und zum dritten, dass er seinen Posten nicht verlassen durfte.


    Die Erkenntnis von Casca dagegen war es, dass alle diese drei Einsichten zu spät kamen. Denn er hatte das Anwesen bereits betreten. nach dem Portalbereich folgte das kleine Atrium. Wandbemalung und Statuen hatten schon bessere Tage gesehen. Casca hielt sich im Schatten an den Wänden und lauschte angestrengt. Viel war nicht zu hören. Er meinte Geklapper und leise Gespräche aus der Küche zu hören. Sicher die Sklaven. Seinem Mantel hatte er sich bereits entledigt. Am anderen Ende des Atriums lag das Arbeitszimmer von Spinther. Darin brannte noch Licht, denn der Schein fiel nach außen. Am Rande der offenen Türe angekommen spähte Casca nur Bruchteile einer Sekunde um die Ecke. Der Hausherr stand einen Becher auf seinem Schreibtisch abstellend vor einer Büste und betrachtete diese gedankenverloren. Er war allein. Ebenso schnell entschied sich Casca, wie er vorgehen sollte .... Frontalangriff.


    Mit schnellen Schritten stürmte er auf Spinther zu. Dieser erblickte ihn erst im letzten Moment und begann sich zu ihm zu drehen. Dem Erschrecken auf seinem Gesicht folgte unmittelbar der Einschlag von Cascas Faust. Mit wirbelnden Armen ging er zu Boden. Blut schoss ihm aus der Nase, als er zu seinem Angreifer hinauf sah.


    "Wer zum Hades? Zu Hilfe!!!"


    Casca setzte sich seelenruhig auf die Ecke des Tisches. Griff sich den Becher, der wie gehofft Wein enthielt und nahm einen tiefen Zug.


    "Salve Quintus. Ein guter Tropfen. Es freut mich, Dich bei so guter Gesundheit anzutreffen."


    Spinthers Augen weiteten sich. Seine Erkenntnis über den Besucher und das Eintreffen mehrerer Sklaven kamen im selben Moment. Er schien kurz abzuwägen, was er nun tun solle und entschied sich wie geplant zum Rückzug. Wütend fuhr er seine Sklaven an.


    "Geht! ..... ich kenne den Mann."


    Mühsam rappelte er sich daraufhin auf. Außer Reichweite von Casca griff er nach einem Tuch von einer Anrichte, seinen Besucher nicht aus den Augen lassend. Das Tuch auf seine Nase drückend, näselte er.


    "Marcus. Willkommen zurück. Du hättest auch einfach anklopfen können."


    Nach einem weiteren Schluck Wein, erwiderte Casca eiskalt.


    "Ich dachte mir, dass jemand, der das Heim eines anderen nicht respektiert, solche Besuche gewöhnt sein sollte."


    Spinther war ein Mensch, der nur vor Stärke zurückschreckte. Das Milieu, aus dem er kam, war darauf aufgebaut. Hätte Casca Angst oder Schwäche offenbart, wäre der Kampf bereits vorbei und anders gelaufen. Spinther begann zu stottern.


    "Weißt Du ..... Marcus ..... ich musste ....."


    Harsch schnitt Casca ihm das Wort ab.


    "Du hast meine Wohnung ohne Absprache untervermietet. Du hast mein Geschäft ohne Absprache neu vermietet. Und Du hast die Einnahmen dessen von mir gestohlen!"


    Beide Hände erhoben kam Spinther einen Schritt näher.


    "Aber Marcus. Der alte Grieche war gestorben, ich konnte das Geschäft doch nicht leer stehen lassen. Und die Untervermietung ..... ich brauchte das Geld. Wir werden uns doch sicher einig. Ich hatte monatelang nichts von Dir gehört. Du musst doch verstehen, dass ...."


    Casca sprang vom Tisch auf und machte zwei energische Schritte auf Spinther zu, der zurückwich.


    "Du hast mich bestohlen und betrogen. Ich sage Dir wie es laufen wird. Du zahlst mir die Pachteinnahmen zurück. Du zahlst mir die Mieteinnahmen aus. Plus die Schäden, die dieses Subjekt in meinem Zuhause angerichtet haben wird. Weiter verlange ich Zinsen und eine Entschädigung!"


    Alles Blut wich aus Spinthers Gesicht. Um so deutlicher leuchtete das Blut unter seiner Nase.


    "Weißt Du wie viel das ist? Du weißt nicht, was Du da verlangst."


    Nach der Rückkehr zu Tisch und Weinbrecher begann Casca zu grinsen.


    "Mal sehen, welcher Iulier gerade Praetor ist. Und falls es keiner ist, so wird die Gens sicher einen davon sehr gut kennen. Was so ein Haus wie das hier bei einer Zwangsversteigerung wohl einbringen wird?"


    Die Miene seines Gegenüber machte Casca klar, dass er den Kampf gewonnen hatte.

  • Nach mehr Wein und einigen Zahlungsmodalitätsdiskussionen machte sich Casca am Morgen auf "nach Hause", um Schritt zwei seines Feldzugs gegen die schleichende Enteignung durchzuziehen. Er hatte ein ungutes Gefühl. Er kannte Spinther schon lange und war sich daher recht sicher gewesen mit seiner offensiven Einschüchterungstaktik Erfolg zu haben. Aber der Widerstand war größer als erwartet gewesen. Und der Grund war nicht Angriffslust oder irgendeine Art von Reife- oder Entwicklungsprozess gewesen, sondern ..... Angst. Spinther hatte vor irgendetwas oder jemandem große Angst. Und er wollte dies Casca gegenüber nicht offenbaren. Und das erzeugte Cascas mieses Gefühl, das sich auch nicht verflüchtigen wollte. Bei nächster Gelegenheit musste er hier nachhaken. Er konnte es nicht gebrauchen, dass Spinther sein Haus, das auch Cascas Haus war nicht mehr halten konnte und irgendein Immobilenhai sein Imperium erweitern wollte.


    Casca war hundemüde, er stank und war hungrig. All das war die beste Motivation für das Kommende. Gerade erreichte er die Caupona Flora.


    "Sei gegrüßt, Flora. Einen guten Morgen wünsche ich Dir. Einen verdünnten Wein und ein Frühstück. Hinten an den Tisch in der Ecke. Bin gleich zurück."


    Er näherte sich der Türe nach oben und drehte sich noch einmal kurz um.


    "Und ... wir haben zu reden!"


    Casca stürmte die Treppe hinauf und blieb vor seiner Wohnungstüre stehen. Wieder verhöhnte ihn das dort prangende -Hier wohnt Bassius-. Aus dem Inneren dröhnte ein lautes Schnarchen. Casca grinste böse und trat die Türe ein.


    Im dunklen ersten Zimmer sah es aus, wie unter einer Tiberbrücke und es stank abscheulich. Casca trat ein paar versiffte Stühle beiseite und näherte sich dem Fenster. Donnernd stieß er die Läden zur Straße auf und ließ Luft und Licht hinein. Irgendwo hörte er ein versoffenes Stöhnen. In den Raum schrie er.


    "Aufwachen Bassius, Du mieser kleiner Wurm. Der Dreck wird rausgekehrt!"


    Auf einer Matte am Boden rollte sich besagter Wurm unorientiert hin und her und grunzte. Schon war Casca bei ihm.


    "Guten Morgen Sonnenschein! Die Vigiles sind da! Du bist eine Brandlast Bassius und eine außerordentlich widerliche noch dazu!"


