Tja, da war ich schon wieder. Oder wie ein alter Kollege und Kumpel immer zu sagen gepflegt hatte: Here I go again on my own. Ja, und ich lächelte dabei. Kaum hörbar summte ich diese blöde Melodie vor mich her, weil mir der bescheuerte Text einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
Von hier oben sah die Welt nicht ganz so schlimm aus, sagte ich mir immer. Das tat ich meistens, um mich selbst zu beruhigen. Diesmal aber fühlte ich mich wirklich ziemlich gelassen. Keine Spur von Angst oder Aufregung. Ich konnte ja eh nichts daran ändern, was gleich passieren würde. Et kütt, wie et kütt. Et hätt noch immer jot jejange, hatte der alte Jupp, ein Sklave, der früher mal in Colonia Agrippinensum den Leuten die Haare geschnitten hatte, immer gesagt. Vielleicht war es auch einfach die Routine, die ich inzwischen gewonnen hatte. In Sachen Sklavenmarkt war ich ja schließlich schon eine Widerholungstäterin. Also lächelte ich weiter und summte so vor mich hin.
Hin und wieder schaute ich nach unten und beobachtete die Leute. Diesmal war ganz schön was los. Der Sklavenhändler versprach sich offenbar ein feines Sümmchen mit mir zu verdienen, wenn er mich zu dieser Stunde aufs Podest brachte. Wenn Fortuna heute ihren Tag hatte, ging vielleicht sogar seine Strategie auf. Ein paar fette Geldsäcke mit schütterem Haar hatten sich zumindest schon mal unters Publikum gemischt und überlegten noch, was sie alles mit einer wie mir anstellen konnten. Ein junges Madämchen schaute fragend zu mir hoch. Wahrscheinlich kam sie mit der Tatsache nicht klar, dass ich lächelte. Einfach so. Vielleicht dachte sie auch nur, ich hätte gehörig eine an der Klatsche. Sollte sie doch denken, was sie wollte! Aber wieso sollte ich auch nicht lächeln? Ich wusste, was hier gleich passierte. Wie gesagt, ich gehörte schon zu den alten Hasen. Gleich würde ich mal wieder den Besitzer wechseln. Zum x-ten Mal also, wie oft konnte ich gar nicht so genau sagen.
Zugegeben, in meinem Leben hatte es nie eine längere, geschweige denn eine konstante Periode gegeben, in der ich bei einem einzigen Herrn gelebt hatte. Immer wieder gab es etwas, weswegen man mich zurückgab, weitergab oder weiterverschenkte. Beim fünften Dominus hatte ich aufgehört zu zählen. Wie hieß es dann immer so schon? ‚Wegen unüberbrückbarer Differenzen muss ich mich leider von dir trennen, Grian!‘ Ja, ja ich weiß schon! Vielleicht war ja wirklich etwas dran, was alle sagten. Ich sei nervig und taktlos, hätte ein Schandmaul, das mich sicher eines Tages noch ans Kreuz bringen würde. Na sicher. Bisher hatte es auch gut ohne Kreuz geklappt und meine Zunge war auch noch an Ort und Stelle. Außerdem verbreitete ich ja keine Lügen sondern begnügte mich lediglich mit der Wahrheit. Was war also falsch daran, ehrlich zu sein?! Es war ja nicht mein Problem, wenn manche Leute die Wahrheit einfach nicht vertragen konnten.
Oh, für einen kurzen Moment hielt ich inne in meinem Gesumme, denn es tat sich etwas. Der Sklavenhändler trat auf den Plan. Ein langes schmales Elend, kurz vor der Haltbarkeitsgrenze, mit maximal noch vier krummen Zähnen im Maul und deshalb auch mit widerlichem Mundgeruch, dass die Fliegen nur so ihre Freude hatten. Er grinste mich anzüglich an, bevor er sich dann an seine Kundschaft wandte.