    Er packte den Mann am Kragen der Tunica und zog ihn grob auf die Beine. Außer Rülpsen und Grunzen kam ihm nichts über die Lippen. Casca zerrte ihn die Treppe hinab und warf ihn unter dem nun offenen Fenster in den Rinnstein. Dass er dabei mitten im größten Unrathaufen im Umkreis landete, war mehr oder minder Absicht.


    "Sollte ich Dich miese wohnungsstehlende Made hier noch einmal auch nur je wieder sehen, so gehst Du im Tiber schwimmen."


    Aus der Flora ragten die Köpfe von der Wirtin und einem kleinen Jungen neben ihr. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Überraschung, Schock und Faszination.


    "Bin gleich da!"


    Wieder stürmte Casca die Treppe hinauf. Kurz darauf begann der Regen. Dieser spezielle Regen bestand aus den Besitztümern von Bassius, die nun nach einander auf die Straße flogen und um den noch immer trunkenen und benommenen Bassius herniedergingen. Krachend und scheppernd fielen Stühle, Keramiken und allerlei anderes auf den mittlerweile schreienden Bassius. Casca erschien nach getaner Arbeit am Fenster und schrie hinab.


    "Wie gesagt, ich will Deine widerwärtige Visage hier nie wieder sehen! Solltest Du noch Fragen haben, so wende Dich an Spinther!"


    Bassius schrie ein letztes Mal seine Angst hinaus, raffte nur einige wenige Dinge zusammen und rannte um sein Leben.


    Casca kam nun seelenruhig die Treppe wieder hinunter, ging an Flora und dem Jungen vorbei zu seinem Tisch in der Ecke und fand alles Bestellte dort bereits vor. Daraufhin setzte er sich und wischte sich die Hände ab. Den verdünnten Wein trank er in einem Zug aus.


    "Flora. Danke. Noch einen und dann .... auf ein Wort!"

  • Cascas Frühstück bestand aus Brot und Käse. Zu Trinken gab es Milch, Wasser und den bestellten Wein. Es gab auch Honig und Datteln, Oliven und Gemüse sowie Eier und etwas Fisch. Mit gierigen Bissen begann Casca seine Mahlzeit zu vertilgen.


    "Sehr gut. Genau was ich jetzt gebraucht habe!", rief er Flora hinterher, die aufgebrochen war den Wein durch neuen zu ersetzen.


    Sie näherte sich skeptisch dem Tisch, stellte den Becher ab und blieb selber unschlüssig stehen. Der Junge wich ihr nicht von der Seite und schaute neugierig.


    Zwischen zwei Bissen wies Casca auf den Platz auf der anderen Seite des Tisches und murmelte: "Setz Dich doch."


    Stehenbleibend erwiderte Flora stoisch: "Warum sollte ich mich zu einem solchen Radaubruder setzen? Du verängstigst die ganze Nachbarschaft, vergraulst meine Kunden, von denen auch Bassius einer gewesen ist, verwüstest die ganze Straße und führst Dich in meinem Laden wie der Herr im Hause auf. Ich habe bereits nach Dracon geschickt."


    Casca legte den Kanten Brot nieder, den er gerade gegriffen hatte.


    "Ich respektiere Deine Motive. Und wer auch immer Dracon ist. Die Antwort, die Du haben willst lautet .... weil ich es bin."


    Unverständnis war das einzige was Floras Gesicht zeigte. Der Sestertius war noch nicht gefallen.


    "Gut .... also die Antwort hast Du jetzt, aber offensichtlich die Frage wieder vergessen. Die Frage war .... warum ich mich her wie der Herr des Hauses aufführe."


    Während Casca die Bearbeitung des Kanten Brot wieder aufnahm, ließ die Reaktion, die etwas milder ausfiel nicht lange auf sich warten.


    "Moment ..... mein Vermieter heißt ...."


    Weiter kam Flora nicht.


    ".... Quintus Obsidius Spinther. Zumindest glaubst Du das. Und ihm gehören tatsächlich weite Teile dieses Hauses. Sogar alles, außer Bassius Rattenloch und Deiner Caupona. Diese beiden gastlichen Orte gehören .... mir. Marcus Iulius Casca."


    Der Unglaube im Gesicht der hübschen Wirtin nahm zu. Die Unruhe des Jungen ebenso.


    "Du kannst das gerne nachprüfen. Frage Spinther ... sofern er vom Medicus zurück ist ... oder wir schauen uns die Besitzurkunde zusammen im Tabularium an."


    Der Unglaube im Gesicht war verschwunden und offensichtlich kalkulierenden Gedanken gewichen. Bevor diese sich Bahn brechen konnten, kam ihnen Casca bereits wieder zuvor.


    "Gut, ich sage Dir, wie es läuft. Was Deine Pacht und die Miete dieses Unwesens von oben der Vergangenheit angeht, habe ich mich bereits mit Spinther geeinigt. Für die Zukunft gilt, dass Du mir die Pacht jeden Monat im Voraus in bar übergibst. Ich werde hier essen und sicher auch des Öfteren trinken. Ich erwarte Wein und nicht die Ziegenpisse, die so mancher anderer Kunde bekommt. Auch sollte immer ein Platz für mich frei sein. Ich mag diesen hier. Vielleicht brate ich mir in Deiner Küche auch mal selber was ..... im Gegenzug senke ich Deine Pacht ..... angemessen."


    Er ließ seinen Blick kurz ihren Körper hinabgleiten.


    "Weitere Dienstleistungen erwarte ich nicht von Dir. So einer bin ich nicht."


    Es gab genug Vermieter, die das verlangten. Und etwas schade war diese Entscheidung sicher auch. Aber Casca war tatsächlich nicht so einer.


    In diesem Moment stürmte ein riesiger schwarzer Nubier in die Taberna und rannte auf Cascas Platz zu. Casca sprang auf und kam diesem freundlich entgegen.


    "Dracon, mein Freund! Schön, dass Du hier bist. Deine Herrin hat fantastische Neuigkeiten für Dich!"


    Casca ging an ihm vorbei, da der Nubier in seinem Sturm innegehalten hatte und Flora unschlüssig anstarrte. Casca lächelte, als er im Gehen zurückrief.


    "Ich habe noch etwas vor, wir sehen uns später."


    Hinter ihm standen alle drei und blickten ihm nach. Er hatte im Ergebnis alle richtig eingeschätzt. Aber er war sich sicher, dass Flora nicht die devote Mieterin sein würde, die er vielleicht erwartet hatte. Er hatte sie überrumpelt, keine Frage, aber er hatte ihr angesehen, dass sie sich nur sammelte. Die Erkenntnis schreckte ihn jedoch nicht ab, ich Gegenteil, sie reizte ihn.

  • Casca machte sich in Hochstimmung auf den Weg in die Stadt. Er hatte Spinthers Verirrungen eingefangen. Er hatte seine Wohnung zurückerobert und er hatte seine Pachteinnahmen wieder erschlossen. Nun gedachte er seine Wiederkehr in Roma perfekt zu machen.


    Den Aventin hinunter traf man unausweichlich auf die lange Wand. Den Circus Maximus. Man musste sich entscheiden, wo man ihn umging. Casca wählte die Flussseite. Umging man den Pons Palatinus und den Circus auf der anderen Seite so traf man unweigerlich auf das Amphitheatrum Flavium und musste das komplette Forum Romanum durchschreiten. Daher ging Casca lieber zum Fluss und Richtung Forum Boarium. Am Domus Caligulae vorbei, kam er seinem Ziel viel schneller näher. Die altehrwürdige Basilica Iulia markierte den Zeitpunkt, als er das Forum Romanum betrat.


    Die Außenfassade der Basilica war komplett in weißem Marmor mit dorischen Säulen auf beiden Stockwerken versehen. Zwischen den Säulen des ersten Stocks erstreckten sich dabei offene Arkaden mit Statuen an der Außenseite und Marmorbalustraden zum Mittelschiff hin. Unter den Abgebildeten befand sich auch Lucius Iunius Quintus Vibius Crispus, der damit in Anerkennung seiner zahlreichen Appellationen an Domitian geehrt wurde.


    War es Fügung der Götter, dass er ausgerechnet an diesem Bauwerk, errichtet von einem seiner Namensvetter, dem großen Iulius Caesar, das Forum, den Nabel des Erdkkreises betrat.


    Die hochherrschaftliche Ehrfurcht Cascas endete in dem Moment als ein wirklich abgerissener alter Kerl an ihm vorbeiging, mit absolut unansehnlichen Ekzemen im Gesicht, laut hörbar den Rotz hochzog und dann ebenso laut gerade vor Cascsa auf die Straße rotzte.


    Das seltsamste, sowohl für Casca, als auch für den Bettler war Cascas Reaktion. denn er musste breit grinsen. Das war Rom, sein Rom. Kein in Watte gepackter, entrückter und der Realität entzogener Pathos, der gerade versucht hatte in ihm aufzusteigen und von dem sich so mancher blenden ließ. Nein, Roma war real, hart, wirklich, wahrhaftig und unerbittlich. Und so mochte er es auch am liebsten.

  • Nach einem gemütlichen Spaziergang in nicht hektischer Unsicherheit, ob eines Verfolgers, kam Casca wieder in der Caupona Flora an. Er betrat das bereits gut gefüllte Lokal und fand seinen Tisch durch den kleinen Servius reserviert vor. Gedeckt war dieser auch schon. Casca war beeindruckt. Er setzte sich neben den Knaben und dankte ihm. Dann blickte sich Casca im Lokal um. Flora war an der Theke und bereitete Getränke vor. Ihr Aufpasser Dracon hatte seinen Dienst für heute Abend begonnen und stand mit verschränkten Armen in einer Ecke und betrachtete die Gäste. Der Abend war allerdings noch nicht alt genug, um bei dem einen oder anderen alkoholbedingte Ausfälligkeiten hervorrufen zu können.


    Bei nächster Gelegenheit nahm er Blickkontakt mit der Wirtin auf und nickte ihr zu.


    Kurz darauf brachte sie ein üppiges Abendessen und guten Wein. Offensichtlich hatte Casca seine Position erfolgreich klar gemacht. Trotzdem schien Flora einen skeptischen Zug um den hübschen Mund zu behalten und blieb kurz angebunden. Sie hatte sicher mit Servius gesprochen und dieser hatte ihr Cascas Vorwurf an sie bestimmt weitergegeben. Sie hatte offensichtlich noch Klärungsbedarf, aber die Menge an Gästen ließ keine Diskussion zu, daher führte sie keine. Sehr geschäftstüchtig .... und umsichtig.


    Nach einer kurzen Weile. Casca stopfte sich bereits fröhlich die Backen voll, erschien seine Pächterin erneut am Tisch. Sie hielt ihm einen Zettel hin und raunte: "Das wurde für Marcus Iulius Casca abgegeben. Keine Angst .... ich habe es nicht geöffnet."


    Ohne eine Antwort abzuwarten, machte Flora wieder kehrt. Casca grinste in sich hinein und öffnete die Nachricht.


    An: M. Iul Casca


    Salve mein Freund,


    ich hoffe, dass Du Dich in Deinem Heim wieder eingelebt hast und alles zu Deiner Zufriedenheit geregelt wurde.


    Was den Ausgleich der vereinbarten Summe angeht, bitte ich um eine erneute Unterredung.


    Ich habe Dir dahingehend einen Vorschlag zu machen.


    Daher fühle Dich jederzeit in meine Villa eingeladen, um diesen Vorschlag zu besprechen.


    Weiter hoffe ich, dass die bestellten Möbel Deinen Bedürfnissen in jeder Form gerecht werden.


    Vale Amicus,
    Quintus



    Was ein Arsch ..... Casca hätte bedeutend mehr Möbel in besserer Qualität ordern sollen. Seine Laune sank. Der alte Gauner wollte sich doch um die Zahlung drücken. Ihm war der Appetit vergangen.


    Mit einem "Wir sehen uns später und danke Deiner Mutter für das köstliche Essen" stand er auf und ging. "Und folge mir nicht schon wieder!"


    Der Abend war für ihn sowieso gelaufen, daher konnte er seine miese Laune auch zu Spinther tragen und ihn umgehend in den Genuss dessen kommen lassen. Seine Stimmung sackte auf dem, wenn auch kurzen, Weg noch weiter ab. Er donnerte an Spinthers Türe und raunte dem Pförtner zu "Na, noch alle Fackeln auf ihrem Platz?", was dieser nur mit einem verständnislosen Blick quittierte.


    Er wartete nicht weiter auf Begrüßungsfloskeln oder ähnliches sinnfreies Gerede, sondern stürmte in die Villa. Im Atrium saß Spinther bei einem Becher Wein und genoss scheinbar die Ruhe. Cascas Arm schnellte vor und Quintus zuckte zusammen. Beinahe hätte er seine Tunica besudelt. Casca griff allerdings nur nach dem Wein und goss sich einen eigenen Becher voll. "Keine Angst. Heute verpasse ich Dir keinen.
    ... Zumindest erst mal nicht."


    Casca setzte sich. "Was hat Dein Brief zu bedeuten? Wir hatten uns doch geeinigt?" Der Iulier funkelte sein Gegenüber an und nahm einen Schluck Wein.


    Quintus tat gefestigt und hob die Hände. "Verstehe mich nicht falsch. Du hast Recht, ich habe Dir Unrecht getan und bin noch immer untröstlich. Aber darf ich Dir zunächst jemanden vorstellen?"


    Er klatschte in die Hände und blickte erwartungsvoll zu einer Türe neben ihm. Casca folgte dem Blick.

  • Gemeinsam mit den Haussklaven war Eireann bereits seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen. Es wurde geschrubbt, gewischt und in der Küche gekocht. Von dort wehten Eireann auch schon köstliche Düfte entgegen. So dass sie nicht umhin kam einen Blick in die Küche zu werfen. Natürlich ohne die Küchensklaven in ihrer Arbeit zu behindern. Sie wollte doch nur mit eigenen Augen erblicken was die Köchin dem Dominus heute kredenzen würde. Was sie dann jedoch sah ließ sie abrupt innehalten. Hatte sie das gerade richtig gesehen, dort neben der Köchin stand eine Flasche Wein. Und nicht der billige Fusel, sondern der kostbare aus dem Weinkeller des Dominus. Kaum merklich bildete sich eine steile Falte zwischen Eireanns Augenbrauen. Hatte die Köchin etwa tatsächlich aus dieser Flasche getrunken? Ihren roten Backen und ihrem glasigen Blick zu urteilen durchaus. Aber vielleicht rührten ihre roten Backen auch einfach von der Hitze in der Küche?


    Misstrauisch schob sich die schlanke Gestalt der Keltin näher, bis sie beinahe mit der Köchin zusammen stieß. Denn diese drehte sich in just diesem Moment herum, so dass ihr beinahe das Tablett mit dem köstlich duftenden Brot aus den Händen geglitten wäre. “Du bedienst dich an den Weinkaraffen des Dominus?“ Wollte die Dunkelhaarige wissen und stemmte dabei ihre schmalen Hände in die Hüften. Dem beinahe gehetzten, gar angstvollen Blick der Köchin begegnete Eireann mit absoluter Gelassenheit. S i e hatte schließlich keinen Fehler begangen, dies war einzig und alleine die Schuld der Köchin. Diese jedoch drängte sich an Eireann vorbei, so dass der Keltin nichts anderes übrig blieb, als die Matrone an sich vorübergehen zu lassen. Gereizt pustete sich die Köchin eine ihrer gräulich schillernden Haarsträhnen aus den Augen. Verfolgt von Eireanns Blick, die die Köchin keine Sekunde aus den Augen ließ. Ihre Hände hatte die junge Keltin noch immer in die Hüften gestemmt. Beinahe so als erwartete sie eine Antwort oder gar Entschuldigung von Seiten der Köchin. Doch diese ignorierte Eireann und begann geschäftig das Brot in mundgroße Stücke zu zerteilen. Anschließend wurde das Brot mit einer Glasur bestrichen und mit Tüchern abgedeckt, damit sich die Hitze nicht allzu schnell verflüchtigte.


    Als es dann an der Zeit war, nickte die Köchin einer der Küchensklavinnen zu, die das Tablett an sich nahm und in Eireanns Begleitung die Küche verließ. Schließlich hatte die dunkelhaarige Keltin die Anweisung ihres Dominus noch fest in ihrem Köpfchen. Und so dauerte es nicht lange, bis sie sich dem Atrium genähert hatte. Vor einer der Türen wartete die junge Keltin, bis sie das gewünschte Zeichen erhielt und die Türe öffnete, die sie in das Innere des Atriums bringen würde. Leise fiel die Türe hinter Eireann ins Schloss, während diese mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf auf weitere Instruktionen wartete. Von der Anwesenheit des Gastes ihres Dominus hatte Eireann noch keinerlei Notiz genommen.

  • Kurz danach betrat eine junge Frau das Atrium, kam näher, stellte sich neben Spinther und verharrte dort untertänig. Casca sah Quintus an, dann sah er das Mädchen an und wieder Quintus.


    Niemand sprach und erklärte die Situation. Bis Casca dem überdrüssig wurde.


    "Und was bedeutet das jetzt? Brauchst Du eine Übersetzerin für Dein Kauderwelsch oder führt mich das Mädchen zu meinem Geld, oder was soll das heißen?"


    Spinther stand auf, trat neben sie und strahlte über das ganze Gesicht.


    "Das ist Eireann!"


    Erneut folgten keine weiteren Erklärungen.


    "Hat Dir die Sonne heute etwas zu sehr auf den Kopf geschienen oder was? Ich verstehe kein Wort. Bekomm endlich die Zähne auseinander, Mann!" Cascsa begann die Geduld zu verlieren.


    "Nun Marcus, verstehe doch, ich habe ...... gewisse Vermögensdispositionen getroffen, die mich leider daran hindern, Dir die versprochene Summe in voller Höhe zeitnah auszuzahlen. Die Möbel zahle ich selbstverständlich und auch die Pachtsumme habe ich bereits Deinem Bankier übergeben, aber die Mietrückstände zwingen mich zu einer .... anderen .... Herangehensweise."


    Langsam begann der Denar in Casca zu wackeln, bevor er langsam zu fallen begann ....


    "Und hier kommt Eireann ins Spiel.", beendete Spinther seinen Vortrag.


    Cascas Kiefer begannen zu malen.


    "Du windiger kleiner Verbrecher willst mich also tatsächlich schon wieder betrügen?!"


    Spinther grinste noch breiter.


    "Nein keineswegs, ich versuche meinen Verpflichtungen nur in der jeder mir möglichen Form nachzukommen. Das Geld habe ich absehbar nicht. Daher biete ich Dir stattdessen meine Sklavin Eireann an."


    Casca sah sich das Mädchen nun zum ersten Mal bewusst an.


    Ein Kind war sie zweifellos nicht mehr. Eigentlich war sie sogar eine Schönheit. Ihre Haut hatte einen bronzefarbenen Ton, der ihr stand. Die strahlend blauen Augen sah er nur ganz kurz, als sie einen Wimpernschlag lang aufblickte. Das Haar war tiefbraun und leicht gewellt und bis zur Brust reichend. Für eine Sklavin hatte sie daraus eine hübsche Frisur zusammen gesteckt. Sie war von mittelgroßer Statur und schlank.


    "Und was soll ich mit einer Sklavin anfangen?", riss er sich von ihrem Anblick los. "Ein riesiger Hüne von einem Sklaven könnte mich wenigstens beschützen."


    Spinther lief um Eireann herum.


    "Sie ist meine beste Sklavin, das schwöre ich bei Minerva! Sie ist jeden einzelnen Denar wert. Sie hat mich einst ein Vermögen gekostet. Direktimport aus Gallia."


    Casca seufzte laut vernehmlich. Spinther hatte das Geld wohl wirklich nicht. Nun hieß es nichts oder eine Sklavin umsonst. Er könnte sie ja weiterverkaufen oder ...


    "Und was sind Deine Pflichten in diesem Haushalt? Was kannst Du denn?, wandte sich Casca einfach direkt an Eireann.


    Spinther ermunterte das Mädchen zu sprechen.

  • Wie zur Salzsäule erstarrt verharrte Eireann vollkommen regunglos neben ihrem Dominus. Auch wenn sie Spinthers hastigen Atem und den leichten Schweißfilm auf seiner Stirn durchaus bemerkte. Wieso ihr Dominus jedoch so erregt war, war Eireann noch ein Rätsel. Ob dies mit seinem Gast zusammenhing? Dem unbekannten Römer hatte die Keltin durchaus einen neugierigen Blick aus dem Augenwinkel entgegen geworfen. Selbstverständlich hielt sie ihren Blick; sowie ihren Kopf gesenkt. Und hoffte inständig das Spinther ihre Neugierde nicht bemerkte.


    Als dann jedoch ihr Name genannt wurde und Spinther seine Sklavin vorstellte, richtete sie sich unbewusst etwas auf und straffte ihre Schultern. So wirkte sie gleich ein paar Zentimeter größer. Eine Tunika aus gefärbten Leinen umschmeichelte ihre schlanke Statur, während diese an der Schulter durch eine Fibel zusammengehalten wurde. Nein. In Lumpen ließ Spinther seine Sklaven nicht herumlaufen. Als Spinther dann jedoch zu erklären begann spürte Eireann wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Ein deutliches Zeichen für eine herannahende Gefahr. Doch noch immer wagte sie es nicht sich zu rühren. Selbst ihren Atem hatte sie für einige Sekunden angehalten.


    Die drohende Gefahr kam näher, als sich der Blick des Römers nun tatsächlich auf ihrer Person niederlegte. Und dann war es Spinther der Eireanns Schicksal besiegelte. War sie ihm etwa keine gehorsame Sklavin gewesen? Was hatte sie falsch gemacht das er sie nun an diesen Römer überschrieb? Angstvoll spürte Eireann wie ihr Herz rasend in ihrer Brust zu pochen begann. Bis sie schließlich tief durchatmete und ihre Stimme erklingen ließ. "Ich bin des lesens und schreibens mächtig Dominus. Im Hause meines Dominus diene ich Dominus Spinther als Leibsklavin." Erklärte die Keltin mit einem festen Klang in ihrer Stimme; wobei sie es wagte und ihren Blick kurzzeitig anhob, um mit dem musternden Blick des Römers zu kollidieren.

  • Casca schien die Sklavin sofort schlauer und temperamentvoller zu sein, als sie sich offen gab. Eine weise Eigenschaft für eine Sklavin.


    Er stellte sich direkt vor Eireann und versuchte sein Gegenüber zu ergründen.


    "Lesen und Schreiben ist schon einmal nützlich. Gehört Rechnen auch dazu? Leibsklavin? Was genau beinhaltet das denn?"


    Casca schaute kurz und despektierlich zu Spinther hinüber.


    Zeit der Dame etwas auf den Zahn zu fühlen.


    "Wie sieht es mit Kochen, Putzen und Waschen aus? Darfst Du hier das Haus verlassen? Würdest Du eine Adresse in Rom finden und wieder zurück? Wie alt bist Du? Wie viele Herren hattest Du bereits? Was waren Deine Aufgaben für diese? Woher stammst Du? Hast Du Gebrechen oder Einschränkungen? Kinder? Verwandte hier in Rom?"


    Hauptsächlich wollte er wissen, ob sie sich alle Fragen merken konnte. Allerdings wollte er auch wissen, was sie konnte und wofür er sie brauchen konnte. Weiter musste er wissen, ob er einen kleinen Sohn mit erhielt oder sie sich stets über irgendeinen Bruder Sorgen machte.

  • Aus dem Augenwinkel beobachtete Eireann sowohl ihren Dominus, als auch dessen Gast. Obwohl.. als Gast durfte sie ihn nun ja nicht mehr bezeichnen. Dieser Römer war ab sofort ihr neuer Dominus, so hatte es Spinther verlauten lassen. Dann endlich verstummte Spinther und ließ Eireann innerlich tief durchatmen. Schließlich positionierte sich der Römer direkt vor ihr und ließ Eireann ihren Kopf anheben. “Ich kann die Zahlen durchaus erkennen und weiß mit ihnen umzugehen.“ Erklärte die Keltin und erwiederte den musternden Blick des Römers. Unumwunden blickte sie dem Älteren in das Gesicht. Dabei zuckte sie nicht einmal mit der Wimper, sondern funkelte ihm sogar herausfordernd entgegen. Ob dies Spinther bewusst wurde oder nicht schien Eireann in diesem Moment egal zu sein.


    Erneut war es die Stimme des jüngeren Römers die erklang, so dass sich Eireann vollkommen auf diesen konzentrierte. Er wollte wissen was sie für Aufgaben als Leibsklavin zu verrichten gehabt hatte. Wusste er wirklich nicht was eine Leibsklavin war? Beinahe spöttisch mutete das Lächeln an, welches für einen kurzen Augenblick die Mundwinkel der jungen Keltin umspielte. “Dominus Spinther forderte von mir, dass ich ihm beim morgendlichen Ankleiden behilflich war. Ebenso wenn es an der Zeit war sich für die Nacht herzurichten. Daneben bediente ich ihn bei Festlichkeiten in und außerhalb der Villa.“ Erklärte Eireann ihre Funktion als ‚Leibsklavin‘ ihres ehemaligen Dominus.


    “Ich darf das Haus für Botengänge verlassen.“ Erhob Eireann erneut ihre Stimme und fuhr auch schon fort. “Kochen, putzen und waschen ist für mich eine Selbstverständlichkeit.“ Bereits im Kleinkindalter hatte ihr ihre Mutter diese alltäglichen Dinge spielerisch beigebracht. “Ich feierte bereits mein achtzehntes Lebensjahr, Herr. Vor Dominus Spinther hatte ich keine anderen Herren. Ich war …frei.“ Hart musste Eireann bei diesen Worten schlucken und Trauer umwölkte ihren Blick. Ihre Hände verkrampfte sie dabei unmerklich und atmete langsam tief durch; wie um sich innerlich zu sammeln. “Ich entstamme dem Geschlecht der Silurer.“ Erhob Eireann erneut ihre Stimme und straffte dabei ihre Schultern, schließlich war sie stolz eine Silurerin zu sein. “Ich habe keinerlei Gebrechen oder Einschränkungen Dominus. Noch habe ich einen Gefährten oder Kinder.“ Erklärte Eireann wahrheitsgemäß und neigte schließlich ihren Kopf kaum merklich auf die Seite. Mal sehen wie der Römer, ihr neuer Dominus auf ihre Antworten reagierte.

  • Eireann wich Cascas eindringlichem Blick nicht aus. Im Gegenteil. Sie erwiderte ihn sogar beinahe angriffslustig. Er fragte sich, ob sie aufmüpfig tat, um ihn dazu zu bewegen sie nicht haben zu wollen. Sicher konnte man so verschlagen sein, aber bei ihr hatte er das Gefühl, dass es keine Verstellung war.


    Wegen der erfolgten Belehrung zur >Leibsklavin< kam sich Casca leicht gemaßregelt vor. Kurz verzog er spöttisch den Mund, ließ aber keinen Kommentar folgen. Die Frau hatte Feuer, das war klar. Das war ihm allerdings deutlich lieber als eine einfältige Transuse. Es könnte anstrengend mit ihr werden, aber es war eine Herausforderung. Und scheiterte er oder verlor die Lust, so konnte er sie ja immer noch weiterverkaufen. Kurz hatte er überlegt, ob ihm Spinther hier ein faules Ei unterjubeln wolle, das er loswerden möchte. Aber den Eindruck machte das aufgeweckte Mädel einfach nicht.


    Als Eireann auf das Thema Vergangenheit und ihren ehemaligen Status als Freie zu sprechen kam, erkannte Casca großen Schmerz in ihr. Das weckte sein Interesse, denn er wollte immer möglichst genau wissen, mit wem er es zu tun hatte. Aber im Moment ließ er es dabei bewenden, denn er wollte sie nicht vorführen.


    Immer noch nahe vor ihr stehend, entblößte er seine Zähne zu einem Lächeln. Darauf drehe er sich um und setzte sich wieder auf seinen Platz. Dort angekommen nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Weinbecher.


    Gut. Casca fasste zusammen. Sie war eine junge Frau. Ungebunden und gesund. Bei entsprechender Behandlung konnte sie ihm noch lange dienen oder einen guten Preis erzielen. Der Unterhalt würde nicht viel kosten, insbesondere weil er hier einiges dieser Flora unterjubeln würde. Würde der Widerstand dagegen zu hoch ausfallen, würde er einfach anbieten, dass sie in der Taberna helfen könne. Sie konnte seinen Haushalt in Schuss halten, eine extra Kammer für sie hatte er. Sie konnte Botengänge übernehmen und seine Korrespondenz führen. Es schien ihm einen Versuch wert zu sein. Er konnte dabei nicht wirklich verlieren.


    Er ließ den Weinkelch sinken und schaute ihr direkt in die blauen Augen.


    "Gut, Eireann. Danke für Deine Offenheit. Also will ich auch offen sein. Ich wohne in einem etwas .... aufregenderen Teil des Aventin, wenn auch nicht weit weg von hier. Die Wohnung ist überdurchschnittlich groß und wird frisch möbliert und hergerichtet."


    Hier lächelte er kurz Spinther zu.


    "Ich lebe allein. Keine Frau, keine Kinder. Und keine weiteren Sklaven. Im selben Haus gehört mir ein Lokal. Die Caupona Flora, die verpachtet ist. Ich war lange in der Provinz und gewöhne mich erst wieder hier ein. Ich bin ein Iulier, habe mit meiner Sippschaft aber wenig zu schaffen. Ich bin durchaus wohlhabend, was sich kürzlich erst wieder etwas verbessert hat."


    Hier folgte ein weiteres Lächeln gen Spinther.


    "Du würdest also bei mir wohnen. Allein. Du würdest Kochen, Waschen und Putzen. Ich würde Dich auf Botengänge schicken und meine Briefe schreiben lassen, wenn ich das mal nicht selber tun möchte. Ob Du meine Bücher führen wirst, weiß ich selber noch nicht. Möglicherweise musst Du in diesem Lokal aushelfen. Gäste bedienen. Was sagst Du dazu? Kannst Du das alles leisten? Und Dein Leben hier aufgeben?"


    Er wusste, dass sie kein Mitspracherecht dabei hatte. Sie wusste das auch. Gefragt hatte er sie trotzdem. Ihn interessierte einfach ihre Antwort.


    An Spinther gewandt, raunte er noch kurz, "Und ihre kompletten Habseligkeiten und entsprechende Einrichtung für diese Kammer, würden mit umziehen."


    Nun blickte er wieder seine neue Sklavin an.

  • Für einen kurzen Augenblick konnte der Römer erkennen wie sich die angespannte Körperhaltung der jungen Silurerin auflöste. Denn die Stimme des Römers klang angenehm warm in Eireanns Ohren. Ganz im Gegenteil zu Spinthers schnarrenden Timbre. Dann war es sein Blick der Eireann instinktiv fesselte und sie seinem Blick abermals unumwunden begegnete. “Ihr wohnt in einem aufregenden Teil des Aventin? Was beherbergt dieser Teil?“ Tatsächlich war es nun Neugierde die man in Eireanns blauen Seelenspiegeln erkennen konnte. Doch noch musste sie auf eine Antwort warten. Denn ihr neuer Dominus wandte sich von ihr ab und drapierte seinen Körper auf einem der gemütlich aussehenden Sitzmöbel im Atrium.


    Die dunkelhaarige Silurerin dagegen verharrte regungslos an Ort und Stelle, auch wenn sie ihren Blick aus dem Augenwinkel in seine Richtung gleiten ließ. “Was ist es für eine Wohnung die Ihr Euer Eigen nennt?“ Hastig hervorgesprudelt, presste Eireann im nächsten Moment ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Halt! Als Sklavin stand es ihr nicht zu derartig neugierige Fragen an die hohen Herren und Damen zu richten. Und so knabberte sie für einen kurzen Augenblick auf ihrer Unterlippe herum. Als ihr neuer Dominus dann erklärte, dass er alleine lebte, keine Frau und auch keine Kinder hatte, neigte sich Eireanns Kopf leicht auf die Seite. Er war nicht verheiratet? Aber wieso nicht? War dies bei den Römern nicht gang und gäbe?


    Doch um derartige Fragen zu stellen befand sie sich auf der Hierarchietreppe auf dem untersten Treppchen, so dass sie sich diese Fragen schnell aus ihrem Köpfchen schlug. “Ein Haus mit einer angeschlossenen Taverne.“ Murmelte Eireann mehr zu sich selbst als an ihren neuen Dominus gewandt. “Was sind die Iulier für eine Sippschaft?“ Da. Erneut diese Neugierde die in ihren bläulich schillernden Seelenspiegeln zu erkennen war. Als er ihr dann zusammenfassend erklärte, was ihre Dienste als seine Sklavin wären, lauschte Eireann mit gesenktem Kopf und gespitzten Öhrchen. Diese Aufgaben unterschieden sich nicht wesentlich von den Aufgaben die sie als Sklavin des Spinther zu erledigen hatte. Und so nickte Eireann kaum merklich, wie um ihr Einverständnis zu signalisieren. Auch wenn sie wusste das ihr als Unfreie keinerlei Mitspracherecht zustand. “Was für Gäste besuchen eure Taverne? Hochrangige Gäste?“ Dabei leuchtete es kurzzeitig in ihren Augen auf. Schließlich war die dunkelhaarige Silurerin neugierig und wollte neue Personen kennen lernen.

  • "Nun, es ist dort nicht so schlimm wie in der Subura, aber der Palatin ist es auch nicht."


    Casca lachte.


    "Meine Wohnung liegt im ersten Stock. Große Fenster. Genügend Räume. Die anderen Mieter muss ich noch kennenlernen. Mal sehen wie die sind, da Spinther sie ausgesucht hat, denn ihm gehören die anderen Wohnungen im Haus."


    Er beantwortete die Frage, obwohl er Eireann ansah, dass ihre Neugier mit ihr durchgegangen war.


    Bei der Frage zu seiner Sippschaft musste er erneut lachen. Sie gefiel ihm.


    "Mein lieber Quintus. Da hast Du Dir ja ein Früchtchen herangezogen. Aber um Deine Frage zu beantworten. Es ist so, dass mein Zweig der Iulier nicht vom großartigen Diktator Gaius Iulius Caesar abstammt, sondern dem plebejischen Geschlecht der Iulii Caepiones entstammt, die jedoch das Bürgerrecht durchaus von Caesar erhalten hatte, ursprünglich aber .... griechische Zwiebelbauern gewesen waren."


    Ob es der Wein war oder die anregenden Antworten der Sklavin, jedenfalls war Casca zunehmend milder gestimmt.


    "Was die Taverne angeht, muss ich gestehen, dass ich selber noch nicht wirklich dort zu Gast war. Ich bin quasi gerade erst aus Hispania zurückgekehrt. Aber wenn ich die Lage bedenke und den riesigen Türsteher .... würde ich dort keine Consuln erwarten, mein Kind."


    Casca hatte sich entscheiden, er würde sie behalten.


    "Spinther, mein Bester. Ich mache Dir folgenden Vorschlag. In Anbetracht des feinen Duftes, der sich in Deinem Domizil verteilt, lade ich mich bei Dir zum Essen ein. Weiter denke ich, da meine Wohnung bis dato leer ist, würde ich auch bei Dir nächtigen. Im Gegenzug nehme ich Dein Angebot Eireann betreffend an. Beim Essen kann sie gleich das erste Mal ihrem neuen Dominus dienen. Was denkst Du?"


    Spinther schaute selbstgefällig. Offensichtlich war er der Ansicht diesen Schlagabtausch gewonnen zu haben und mit der Abgabe von Eireann besser weggekommen zu sein. Casca dagegen war es mittlerweile gleich.


    "So soll es sein." verkündete Spinther. "Lasst uns essen."

  • Schweigend lauschte Eireann dem gesprochenen Wort ihres neuen Dominus. Er erzählte etwas von Subura und Palatin. Hm… offensichtlich war ihr neues zu Hause keine Kloake, aber auch kein Palast. Reimte sich die junge Silurerin zusammen. Diese Gedanken behielt sie jedoch für sich, und konzentrierte sich stattdessen auf die Stimme ihres neuen Dominus. “Euer Heim.. mein neues zu Hause beherbergt mehrere Zimmer mit unterschiedlichen Menschen?“ Was hatte dies zu bedeuten, wenn ihr neuer Dominus doch keine Gemahlin oder Kinder sein Eigen nannte. Ah. Da war auch schon die Antwort auf ihre Frage. Spinther hatte die Mieter für die anderen Zimmer ausgesucht. Und ihr neuer Dominus kannte diese Menschen auch noch nicht? Das konnte ja noch wirklich äußerst interessant und witzig werden, sollte ihrem neuen Dominus die neuen Untermieter nicht gefallen.


    Dann begann der Römer über seine Familie zu erzählen.. genauer gesagt über den Zweig seiner Familie. Er stammte also nicht vom ehemaligen Diktator des römischen Reiches ab. Stattdessen gehörte seiner Sippschaft Zwiebelbauern an. Z w i e b e l b a u e r n? Hatte sie seine Worte gerade richtig verstanden? “Griechische Zwiebelbauern?“ Kicherte die Dunkelhaarige, wobei es spöttisch in ihren Seelenspiegeln aufblitzte. “Und jetzt seid ihr ein ehrbarer Römer und habt eine neue Sklavin an eurer Seite.“ Bei diesen Worten wanderte eine ihrer Augenbrauen in die Höhe, wobei sie ihren neuen Dominus keine Sekunde aus ihrem Blick entließ. “Ihr wisst nicht wie die Taverne aussieht und welche Gäste dort ein- und ausgehen?“ Ein leises kichern begleitete diese Worte der dunkelhaarigen Sklavin. Wobei sie es nicht vermied jenes leise Geräusch in irgendeiner Weise zu verbergen.


    Schließlich war es ihr neuer Herr der sich in der Villa des Spinthers einmietete. Zumindest für diesen Abend und dann würde es auch für Eireann in ihr neues zu Hause gehen. “Ja Dominus.“ Murmelte die Silurerin und verschwand auch schon mit gleichmäßigen Schritten aus dem Atrium. Geschwind eilte Eireann in die Küche, um der Köchin die notwendigen Instruktionen mitzuteilen. Diese schnippelte und rührte wie emsig in einem Topf herum und schien Eireann nicht zu bemerken. Angelockt von dem köstlichen Duft trat Eireann an die Köchin heran und schnupperte an der köchelnden Suppe. “Lecker. Diese Suppe duftet köstlich.“ Grinste die zierliche Sklavin und pustete sich auch schon eine ihrer dunklen Strähnen aus den Augen. Dann bekam sie auch schon ein Tablett in die Hände gedrückt; auf diesem befanden sich zwei Schalen und in diese Schalen beförderte die Köchin etwas der köstlichen Suppe. Daneben gesellte sich ein Krug Wein und zwei Becher. So konnte Eireann dieses Tablett hinaus zu ihrem ehemaligen Dominus und ihrem neuen Dominus bringen.

  • Spinther und Casca hatten das Atrium verlassen und waren in das Triclinium gewechselt. Auch wenn heute nur Casca und er hier speisen würden, war dies der entsprechende Platz. Eine vestis cenatoria dagegen und das Waschen von Füßen und Händen schenkten sich die beiden jedoch, man war schließlich unter sich. Jeder nahm am entsprechenden Platz für Gastgeber und wichtigstem Gast Platz. Alle anderen Plätze würden heute verwaist bleiben. Die Sklaven würden hinter den clinen stehen und Speisen und Getränke anreichen, fürs Fingerwaschen zuständig sein und die Servietten bereithalten. Aber Eireann war noch nicht zurückgekehrt. In der Küche waren wohl noch ein paar Dinge vorzubereiten.


    Zur Vorspeise würde es leichte, appetitanregende Speisen geben. Casca hoffte auf eine wohlschmeckende Variation von Eiern, die traditionell zu Beginn gereicht wurden. Am meisten freute er sich aber auf den Mulsum. Er war geradezu versessen auf diesen Honig-Wein.


    Sowohl der Wein, als auch das anregende Geplänkel mit seiner neuen Sklavin hatten ihn wirklich in versöhnliche Stimmung versetzt. Irgendwie vermutete er, dass genau das Spinthers Absicht gewesen sein könnte.


    Um aus den Grübeleien herauszukommen und um die Zeit zum Essen zu überbrücken versuchte Casca sowohl das Verhältnis zu Spinther wieder etwas zu kitten, als auch diesen auszuhorchen.


    "Weißt Du Quintus, ich wäre wirklich nicht so auf Dich losgegangen, wenn ich hier alles normal vorgefunden hätte. Aber wie bist Du bloß auf die Idee gekommen, mich so zu hintergehen? Dir musste doch bewusst sein, dass ich das nicht durchgehen lassen konnte."


    Spinther nahm einen langen Schluck aus seinem Weinkelch, den er mit ins Triclinium genommen hatte. Über den Rand schaute er Casca lange an.


    "Mein lieber Marcus. Ich habe stets bewundert, wie die Götter Dich immer geschützt haben, während Du durchs Leben gehst. Obwohl Du sie nicht einmal besonders ehrst. Ich will zugeben, dass dieses Leben Dir auch bereits des Öfteren in vollem Schwung in die Fresse gehauen hat .... aber am Ende jeder Schlammpfütze, durch die Du musstest, wartete irgendwie immer eine Truhe Gold auf Dich. Du musst wissen, dass es nicht jedem von uns vergönnt ist, derart gesegnet zu sein."


    Ein verschmitztes Lächeln konnte sich Casca nicht verkneifen.


    "Nun hör aber auf. Nachdem ich meine Praetur nun beendet habe, arbeite ich mich auf das Consulat zu. Und danach hoffe ich auf eine schöne Provinz, damit ich meinen Palast hier in Rom nicht allzu sehr vermissen werde ...... "


    Hierauf ließ Casca einen mehr als hämischen Grunzer erklingen.


    "Marcus, bitte, ich ..."


    Er schnitt ihm das Wort ab.


    "Nein Quintus, ehrlich. Ich kenne dieses Liedchen mehr als auswendig. Du, der arme Malocher, der sich stets recken und strecken muss und trotzdem scheitert und ich der auf der Rosen gebettete Iulier, der nichts tun muss und jeden Abend die Venus zu Besuch hat....."


    Es wurde Zeit für den Mulsum, damit dessen Wirkung Cascas Laune im Zaum hielt.


    ".... das ist doch völliger Blödsinn. Lass uns mal eine Reise durch die Fakten machen. Du wohnst in der eigenen Villa. Du hast Sklaven zu viel, dass Du sie sogar verschenken kannst und Du besitzt mehrere Häuser. ICH dagegen wohne in einer nach Erbrochenem riechenden leeren Wohnung, habe seit Kindheitstagen keine Sklaven mehr und Du hast mehr Kontakt mit einflussreichen Iuliern, als ich!"


    Casca lehnte sich, leicht verstimmt, in sein Kissen zurück. Doch auch Spinther schien milde gestimmt und überging den vorwurfsvollen Ton komplett.


    "Mein lieber Marcus. Alles was Du sagst, mag ja irgendwo auch stimmen. Aber Du hast nie versucht genauer hinzusehen, wenn es Dich nicht interessiert hat. Du kannst sehr gut kombinieren und Schlüsse ziehen, doch manchmal bist sogar Du blind, Deinen geliebten Fakten gegenüber. Rom ist ein Schlangennest. Wer hier überleben will, der muss skrupellos sein ...... oder skrupellose Freunde haben."


    Casca wollte gerade etwas erwidern, als Eireann mit einem Tablett zurückkehrte.

  • Zur gustatio gab es dann tatsächlich leichte, appetitanregende Speisen, zu denen mulsum getrunken wurde. Es gab Hülsenfrüchte wie Dicke Bohnen, Kichererbsen, Erbsen und Lupinen, die hauptsächlich bei Bauern, Schmieden, Legionären und Gladiatoren beliebt waren. Es gab sogar aus Ägypten importierte Linsen. Von wegen Spinther war arm ...


    Kohl mit Essig wurde aufgetragen und Grünkohl in Salpeter gekocht. Sauer eingelegte Früchte und Gemüse wie Oliven, Lauch, Zwiebeln, Gurken, Melonen, Kapernsprossen und Kresse vollendeten den Appetitanreger.


    Während der Vorspeise ließ Casca sein Gegenüber weitgehend in Ruhe. Man sprach über Belangloses und Casca neckte seine Sklavin von Zeit zu Zeit. Doch Eireann blieb professionell und leistete tadellose Arbeit.


    Der Übergang zur mensa prima kam daher schnell.


    Obwohl ausgefallene Stücke wie Euter oder Gebärmütter junger Säue, die gerade geworfen hatten, als Delikatesse galten, konnte Casca damit absolut nichts anfangen und ignorierte dieses Angebot. Dafür stürzte er sich auf die beliebteste aller Wurstsorten, die lucanica, eine reich gewürzte und geräucherte Schweinswurst.


    Über die Sauce kamen Casca und Spinther ins Philosophieren. Der Saucenbestandteil war natürlich das Garum, auch liquamen genannt. Dies war eine aus gesalzenem Fisch, insbesondere Makreleninnereien, in einem langwierigen thermischen Prozess hergestellte Sauce. Durch Sonnenwärme lösten sich enzymatisch die proteinhaltigen Fischbestandteile im Laufe von zwei bis drei Monaten fast völlig auf. Die Lake wurde gesiebt, die Flüssigkeit als garum und der Rückstand unter der Bezeichnung alec gehandelt. Die Herstellung von garum war aufgrund der Geruchsentwicklung in der Stadt verboten. In kleinen Amphoren versiegelt wurde garum im gesamten Imperium versandt und ersetzte im Binnenland vollständig das Salz. In gewissen Mengen war Casca dem Garum sehr zugewandt. Die Hauptspeise war dadurch sich selbst genug Gesprächsstoff.


    An Obst wurden zur Nachspeise dann Trauben gegessen, wobei die ebenso vorhandenen Rosinen für ihn eine Ausgeburt des Hades waren. Daneben standen Feigen und Datteln sowie Granatäpfel in vielen Varianten, ebenso Quitten, diverse Apfelsorten und Aprikosen.


    Kuchen spielten für Casca schon immer eine größere Rolle, die honiggetränkten Weizenkuchen waren fantastisch. Daneben gab es einige Sorten von Nüssen, vor allem Walnüsse und Haselnüsse.


    Nach dem Abschluss der Nachspeise wurden Krüge deutlich weniger verdünnten Weins gebracht und die Sklaven zogen sich in die Schatten des Raumes zurück. Auch seine Eireann beherrschte diese Kunst. Nach einem tiefen Zug aus seinem Glas, versuchte Casca einen neuen Anlauf.


    "Quintus. Von welchen skrupellosen Freunden hast Du gesprochen? Hast Du Probleme?"


    Als Antwort bekam Casca viele Ausflüchte und sehr viele Flüche. Das Gespräch kam kurz danach quasi zum Erliegen. Es war klar zu spüren, wie eine schweigsame Eiseskälte in den Raum gekrochen kam. Casca konnte mit den Antworten zwar wenig anfangen, aber Spinthers Gesichtsausdruck sprach Bände. Darin lagen Abwesenheit, Scham, Geheimhaltung, aber vor allem .... Angst.


    Es dauerte nicht lange und der Abend war vorbei. Casca ging zu Bett und grübelte noch lange nach. Er hatte solches seit .... ja, eigentlich seit den Zeiten der .... der Krähe ..... nicht mehr erlebt. Schließlich kam ein unruhiger Schlaf über ihn.


    Am nächsten Morgen, machte er sich schnell und in aller Stille auf den Weg und war mürrischer und grüblerischer Stimmung. Er machte nicht viele Worte, als er und Eireann ihres Weges gingen.

  • Spinther hatte Wort gehalten. Die Handwerker hatten alle Arbeiten in und an seiner Wohnung umgesetzt. Sein Tresor war verankert, seine Wohnungstüre erneuert und sein Fenster gesichert worden. Alle Möbel waren da, auch die seiner seiner Sklavin waren gekommen und in deren Zimmer gebunkert worden. Nun saß er auf seinem neuen Schreibtischstuhl, ließ die Finger über die Lehnen gleiten und starrte ins Nichts.


    Ihn überkam Melancholie. Was waren die Fakten? Er hatte mit seinem Leben vor Hispania nichts anzufangen gewusst. In Hispania hatte er versagt. Er war nicht reicher als vorher, er war nicht wichtiger als vorher und er wusste nicht besser als vorher was er vom Leben eigentlich wollte. Er hatte keine Frau, keine Aufgabe und keiner seiner Gens hatte auch nur versucht Kontakt mir ihm aufzunehmen. Nicht, dass er es begrüßt hätte, oh nein, ganz im Gegenteil, es wäre ihm ein Graus gewesen. Aber das gänzliche Ausbleiben dessen .... war noch schlimmer.


    Wo war eigentlich Eireann? Hatte er sie zum Markt geschickt? Oder war sie irgendwo im Haus? Ganz egal wo, auch das löste sein Problem nicht. Er wusste nicht wohin. Er hatte weder ein Ziel noch eine Aufgabe, einen Sinn seiner Existenz. Da er dieses Dilemma keinesfalls jetzt und hier würde auflösen können, blieb ihm nur ein Weg offen. Es war der beliebte Königsweg aller Dilemmata. Wein .......


    Mühsam kam er auf die Beine und schlurfte die Treppe hinab. Es dämmerte bereits. Er sog kurz die Abendluft ein, musste ob des widerlichen Brodem seiner Nachbarschaft würgen und bog direkt Richtung seiner Caupona ab. Von dort kamen bereits laute Zechergeräusche. Der Fang des Tages wurde also bereits eingeholt. Zu seiner Freude, war sein Tisch jedoch noch frei. Er ließ sich schwer seufzend auf dem Stuhl nieder. Deprimiert legte er die Unterarme auf den Tisch und richtete den Blick in den Raum hinein.


    Am Tresen saßen scheinbar hauptsächlich Einzeltrinker. An einem Tisch sah es nach einer Gruppe Handwerker oder etwas ähnlichem aus. Zwei Händler schienen sich angeregt zu unterhalten. Doch das Hauptaugenmerk zog sicher ein Doppeltisch mit Soldaten auf sich. Denn das waren sie zweifelsohne. Der ganze Habitus des Rechthabens und Mehrwertseins trof ihnen aus allen Poren. Ob es jetzt Urbaner oder Praetorianer oder Legionäre oder diese Wichtigtuer von den Vigiles waren, war Casca gleich. Meist brachten sie sowieso nur Ärger. Noch spielten sie mehr oder minder friedlich Würfel.


    In der Ecke erblickte er Dracon. Er würde seine liebe Mühe mit den Soldaten haben, wenn diese zu randalieren begännen oder Flora betatschten. Das war das große Problem in Rom, wenn man Ärger mit Cingulumträgern hatte. Entweder wurde die Ordnungsmacht alarmiert und es erschienen als vermeintliche Hilfe dann eher Verstärkung für die Unruhestifter in Person von deren Kameraden oder es kamen rivalisierende Einheiten, die sich hassten wie die Pest und der Ärger wurde größer als vorher.


    Endlich fand sein Blick den von Luria Flora. In akzeptabler Zeit erschien sie an seinem Tisch.


    "Salve Marcus Iulius Casca. Was darf es sein? Ein traditionelles Abendessen?"


    Der unterschwellig herablassende Ton machte Casca bereits rasend.


    "Nein ........ ich habe heute nur Bacchus zu Gast. Und der verlangt Wein. Einen nicht enden wollenden Strom."


    Er hatte wohl zu bissig geklungen. Denn Flora machte kommentarlos kehrt und ging zum Tresen zurück.


    Ihm war es gleich.

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